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Nr. 114. Dienstag» 19. Mai 1914. 9. Jahrgang. Dies« Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Tie Stichwahl in dem Reichstag-Wahlkreise Osterburg-Stendal wurde auf den 25. Mat festgesetzt. * Im preußischen Abgeordnetenhaufe gab am Montag der treue «Staat-Minister von Loebell die Erklärung ab, er könne eine neu« Wachl- rechtsvorlage für Vie nächste Zeit nicht in Aussicht stellen. * Die für verloren gehaltene Expedition des For schers Erland Freiherrn von Norden- skjüld ist in Trinidad (Boltvia) angekom men.*) * Der schwedische Reichstag wurde gestern er öffnet; die Präsidien beider Kammern wur den wiedergewählt. * Tie russische Duma hat dem Minister des Innern, Maklakow, ein scharfes Mißtrauensvo tum ausgesprochen, weil er die Wünsche der Duma zu wenig berücksichtigt habe. In Ktschtnew soll nach Petersburger Meldungen ein Komplott gegen den Zaren entdeckt wor den sein. k>r>4«rk« II«-« <m andrr«« St«ll«. Mutmaßlche Witterung am 20. Mai: Kein« Wit. terungsänderung. "WH . ! "-7- ' L!/ .. . —— Der Aampf gegen äie Schmuhkonkurrenz. Dem Einsichtigen W es längst kein Zweifel mehr, daß unsere Zeit vor tiefgehender Neuorientierung Über wichtige grundsätzliche Fragen der gesellschaftlichen Ord nung steht. Das alte Problem des Verhältnisses von In dividuum und Gemeinschaft taucht eben bet jeder Wen dung der Kulturgeschichte in immer neuen Formen auf. Die Lösung, die man vor hundert Jahren gefunden glaubte, indem man einfach die völlige Freiheit des Gewerbes proklamierte, hat durchaus nicht so automa tisch alte Schäden der Zukunftsverfassung beseitigt und all den Segen für die Beteiligten gebracht, wie man das erhoffte. Vielmehr hat der rücksichtslose Konkurrenzkampf der sich daraufhin entwickelte, wieder seine besonderen Gefahren und ruinösen Folgen für den Einzelnen ge zeitigt, .die Nachteilen der alten ZwangSverfas- sung kaum nachstehen dürsten. Wir wollen den Segen den die Gewerbefreihett für di« Kulturentwickelung im Ganzen gebracht hat, nicht verkennen. Dem technischen Fortschritt ist sie vor allem zugute gekommen. Sie hat aber auch vielen tüchtigen Etnzelexistenzen die Bahn stet gemacht, die früher bei der Vetternwirtschaft der Zünfte niemals auf einen grünen Zweig gekommen wä ren. An diesem Prinzip, daß durch redlichen Wettbe werb die tüchtigen Kräfte ihre-Leistungsfähigkeit sollen beweisen können, wird man deshalb auch nichts geän- ändert wissen wollen. Nur das eine war eine Illusion, daß die Redlichkeit au- dem Wettbewerb von ftlbst als Sieger hervorgehen werde. Die Erfahrung hat vielmehr gezeigt, daß auch mannigfache unredliche Mittel den weniger Tüchtigen hochbrtngen können. Hier hat des halb die Korrektur der Gewerbefreihett einzusetzen. Und so sind wir aus der Zett der schrankenlosen Freiheit mehr und mehr wieder, in eine Zett der sozialen Bindun gen etngetreten. Den Rechten der Persönlichkeit gegen über werden die der Gemeinschaft einmal wieder schär fer betont. Wer die Zett richtig versteht, wird die Notwendig keit dieser veränderten Stellung einsehen und an der sachgemäßen Ausgestaltung der neuen sozialen Bindun gen Mitarbeiten. Wollen wir auch nicht die alte Zunft verfassung wieder erneuern, so muß doch das StandeSbe- wußtsetn und das Stan des tnteresse, das als ideale Kraft in Hr lebendig war,' amh heute noch lebendig blei ben. Der moralische und materielle Hall, den der Ein zeln« bet seinen organisierten Berufskollegen finden kann, ist in der Tat so wertvoll, daß man auf ihn nicht verzichten soll. Die neuen Formen der Organisation, die hierzu nötig sind, müssen freilich in mancher Beziehung etst noch gesunden werden. Die Mittel, die man ihnen in die Hand geben kann, um ihre StandeSzwecke zu er reichen, sind noch nicht eindeutig bestimmt. Unsere Gesetz gebung steht vielfach den Maßnahmen der Berufsorgani sationen noch zweifelnd und zögernd gegenüber. In ei nem wichtigen Punkte aber, der vor allem für den Handwerkerstand von ausschlaggebender Bedeutung ist, entwickelt sich bereits eine juristische Gepflogenheit, die dem Geiste der neuen Zeit durchaus Rechnung trägt. Im Kampf gegen die Schmutzkonkurrenz ha ben die Gewerbetreibenden die Haltung unserer Gerichte durchaus auf ihrer Sette. So ist wiederholt daraus er kannt worden, daß die Maßnahmen de- Buchhändlerbür- senveretns gegen die Schleuderkonkurrenten zu Recht ge troffen sind. Im Maler- unh Weitzbindergewerbe hat der Paragraph 10 des RetchStortfvertrageS schon wiederholt zu juristisch«: Auseinandersetzungen geführt. Und auch da sind stets die betreffenden Ortstartsämter, denen die Durchführung dos Paragraphen 10 obliegt, von den gerichtlichen Instanzen gedeckt worden. Gerade an die sem Beispiel läßt sich gut zeigen, um was es sich han delt. Die OrtStarifämter sind bekanntlich zu glei chen Teilen aus Meistern und Gehilfen zusammengesetzt, die unter einem unparteiischen Vorsitzenden verhandeln. Segensreich ist diese Einrichtung schon dadurch, daß die gemeinsamen Interessen von Meistern und Gehilfen hier zu kräftigem Ausdruck kommen und manche Brücke bauen über Gegensätze, die früher in Lohn- und Arbeitsfragen unüberbrückbar schienen. Das gemeinsame Interesse ge gen die Schmutzkonkurrenz aber ist wohl das wichtigste. Tenn durch rücksichtslose Unterbietung bei jeder Submis sion, daß die Preise stetig gedrückt werden, daS eben ist der Schaden des ganzen Gewerbes. Ter Paragraph 10 gibt nun dem OrtStartsamt di« Befugnis, Fälle von Schleu der konkurrenz eingehend zu prüfen und eventuell mit Geldstrafen oder Verhängung der Sperre gegen die Schuldigen vorzugehen. Manche Schleuderkonkurrenten glaubten sich der Verpflichtung dieses Paragraphen ein fach dadurch zu entziehen, daß st« dem Tarifverband fern blieben. Der Standpunkt der Gerichte ist aber ein mütig der, daß der ganze Paragraph «ine stumpfe Waffe bleiben müßte, wenn er nicht auch gegen die außen stehenden Meister ausgewandt werden dürste. ES ist nur zu wünschen, daß auch die Meister selbst immer mehr etnschen lernen, wie wichtig dieser Paragraph für ihren Stand im Ganzen ist und wie sehr er jedem Ein zelnen von ihnen gegebenenfalls zu gute kommen kann. Wenn es einen Schutzwall gegen die Aufsaugung der klei nen Betriebe durch die Großen gibt, dann ist es dieser Kampf gegen die 'Schmutzkonkurrenz. Das Meikommißrecht vor äem Herrenhause. (Bon unserem Berliner S-Mitarbeiter). , Mm 16. Mai hat der zehnte Ausschuß de» Herrenhauses seinen Bericht über das Ergebnis seiner Beratungen fest gestellt, sodaß das künftig« preußisch» Fideikomi- mi krocht am Dienstag der GenchmiMng der Volloev- sammlung unterbreitet «»erden kann. Ein« Durchberatu ng auch im Abgeordnetenhaus« ist bei der Vorgeschrittenen Jahreszeit geradezu ausgeschlossen. Der Gegenstand ist so schwierig und der neuen Abänderungsvorschläge de» Kerren» hausausschusse» find so viele, daß eine Durchpeitschung des wichtigen Gesetzes durch die aus Wahlen hervorgegangene Kämmer kam denkbar wäre. Die grundsätzliche Frage nach dem Daseinsrechte solcher Familienvermögen in unserer Zeit, die im allgemeinen sich ganz aus die Form des per sönlichen Eigentums fcstgelejtt hat, wird allerdings wohl in beiden preußischen Kammern diesesmal kaum ernstlich erörtert werden. Die liberalen Parteien haben ja frei!, lich eine Abschaffung der Einrichtung auf ihrem Programme stehen; aber ihr Einfluß ist gegenwärtig ,in beiden Häu sern viel zu schwach, als daß sie nur im geringsten mit der Möglichkeit ihrer Beseitigung rechnen könnten. Und wenn es anders wäre, ob sie dann wirklich einstimmig für ihre Proyranmisorderung einträten? Denn schließlich hat es doch auch wirtschaftliche Vorteile Mr die Allgemeinheit, wenn ein Teil der Godenfläche ein fester Posten ini der Gesamtmasse des Volksvermögens bleibt, und nicht hi» auf den letzten Nest alles der tausendfältigen Abnutzung durch die Verkehrsfveiheit preisgogeben ist. Selbst unsere Radi kalen sollten sich freuen, daß das geltende Recht eine sich halbwegs mit ihrem Verlangen nach Vergemeindung des Berliner Panaschee. Nachdruck »«riot«» > Es ist wenigs Minuten nach ein». Mehrere Herren treten in eifrigem Gespräch au» dem Gaffö des Westens und blicken interessiert den KurfürstendaMm hinunter, nach der Kaiser-WilhÄm-GedächtntMrche zu. E» ist, al» «ob sie sich angestrengt auf ihren Zehen hochreckten, um ihren - Augen noch mehr Späh-Möglichkeiten zu geben. Die schöne Frau, die da eben aus lianggeschwstftem Schimmel «von der Joachimsthaler Straße her auf den Reitweg einbtegt, ent- geht ihnen ganz. Sle müssen -wohl etwa» Wichtigere» er warten. Ein große» braune» Geschästsauto, da» da end lich im Hintergründe austaucht, schneller und immer größer, lauter, töffender und pustender, bringt ihre Ungeduld vollend- in ein Zappele Nervöse Hände wenden und drehen hastiger einen, schon etwa» klebrig gewordenem Sechse». Die Mtttogegeitung kommt auch immer später I Da wirbelt etwa» Weihe», Runde», Vierbeinige» im ^Staube des Kieswege» auf und hüpft an dm Lodergamaschen de, abspringenden- Chauffeur» hoch, der sein noch eben knapp vor der Elektrischen «nbeigerqste» Auto mit scharfem Rück angehalten hat, und sogleich von einem Gewimmel von Aeitungs-uvgen, Kellnern, Dienstmädchen umtvst fit. Tritt man Nich dem kleinen Hoxterrieh Uff de Hühneroqgm! Der kriegt doch die eche Nummer. Und schon hat-da» ckutrlig« Hündchen di» gckfatzte Zeitung »ochMg -wischen den leuchtenden Zähnen und eilt, fast nach «scher Über den Damm weg auf das «chn, LtgarrengchM zu, in dem Herrchen schon auf die letzten Tip» für Hoppegarten wartet, und daneben auch fast auf di« neuesten Nachrichten vom mexikanischen Kriegsschauplatz. Danwar klopft er dem eifrigen Zeitung-Voten auf den schneeweißen, stich» haarigen Rücken, während «st jetzt Frauen «st Jurgm« die Stichwort« de», neuesten Telegramme der vorübevhasten- den Menge zurusen. * Unter der Morgenpost finde ^ch für den übernächsten Wend, punkt Mitternacht, eine Einladung: Stapellauf des Dampfers Poseidon, Bayerischer Platz, Schömberg. Kein Witzl steht «Asdrilckltch noch darunter, um meine wohl ziemlich selbstverständlichen Zweifel fortzujagen. Der Maler Walter Röhner (vb er der alten oder neuen oder freien Sezession angehört oder den neuen oder alten Jury- freien, weih ich im Augenblick wirklich nicht -- nur, daß er ein sehr feiner MMer «fit) läßt seinen über einen Meter langen, selbstgebauten Dampfer zum erstenmal durch da» breite Mpsserbassin — o, «Vie dunkel duftig ist es jetzt von dichten Fliederbllschen umgeben! — rattern, ein Schau- spiel, dem nicht nur sein« Freunde, sondern Chauffeure, Dienstmädchen mit ihren bezüglichen Boxern, Reh- Pinschern, Dobermännern, schmalwangige Hukdinnen mit eleganten Ninichenhüten und sogar zwei echte Schutzleute staunend bewundert, beiwohnen. Den Hunden, die höchst interessiert ihr« Vorderpfötchen aus den Rand der großen, ziemlich wtndbewegten Badewanne gesetzt hüben, treten die funkelnden AugenkugeLn weiter hervor. Ein fein« Apporte! da >- da» schnaubend«, motorcknatternde, unheim liche Etwa», dessen Wimpel schon dem jenseitigen Wer zu flattert, wohin der junge Erfinder de» kleinen Kunstwerk» eilig reimt, .um « vor dem ZettrüMnertwerden zu b«. wahren. E» scheint, als vb der zierliche Bleisoldat da oben auf der Kommandobrücke doch nicht , der gwtgnote Keqritän für di» geheitmnievollen Schöneberger Binnenseen ist. Man annonciere nach einem erfahrenen Lotsen in den Zeitungen, die merkwürdigerweise von diesem Stapellauf zog und sprach: Gestatten Sie, Regisseur Knox von der Fixfix-Kinozentrajle. Würden Sie uns Ihren Poseidon vielleicht für unseren Schlagerfitm, Der Gigant des Lhean» zur Verfügung stellen? Selbstverständlich Mr ein» ange messenes Honoar. Auf meinem gewöhnlichen mittäglichen Woge vom und zum Bureau hübe ich verschiedene größere und kleinere Hindernisse zu überwinden, von denen die größeren,, und sich von Woche zu Woche unheimlich vermehrenden, meist schmarzbebärtete Minner sind! die Wit einem seltsamen Murmeln an mich herantreten. Alte Kleider kaufe ich! verstehe ich im günstigsten Falle oder kann» Mir eine ähn liche Offerte -usammenreimen. Früher kamen diese Herren, denen ich gewiß nicht ihre Daseinsberechtigung absprechen wist, nur auf eine Postkarte oder einen telephonischen An- ruf hin, wenn sie wirklich benötigt wurden, und man er lebte dann die schmerzliche Enttäuschung, daß sie für einen alten Frack zwei Mark, Mr eine Hose fünfzig -Pfennig boten, was man, wenn man zum Handeln Mut und Dalent besaß, um dreißig bi» vierzig Prozent hinauftreiben konnte. Heute erlebe ich es täglich, daß ich auf der Straß« poanzig- -t- MnMndSw-nyigmal — ehrliche Statistik — in bewußter Angelegenheit angchprochen, zu Hause noch «in halbe» drchenvmal angoklingelt werde. Da» macht - ... — Die Hifi« eine»