Volltext Seite (XML)
Dit „Gttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen p20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi» vormittag w Uhr- Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 56. Mittwoch, den 1l. Mai 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendors-Vkrilla, 7. Mai 1804. — Am vergangenen Sonnabend ver unglückte eine in Klotzsche in Stellung be findliche Tochter eines hiesigen Einwohners dadurch, daß sie in einem mit kochendem Wasier gefüllten Bottich stürzte. Trotz der sofortiger Ueberführung in das Dresdner Carolahaus war es nicht möglich die so schwer Verletzte am Leben zu erhalten und verschied dieselbe am Sonntag nachmittag. — Das im Grundbuche für Ottendorf Blatt 377 auf den Namen Moritz Gustav Gladewitz eingetragene Grundstück soll Donnerstag, den 30. Juni 1904, vormittags 10 Uhr an der Gerichtsstelle im Wege der Zwangsvollstreckung versteigert werden. Da» Grundstück ist nach dem Flurbuche 10,4 Ar groß und auf 1560 Mark geschätzt. Es wird gebildet durch das Flurstück Nr. 636 des Flurbuchs für Ollen dorf, ist eine zum Teil mit Kiefernhochwald bestandene Baustelle und liegt an der Rade burger (früher Cunnersdorfer) Straße. Ottendorf.Moritzdorf. In der am 7. April unter Vorsitz des Herrn Gem cindevorstandes Lincke abgehaltenen öffentlichen Gemeiude- ratssitzung nahm der Gemeinderat folgende Mitteilung des Herrn Vorsitzenden zur Kennt nis: a) Sachstand in 2 Armensachen; b) ab lehnender Bescheid der Königl- Amtshaupt' Mannschaft i. S. der Uebertragung der Be fugnis zur Erteilung von Genehmigungen zur Abhaltung von Tanzbelustigungen an Vereine und geschloffene Gesellschaften; o) Ein führung von bestimmten Geschäftsstunden beim König!. Standesamt; ä) Uebertragung des Friedensrichteramtes auf Herrn Köhlerei besitzer und Standesbeamten Leonhardt; s) Parochial-Rechnungen und Voranschlag sür 1904; k) Besitzveränderungen im 1. Viertel jahr. Hierauf wurde beschlossen: 1. Die vor gelegte und geprüfte Sparkassenrechnung richtig zu sprechen und die Vorschläge des Sparkassen-Ausschustes über Verwendung des Reingewinn zum Beschluß zu erheben. 2 Wegen Anbringung einer Schutzschranke am Bahn übergänge bei Guhr eine Petition an den Landtag einzureichen 3. Entlang der Rade burger Straße einen erhöhten Fußweg anzu- legen. 4. Bei dem Bescheide der Aufsichtbe hörde in Sachen der Revision der Bier druckapparate Beruhigung zu fassen. 5. Die Baugesuche Schulze A. Walther u. Söhne, Großmann u. Wäntig bedingungsweise zu be fürworten. — In der hierauf stattfindenden nichtöffentlichen Sitzung wurde Beschluß in 2 Armensachen, Sparkassenangelegenheiten, in einer Hebammenbezirksveränderung, sowie in Gemeindesteuersachen gefaßt. — Das Königl. 4. Infanterie-Regimen Nr. 103 hält in der Zett vom 10. bis mit 20. Mai 1904 täglich von 6 Uhr früh bis b Uhr abends auf Königsbrücker Gefechtsschieß- platze Einzelgefecht«- und Gruppenschießen ab. — „Die Weinmörder". Im Kalender lesen wir vom 11.-14. Mai die gefürchteten Namen Mamertus, Pankratius, Servatius und Bonifatius, von denen das Volk be hauptet, daß sie sich im kaum erwachten Frühling durch einen Külterückschlag unlieb am bemerkbar machten. In Nordeutschland stehen gewöhnlich die ersten drei, mehr im Süden die letzeren in diesem üblen Rufe. Sie führen auch die Bezeichnung „Eisheilige" oder die „gestrengen Herren". Was fag die Wissenschaft zu diesen Volksglauben? Sie erkennt regelmäßig wiederkehrende Kälte rückschläge im Mai an und hat den Grund hierfür darin gefunden, daß im Frühjahr die viel schnellere und frühere Erwärmung des Südost unseres Erdteiles (gegenüber dem Nordwesten) ein hoher Luftdruck im Norden bedingt wird, der wiederum ein Abströmen der Luft aus dem noch kalten nördlichen Gegenden zur Folge hat. Selbstverständlich ind aber diese Kälterückschläge — wie Professor Dr. Gravelius-Dresden und Professor Kremser-Berlin aus ganz verschiedenem Wege übereinstimmend fanden — nicht an drei be- timmte Tage gebunden, sondern allgemein m Monat Mai zu erwarten. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß es noch eine zweite viel regelmäßiger wiederkehrende Kälte reriode im Jahre gibt. Es ist dies die Zeit vom 10. bis 20. Juni. — Die Kaffen des so segensreich wirkenden Vereins Jnvalidendank — sein Hauptbestreben besteht bekanntlich darin, alte Invaliden zu ersorgen — sind durch die Unredlichkeit ihres Direktors Reinholz, der durch Selbstmord endete, arg geschädigt worden. Die Unter schlagungen, deren Höhe sich noch nicht mit Bestimmtheit feststellen läßt, da die Prüfung der Bücher auf eine längere Reihe von Jahren u erstrecken ist und einige Wochen in An spruch nimmt, konnten nur deshalb unentdeckt bleiben, weil die Statuten dem geschäfts führenden Direktor d:e weitestgehenden Voll machten eingeräumt und ihm keinerlei Kontrolle aufzwangcn und weil Reinholz bereits 31 Jahre den Geschäften Vorstand, so daß ihm die Be amten des Jnvalidendank, aber auch alle die, welche geschäftlich mit der Vereiusdirektian zu tun hatten, das größte Vertrauen entgegen. brachten. Eine flüchtige Prüfung der Kaffen seitens d-S Vorstandes hat ergeben, daß die unterschlagene Summe 100 000 Mark übe: steigt Die Geschäfte des Jnvalidendank gehen ungestört in der bisherigen W ise weiter und auch die eingestellten Invaliden bleiben im Amt. Dresden. Der des Mordes an der verwitweten Frau Danneberg in Vorstadt Plauen schuldige 17jährige Arbeiter Lehmann bleibt dem irdischen Richter entzogen. Von vornherein ist zwar die geistige Zurechnungs fähigkeit Lehmantts in Zweifel gezogen worden, doch hielt man nur die Strafbarkeitseinsicht über die Schwere der Tat sür kaum nachweis bar; sitz! steht nun nach eingehender Unter suchung Lehmanns durch psychiatrische Autori täten fest, daß er geistig unzurechnungsfähig ist. Der traurige Vorfall kommt infolgedessen nicht zur Verhandlung vor der Strafkammer. Bei dieser Sachlage wird Lehmann, der ge meingefährlich geworden ist, in einer Irren anstalt interniert werden, und zwar wird er in das städtische Irren- und Siechenhaus an der Löbtauer Straße übcrgesührt. Coschütz. Herr Gemeindevorstand Espig hier ist am Freitag auf Veranlassung des Gemeinderates von der Königl. Staatsanwalt schaft verhaftet worden. Am Donnerstag fand eine Gemeinderatssitzung statt. Hierbei beantragte das Gemeinderatsmitglied Herr Kost, indem er auf die unliebsamen Vor kommnisse in Stetzsch hinwies, wo in der Gemeindekasse Unregelmäßigkeiten vorge kommen sind und das Defizit von den Ge meinderatsmitgliedern gedeckt werden soll, eine sofort auzustellende Gemeindekassenrevision unter Absetzung der Tagesordnung. Dec Ge meindevorstand war, wie alle anderen Herren sür eine Kassenrevision, welche Freitag oder Sonnabend stattfinden sollte, eingenommen. Kost wünschte, daß der ganze Gemeinderat an der Revision teilnimmt. Da dies nicht durchzufühcen war, wurden zur Revision die der Finanzkommission und die Herren Fleischer, Lehmann, Schneider I und Köthe beanftragt. Die Revision sand sofort statt. Dabei ergab sich ein Defizit, dessen Höhe Freitag im Laufe des Vormittags auf 9000 Alk. festgesetzt worden ist. Meißen. Die Entwicklung der Weinstöcke hat in dieiem Frühjahr so rasche Fortschritte gemacht, daß bereits in den letzen Tagen dieser Woche mit der ersten Rebenhacke be gonnen werden konnte. Die Stöcke aehen im allgemeinen gut aus, doch ist zu wa-pchen, daß bald wärmere Witterung eintritt, damit nicht ein großer Teil der bereits sichtbaren Gescheine vergabelt. Seußlitz. Am gestrigen Nachmittag ver unglückte unmittelbar am Bahnübergang zum Bahnhof Prausitz ein in toller Fahrt die Leipzig-Dresdener Straße kommendes, von vier Insassen besetztes Automobil derart, daß es bei einer Straßenkrümmung gegen angehäufte Erbmassen stieß und sich überschlug, wobei ein im Hintersitz befindlicher Herr so am Kopf verletzt wurde, daß der Tod augenblicklich ein trat. Der Herr, welcher das Automobil leitete, ergriff, nachdem er die Situation erkannt hatte, unter Zurücklassung seiner Kopfbedeckung die Flucht, während der begleitende Chauffeur und der andere Mitfahrer über den Vorgang protokollarisch vernommen wurden. Schönfeld. In unmittelbarer Nähe des Dorfes Schönfeld fiel gestern Abend ^7 Uhr der in dem Etablissement Waldvilla zu Trachau- Dresden aukgestiegene Luftballon des Herrn Luftschiffer Becker aus Dresden. An der Fahrt hatte auch Herr Hauptmann H rtel vom 63. Feldanille ie-Regiment zu Riesa teil genommen. Die sich von Trachau aus über Moritzburg - Radeburg vollzogene einsiündige Fahrt war ohne jeden Unfall vor sich ge gangen und war die Landung, zu der sich schnell zahlreiches Publikum eingefunden hatte, eine sehr schnelle und günstige. Nus der Woche. Wer zum Lachen geneigt ist und alle Dinge von der scherzhaften Seite auffaßt, dem bietet die Zeitgeschichte reichlichen Stoff dazu. Die Nachwelt wird unsere Zeit die Aera der großen Worte nennen; man braucht nur an die Tiraden der russischen Führer zu erinnern, selbst an Makarows Abschied. Dessen tragisches Schicksal hat Admiral Skrydlow nicht gewarnt und noch gegenwärtig, da die Japaner auch zu Lande ihre Tüchtigkeit zu beweisen anfangen, ist das große Wort in Petersburg nicht stille geworden. Die Schlacht am Jalu, heißt es da, hat keine strategische Bedeutung. Das mag sein, aber die Verluste von so vielen Geschützen und Maschinenge wehren müssen doch wohl Bedeutung haben. „Auch daran liegt nicht viel", meinen die Russen; nach Ostasien sind ihrer eigenen An gabe zufolge nur die ausrangierten alten Kanonen gebracht worden, die neuen kann man im europäischen Rußland nicht entbehren. Wenn das wahr wäre, dann hätten die Japaner leichtes Spiel, denn deren Artillerie ist aus- gezeignet und könnte reichlich wett machen, was ihr an tüchtiger Kavallerie augenscheinlich fehlt. In dem Schlachtberichte Kuropatkins heißt es, der Großfürst, die Offiziere und Mannschaften seien auch nach dem Rückzüge „guten Mutes". Das ist zu glauben, denn sie sind den „gelben Teufeln" mit heiler Haut entwischt. In Port Arthur wird die Sache nun gleichfalls ernst; der Hafeneingang scheint versperrt und die russische Flotte endgültig matt gesetzt zu sein. Die Japaner landen auf der Halbinsel und wenngleich ihre Freunde, die Engländer, ihnen mit Depeschenschwindel (wie der mit der Einnahme von Niutschwang' auch nicht wirklich helfen können, so muß doch ihr guter Wille gelobt werden. Mit dem Falle Port Arthurs rechnen die Russen übrigens und haben immer gerechnet. Ihnen da im fernen Osten soll nun die paltische Flotte zu Hilfe kommen, die, wenn alles glatt geht und die Franzosen unterwegs Kohlen liefern, sehr wohl Ende Juli im Gelben Merre sein kann. Hält sich Port Arthur bis dahin? Schwerlich. Ist aber Port Arthur gefallen, dann hätten die Russen nach Ankunft der baltischen Flotte zwar Schiffe in Osten, aber keine Häfen, denn Wladiwostok, das nur vier Monate eisfrei ist, zählt doch kaum mit. Alles in allem ge ¬ nommen, ist die Lage der Ruffen im Osten nicht beneidenswert, da ihnen die Japaner schwerlich den Gefallen tun werden, ihnen in das Innere der Mandschurei zu folgen. — Der Sultan verpfändet seine Hammelzölle um seine eigenen Untertanen durch europäische Gendarmerie in Raison halten zu lassen. Die Komitatschi glauben nicht an die Auf richtigkeit der mazedonischen Reformen und haben das Halsabschneiden wieder begonnen. — Italien sonnt sich im Glücke seiner Verbrüderung mit Frankreich, die durch Loubet- Besuch besiegelt scheint. Der Präsident der italienischen Deputiertenkammer hatte beim Wiederzusammentritt kein Wort der Erwähnung des deutschen Kaiserbesuches, verhimmelte da gegen Loubets Kommen und war außer sich, als „dem nationalen Empfinden zuwider" ein republikanischer Abgeordneter durch einige chüchterne historische Erinnerungen etwas Wasser in den Wein der neuesten Begeisterung zu gießen versuchte. -- In England will man das „maäo in Oorman^" wieder abschaffen, durch welche Bezeichnung man vor einem Jahrzehnt der Bevölkerung den Bezug deutscher Fabrikate zu verekeln gedachte. Da sich aber die meisten deutschen Fabrikate als billiger und teilweise auch bester zeigten wie die eng lischen Erzeugnisse, so wurde die Bezeichnung „waäo in 6orwau^ geradezu zur Reklame ür die deutschen Artikel. Die Engländer satten also am Ziele vorbeigeschoffen und wollen das nun dadurch wieder gut machen, daß sie für alle ausländischen Waren die Nacke „sabriziert im Auslande" fordern. Dabei muß allerdings die deutsche Industrie zu kurz kommen; aber sie wird sich einzu richten misten. Sie wird die neue Marke ühren müssen, aber ihr stolz die Neben- »emerkung „Olorman^" beifügen. Ein ge- under Egoismus ist nicht nur dem einzelnen, andern auch den Völkern zu gönnen; das »raucht noch nicht zum gegenseitigen Haß zu ühren. Wozu haben wir beispielsweise cötig, unsere „Moden aus Paris zu beziehen bezw. in allem den Parisern nachäffen? Die gesundheitsgemüße Reform - Frauenkleidung z. B., über die man sonst denken mag, wie immer, ist es ein erfreulicher Schritt, uns von den Pariser Modealbecnheiten freizumachen Versuche in der Richrung, die alten deutschen Volkstrachten wieder zu beleben oder zu er neuern. Es ist zu fürchten, daß dabei nicht viel herausspringt. Andere Zeiten, andere Sitten! Weit über Preußens Grenzen hinaus ist das Interesse für die preußische Kanalvorlage rege — von den einen heiß ersehnt, von den andern heftig bekämpft- Die preußische Re gierung hat ja nun das fetteste Mittelstück, die Kanalverbindung der Weser mit der Elbe, also die direkte Verbindung Danzigs mit dem Rheine, weggelaffen. Unser Reichskanzler hat sich während der Besprechung der Vorlage im Berliner Abgeordnetenhause nicht sehen lasten. Er weiß, wie sehr die Kanäle seinen Freunden von der Rechten zuwider sind. Und Herrn von Buddes Vorgänger, der gleichfalls geadelte v. Thielen, hat die Regierung unglücklicherweise durch sein „Gebaut wird er doch!" festgelegt. Das ist für den Grafen Bülow unangenehm, der nichts in der Welt so sehr fürchtet, wir Konfltkte. Und nun gar einen solchen mit dem preußischen Abgeordnetenhause, das sonst für die Regierungspolttik nie versagt! An dem Beispiele des Herrn v. Miquel hat man gesehen, wie leicht selbst Minister über die noch nicht einmal aufgeworfenen Schollen drS Kanalbaucs purzeln können. Darum weit davon ist gut vorm Schluß, zumal das Klein- kaliber von Lueanus weit trägt. Da schützen silbst alte dichte Baumbestände, wie sie heut« noch der Sachsenwald auswcist, nicht.