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Woche- lall für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenleyn und die Umgegenden. Amtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Madtrath daselbst. ^7 9. Freitag, den 31. Januar 1873. Verordnung, Maaßregeln gegen die Rinderpest betreffend. Nachdem seit dem letzten in der Nähe der sächsischen Grenze in Böhmen vorgekommenen Ninderpestausbruche ein Zeitraum von drei Wochen abgelaufen ist, hat das Ministerium des Innern beschlossen, die unter dem 19. November vorigen Jahres für die Grenze von Ober wiesenthal bis Hellendorf angeordnete vollständige Grenzsperre und den zur Ucberwachung dieser Maßregel gezogenen militairischcn Cordon vom 27. dieses Monats an wieder aufzuheben. Es werden daher die Verordnungen vom 14. und 19. November vorigen Jahres, den Ausbruch der Rinderpest in Böhmen betr. hiermit außer Kraft gesetzt. Da jedoch in dem nordöstlichen Theile von Böhmen die Rinderpest noch nicht völlig erloschen ist, so dürfen auch ferner bis auf Weiteres aus Böhmen nach Sachsen nicht ein- und durchgeführt werden:' Rindvieh aller Art, Schafe und Ziegen; ferner frische (auch gefrorne) Rindshäute, Hörner und Klauen, Fleisch, Knochen, Talg, wenn letzteres nicht in Fässern, ungewaschene Wolle, welche nicht in Säcken verpackt ist, und Lumpen. Schweine dürfen nur in Etagewagen eingeführt werden. Zuwiderhandlungen gegen vorstehende Bestimmungen werden nach § 328 des Neichsstrafgesetzbuchs mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bezichcndlich bis zu zwei Jahren bestraft. Dresden, den 25. Januar 1873. Ministerium des Innern. v. Nostitz-Wallwitz. Jochim. Tagesgeschichte. Dresden, 27. Januar. Für den Exkaiser Napoleon hat der hiesige Hof (dem für das Ableben von Kaisern und Königen gelten den Regulative gemäß) gestern auf drei Wochen Trauer angelegt. — Es bestätigt sich, daß die Regierung beschlossen hat, das Volks schulgesetz zu pübliciren, da in der 2. Kammer nicht die nach Z 92 der Verfassungsurkunde zur Verwerfung erforderliche Zweidrittclma- jorität, sondern nur eine Majorität von 4 Stimmen gegen dasselbe gestimmt hat. Der Stadtrath von Dresden hat die Errichtung eines Sieges denkmals auf dem Albertplatz in Form eines Obelisk in Vorschlag gebracht. Die Namen der im letzten Kriege gefallenen Dresdner sollen darauf verzeichnet werden. Freiberg. Der „F. A." berichtet: Als ein Beweis, daß auch in unserer Gegend die Wilddieberei geübt wird, mach folgender Vor fall dienen: Der Unterförster Petasch in Niederschöna ging am Sonn tag früh mit dem Zeichenschläger in den Wald. In demselben stießen sie auf zwei anständig gekleidete Männer, von denen der eine mit einem Gewehr bewaffnet war, das er auf den Unterförster an- legte. Unerschrocken that Letzterer ein Gleiches und rief den Wild dieben zu die Gewehre wegzuwerfen, sonst würde er schießen. Die darauf die Flucht ergreifenden Männer wurden von Herrn Petasch verfolgt und auch wirklich einer von ihm festgehalten. In diesem Augenbilcke ertönte aus dem Dickicht der Zuruf: „Laß ihn los, oder ich schieße!" Kurz.darauf blitzte es auch wirklich aus dem Gebüsch nnd der Schuß erfolgte ohne glücklicherweise den pflichttreuen Be amten, der sofort wieder sein Doppelzeug in das Gebüsch abfeucrle, zu treffen. Den Augenblick der Bestürzung wahrnchmend, riß sich der Wilddieb los und entschwand sofort den Augen des Försters. Leider ist es bis jetzt noch nicht gelungen, die Thätcr zu erörtern. Leipzig, 27. Januar. Der gestrige Sonntagsmorgen wurde durch das die Straßen durchlaufende Gerücht, daß in der Nacht zu vor auf dem Markte ein junger Mann erstochen worden sei, auf Peinliche Weise getrübt. Leider bestätigte sich bei näherer Erkundig ung diese Nachricht dahin, daß beim Heraufkommen aus dem am Markte gelegenen, des Nachts sehr frequentirten Schwarze'schen Bier keller ein 22 Jahre alter, von seiner Geliebten, einer hiesigen Näherin, begleiteter Holzbildhauer mit anderen jungen Leuten, welche sich einige Frechheiten gegen das Mädchen erlaubt haben sollten, in Streit ge- rathen war, dabei ein Einschlagemesser gezogen und dasselbe einem seiner Gegner, einem I9jährigeu Markthelfcr, in die Brust gerannt hatte. Obgleich die ziemlich stumpfe Waffe nicht tief eingedrungen war, ist der Getroffene doch sofort zusammengebrochcn und auf dem unmittelbar nach der That bewirkten Transport nach der nahegelegenen Polizeiwache verschieden. Dein Vermuthen nach ist das Herz oder eine der großen Arterien getroffen gewesen. Der Thäter, welcher bis dahin unbekannt war, hatte mit seiner Begleiterin die Flucht ergriffen, er ist aber gestern bereits von der Polizei ermittelt und verhaftet worden. Wie erzählt wird, soll er sich, als er vernommen, daß die Polizei auf ihn, als den Thäter, fahnde, selbst gestellt haben. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: „Die vielfachen ernsten Auf gaben, welche des Reiches warten, machen es nothwendig, daß der Reichstag im Monat März zusammentritt. Bis dahin dürfte der preußische Landtag zu einem Abschluß seiner Session, die von hervor ragender Wichtigkeit ist, allerdings nicht gelangt sein; es ergebe sich also eine unliebsame Collission. Aber die Arbeiten des Reichstags dulden leinen Aufschub. So schwierig, namentlich für diejenigen Ab geordneten, welche durch Uebernahme von Mandaten in beiden Körper schaften freilich ihrer eigenen Leistungsfähigkeit ein. gewisses Zeugniß ausgestellt haben, das Nebencinandertagen.von Reichstag und Land tag in Berlin unzweifelhaft sein wird, so ist es doch nicht unausführ bar, liegt doch keine Unmöglichkeit vor. Und an den Gedanken wer den wir Deutsche uns zu gewöhnen haben, daß das Reich die Vor hand hat und daß die partikularen Interessen, selbst wenn sie so werthvoll und von so allgemeiner Bedeutung sind, wie die von unserem Landtage gegenwärtig wahrzunehmenden, nicht im Vorder gründe der Entscheidung sich bewegen. Gerade wir Preußen wollen damit ein Beispiel geben, daß uns in erster Linie Deutschland steht und in zweiter Linie Preußen. Wenn wir dem Reiche die Ehre geben, die es erfordert, dann wird solchem Beispiel zu folgen sich kein deut scher Staat versagen wollen. Was dagegen Preußen nicht leistet, das wird man von dem kleinsten Staate nicht verlangen dürfen, noch durchsetzen können. So bewähre sich denn das alte Sprichwort: „Deutschland über Alles." Unter den Gründen, weshalb der deutsche Reichstag bis zum 10.'März berufen werden soll, steht nicht an letzter Stelle die finan zielle Lage des Reiches, d. h. nicht sein Mangel, sondern sein Ueber- fluß an Geld. Bekanntlich ist von Frankreich die dritte Milliarde im December vollständig abgetragen, von der vierten Milliarde sind am 16.—18. Jannar 150 Millionen bezahlt, und weitere monatliche Raten von 200 Millionen sind, wenn auch nicht offiziell, in Aussicht gestellt. Man hofft in Frankreich, bis Ende Mai die vierte Milliarde getilgt zu haben, und trügt sich in neuester Zeit mit dem Gedanken, auch für die fünfte Milliarde statt der Garantien Baarzahlung zu leisten. Wenn auch die letztere Absicht wohl nicht fo rasch ausge führt werden wird, so sind doch sehr bedeutende Summen theils im Besitze der Neicksregierung, theils in Aussicht, über welche durch Neichsgcsetz verfügt werden muß. Es handelt sich zunächst um die Anweisung der Mittel für die allgemeinen Reichszwecke (z. B. Sorge für die Kriegsinvaliden). Der Reichstag wird also mit höchst be deutsamen Finanzvorlagen zu thun bekommen.