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Erscheint wdchrnüich drei »al and «war Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). SbonnementSpreiS betrügt vierteljährlich 1 Mark SV Pf. pr»»uw«r»lial,> AmeiM Inserate werden dr» spätestens Mittags des vorhergehende» LageS deö Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit lv Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. für Zwönitz «n- Umgegend. Amtsblatt für den Stadtgemcinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. 8S. Donnerstag, den 24. Juli 4879. 4. Jahrg. Tagesgefchichte. Deutschland. Berlin, 20. Juli. Am vergangenen Sonntag hat Berlin, wie Wiener Blättern von hier geschrieben wird, einen interessanten fürstlichen Gast in seinen Mauern gesehen. Es mar dies nämlich niemand Geringeres, als der regierende Fürst Johann von und zu Liechtenstein, der im Hotel „Kaiserhost' nächtigte und ain Montag die Reise nach Hainburg fortsetzte. In Berlin hat somit der Regent eines Landes geweilt, welches sich äs taoto im Kriege mit dem Königreich Preußen befindet. Denn im Jahre 1866 war das Fürstenthum Liechtenstein einer jener deutschen Bundesstaaten- die an der Seite Oesterreichs kämpften, und während alle übrigen Negierungen, soweit sie selbstständig blieben, mit dem Sieger ihren Frieden machten, ist ein Frieden zwischen Preußen und Liechtenstein bis auf den heutigen Tag nicht abgeschlossen worden. Am 13. Aug. 1866 schloß Preußen mit Württemberg, am 17. mit Baden, am 22. mit Bayern, am 23. mit Oesterreich und am 21. Okt. mit Sachsen Frieden. Von Liechtenstein ist nirgends — auch nicht im Prager Frieden — die Rede, und da nach der Auffassung des Staatenrechtes ein Krieg von der Kriegserklärung angefangen, jedenfalls fo lange datiert, bis ein Friede zu Staude gekommen, so ist hier der gewiß seltene Fall eingetreten, daß ein Herrscher als Vergnügungsreisender die Hauptstadt eines Reiches besucht, mit denr er einen zwar un blutigen, aber außerordentlich langwierigen Krieg führt, dessen Be endigung vorläufig gar nicht abzusehen ist. Bad Gastein, 22. Juli. Der deutsche Kaiser ist im offenen vierspännigen Extrapostwagen heute Abend 6 Uhr bei bestem Wohlsein hier eingetroffen. Der Badeort ist festlich geschmückt, am Eingänge wie an der Kaiserstraße sind Ehrenpforten angebracht. Der Kaiser wurde bei seiner Ankunft von dem Prinzen August von Württem berg, dem Statthalter Grafen Thun, dem Botschafter Grafen Beust, dem Fürsten Rohan, den, Landeshauptmann Grafen Lamberg, dem Landesforstineister Ulrici, dem Grafen Wilhelm Bismarck und von der Ortsbehörde empfangen. Die Badegäste hatten sich zu Ehren des Kaisers mit Kornblumen geschmückt, die Damen brachten Blumen spenden dar, von der gesammten Bevölkerung wurde der Kaiser mit lebhaften Hochrufen begrüßt. Oesterreich. Wien, 21. Juli. Der Gesammtausschuß des unter dem Protektorate des Kaisers stehenden „Oesterreichischen Schützenbundes" hat den Beschluß gefaßt, im nächsten Jahre in Wien das Gründungsfest des österreichischen Schützenbundes und hiermit auch das erste österreichische Bundesschießen abzuhalten. Da bei diesem Doppelfeste auch die Fahnen des österreichischen Schützenbundes eingeweiht und der Kaiserin die Bitte unterbreitet werden wird, die Pathenstelle zu übernehmen, so dürfte das Fest einen glänzenden Verlauf nehmen. Zur Durchführung desselben werden demnächst die einzelnen Fachkomitees gewählt werden. — Wie der „Tyroler Bote" belichtet, wurde am 17. d., morgens um 6^ Uhr, in Innsbruck und Umgebung unter dumpfem Atollen ein ziemlich heftiger Erdstoß von wellenförmiger Bewegung mit sehr bemerkbarer Erschütterung der Gegenstände in den Wohnungen wahrgenommen. Russland. Petersburg, 21. Juli. Es heißt, daß die russische Regierung dem Khan von Khiwa den Befehl ertheilt habe, 5000 Arbeiter für die Operation, den Orus in das Kaspische Meer abzu lenken, zu liefern. Kapitän Gelmann sei mit einer Anzahl Ingenieure am Sari Kamischsee angekommen, um die Operation zu überwachen. — Aus dem Kiewer Kerker entkamen auf unaufgeklärte Weise 10 Nihilisten, worunter drei Mädchen und zwei Individuen, welche der Theilnahme an dem in der Kiewer Militärkasse verübten Diebstahle dringend verdächtig sind. Mehrere Gefängnißwärter wurden arretirt. — Zufolge Nachrichten aus Warschau ist in dem See Zusno, Kreis und Gouvernement Suwalki, der Karbunkel (sibirische Fischpest) aus- gebrochen. Amtlicherseits sind entsprechende polizeilich-medizinische Maßregeln gegen die Seuche ergriffen worden. China. Den neuesten Berichten aus Zentralasien zufolge trifft China Vorbereitungen für einen Krieg gegen Rußland. Amerika. Aus Philadelphia wird telegraphirt, daß in Mem phis das gelbe Fieber größere Ausdehnung gewinnt und daß die Bevölkerung in wilder Hast flieht. Lokales und Sächsisches. — In der Gerichtssprache tritt mit dem 1. Oktober nicht nur in dem Sinne eine Neuerung ein, daß künftig die deutsche Sprache die alleinige Gerichtssprache ist, sondern auch innerhalb der deutschen Gerichtssprache hat die neue Zivilprozeß-Ordnung in dezenter Weise eine Läuterung und Neigung von den mit den fremden Rechten über kommenen Ausdrücken vollzogen, die zum allgemeinen Verständnisse des heutigen Nechtsverfahrens nicht unerheblich beitragen wird. Statt „ziviliter" zu „prozessiren", wird man künftig eine „bürgerliche Rechts streitigkeit" „anhängig machen" und wird sodann den Beklagten die Klage nicht mehr „insinuirt" sondern „zugestellt" wogegen er, anstatt sein „aoo6pi886" auf dem „Jnsinationsdokument" zu vermerken, auf der „Zustellungsurkunde" ein „schriftliches Emfangsbekenntniß" aus stellen wird. Handelt es sich nur um eine „Bagatelle", so tritt das „Mahnverfahren" ein, und anstatt des „Mandats" erhält der Be klagte einen „Zahlungsbefehl". Bleibt der Beklagte ungehorsam im Termin aus, so wird ihm nicht ein ,Fontumatial-Erkenntniß", sondern ein „Versäumnißurtheil" zugestellt. Will er aber den Anspruch des Klägers nicht bestreiten, so erzielt er statt der „Agnitoria" ein „An- erkenntniß". Ist er zu zahlen nicht im Stande, so wird er nicht mehr vom „Exekutor" belästigt, sondern die mit den „Zustellungen" (Insinuationen), „Ladungen" (Zitationen) und „Vollstreckungen" (Exe kutionen) beauftragten Beamten werden jetzt „Gerichtsvollzieher" ge nannt. Will der Beklagte „kompensiren", so muß er eine „Gegen forderung" geltend machen; glaubt er aber „Utsm denunziren" zu können, so muß er einem Dritten den „Streit verkünden". Mehrere „Litiskonsorten" werden künftig „Streitgenoffen" genannt und die „Intervention" ist zu einem „Zwischenstreit" geworden. Eide werden nicht mehr „deferirt", auch nicht „referirt", sondern nur noch „zuge- schoben" oder zurückgeschoben"; der „Manifestationseid" hat sich als „Osfenbarungseid" entpuppt und aus dem „Alimenten" sind, abge sehen von den Tauf-, Entbindungs- und Sechswochenkosten, „Ver pflegungsgelder" geworden. Aus dem „Original" ist eine „Urschrift" und die „Kopie" zu einer „Abschrift" geworden; will man aber beide mit einander „kollationiren", so muß man eine „Schriftvergleichung" anstellen. Will man Gelder „deponiren" oder „uä äsxoAtuin" ein zahlen, so muß ,man sie „gerichtlich hinterlegen", soll aber etwas „amortisirt" werden, so läßt man es „für kraftlos erklären". Will man eine Erbschaft „oum dsnstivio et invontarii" antreten, so muß man es „unter der Nechtswohlthat des Gesetzes und Inven tars" thun. „Prodigalitäts-Erklärungen" finden nicht mehr statt, da gegen kann man Jemand „für einen Verschwender erklären" lassen; die „Sponsalien" sind zu „Verlöbnißsachen" geworden, während die „Ehesachen" auch schon früher in der deutschen Gerichtssprache be kannt waren. Will man sich bei einem Erkenntniß nicht beruhigen, so wende man sich an die „Berufungsinstanz" und trage dafür Sorge, daß nicht dem „Appellaten", sondern dem „Berufungsbeklagten" die Rechtfertigungsschrift zugestellt werde. Die Kosten, welche der unter liegende Theil zahlen muß, kommen nicht mehr dem „Fiskus", sondern der „Staatskasse" zu Gute, und zahlt dieselbe denjenigen Beamten, welche, anstatt in der „Anziennität", im „Disnstalter" weit vorgerückt sind, wenn sie in den Ruhestand treten wollen, nicht eine „Pension", sondern „Ruhegehalt". Dresden. Ein am 20. Juli über unsere Stadt gezogenes Ge witter hat 3 Blitzeinschläge im Gefolge gehabt. In einem Hause der Falkenstraße fuhr der Blitz durch 2 Stuben, in denen sich je 4