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und Anzeiger für das Erzgebirge c>««anlwortlicher R«»«k«-Ui Fritz cnqolv LU« Sil Imrra" u«r^Vl>v»lt"ch; <tt I - » u l cc u » »«>»« m rtu«. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Lonntagsblatt. Sprechstunde Ser Redaktion mit Ausnahme Ser Sonntage nachmittags von s Uhr. — Lelegramm-Adreffe: Tageblatt Aue. — Fernsprecher ror Für unverlangt »ingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthner (Inh.: Paul Beuthner) in Aue. Bezugspreis: Durch unser« Boten frei ins Haus monatlich so psg. Bei der Geschästsstelle abgeholt monatlich 40 pfg. und wöchentlich jo Pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich t.so Mk. — Durch den Briefträger frei ins Haus vierteljährlich 1.92 Mk. — Einzeln, Nummer to pfg. — Deutscher Postzeitungs katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, rmt Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens 9'/, Uhr vormittags. Für Aufnahme von größeren Anzeigen an bestimmte« - , H ellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorher be, uns eingehen. Insertionspreis: Di« flebengespalten- Aorpuszeile oder deren Raum ,0 pfg., Reklamen 2S pfg. Lei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. " Diese Nummer unrfatzt tz Keiten Das Wichtigste vom Tage. Kaiser Wilhelm wild, einer englischen Meldung zufolge, im Herbst mindestens vier Wochen in England verweilen. O Grele Beier ist heute morgen mit dem Fallbeil vom Leben zum Tode befördert worden. sS. Art. i. Hptbl.) * Eine Verfügung der preußischen Heeresverwaltung be faßt sich mit der Heran ziehungE injcihrig-Frei- ... williger zum zahnärztlichen Dienst. * Der Begründer der interparlamentarischen Friedenskonferenz Sir Randal Cremer ist gestern, 70 Jahre alt, in London gestorben. Bei einer Zugentgleisung in F r a n k f u r t a. M. wurden s i e b z c h n R e i s e n d e verletzt. (S- N. a. a Welt.) Zur Gewinnung eines geeigneten Entwurfs für die äußere Ausstallung der 2 5 P f g. - S t ü ck e ist ein Preisausschreiben erfolgt. Herr v Lucanus. —nie. Herr v. Lucanus ist schwerkrank und wenn auch die Aerzte noch nicht alle Hoffnung aufgegeben haben sollen, so wird der 78jährige doch kaum mehr wieder in sein Amt zurückkehren. Mit ihm scheidet eine der interessante st en Persönlichkeiten unserer Tage von der politischen Schaubühne. Interessant vielleicht eben darum, weil um seine Tätigkeit das Geheimnisvolle, das dem Höfischen noch immer anhaftet, seine Schleier wob und weil sie, deren Wirkungen man doch oft genug spürte, so ganz und gar sich jedweder öffentlichen Kontrolle ent zog. Es ist kein Zweifel, daß unter Kaiser Wilhelm das Kaiser tum oder altpreußisch ausgedrückt: das Königtum an Glanz und äußerer Machtfülle gewonnen hat. Die Initiative in weiten Kreisen des Bürgertums hat ab genommen, die Neigung wuchs, allen Segen von oben zu erwarten und scheu und ängstlich auf die Signale zu warten, die von den Höhen gegeben werden. Hand in Hand damit stieg aber auch dteMachtdesKabi- nettchefs. Minister sind oft monatelang, mitunter — man denke nur an die letzten Zeiten des Grafen Posadowsky — Jahre hindurch nicht mehr vom Kaiser zum Vortrag befohlen worden. Herr v. Lucanus aber hielt dem Monarchen ständig und aller orten Vortrag; zu Wasser und zu Lande; an den Hoflagern zu Berlin und Potsdam wie im eilenden Hofzug; in der Stille der Romintener Heide wie wenn die „Hohenzollern" sich auf den blauen Wogen des Mittelmeeres schaukelte. Das mußte dem Manne mit den Jahren ein ungeheures Uebergewicht geben über die amtlichen und verantwortlichen Ratpfleger der Krone und hates ihm wohl auch gegeben. Wie weit dies Uebergewicht im einzelnen gegangen und was im besonderen Falle auf seinen Einfluß zurückzuführen gewesen ist, wird sich schwer aufweisen lasten. Herrn v. Lucanus einzigartige Stellung beruhte ja mit darauf, daß sie mit unerschütterlicher Diskretion von einem Manne wahrgenommen wurde, der zu schweigen verstand. Schroff hervorgekehrt und Mit Schärfe pointiert wird Herr v. Lucanus aber schwerlich diesen Einfluß je haben. Er hat sich ohne Frage immer in erster Reihe als der gehorsame Voll strecker der kaiserlichen Willensmeinung gefühlt und daß er sich so fühlte,' so ohne Zaudern und Widerspruch jeden Auftrag des Monarchen aussührte, ist ihm gerade wiederholt zum Vor wurf gemacht worden. Will man gerecht sein, wird man freilich hinzufügen müssen, daß ohne diese göttliche Gabe der Anpas sungsfähigkeit, der Unbedenklichkeit in der Ausführung geworde ner Missionen Herr v. Lucanus kaum so lange Kabinettschef des Kaisers geblieben wäre. Das Schicksal des Herrn v. Wedel- Piesdorf, des vorläufig letzten preußischen Hausministers, kann nach der Richtung recht belehrend wirken . . . Eine bedeutsame Seite seiner Tätigkeit waren die Heim führungen fällig gewordener Minister. Von Bismarck ois auf Posadowsky hat er sie alle nach Pensionopolis geleitet. Die ihm gern und willig folgten, weil sie den Kreislauf des Minister daseins erfüllt zu haben glaubten, und die schwer und ringend sich von Amt und Macht trennten wie Miquel oder Posadowsky oder der große Eisenkanzler selber. An diese nicht immer sym pathischen Funktionen dachte man im großen Publikum vor nehmlich, wenn man von dem Kabinettschef sprach. Der Luca nus geht um, hieß es, wenn durch die Blätter das unruhige, ner vöse Geflüster glitt, das den Ministern anzeigte, daß sie sterben müssen. Und der Lucanus hat ihn geholt, sagte man wohl, wenn das Erwartete Ereignis geworden war. Indes war die Sphäre, in der Herr v. Lucanus wirkte, naturgemäß viel größer. So groß, wie sie nur unter einem Kaiser werden konnte, der sein eigener Kanzler sein wollte. Daß eine solche Ausweitung der Stellung eines Mannes, der streng genommen nicht mehr sein dürfte als der königlichen Ge heimschreiber Oberster, für unser Verfastungsleben den Gang unserer Politik und mancherlei Unzuträgliches mit sich bringen mußte, liegt auf der Hand. Die Unzufriedenheit mit dieser Entwickelung trat denn auch zutage, als vor Jahr und Tag eine Erhöhung der Bezüge für Herrn v. Lucanus vom Landtage abgelehnt wurde. Das war keine Unfreundlichkeit gegen den liebenswürdigen und zuvorkommenden Herrn; das war ein Protest gegen die allgemeine Gestaltung der Dinge. UM ob die sich unter Herrn v. Valen 1 ini, der voraussichtlich defini tiv Herrn v. Lucanus zum Nachfolger gesetzt werden wird, ändern wird, darf, wohl billig bezweifelt werden. In diesen Stücken steht es nämlich anders als sonst. Elftes Deutsches Turuseft. lVom Spezialkorrespondenten des Auer Tageblattes.) IV. Gestern, am Dienstag, begannen die Tur »führten der Besucher des Elften Deutschen Turnfestes und zwar ging die erste nach dem Feldberg. Wenn das Wetter auch nicht besonders günstig war, so hatten sich doch eine große Anzahl Turner zu dem Ausfluge eingefunden. Inzwischen wurden die Resultat« des bisherigen Wettturnen» bekannt. Im Fünfkampf siegten: Julius Wagner (Bern) mit 106 Punkten, Butter (Kamenz) mit 104i/L Punkten, Kalten bach (München) mit 102^, Emil Welz (Kiel) mit 102, Paul Stapf (München) mit 101, Adolf Brotbeck (Ulm) mit 100, Busch (Barmen) mit 991/2 Punkten. — Im Sechskampf siegten folgende Turner: Den ersten Preis erhielt Bruno Müller (Mün chen) mit 130 Punkten, in den zweiten Preis teilten sich mit je 120 Punkten Julius Kaltenrieth (Altona) und Heinrich Müller (Witten, Ruhr), den dritten Preis erhielt Karl Ohms (Han nover) mit 1281/2 Punkten, Len vierten Ruf (München) mit 124, den fünften Höfgen (Leipzig) mit 1211/g Punkten. In den sechsten Preis teilten sich Ferdinand Jungblick (München), Hein rich Becker (Krefeld) und Karl Eutsch (Berlin), den siebenten Preis endlich erhielt Christian Busch (Barmen) mit 120 Punkten. Um 9 Uhr vormittags traten unter der Oberleitung von Häutelein (Nürnberg) 270 Ringer in drei Abteilungen zum Wettkampf an und zwar zum Sechskampf, zum Fünfkampf, sowie «ine Abteilung von Nichtwetturnern. Auch diese Hebungen erregten bei der Zuschauerschaft großes Interests. — Die im Programm vorgesehene Regatta mußte ausfallen, weil die Beteiligung nicht genügend stark war. Jedenfalls weil die Frankfurter Ruderer sich im Training befinden, um die deutsche Meisterschaftsregatte in Hamburg zu bestreiten. — Um 9 Uhr begann auch das Wettschwimmen auf der Strecke de» Frankfurter Regattavereins. Die Uebungen bestanden in allge meinen Freiübungen, Staffelschwimmen, Fünfkampf, Kürsprin gen von 13 Sprungbrettern aus, Stafsettenschwimmen über 500 Meter, Dauerschwimmen über 1800 Meter. Der Wasterfünskampf umfaßte 100 Meter Schnellschwimmen, 50 Meter Brustschwim men, 50 Meter Rückenschnellschwimmen und zwei Pflichtübungen, darunter ein Saltomortale rückwärts und vorwärts. Außerdem wurde Hochkopfspringen und die sogenannte halb« Schraube oorgeführt. Das Unwetter in der Nacht zu gestern hat übrigens den Festplatz in «inen äußerst bösen Zustand versetzt. Die Wassermassen risten starke Löcher in das Erdreich. Man verschob zunächst den Beginn der Uebungen um eine Stund« Berlin als Sommerfrische. Berlin, Ende Juli. Warum Berlin nie richtig« Fremden stabt wer den wird. — Sommerabende. — Wo bleiben die Amerikaner? — Geplagte Zeitgenossen. — Internationale Gäste und Provinzler. — Nacht leben. Darüber sind sich die Gelehrten, in diesem Falle nämlich wir alten, eingefleischten Berliner, wohl ziemlich all« untereinander einig: daß Berlin im Sommer sehr, sehr wenig Reizvolles bietet, und daß die wie ein Riesenküken angcwachsene Hauptstadt des Deutschen Reiches deshalb niemals, des Sommers wenigstens, «in« Fremden stadt werden wird, wie z. B. Paris eine ist. Sehr löbliche Anstrengungen sind, namentlich während des letzten Winters, gemacht worden, um diesem Mangel abzuhelfen, aber, offen gestanden, wir hatten zu dem Erfolge dieser Anstrengungen nie rechtes Zutrauen. Die Entwickelung einer Stadt wie Berlin, die sich, ganz bestimmte Richtlinien innehaltend, im Zeiträume von wenigen Jahrzehnten in so kolossalen Maßen gestreckt und gedehnt hat, läßt sich nicht durch künstliche Mittelchen auf einmal in ander« Bahnen lenken. Ist es doch — klingt es auch «in bis chen übertrieben ; im Grunde wahr: daß selbst von den Ber linern nur der den Sommer über in Berlin bleibt, der nicht entfliehen kann, sei es, weil die Mittel dazu ihm fehlen, sei es, daß die Geschäfte ihn zurückhalten. Denn Berlin ist in den heißen Monaten wirklich nicht schön — wenn die prall« Sonne auf di«, mit seltenen Ausnahmen, schattenlosen, weißen Asphalt straßen erbarmungslos herabsengt, der Tiergarten welk uno staubig wird und di« Abende kaum merkliche Mbkülung bringen. Dies« Berliner Sommerabende! Die sind es, die den Zu rückgebliebenen di« Brust mit Sehnsucht nach den Bergen oder dem Strande füllen, und die, wie wir meinen, auch die Haupt schuld daran tragen, daß Berlin niemals, allen Komitees, Rund fragen und sonstigen höchst rühmenswerd n Bemühungen zum Trotze, «ine eigentlich« Fremdenstadt werden wird. Es ist ja wahr: gerade jetzt, im Juli und August, steht Berlin im Zeichen der Fremdherrschaft. Der Berliner hat abgedankt zugunsten der massenhaft herbeistrümenden Nicht berliner, der Ausländer, die er mit Achtung betrachtet, und der deutschen Landsleute, der Provinzler, Lenen er es für seine Eroßstädterpflicht hält, ein etwas blasiertes, herablassendes Wohlwollen zu zeigen. Man hört gegenwärtig in Berlin alle Sprachen und Dialekte. Aber di« allerm«isten dieser fremden Gäste sind nur Zaungäste. Sie verweilen nicht. Die Ausländer unterbrechen große Fahrten quer über unser» alten Kontinent auf ein paar Tage in Berlin; und von den Pro vinzlern, die Station in Berlin machen, kommen die Einen aus der Mitte oder dem Süden des Reiches, um an die Ost- oder Nordsee zu gehen, die anderen aus dem Norden, um nach Bayern, Tirol, dem Salzkammergut und der Schweiz weiterzueilen. Einen Aufschwung schien die sommerliche Jiemdcnindustri« vor einigen Jahren zu nehmen, als die amerikanischen Globetrotter, die kleinen und großen Pankee-Millionäre mit den dicken Scheck büchern in der Tasche, plötzlich einen Besuch Berlins in das Pro gramm ihres Europa-Trins einzustellcn begannen. Und alsbald schossen die großen, splendiden Luxus-Hotels, zum Teil schöne, ehrwürdig« Gebäude verdängend, pilzartig aus dem Boden. Es scheint, daß das ein wenig zu hastig geschah. Wenig stens hört man diesmal überall die bewegliche Klage: die Amerikaner seien ausgeblteben! und man rechnet mit empfindlicher Einbuße. Die wirtschaftliche Krisis, die die Vereinigten Staaten durchgemacht und noch nicht ganz überwunden haben, hat offenbar auf die Reiselust selbst ihrer begüterften Bürger in diesem Jahre recht abkühlend gewirkt. Dieses internationale, wohlhabende und mehr oder minder begüterte Touristenpublikum verändert das äußere Bild Berlins so gut wie garnicht. Höchsten», daß sich hin und wieder vor einer der mächtigen Karawanserei«« Unter den Linden, wo ein einfaches Zimmer mit reizvoller Aus sicht auf das Hofinnere unter Umständen mit 50 berechnet wird, die Menschen ansammeln, um zuzuschauen, wie «in hoch modernes, hochelegantes Automobil vorfährt, gefolgt von einem zweiten, mit Koffern und Schachteln beladenen Töfftöff. Den kolossalen Dimensionen der beiden Kraftwagen, der sie bedecken- denStaubkrust« und der imponierenden Zahl des Gepäckes ist anzusehen, daß man hier ein« Probe von jenen glücklichen und doch sehr geplagten Zeitgenossen vor sich hat, denen das Schicksal für den morgenden Tag die ewige Sorge beschert hat, ob sie auch die vorgenommene Kilometerzahl erreichen werden, — di« nie zur Ruhe kommen, weil sie ja zum Grand-Prix in Paris, zu den Regatten in Kiel, zur großen Woche in Baden-Baden und zum Karneval an der Riviera sein müssen, wenn sie sich die Selbst achtung bewahren wollen. Führt Liese Gattung von Fremden ihre Schnellfahrt in da» ihnen noch unbekannte Berlin, so sehen sie sich tagsüber im Fluge das Sehenswerteste der Stadt an, durchbummeln dis Haupt straßen, gucken ein« Viertelstunde in die Kunstausstellungen, allenfalls ins Kaiser Friedrich-Museum hinein — und wissen dann nicht, was sie mit dem Abend anfangen sollen. In Paris würden sie ins Bois hinausfahren, im Pavillon d'Armenonville, inmitten chik gekleideter Welt exquisit dinieren und zum Beschluß ein Stündchen in einem der TafS-Konzerts der Champs-Elysö» unter freiem Himmel vertändeln. Nichts dergleichen finden sie in Berlin. Das Menschengewühl im Zoo und im Moabiter Ausstellungsparke, die höchsten» gut bürgerliche Küche dort kann sie nicht reizen, von den Massenabfütterungen im Grünewald ganz zu schweigen — und so bleiben sie im Hotel, speisen im Smoking, der ihnen nur im Sommer den Frack ersetzt, und beschließen ihr Tagewerk in der Hot«l-Halle, im tiefen Leder stuhl, bei einem oder mehreren Scotch Whisky and Soda. Und auteln sie wieder fort, so nehmen sie die lleberzeugung mit, daß Berlin kein Ort ist, an dem m an sich amüsieren kann . . . Da ist denn doch die große Masse der Provinzler — für den Berliner ist jeder nichtberlinische Deutsch« «in solcher — ganz anderer Meinung. Nicht immer in freundlicher Gesinnung setzen sie zum ersten Male ihren Fuß auf den Eteindamm de»