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MlsdmfferTageblatt Rationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ ^lls „Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr, Bezugspreis monatlich 2,— 2iM. frei Haus, bei PoftbesteUung 1,80 NM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Äpsg. Alle Poftanftallcu, Post- ooten und unsere Aus» träger und GejchaftssteUen nehmen zu jederzeit Be- sUk U. ftellungen entgegen. Halle höherer Gewalt, " Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht Keir» Anipruct aus Girierung der / eitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke ersolg, nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum/ Beamte/ Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile 20 Rpsg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Reichs pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebühr 20 Reichspsennig», Dor-- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 LLN'W anvahmt bisvoim.lVUHr. Für die Richtigbeit de» durch Fernruf LLcrmiiieNeu Luzeiseu Lderu. wir keine E-rantie. Jeder»adaiianiPinch kiUftii.wenn Ler Leirag durch Klage eiugezogeu werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 61 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden LE Sonnabend, den 12. März 1932 Lanz der Schemen. Tie „Vereinigten Völler Europas" — Donauphantasien — Welke Blumen. Ein Mann, der selbst eine ganze Reihe von Jahren hindurch „Geschichte gemacht" hat, ist nun selbst Geschichtt geworden. Briands, des Toten, Feinde gaben alter dings schon vor seinem physischen, unerwartet gekonn menen Hinscheiden zu verstehen, daß er ein politisch toter Mann sei. Aber Briand selbst hat offenbar gar nich! daran gedacht, sich „für tot erklären zu lassen", sondern er zog nnt seinem Rücktritt vom Amte des Außenministers nur die Folgerungen aus seiner tatsächlichen Einfluß losigkeit, um sich für die erhoffte Zeit einer durck Neuwahlen veränderten politischen Konstellation aufzu sparen. Doch der Tod machte ihm einen Strich durch seim Rechnung, ebenso wie dies mit dem geschehen ist, was er und viele andere als „das Werk Briands" bezeichne, haben. Wenn man sein Wirken und das Ziel seines politischen Handelns etwa seit 1924 zusammenfassen will so darf man vielleicht sagen: Briand wollte das „Glück' und sie „Harmonie" der Völker Europas, — aber im Rahmen und in den genau festgesetzten Grenzen, die vor allem der Versailler Frieden gezogen hat. Ei war viel zu sehr Franzose, um nicht von vornherein des festen Glaubens und der unerschütterlichen überzeugunc zu sein, daß jenes „Glück" und jene „Harmonie der Ver^ einigten Völker Europas" allein unter den Fittichen der französischen Vorherrschaft möglich sei. Er ge riet — wie in Paris und Gens nach der Veröffentlichung des deutsch-österreichischen Zollunionsplanes — geradezu in Wut und tobenden Zorn darüber, daß Deutschland siH unter jenen Fittichen alles andere als wohl fühlte, einen „eigenmächtigen", selbständigen Schritt tun wollte Was daher Briand unter der von ihm sehr ernst haft gemeinten französisch-deutschen „Versöhnungspoiitik' verstand, war also doch nur — man verzeihe der Vergleich! — die „Verständigung" zwischen Wolf und Schaf und — wehe Deutschland, wenn es dem Wolj das Wasser trübte! Allerdings hat Briand nie mals „Wolfs"manieren ä la Clemenceau und PoincarL gezeigt, er war verbindlich im Wort, aber doch unerbittlich hart in der Tat. Wenn man also von der „Tragik" seines politischen Wirkens sprechen darf, so liegt sie gerade in jenem Ziel selbst, das er sich setzte und von dem oben ge sprochen wurde. Die Harmonie der Veruneinigten Völker Europas läßt sich eben nicht im Rahmen des Versailler Friedens und unter der französischen Hegemonie erringen. Der wirkliche Friede in Europa vermag sich auf der Spitze der französischen Bajonette nicht für längere Zeit zu halten. Und so ist, wie Briand jetzt selbst, auch sein politisches Ziel zum Schemen geworden. * Briands politische Nachfolger, die Lavals und Tardieus, ließen den ersten Teil jenes Satzes über haupt fort und beschränken ihr Wirken auf die Festigung der f r a n z ö s i s ch e n V o r h e r r s ch a f t und des Ver sailler Vertrages! Aus der Isolierung, in die Frankreich dadurch geriet und die sich auf der Genfer Ab- ckistungskonferenz überaus drastisch zeigte, machte Tardieu einen Vorstoß ins Donaubecken hinein, um allerdings sehr bald erkennen zu müssen, daß auch er mit der Beiseite schiebung Deutschlands einem Schemen nachjagte. Aus den Antworten, die dein französischen Ministerpräsidenten Italien und England gegeben haben — »ach Tar- dieus Erklärung hätten sie angeblich seinen Vorschlag von bornherein unterstützt! —, kann man nach Belieben ein Ja oder Nein hcrauslesen, bestimmt aber das eine: ohne Deutschland ist die ganze Geschichte überhaupt nicht Zu machen! Vielleicht noch ein zweites: die Donaustaaten "uch nur wirtschaftspolitisch unter einen .Hut — selbst einen von Frankreich dick vergoldeten — zu bringen, ist an sich schon fast eine Unmöglichkeit! Stark traten auch sofort die besonderen Beziehungen hervor, die von Rom aus mit Wien und Budapest angeknüpft worden sind und die Rm zu der Empfehlung Italiens führten, der erste schritt im Donaubecken solle eine schnelle finanzielle Hilse für Österreich und Ungarn und der zweite die Herbei führung einer engen wirtschaftspolitischen Verbindung dieser beiden Länder sein. Denn sie hätten am stärksten unter der europäischen Wirtschaftskrise zu leiden. Wenn der naive Zeitgenosse nach den Gründen dieses stärksten Vetroffenseins fragt, so merkt er bald, welch' geradezu ungeheuerlichen Witze die Weltgeschichte machen kann, um sich für die Mißhandlung zu rächen, wie sie durch die — Zertrümmerung des Habsburger Donau reiches an der Geschichte verübt worden ist! * Eine Erinnerung taucht aus. In den letzten Monaten des Weltkrieges standen an der Westfront auch österrei- chilcye Truppen, und als sie nun in den trüben November- mgen zurück gen Osten über den Rhein der zerschlagenen vcimat zu gezogen sind, kamen sie durch das alte Speyer zum Dom, wo die Sarkophage der deutschen Kaiser des Mittelalters stehen. Und da haben österreichische Offiziere einen Strauß Herbstblumen aus den Sarg Rudolfs v.o n H a b Z b u l) niedergelcgt, der fast 750 Jahre zuvor die lange Reihe der deutschen Herrscher aus jenem Hause eröffnet hatte. „Dem ersten Habsburger auf dem deutschen ^yron — dte letzten Österreicher" widmeten sie Vie enllcheickenckr Stuncke. Wen soll ich wählen? An alle, sie keine Wahlreden hören wollten! Wen soll ich wählen? So werden sich viele am Sonn tag morgen fragen, die bis jetzt sich darüber noch nicht klar geworden sind. Die Antwort läßt sich nun nicht weiter hinausschieben, nun ist's vorbei mit dem Mundspitzen, nur. muß gepfiffen werden, wie ein alter Volksspruch sagt. Jetzt heißt's die Antwort geben und den Wahlzettel in die Urne Wersen. Wie bei jeder Wahl, wird es natürlich auch diesmal viele geben, die sich um die Entscheidung einfach herumdrücken, die einen aus Leichtsinn, aus Gleichgültig keit, Faulheit und Bequemlichkeit, die andern aus Ver ärgerung, aber viele auch, weil sie sich nicht anders aus der Gewissensklemme zu retten wissen. Sie alle werden sich mit der so oft gehörten Redensart helfen: Auf meine Stimme komm« es doch nicht an. Das ist ein alter Un sinn, der Unsinn bleibt, auch wenn er hundertmal wieder holt wird, denn in Wahrheit kommt esausjede ein zelne Stimme an. Also noch einmal die Frage: „Wen soll ich wählen?" Bevor man sich eine Antwort gibt, muß man erst einmal darüber im klaren sein, worum es eigentlich bei der Präsidentenwahl geht. Es handelt sich da nicht einfach darum, daß diese oder jene Persönlichkeit in den nächsten sieben Jahren den Titel „Reichspräsident" bekommt und in dem schönen Palais in der Wilhelmstraße in Berlin wohnt, wo die Doppel posten vor dem Tor stehen. So einfach liegt die Sache nicht. An diesem Tage geht es um etwas anderes, da soll jeder klar und eindeutig sagen, wie er über die Politik der letzten Jahre denkt und soll mitbestimmen, wer in Zu kunft am Steuer des deutschen Staatsschiffes stehen soll. Wie er über die Politik der letzten Jahre zu urtei len hat, mutz heute schließlich jeder wissen, und wer den Mut nicht hat, dies in aller Öffentlichkeit zu tun, der Hal ja jetzt am 13. März Gelegenheit, geheim durch die Abgabe des Stimmzettels seine Meinung niederzulegen. Wer sich nun die Antwort gegeben hat, wie er über die Politik der letzten Jahre denkt, soll sich dann d i e Kandi daten b e t r a ch t e n, die als Bewerber für den Reichs präsidentenposten ausgestellt sind. Da steht an erster Stelle der bisherige Reichspräsident, der alte Generalfeld marschall von Hindenburg, der Sieger von Tannenberg. Sieben Jahre lang steht er schon als Reichspräsident an der Spitze des Reiches und hat seinen Ramen unter die Gesetze geschrieben, die tief in das Dasein jeder Familie eingriffen. Wer tritt für Hindenburg ein? Diejenigen, die an der Macht sind, und die in den letzten Jahren die Politik gemacht haben. Sie alle stehen hinter Hindenburg, an der Spitze der Kanzler Brüning, der im Rundfunk und in zahl reichen Reden für die Wiederwahl Hindenburgs gesprochen hat. Auch die Sozialdemokraten, die einst den alten Generalfeldmarschall wütend bekämpften, treten heute für ihn ein, nicht ans Liebe für ihr, wie sie offen sagen, sondern aus Hatz gegen Hitler. Die letzten Jahre waren ein furchtbarer Leidensweg, der Mil lionen Volksgenossen in das Nichts führte. Hindenburg gegenüber stehen Hitler, Duesterberg und Thälmann. Adolf Hitler, der Nationalsozialist, Duester berg, der Stahlhelmführer, und Thälmann, der in Moskau das Heil sieht. Über Hitler und Thälmann braucht man nichts zu sagen, sie sind allgemein bekannt als Führer großer Parteien, der eine ganz rechts, der andere ganz links. Beide wollen mit den bestehenden Dingen gr ündlich ausräu m e n und etwas ganz Neues aufbauen. Zunächst mal aufräumen, das geht ja schneller und leichter als das Aufbauen. Beide haben aus ländische Vorbilder, Thälmann blickt nach Moskau, und Hitler grüßt nach Art Mussolinis. Aber beide Parteien sind sich todfeind und schwören sich gegenseitige Ver nichtung. Die Nationalsozialisten haben in vielen Tausen den von Versammlungen getrommelt und geworben, so daß es eigentlich kaum einen Ort gibt, wo Hitlers Name nicht bekannt ist. Deshalb erübrigt es sich, mehr über ihn zu sagen. Anders bei dem dritten Kandidaten, der Hinden burg gegenübersteht, bei Duesterberg, der unter der alten schwarzweiß roten Fahne zur Sammlung ruft. Er steht in der Mitte zwischen den Radi kalen rechts und den Radikalen links und hat es am schwersten von allen Kandidaten gehabt. Er ist kein Parteiführer und überhaupt kein Parteimann, für ihn warb auch kein Minister, er ist ein alter Soldat und hat dem Feldmarschall versprochen, den Kampf ritterlich zu führen. Damit hat er von vornherein auf Waffen ver zichtet, mit denen die radikalen Parteien gut für ihre Sache kämpfen konnten. Was will Duesterberg? Kurz gesagt, er ist der Kandidat für diejenigen, die bei aller Verehrung für Hindenburg nicht für den Feldmarschall stimmen können, weil sie die Politik Brünings ablehnen, die aber auch nicht nationalsozialistisch oder kommunistisch wählen können, weil sie Radikalismus und Sozialismus jeglicher Art ablehnen. Für sie ist Duesterberg der Kandidat. Und nun ans zur Wahl! dem Toten im Speyrer Dom. Schatten und Schemen aus der deutschen Geschichte tauchen aus, formen und ballen sich zusammen. Sie nahen sich uns, diesseits und jenseits der Mauer, die das Verbot von Versailles zwischen Deutschland und Österreich errichtet hat. Nicht Fleisch und Blut mehr können diese Schemen werden, aber sie umgeben uns in trauerndem Reigen. Denn wir sind und bleiben trotz Not und Gewalttaten doch Geist von ihrem Geist, Blut von ihrem Blut. Zum Schemen wird einst werden, daß man uns durch Zwang trennte; denn scheiden kann man uns nicht! Dr. Pr. kieparationen, Abrüstung mb Wohlstand. Ohne Schuldcnstreichung leine Rettung Der Weltwirtschaft. Auf der Tagung der Internationalen Han delskammer in Paris hielt der Vorsitzende der deutschen Abteilung, der deutsche Großindustrielle Abra ham Frowein, eine Rede, in der er sich mit der Welt wirtschaftskrise und den Mitteln zu ihrer Behebung be schäftigte. Er erklärte einleitend, daß er alle Angriffe zu rückweisen müsse, die die Krise der letzten Jahre einzig und allein dem bestehenden Wirtschaftssystem, dem sogenannten kapitalistischen System der Güter erzeugung und -Verteilung zuschreibe. Es ist nicht Schuld unserer Wirtschaftsform, wenn es nicht ge lungen ist, nach dem Kriege das richtige Funktionieren der so schwer erschütterten Weltwirtschaft wieder herzustellen. Es ist ein Versagen der Regierungen, die es nicht verstanden haben, die Welt nach dem Kriege so zu gestalten, daß das für ein richtiges Funktionieren der kapitalistischen Wirtschaft notwendige Vertrauen wie der zurückkehrte. Der Redner ging sodann auf die Regelung der zwischenstaatlichen Schulden ein und erklärte u. a., wir müssen uns die Frage vorlegen, ob in einer so gestörten Welt die Begleichung von Schulden überhaupt noch möglich ist. Zu diesen Schulden gehören ganz gleich mäßig interalliierte Schulden wie Reparationen. In der heutigen Wirtschaft sind Transferierungen von Kriegsschulden und Reparationen unmöglich, weil der Schuldner nicht zahlen und weil der Gläubiger Bezahlung in der Form von Waren nicht annehmeu kann. Auch eine Verschiebung der Erledigung dieser Frage bis zur Wiederkehr der Prosperität ist nicht mög lich, weil eben ohne Erledigung der Schuldenfrage die Prosperität nicht wiederkehren wird. Der Einwand, daß durch die völlige Streichung der interalliierten Schulden und Reparationen, die ich als das unentbehrliche Mittel für die Rettung der Weltwirtschaft ansehe, eine Ungleichheit zugunsten der jenigen geschaffen würde, die diese Kriegsschulden und Reparationen zu zahlen hätten, ist nicht stichhaltig, denn ich glaube nicht daran, daß es einzelnen Ländern möglich sein wird, sich als Insel der Seligen in einer ver fallenden Welt selbständig zu machen. Zum Schluß seiner Ausführungen forderte Frowein die Regierungen aller Länder auf, eine Politik der Abrüstung in einer Atmosphäre des Friedens zu betreiben. Er sei überzeugt davon, daß eine solche Politik der Abrüstung, die endgültige Regelung der zwischenstaatlichen Schulden, dis Bildung großer, nicht durch Zollinicn getrennter Wirtschaftsgebiete, und die Rückkehr zu den Grundlagen der individualistischen Form der Gütererzeugung und -Verteilung die Welt schnell wieder zurückführen werde zu dem Wohlstand, wie er vor dem Kriege bestanden habe. Sie Fern-Sst-Enlschließung angenommen. Der Sonderausschuß der Völkerbund versammlung beginnt die Arbeit. Der Allgemeine Ausschuß der Völkcrüundvcrsamm- lung nahm einstimmig bei Stimmenthaltung des japa nischen Vertreters die große Entschließung an, in der die Regelung des japanisch chinesischen Streitfalls einem Sonderausschuß aus Vertretern von 19 Mächten übertragen wird. Nach der Annahme der Entschließung wurde eine Vollsitzung der außerordentlichen Völkerbundveriamm-