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Adorker Wochenblatt. Mittheilungen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Sechzehnter Jahrgang. «reit für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung de« Blatte« durch Botcngelegenbeitr 22 Ngr. L Pf. 8. Mittwoch, IS. Februar 1851. Drei Tage aus dem Leben eines sächsischen Volksvertreters. III I8S». (Fortsetzung.) W«r haben schon angedenlet, daß die Regierung bi§ dahin entschlossen war, die bis zu einem gewissen Grade unbedingt nothwendige Reaclion auf constitu- tioneUem Wege herbcizuführen. Wollte sie dies, so mußte sie natürlich auch die Mittel wollen, d. h. sie mußte sich mit dem gewählten Landtage — der oben drein (wie wir gesehen Haven) Surch ihre ciaene Schuld oppositioneller geworden war, als sie wünschte — zu vertragen suchen. Ein gegenseitiges Entgegenkommen war dazu vor allen Dingen notdwendig. Der Land tag that daS Seine, indem er derRegicrung nicht nur die gewünschten Verwilligungen mit großer Mehrheit vo- tirte, sondern auch wegen der, ohne ständische Geneh migung bereits ausgeschriebenen Steuern die nölhige Lndemnisation erlheille. ES hat auch der Herr Fi- nanzminister noch auf jetzigem Landtage diesen Schritt gebührend gewürdigt, indem er sich dahin aussprach, daß daS Land an den Rand des Verderbens habe ge- bracht werden können, wenn nicht damals jene ein sichtige Majorität den Umständen Rechnung getragen hatte. Was that aber andererseits die Regierung? Sie that nicht nur keinen versöhnlichen Schritt, son dern sie trat vielmehr — jedoch anfänglich mit Aus nahme der Herren Minister Behr u. ».Friesen — dem Landtage auf sehr schroffe Weise entgegen. Frei lich lag diese Schroffheit oft nicht in den Worten, ober sie lag in den Geberden, in dem Lone und in dem ganzen Verhalten überhaupt, gerade wie wir dieö umgekehrt an dem vorherigen Landtage dem Ministe rium gegenüber zu rügen gefunden hatten. Am deutlichsten zeigte sich die-, als der Landtag fast einstimmig um Aufhebung deS Belagernngözustan- des und um eine beschränkte (nicht etwa allgemei ne) Amnestie bat. Man kann verschiedener Ansicht darüber sein, ob es zweckmäßig war, daß gerade die rechte Seite diese Bitten anregte, aber DaS— soll ten wir meinen — könnte nicht zweifelhaft sein, daß die Regierung, wenn sie sich einmal mit dem Landtag« vertragen wollte, einen solchen einstimmigen Wunsch nicht auf so schroffe Weise hatte zurückweisen sollen. Wir bemerkten oben, daß es dem Landtage gegenüber nur darauf angekommen wäre, die noch hochgehenden Flulhen auf geschickte Weise zu glätten. Von dieser Ansicht war nun eben die rechte Seite ausgcgangen; sie hielt — um die gemäßigte Linke heranzuzichen und sie für anderseitige billige Wünsche geneigt zu mache, — einen versöhnenden Schritt für nothwendig und glaubte zugleich, daß der Antrag von ihrer Seite eS der Regierung leichter machen müsse, darauf tinzuze» hcn. Daß aber letztere überhaupt darauf eingchen konnte, hat die Folge bewiesen. Denn das Mini sterium hob später wenige Wochen nach seiner abschläg. lichen Antwort und unter Umständen, wo eS weit de- denklicher hätte erscheinen müssen, den Belagerungs zustand freiwillig auf und ebenso sind nach und nach Tausend« begnadigt worden, nur daß dies nicht durch einen einzigen großen Act der Verzeihung ge schah, wie dies die Kammern gewünscht. Nach solchen Vorgängen konnte eS kein Wunder nehmen, daß auch die Kammern nach und nach ein« schroffere Haltung annahmen. Dazu kam, daß die Regierung von den versprochenen Reformgesetzen we nig oder nichts vorlegte. So waren in der Thron rede Gesetze zur Ausführung der Grundrechte und na- mcntlich eine Reform des Strafrechts, deS Strafpro zesses und der Strafanstalten, ferner Gesetze über die vollständige Trennung der Verwaltung von der Rechts pflege und eine neue Organisation der Verwaltungs behörden, weiter eine wesentliche Verminderung der Pensionslast, sodann ein Gesetz über völlige Gleich stellung der Rittergüter mit dem übrigen ländliche, Grundbesitz und Beseitigung de- letzten Restes der Feudallasten, al-dann eine Revision der Gemeindeord nung, eine Reform deS MedizinalwesenS, eine neue Gewerbeordnung und Credilinstitute für die kleine, Gewerbtreibenden und Grundbesitzer, und endlich ein neues Schulgesetz und Vorlagen über die Angelegen heiten der Kirche, insbesondere Gesetze über die Wahl von Kirchenvorständen, über die Revision deS Paro» chialgesetzeS und über die Aufhebung der bisherigen