Volltext Seite (XML)
Beitrage zur Belehrung und Unterhaltung. Dresden, den 2. November 1612. 84» Skizzen weibl. Charaktere aus der Mittelzeit. der ersten Erzählung, mit welcher ich- nach Viktor Rossl's Anleitung, eine kleine Galerie merkwürdiger Weiber eröffnete, deren Blographieen bis jetzt minder bekannt waren, als sie cs zu seyn verdienten, erregten vi.Ueicht die sonderbaren Schicksale einer asiatischen Für- sienlochter, die mit männlichem Heldcumuthe, durch den Glauben gestählt, wallen Gefahren trotzte, einiges Interesse. Das folgende Portrait/ zu welchem rine Ita lienerin fast, möge dem Leser zeigen, daß auch Weibern außerordentliche Geistesanlagen angeboren werden. Es ist hier nicht eine bunte Reihe seltsamer Abenteuer; es ;st das UngeMiine weibl. Genie's, das Ler Aufmerksam keit dcS Denkenden nicht entgehen kann- Um der Schwachen willen, die mit einem gelinden Fieberfrösteln d.fallen werden, sobald sie nur von ge lehrten Weibern hören, und um der Schwachem, Geblendeten willen, denen weibliche Gelehrsamkeit un endlich mehr gilt, als die hohe, reine Würde häuslicher Tugenden, die in einem, leider! allzuoft auf Kosten ih rer edlern Weiblichkeit mit Talenten für dieses oder jenes Fach der Literatur wuchernden Weibe einen Geist deS LichtS abgöttisch verehren, — um dieser willen halte ich cS nicht für überflüssig, meiner biographischen Schilde rung einige Worte über gelehrte Weiber vorange- hen zu lassen, in welcher ich zugleich mein Glaubenöde- kcnntmß ablege. Die Weiber, sagt irgend ein berühmter Schriflstel- l r, sind mehrmthejls das, was die Manner aus ihnen machen, tlno der Mann, der das sagt/ hat wahrlich Recht ; man mag seinen Satz auf Individuen deS Ge schlechts, oder aus ganze Klassen, ja auf ganze Natio nen b ziehen. Die Frauen des despotischen Orientalen sind Sklavinnen, die Ler galanten*) Europäer Ge bieterinnen ihrer Gatten. Allein, trotz unsrer Galante rie, wollen wir in einem Punkte einen au6/ch lreßen den Vorrang behaupten, im Punkte der akademischen Weisheit. Wir wähnen unS im Besitze des Monopol kiums wissenschaftlicher Kenntnisse, und das ist doch etwas zu übermüthigl Allerdings bleibt die Erfüllung der Berufspflichten, als Hausfrau und Mutter, das Ziel, nach welchem Alle streben sollten. Auch liegt Etwas im Organismus deS weiblichen Körpers selbst, was sie zu manchen bloß kleinlichen, oder vielmehr kleinlich schei nenden Beschäftigungen, die jedoch zum tlmtticb deS Ganzen und zur Erhaltung des bürgerlichen gesellschaft lichen Vereins eben so wesentlich Mitwirken und daher nicht minder wichtig sind, alö die wichtiger scheinenden, Geist oder Körver anstrengenden, Kraft heischenden Ar beiten der Männer, besonders eignet. Doch dürfen wir ihnen schon den Vorzug der Ausdauer bei körperlichen liebeln keineswegs abfprcchen. Mögen wir immer die Eiche zum Symbol unsrer Stärke wählen; sie gleichen dem Rohre, das elastisch und geschmeidig sich Zwar vor *) Wegen des Ausdrucks galant bitte ich die strengen Deursch^precher um Verzeihung. Mir ist kein acht deut sches Wort gleichen SinneS bekannt, und die Pflicht, un» sere Begriffe dem Leser ohne Mißverständnis; darzustetten, re.ttf.rtigt gewiß die Wahl dieses oder jenes ausländi schen WortchenS, das; wir darum nicht den Genius unse rer Sprache zu beleidigen sürchten müssen.