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Juli 42V Millionen Kredite zurückzahlen soll, dazu aber nicht in der Lage ist. Bestehen die Gläubiger rus Zahlung, dann weiß Deutschland nicht mehr weiter. Denn dieses Geld ist restlos in das Geschäft hineingestcckt worden, um den Zusammenbruch zu vermeiden. Die 50 Millionen Dollar des Bereitschastskredits der Ameri kaner sind auch verbraucht, da die Devisenabzüge bei der Reichsbank in der vergangenen Woche auch wieder 400 Millionen ausmachten. Dazu steht jetzt für den 17. Juli die Sachverständigenkonferenz in London bevor, wo die „technischen Restfragen" des Hoover-Planes _ behandelt werden sollen. Zwei Tage vorher aber wäre die allmonatliche Noung-Plan- Zahlung Deutschlands fällig. England, Amerika,Italien stehen auf dem Standpunkt, daß der Hoover-Plan, die Zahlungsstundung, in Kraft getreten sei; diese drei Staaten haben der Baseler Bank für die internationalen Zahlungen eine entsprechende Mitteilung gemacht. In der Konferenzeinladung aber heißt es, daß die anderen Gläubigermächte der BIZ- den gleichen Verzicht auf die Empfangnahme von Zahlungen aussprechen sollen, um den Hoover-Plan zur Ausführung zu bringen". Eingeladen sind neben den Vereinigten Staaten nur Frankreich, Italien, Belgien und natürlich Deutschland, „da Eile " " *Nber nicht bloß die Verlängerung der uns gewährten Kredite zu erreichen, war Zweck der Runderise Luthers, ist seine eigentliche Aufgabe in Basel, sondern nicht minder wichtig ist, eine erhebliche Verstärkung der Kredite herbeizuführen, um Deutschland zu sanieren und damit dem Hoover-Plan einen Unterbau zu geben. Wie sehr auch hierfür Eile not tut, ergibt sich schon aus der einfachen Tat sache, daß die bisherigen Kredite erschöpft sind, die Devisenabzüge nicht aufhören, das Mißtrauen hinsichtlich der unmittelbarsten Zukunftsentwicklung Deutschlands kaum geringer geworden ist. Wieder einmal verübt die Politik ihr störendes und zerstörendes Werk an wirtschaft lich vernünftigen Absichten. Denn die englische und ameri kanische Bereitschaft ist da, uns bzw. der Reichsbank den Kredit nicht bloß zu verlängern, sondern ihr oder Verdeut schen Golddiskontbank einen neuen großen Bereitschafts- kredit zur Verfügung zu stellen. Man sieht dort die absolute Notwendigkeit ein, Deutschland zu helfen. Einen Augen blick tauchte in England — auch in einem der Regierung Macdonald nahestehenden Organ — die Forderung auf: Kredit an Deutschland soll nur gegeben werden, wenn wir aus den Weiterbau der Ersatz schiffe für unsere mehr als zweieinhalb Jahrzehnte alten Linienschiffe sowie auf die Zollunions Pläne verzichten. In Paris sind dann dem Reichsbankpräsidenten diese Bedingungen ganz offiziell gestellt worden, während England gleichzeitig — und zwar wieder in jenem Organ der Arbeiterpartei — betonte, es handele sich nicht um „Bedingungen", sondern nur um den an Deutschland gerichteten Wunsch es solle eine entsprechende, aber frei- willigx „Geste" vollziehen. Ob man in Paris nicht » weitergchcnde Forderungen wie z. B. die eines "^"l.ocarno" gestellt hat. erscheint durchaus nicht als Di- ^M^"ffen. Man denkt sich dort die Sache wohl so, daß -D- Lüning bei seinem ja bereits angekündigten Besuch „Mirantlem- nach dieser und vielleicht noch mancher Richtung hin geben soll. Ms man ein solches Er- Paris aus an die österreichische, in höchster ftuanzlcuer Rot befindliche Regierung stellte, wurde ihm l5S^i»ü/^^lteier, ultimativer Charakter gegeben. dE.sAngshftt England dann rechtzeitig und energisch da- zwlschengegrlffen Uhm auch uns gegenüber sieht jene franzosilcm Forderung insofern ultimativ aus, als eben die ftrage der Kreditverlängerung unmittelbar vor der Entscheidung stehn Man scheint sich aber — wenn man hierfür die Mitteilungen der Berliner Korrespon denten englncher Blätter heranziehen darf — in Eng land dessen bewußt zu werden, daß die Einschaltung der „politischen" Kreditbedingungen eine schwere Gefahr für den Bestand des Kabinetts Brüning bedeute, weil es jene Forderungen nich, annehmen könne. Was bei dieser schon jetzt fast zum Zerreißen gespannten Lage noch obendrein eine Verfcharsung durch eine Regierungs krise in Deutschland im Gefolge haben würde, ist ganz unabsehbar. Und darüber scheint man sich in England auch schon einige Gedanken zu machen. Der „Daily Herald" das obenerwähnte Blatt der englischen Arbeiter partei, schreibt, jene Bedingungen seien „im Geiste von Versailles entstanden" und die französische Forderung sei „ein Versuch, die gegenwärtige Krise in Deutschland entweder zur Erpressung von politischen Zu sagen oder zum Diktieren von Bedingungen auszu nutzen"; das sei „abscheulich und zwecklos". Man wird es uns Deutschen kaum verargen dürfen, daß unsere Kritik noch beträchtlich schärfer ausfällt. Ernste MWim der ReWregierung Vor neuen Notverordnungen. Regelung des Devisenverkehrs. Berl i n, 12. Juli. Da den bisherigen Kreditbemühungen des Reichsbankpräsidenten Dr. Luther der Erfolg versagt war, hat sich nun das Reichslobinett entschlossen, in die völlig ver fahrene wirtschaftliche Lage, deren bedrohlicher Charakter sich ins besondere durch die starken Devisenabflüsse am Sonnabend zeigte, mit einer weiteren Notverordnung einzugreifen. In der Reichs kanzlei fanden am Sonntag stundenlange Beratungen statt, die schließlich eine offizielle Kabinettssitzung zur Folge hatten, in der die Beschlüsse vorbereitet werden, die im Laufe der Nacht unter dem gemeinsamen Titel „Maßnahmen zur Sanierung der deut schen Wirtschaft" bekanntgegeen werden. Die neuen Maßnahmen werden in Form einer Notverordnung des Reichspräsidenten ver öffentlicht werden. Der Grundzug der neuen Maßnahmen ist der, sich nicht auf fremde Finanzhilfe zu verlassen, sondern schleunigst selbst Schritte zur inneren Sanierung zu unternehmen. Das Ka binett kam zu der Ansicht, daß noch vor der Sitzung des Ver- wcitrnasrüles der Tributbank Deuschland zu Schritten der Selbsthilfe schreiten müsse. Die vom Kabinett beschlossenen Schritte verfolgen einen doppelten Zweck, einmal eine wirtschaft lich zweckmäßige Verwertung der in Deutschland vorhandenen Be stände an fremden Geldsorten, und zweitens gleichzeitig eine ge genseitige Unterstützung der deutschen Großbanken untereinander, damit durch Zusammenarbeit die Gesahr von Schwierigkeiten sür Einzelunlernehmungen vermieden wird. Durch die neue Verord nung soll erreicht werden, daß Banken, die an und für sich ge schäftlich gesund find, aber durch die jetzige Krise in Schwie rigkeiten geraten, durch gemeinschaftliche und Reichsgarantien > während der nächsten Zeit gestützt werden dürfen. Das Kabinett wird ermächtigt, eine folche Reichsgarantie in bestimmten Fällen zu übernehmen. Diese innere wirtschaftliche Maßnahme soll offen bar die Grundlage für die Kredithilfe darfftllen, die man für die Reichsbank erwartet. Amerikanische Meldungen haben von der Möglichkeit unbeschränkter Kredite für die Reichsbank gesprochen. Es würde aber sowohl nach Auffassung der Berliner zuständigen Stellen wie auch der in Betracht kommenden Kreditgeber keinen Sinn haben, solche Kredite aufzunehmen, wenn sie durch die De- vissnanfordermMn m Deutschland nach wenigen Tagen wieder verbraucht werden. * Keine Börsen am Montag und Dienstag Berlin. Wft wir erfahren, bleiben auf Anordnung des preußischen Handelsministers am Montag und Dienstag die Bör sen m Preußen geschloffen. Da es sich hier um eine den Ländern unterstehende Angelegenheit handelt, konnte die Reichsregierung die entsprechende Anordnung nicht sür sämtliche Börsen im Reiche treffen. Sie hat aber das Ersuchen, sich Lem preußischen Vor gehen anzuschließen, an die in Frage kommenden Länderregie rungen gerichtet. Es besteht kein Zweifel darüber, daß danach am Montag und Dienstag sämtliche deutschen Börsen geschloffen bleiben. Neue ketten für veutlchlanck Kostspielige Verzögerung. Die Reichsbank im Trommelfeuer. In den Hoover-Plan, der rein wirtschaftlich gedacht ist, hat Frankreich politische Momente hinein- gebracht, die Ms Fremdkörper das Getriebe rasseln und knarren machen und mit schweren Beschädigungen be drohen. Ebenso wie Frankreich seine Diplomaten und Mili tärs in Wirtschaftsverhandlungen hineinreden läßt, so benutzt es andererseits seine Bankiers, um sich politische und militärische Vorteile zu erpressen. Es schießt wieder einmal mit seinen berühmten „silbernen Kugeln" ans Deutschland, um die Festung sturmreis zu machen. Wir sollen aus finanziellem Gebier zum Weißbluten ge bracht werden, damit wir wirtschaftlich in die Knie ge zwungen, von dem geringen Rest staatlicher Hoheit, den uns Versailles gelassen hat, auch noch weiteres auf geben. Die Verzögerung der Kreditaktion für die Reichsbank, die durch das Verhalten von Paris ein getreten ist, hat wiederum zu einer wesentlichen Verschärfung am Devisenmarkt beigelragen. Man schätz! die Devisenansorderungen am Sonnabend ans wenig st ens 100 Millionen. Als die Hauptplätze, von denen die Devisenabzüge kommen, werden die Schweiz und Holland ange sehen. Man glaubt die Feststellung machen zu können, ( daß neben französischen Geldabzügen, die hinter dieser Bewegung stehen, neuerdings auch deutsche' über diese Plätze nach Deutschland zurückgeflossene Gelder zu rückgezogen werden. Auch sonst liegen Anzeichen dafür vor, daß deutsche Kapitalflüchtlinge nicht ganz an der neuerlichen Bewegung unbeteiligt sind. Die Reichsbank Hai bereits Anweisungen gegeben, die aus eine Verschärfung der Restriktionsmaßnähmen hinaus laufen, wenn auch soweit wie eben möglich, einstweilen noch an einer individuellen Handhabung festgehalten wird. Die Nachricht, daß amerikanische Bankkreise bereit sind, einen 200-Millionen-Dollar-Kredit zu gewähren, übte keine psychologische Wirkung aus, weil dieser Kredit nur als die Beteiligung an einem größeren Kredit, zu dem England und Frankreich beitragen sollen, betrachtet wird. Von amerikanischer Seite wird an die Kredit- bereitwilligkeit lediglich die Bedingung geknüpft, daß die Reichsbank ihre Krediteinschränkung beträchtlich verschärft, — ein Verlangen, dem die Reichsbank, wie gesagt, auch schon Folge gegeben hat. Auch von eng lischer Seite ist bereits belom und zugesagt worden, man wolle der Reichsbank tatkräftig helfen, doch scheint dem Reichsbankpräsidenten Dr. Luther mitgeteilt worden zu sein, daß die Verwirklichung dieser Zusage von der gleichzeitigen Beteiligung auch Frankreichs abhängig sei. Jnsolgedcssen dreht sich jetzt alles um die Haltung der französischen Regierung, da die Banken in Frank reich unbedingt den Weisungen des Finanzministers Flandin folgen. Neben den bereits bekanntgewordenen „politischen" Bedingungen für die Gewährung eines kurz fristigen „Überbrückungskredits" an die Reichsbank werden dort aber schon viel weitergehende Pläne erwogen. * Ein phantastischer französischer GamerunHspZan. Deutschland unter Finanzkontrolle. * Aus wirtschaftticheu Kressen, die der Bank von Frank reich nahestehcn, verlautet, daß in London und Paris folgender Plan für die finanzielle Unterstützung Deutsch lands ins Auge gefaßt worden sei: 1. Bewilligung neuer kurzfristiger Kredite an die Reichsbank, um dann in der Zwischenzeit eine gründ lichen ntersuchung der finanziellen Lage des Reiches durch eine Kommission des Europäischen Ausschusses vorzunehmcn. Die Untersuchung soll im August cingeleitct und der Bericht dem Europaausschuß im September unterbreitet werden. 2. Falls die Untersuchung zu befriedigenden Ergeb nissen führt und die von den Gläubigern aufgestellten Empfehlungen vom Reiche angenommen werden, soll dem Reich eine langfristige Anleihe bewilligt werden. Der angebliche Pariser Sanierungsplan wird an zu ständiger Stelle als so phantastisch bezeichnet, daß für Deutschland eine Annahme auch einzelner Abschnitte unter keinen Umständen in Frage komme. Es wird darauf hin gewiesen, daß es sich hier zum großen Teil um alte Ge danken handele, die schon verschiedentlich aufgetauchi und regelmäßig auf Ablehnung gestoßen seien. Hierzu gehöre vor allen Dingen auch der erwähnte Untersuchungs ausschuß des Europaausschusscs. * Schicksalsschwere Siunden. Festes Nein gegenüber französischen Erpressungen. Sofort nach seiner Rückkehr aus Paris erstattete ReichsbankpräsideM Luther in einer Minister- besprechung dem Kabinett Bericht über das Ergebnis seiner Besprechungen inLondon und Paris. Die Be sprechung dauerte bis 2 Uhr uachts. Es bestätigt sich, daß von französischer Seite sür die Mitarbeit an der Stabili sierung der FinanzverhäÄnisse in Deutschland eine Reihe von politischen Forderungen gestellt worden sind. An zuständiger Stelle läßt man jedoch keinen Zweisel darüber, daß das Reichskabinett mit der gesamten deut schen Öffentlichkeit in der Ablehnung derartiger Forde rungen einig ist. Man versteht überhaupt nicht, wie in einer derartig kritischen Lage, die die Verhältnisse der übri gen Welt mindestens ebenso berührt, wie die Verhältnisse Deutschlands, und in der es sich nicht um Almosen oder Wohlfahrtsspcndcn, sondern um dringend notwendige Maßnahmen im Interesse der gesamten Weltwirtschaft bandelt, die Gelegenheit benutzt werden kann, um von dem