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Zweites Blatt. WnM Uchen. Menlehn und die Umgegenden. Imlsblull für die Rgl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und Mar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnserüonspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. < nick Perlaa von Martin Berger m Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. «o. 117 Sonnabend, den 3. Oktober 189«. Ium 18. Sonntage nach Triuitatis. Psalm 33, 12: Wohl dem Volk, des der Herr sein Gott ist; das Volk, das er. zum Erbe er wählt hat. Wahrhaftig, wohl dem Volk, des der Herr sein Gott ist! Es ist das Unglück reichbegabter Nationen, wie einst Israel eine war, wie das deutsche Volk eine ist, daß sie von ihrem himmlischen Könige sich wenden in unbegreif licher Verblendung und eigene Wege suchen. Statt aus der ewig lebendigen Quelle zu schöpfen, die alles Dursten stillt, machen sie sich löcherichte Brunnen, die doch kein Wasser geben oder nur fades, abgestandenes Wasser, das auf die Dauer keinen Durstigen befriedigt. Außer Gott, dem guten, treuen, barmherzigen Gott, giebt es keinen Frieden, auch für die Völker uicht. Gott bewache unsere Fürsten, den Träger der Kaiserkrone voran, daß sie mehr als den Rath ihrer Gewaltigen den Rath des höchsten Herrn auf dem Throue des Himmelreichs suchen. Unser Volk wird ungeachtet alles äußeren Glanzes nur dann cme glorreiche Zukunft haben nach glorreicher Vergangen heit, wenn Gott der König der Zukunft ist; wenn es auch Von der- deutschen Nation heißen kann; sie ist das Volk, das Gott zum Erbe erwählt hat. Für einen überzeugten Christen ist es ost schwierig, einen Nicht-Christen zu begreifen und sich in seine Seele Za versetzen. Wie in aller Welt fangt ihr es doch an, durch dies mühereiche, sorgenreiche Leben zu gehen ohne eine» Führer, der eure Hand festhält? Wie werdet ihr fertig ohne eineu Mann, der eure Lebensschuld, von der euer Gewissen täglich Zeugnis; giebt, mit seinem Erbarmen Zudeckl? Wie könnt ihr ruhig der letzten Stunde entgegen gehen. die so schauerlich plötzlich über euch Hereinbrechen kann? W«s seid ihr für unpraktische Leute, die ihr über der jämmerliche» kurze» Spanne Zeit eures Erdenwauderns die lange Ewigkeit ganz aus den Augen laßt! Wie soll Es mit euch werden? Ei, was für eiue Wonne, die einen über allen Wust des Tages hiuaushebt, sich ewig geborgen zu wissen in Lottes rettendem Arm. Wie köstlich, wenn es sein muß, plötzlich zu scheiden von dieser Welt, um iu ein Reich der Liebe und des Sonnenscheins für immer einzugehen, wo Au Leid, kein Geschrei, keine Schmerzen sind und alle Thränen abgewischt sind von unseren Auge». Und bötet 'hv Königskröneu — welcher Christ möchte für ein Diadem As Bewußtsein, die Gewißheit tauschen, daß er ein Erbe dcr Heimath ist? Ans, auf, jage der Krone nach, die der ^crr, dein Heiland, verheißt, die er Jedem geben will, der dch voll Vertrauens an seine liebe Hand anlehnt. Wohl "ein Volk, des der Herr sein Gott ist, das Volk, das er Erbe gewählt hat! ^um nationalliberalen Parteitag in Berlin. Am 3. Oktober treten in der Reichshauptstadt die ^legirten der uatioualliberaleu Partei aus alleu Theilen Deutschlands zusammen, um voraussichtlich sehr eingehende sehr lebhafte Berathimgeu über die weitere Haltung M Partei in den schwebenden wichtigsten Fragen und Problemen der inneren Politik zu pflegen. Nach der be- Mit gegebenen Tagesordnung für den uationalliberalen Parteitag in Berlin wird sich derselbe n. A. mit der all- NAne» politischen Haltung der Partei, ferner mit deren ellung zu der eingeleiteten Gesetzgebung im Interesse des Merklichen Mittelstandes, zn den schwebenden Finanz- ageu, speziell zn der geplanten Reichsfinauzreform, weiter M Vereins- und Koalitionsrecht und znr sozialpolitischen ...Mgebung, zur Kirchen- und Schulpolitik zu deu land- > "WVllicheu Problemen, zu den Fragen des Fach- und g°"dudungsuuterrichts, zur Kolonialpolitik ec. zu Leschäf- -M habe». Das Arbeitsprogramm des herangenahten gAM'tentages ist also ein sehr reichhaltiges, namentlich Maoist dasselbe eine ganze Anzahl Punkte auf, hin- iiieb- Welcher innerhalb der gemäßigt-liberalen Partei vZs; "iw mehr eine unverkennbare Gegensätzlichkeit her- auck -N ist, nnd gerade aus letzterem Grunde sieht man Mmhalb der natioualliberalen Kreise den Verhand- saiin»^ "fr, Vertrauensmänner der nationalliberalen Ge- "MPartel mit Interesse entgegen. Wohl nimmt die nationalliberale Partei längst nicht mehr jene ausschlaggebende, ja beherrschende parlamentarische und politische Stellung ein, die sie während des ersten Jahrzehnts des neuen deutschen Reiches errungen hatte. Theils die Ungunst der Verhältnisse, theils allerdings auch eigene Schuld haben diese Partei von ihrer ursprünglichen glänzenden Höhe auf ein weit bescheideneres Existenzniveau zurückgeführt. Aber trotzdem ist sie auch heute noch immer von Bedeutung für das gesammte politische Tagesleben in Deutschland, noch hängen ihr breite und einflußreiche Be- völkeruugsschichteu an, in den Reihen ihrer politischen Ver treter zählt gerade die nationalliberale Partei wie kaum noch eine andere Partei Deutschlands zahlreiche glänzende Namen, und noch heute ist ihre Mitwirkung im Reichstage wie in vielen einzelstaatlichen Parlamenten bei wichtigen gesetzgeberischen Aktionen nicht zu entbehren. Darum ist es auch für die Allgemeinheit keineswegs gleichgiltig, was jetzt auf dem Berliner Parteitage der Nationalliberalen beschlossen, welchen Einfluß desseu Verlauf auf die ge sammte weitere Entwickelung der Partei des gemäßigten Liberalismus in Deutschland ausüben wird. Hauptsäch lich aber werden auf dem Parteitage die iu den national liberalen Reihen aufgetauchten Meinungsverschiedenheiten über die Zoll- und Währungsfrage, über die Forderungen der Landwirthfchaft, über die Handwerker- und sonstigen gewerbpolitischen Fragen der neuesten Zeit und über die Fortführung der Sozialreform zum Austrage kommen, und' die Art und Weise, wie dies geschieht, dürfte eben bedeut sam für die weitere Zukunft der nationalliberalen Partei werden. Jedenfalls kann man aber nur wünschen, daß die bevorstehenden Erörterungen überall diese Punkte zu eiuem Ausgleich zwischen dem rechten und dem linken Flügel der Partei führen möchten, daß also die sonst drohende Spal tung derselben vermieden bleibe. Schon im eigenen Inter esse haben die NationalMralen allen Anlaß, einer weiteren Abbröckelung aus ihren Reihen nach rechts oder links: von einer förmlichen Spaltung ganz zn schweigen, vorzu- bengeu, sie würden sich sonst fast zur Bedeutungslosigkeit in unserem parlamentarischen Leben verurtheilt sehen. Dann jedoch erscheint die Verhütung einer weiteren Schwächung des gemäßigten Liberalismus auch aus anderen Erwägungen wünschenswerth. Die nalionalliberale Partei ist die gegebene Mittelpartei, welche von selbst wie berufen erscheint, iu den sich in unserem deutschen Vaterlande hef tiger denn je bekämpfenden politischen Parteiströmungen von rechts und links zum Wohl des großen Ganzen nach Kräften vermittelnd und ausgleichend zu wirkeu, immer wieder die Freunde einer praktischen, positiven gesetz geberischen Arbeit aus deu verschiedensten Parteilagern zu sammenzuführen. Sollte auf eiumal eiue solche Partei auf eiu Minimum reducirt werden oder gar zerfallen, dann würde ein wichtiges Bindeglied zwischen den übrigen staats erhaltenden Parteien fehlen und eine erhebliche Verschärfung der Parteigegensätze würde die Folge hiervon sein. Soll jedoch die nalionalliberale Partei diese ihre Aufgabe, eiue vermittelude Partei der praktischen Arbeit zu seiu, auch fernerhin erfüllen, so ist eben die Voranssetzung hierzu, daß sie eiu ziemlich weites Programm uud hinlängliche Bewegungsfreiheit habe, daß den in ihr vertretenen ver- fchiedenartigen Elementen ein gewisser Spielraum gewährt werde. Inwieweit sich eine solche Bewegungsfreiheit, die naturgemäß vor Allem von dem wirthschaftspolitifcheu Ge biete gilt, mit dem liberalen Charakter der Partei ver einigen läßt, dies wird auf dem Berliner Parteitage end- giltig festzustellen sein; wenn es hierbei zu einer Verstän digung zwischen den Vertretern der verschiedenen Richtungen innerhalb der nationalliberalen Gesammtpartei kommt, um ö besser für letztere! Hagestsize ZmN alte Jmtgfern. Neue Plauderei über alte Motive. (Nachdruck verboten.) * „Wo ist eiu Manu und kein Weib, Da ist ein Haupt und kein Leib; Wo ist ein Weib und kein Mann, Da ist ein Leib und kein Haupt daran." (Alter Spruch.) Leider Gottes mehren sich heutzutage ungemein die Klagen darüber, daß es so viele alte Jungesellen und alte Jungfern in der Welt giebt. Das männliche Geschlecht schiebt die Schuld fast immer auf das weibliche, und darin hat es oft Recht, wie weiter unten gezeigt werden soll. Aber ein großer Theil der Schuld fällt auch auf die Männer selber. Nicht alle, die man mit dem Namen „Hagestolze" belegt, möchten es fein; viele derselben können nicht heirathen, weil ihr Einkommen ein derartiges ist, daß sie bei den heutigen theuren Zeiten sich kaum selber durchschlagen können, geschweige denn eine Familie ernähren. Es giebt ganze Beamtenklassen, die bei ihrem kargen Gehalt zu unfreiwilligem Cölibat verurtheilt sind. Manche haben ehrenwerthe Gründe, weshalb sie nicht an eine Ehe denken können oder wollen. Da hat der Eine für arme Eltern zu sorgen, ein Anderer für unmündige Ge schwister, ein Dritter hat körperliche Gebrechen u. s. w. Allen diesen ist kein Vorwurf zu machen, wohl aber demjenigen, die heirathen könnten, es aber nicht wollen, weil sie in ihrer großen Selbstsüchtigkeit lieber das Leben genießen, als für eine Familie sorgen mögen. Solche Herren verdienen es schon, daß man ihnen einmal ordentlich den Text liest. Daß die Ehelosigkeit aanz unnatürlich ist, sehen wir schon aus den Worten, welche Gott bei der Schöpfung des Weibes sprach: „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei." Die Hagestolzen begehen gewissermaßen eine große Unterlassungssünde gegen die armen, ledigen Frauen. Aber nicht nur gegen diese, sondern auch gegen das Vaterland versündigen sie sich, denn die Ehelosigkeit ist auch zugleich unpatriotisch. Der brave Familienvater hat außer seinen Berufsgeschäftev und der Sorge um das tägliche Brod noch die, 'daß er seine Söhne zu tüch tigen Bürgern, seine Töchter zu brauchbaren Hausfrauen heran bilde. Der Junggeselle hat außer seinen Berufsgeschäften, wenn er überhaupt solche hat, nur die eine Sorge, wie er seine übrige Zeit totschlage oder neue Schulden mache; denn bill z ist das Lebeip eines Junggesellen durchaus nicht, wie dieselben eS sich so gern einreden. Für seine Ausgaben kann eine kleive Familie bei bescheidenen Ansprüchen schon immer ouskomme». Solch ein Junggeselle stellt Morgens erst spät auf, macht sorgfältig Toilette und kleidet sich recht chic. Dann liest er bei einer Tafle Mokka und einer feinen Zigarre die neuesten Zeitungen um darauf auf der Promenade umherzuflaniren. Hie« auf wird gut zu Mittag gespeist, und für den Nachmittag und Abend giebt es schon genug Unterhaltung und Amüsement. Allerhand galante Abenteuer bleiben nicht aus, und darum ist die Ehe- losigküt noch unsittlich. So mancher Lebemann bringt dann in sein Alter einen verheerten Leib und eine verödete Seele und muß für seine Jugendsünden schwer büßen. Mit dem Genuß ist's nun vorbei, wohl aber fehlt's an der nöthigen Pflege. Allerdings sagen solche Leute oft zu ihrer Entschuldigung, sie hätten nie die Richtige gefunden. Das ist pure Ausrede, denn: „Wer Engel sucht in dieses Lebens Gründen, Der findet nie, was ihm genügt; Wer Menschen sucht, der wird den Engel finden, Der sich an seine Seele schmiegt." Solche Ruinen von Menschen verfallen dann schließlich dem Regiment einer Haushälterin, die schon auf die Erbschaft lauert, ja es oft noch soweit bringt, daß sie geheirathet werden muß. Und stirbt endlich der Hagestolze, so wird ihm keine Thräne nachgeweint, nur lachende Gesichter folgen seinem Sarge, und: „Kein drückender Gefühl ist, als zu wissen, Daß, wo Du gehst, Dich niemand wird vermissen, Drum danke Gott, daß Du ein Herz gefunden, Das weinen wird, wenn Du ihm wirst entrissen." Es gäbe wohl ein wirksames Mittel gegen die Ehelosig keit, und das wäre eine Junggesellensteuer, und zwar eine ge salzene und gepfefferte. Warum sollten nicht auch die Hage stolzen besteuert werden, wo doch heute fast jedes Ding ver teuert und verzollt werden muß: „Weizen, Roggen, Hanf und Wicken, Hafer, Erbsen, Gerste, Gricken, Zucker, Bier und Branntewein, Hunde, Ochsen, Echos und Schwein, Oel und Speck und Schuh' und Holz. Warum nicht auch der Hagestolz?" Herr Miquel, welcher sich ja stets mit der Steuerreform beschäftigt, würde sich durch die Einführung einer Junggesellen steuer ein unschätzbares und bleibendes Verdienst erwerben und zugleich auch ein brillantes Geschäft machen.