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WtzuM für MckE Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abvnnementspreis vierteljährlich 1 Ml., durch die Post " bezogen 1 Ml. 25 Pf. — Einzelne I Nummern 10 Pf. Tharandt, Mn, Siebenlkhn nnd die Umgegenden. Im Ist) lull Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Rgl. AmtshaupLmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. No. «6. Dienstag, den 18. August 18S1. Bekanntmachung. Mittwoch, den 10 August d. I., Vormittags 0 , gelangt die zum Jahn'schen Konkurse gehörige, auf dem Schubert'schen und Bretschneider'schen Felde an ¬ stehende Hafer-Ernte durch mich gegen Baarzahlung zur Versteigerung. Versammlungsort: die Jahn'sche Brauerei. Dresden, am 12. August 1891. Der Konkursverwalter Rechtsanwalt Gustav Müller. Tagesgeschichte. Nach dem „Neichsanzeiger" ergeben die durch das Königl. Statistische Bureau vorgenommenen Ermittelungen der Ernte aussichten für den gesammten preußischen Staat an Winter weizen durchschnittlich 91 Procent einer Mittelernte, an Sommer gerste 102 Procent einer Mittelernte, an Hafer 104 Procent einer Mittelernte, an Erbsen 101 Procent einer Mittelernte, an Kartoffeln 95 Procent einer Mittelernte, an Winterraps und Rüben 74 Procent, an Hopfen 90 Procent, an Klecheu 91 Procent, an Wiesenbeu 90 Procent einer Mittelernte und an Winterroggen 82 Procent einer Mittelernte. — Ferner weist der „Reichsanzeiger" gegenüber den Meldungen der Blätter darauf hin, daß das zu erwartende Ergebniß der Kartoffelernte durchschnittlich 95 Procent einer Mittelernte betragen werde, also einen Ausgangszoll auf Kartoffeln nicht rechtfertigen würde, zumal der Export von Kartoffeln aus Deutschland nur gering fügig sei. Das politische Interesse wurde in der verflossenen Woche vorzugsweise von den Nachrichten über das russische Rog genausfuhrverbot in Anspruch genommen. Dasselbe steht in ziemlich scharfem Gegensätze zu den erst neuerdings bekanntgegebenen Saatenstandsberichten des russischen Domänen ministers. Nach diesen waren zwar in Rußland Distrikte vor handen, für welche eine totale Mißernte zu verzeichnen ist; die selben sind jedoch nach eben jenen amtlichen Berichten keineswegs so umfangreich, daß nicht die Bezirke mit guter und mittlerer Ernte den Ausfall übertragen könnten. Thatsächlich kommen in Rußland in jedem Jahre Mißernten von größerem oder geringerem Unifange vor, und charakteristisch genug ist es, wenn gerade an dem Tage, an welchem das Ausfuhrverbot publizirt wurde, der St. Petersburger „Herold" einen Artikel veröffent licht, welcher sich mit den Ursachen der Häufigkeit von Mißernten in Rußland beschäftigte. Eine partielle Mißernte, wie sie in Rußland vorliegt, hätte daher an und für sich ein Ausfuhrverbot für Getreide kaum erwarten lassen, und wenn auch die hauptsächlich Roggen bauenden Bezirke Rußlands die relativ schlechteste Ernte aufweisen mögen, so würde man nach den Erfahrungen früberer Jahre und dem relativ guten Stande von Weizen und dem vorzüglichen der Sommerfrüchte kaum haben auf das Bevorstehen einer Maßnahme schließen können, welche sich durch die Sorge für die Befriedigung des Bedarfs der eigenen Bevölkerung mit Brotgetreide rechtfertigen soll. Mit Recht sind daher auch schon Stimmen laut geworden, welche das Ausfuhrverbot als eine nicht rein wirthschaftliche, sondern als eine wirthschafts-, vielleicht auch allgemein-politische Maßnahme aufgefaßt wissen wollen. Da aber nicht die Ge treideausfuhr überhaupt, sondern nur diejenige von Roggen inhi- birt wird, und da das Deutsche Reich der Hauptabnehmer für russischen Roggen war, so würde sich das Ausfuhrverbot, als wirthschafts- oder allgemeinpolitische Maßnahme aufgefaßt, speziell gegen Deutschland richten. Die Möglichkeit einer "solchen Spitze desselben wird dadurch gewiß nicht unwahrscheinlicher, daß auch die letzten russischen Zolltariferhöhungen allen Schön färbereien der auch iu Deutschland weit verzweigten russischen Offiziösen zum Trotz ihre Tendenz, den deutschen Export nach Rußland zu unterbinden, nicht zu verleugnen vermochten. Nimmt man jedoch diese Voraussetzung als zutreffend an, so fragt es sieb zunächst, welchen Einfluß das russische Ausfuhrverbot für uns haben wird. Thatsächlich haben wir ja einen erheblichen Tbeil unseres Bedarfes an Roggen aus Rußland zu beziehen uns gewölmt, und wir werden das gleiche Quantum derselben Getreideart kaum von einem anderen Produktionsgebiete kaufen können. Zunächst wird ja unsere eigene Ernte den Bedarf decken, dann aber werden andere Produktionsgebiete, vor allem die Vereinigten Staaten, mit so starkem Angebote auf dem Weltmärkte erscheinen, daß ein thatsächlicher Mangel an Brot- fruebt nicht eintreten wird. Wir werden eben mehr Weizen und weniger Roggen als sonst konsumiren. Weizen aber wird einen niedrigen, Roggen vielleicht einen relativ hohen Preis haben. Der erste und natürliche Eindruck, den das russische Ausfuhr verbot auf die internationalen Handelsbeziehungen hervorgebracht hat, war ein starkes Sinken der Rubelkurse, und insofern wird jene Maßregel sich als eine für Rußland selw zweischneidige herausstellen. Der erst mit so großer Mühe erhöhte Rubelkurs wird, so lange Rußland keinen Roggen ausführt, einen wesent lich niedrigeren Stand behaupten. Das sonst auf dem Welt märkte erscheinende russische Getreide, Weizen, Gerste, Hafer wird aber wegen der zu erwartenden niedrigen Rubelkurse auf den Weltmarktpreis drücken, wie wir das in den Zeiten der niedrigen Getreidepreise und niedrigen Rubelkurse zur Genüge erlebt haben. Das russische Ausfuhrverbot wird also den Welt marktpreis für Getreide dauernd überhaupt kaum erhöhen, und insofern kann diese Maßnahme der russischen Handelspolitik dem eigenen Lande sehr empfindlich werden. Ehrung Bismarcks. Bei dem Festabend, der von der Studentenschaft zu Ehren Bismarcks im Theater zu Kissingen veranstaltet wurde, sprach Emst Possart, oft von stürmischem Beifall unterbrochen, folgenden von ihm verfaßten Prolog: „Was sagen Worte hier, was Huldigungen, Hoch über allem königlichen Lohn — Und jedem Lobe schwacher Dichterzungen Steht Dein Verdienst — Du Schöpfer der Nation! Das Hohelied von dem, was Du errungeu, Was uns erhebend durch die Seele zieht, Vom Ahn zum Enkel bleibt's unausgesungen, Das Lied vom Deutschen Reich — das Bismarcklied! Ein starker Stamm, der Nord und Süd umschlungen, Gesunden Bandes sich vereinigt sieht Und heut sich kühlt von Schaffenskraft durchdrungen, Im Rath der Völker ein gewichtig Glied. Das ist Dein Werk! Ja, mehr daß uns beschieden Trotz mancher schweren Wetterwolke Droh'n Nach Kampf und Sieg ein 20jähr'ger Frieden Lein Werk! Du des Jahrhunderts größter Sohn! Und danken wollen wir Dir heut aufs Neue, Du starker Fels in Stürmen und Gefahr, Dich ehren unentwegt in alter Treue, So lano cur Sonne fliegt der deutsche Aar! Danzig, 9. August. Gestern ertranken in unserer Bucht ein Kapitän-Lieutenant, ein Assistenzarzt und zwei Matrosen. Sie hatten sich von ihrem Schiffe, dem „Zieten" in einem Boote auf die See begeben. Das Meer war ziemlich lebhaft, so daß das kleine Boot kenterte und die Insassen den Tod in den Wellen fanden. Rettung war unmöglich, und obwohl so fort zahlreiche Böte und Dampfbarkassen die westliche Bucht absuchten, waren die Leichen nicht zu finden. Heute wurde die Leiche eines Matrosen bei dem Seebad „Westerplatte" ans Land gespült. Von dem wachsenden Einfluß der Deutschen in Australien entwirft der Sydneyer Korrespondent eines Pariser Blattes eine Schilderung, welche den Verdruß des Nationalfranzosen, sein Land und Volk durch das Deutschthum fast gänzlich in den Hintergrund verwiesen zu sehen, deutlich durchschimmern läßt. In den Augen der Australier ist Frank reich so gut wie gar nicht vorhanden. Deutscher Geschäftsgeist, deutsche Waare erobern in Australien eine Position nach der andern. Der deutsche Consulardienst wird von Berlin aus in sachverständiger Weise organisirt und auf die Höhe seiner Leistungsfähigkeit gebracht. Der benachbarte eigene Colonial besitz des Deutschen Reichs gewährt auch dem australischen Deutschthum kräftigen Rückhalt. In den Colonialparlamenten sitzen bereits mehrere Deutsch-Australier. Das neueste wirth schaftliche Thätigkeitsgebiet der Deutsch-Australier ist Perth, welches der Eingangs erwähnte Korrespondent die zur Zeit noch am dünnsten bevölkertste, aber in landwirthschaftlicher Hinsicht zukunftsreichste der westaustralischen Niederlassungen nennt. Deutscher Unternehmungsgeist, deutsches Capital haben von der westaustralischen Negierung die Concession zum Bau und Be triebe einer mehr als 300 Meilen langen Eisenbahn mitten durch die fruchtbarsten Landstriche erhalten. Im Uebermaß seiner Deutschenfurcht versteigt sich der aus Sydney correspon- dirende Franzose zu folgenden phantastisch ausgeschmückten Schlußsätzen: „Die deutsche Regierung befördert die Aus wanderung Reichsangehöriger nach Australien mit allen Kräften, allmonatlich kommen auf der subventionirten Dampferlinie etwa 600 Deutsche in Arstralien an. Wenn das so weiter geht, werden sie bald das ausgesprochene Uebergewicht erlangen und die deutsche Sprache wird ihre Herrschaft mit Macht fördern. Käme für Australien dereinst der Tag der Losreißung von England, so würden in der Kolonie eine englische und eine deutsche Partei das Haupt erheben." In Frankreich stand man im Laufe der verflossenen : Woche noch vollständig unter dem Eindrücke der Festlichkeiten ! in Kronstadt, Petersburg und Moskau. Im Rausche verzückten ! Jubels über die von den Russen dem französischen Geschwader erwiesenen Ehren war man vollständig kopflos geworden. Die Republik trug vom Scheitel bis zur Sohle ein so scharfes moskowitisches Gepräge, daß man ernstlich auf den Gedanken kommen konnte, das heilige russische Reich habe jenseit der Vo gesen eine kosakisch-kalmückische Filiale errichtet. Der chauvi nistische Taumel hatte einen solchen Höhepunkt erreicht daß sogar untergeordnete Provinzialstädte offizielle Begrüßungs- und Huldigungstelegramme nach Petersburg zu senden wagten. Selbst den boulangistischen Störenfrieden schwoll wieder der Kamm. Sic glaubten, die Gelegenheit sei günstig für sie, aus der Tiefe der Vergessenheit wieder an die Oberfläche der Tages ereignisse emporzusteigen und bei der allgemeinen Verwirrung im Trüben zu fischen. Oel ins Feuer des nationalen Fanatismus goß noch die am Dienstag erfolgte Ankunft des russischen Groß- fürsten Alexis in Paris, der ins Bad nach Vichy reist. Die Zeit seiner Ankunft war geheim gehalten und dafür gesorgt worden, daß gleichzeitig mehrere Züge auf dem Bahnhof ein trafen. Der Großfürst wurde jedoch von der Menge erkannt und begeistert empfangen. 3000 Personen waren anwesend. Man rief: „Vivs ln ru8ma!" und schwenkte die Hüte. Der Prinz betrat durch eine Seitenpforte das Hotel Continental. Nachmittags mußte auf Verlangen einer im Tuileriengarten an wesenden Menge vor etwa 10 000 Personen die russische Hymne dreimal gespielt werden. Man hörte dieselbe entblößten Hauptes an, klatschte frenetisch Beifall und brachte Hochs auf Rußland aus. Zum Schluß wurde auch die Marseillaise gespielt. Ein Theil der versammelten Menge begab sich sodann nach deni Hotel Continental, vor welchem man wiederum „Hoch Rußland" rief. Welchen Zweck alle diese russenfreundlichen Kundgebungen verfolgen, ergiebt sich daraus, daß die Patriotenliga, geführt von dem Abgeordneten Boudau, eine Manifestation vor dem Straß burg-Denkmal veranstalten wollte. Da die Polizei dasselbe besetzt hielt, so defilirten die Demonstranten, an Zahl 2000, entblößten Hauptes an dem Denkmal vorüber und gingen nach dem Hotel der russischen Botschaft, um dort abermals „patriotischen" Radau zu machen. Die Revanche wird fast straflos auf den Schild gehoben. Zeit ist es da, daß das französische Ministerium kalte Wasserstrahlen auf die heißen Köpfe der Revanche-Fana tiker richtete; sie hat es schon zweimal im „Soir" und „Paris" gethan, doch sind die Köpfe noch nicht abgekühlt und es sollte noch kräftiger geschehen. Aus Anlaß der P öb c la us sch r eitung c n gegen die Christen hat der Kaiser von China folgenden Erlaß ver öffentlicht: „Auswärtige Missionare kommen nach China zur Verbreitung westländischer Lehren, wie dies in den von China mit auswärtigen Mächten abgeschlossenen Verträgen auseinan dergesetzt ist. I» früheren Jahren erhielten alle hohen Provinzial bebörden strenge Befehle, die fremden Missionare, welche seit langem das Volk aufklärten und immer die friedlichsten Ab sichten an den Tag legten, zu schützen. Weshalb das Volk sie jetzt tödten, ihre Kirchen verbrennen und ihre Religion ausrotten will, ist ein Räthsel. Es muß dies das Werk ge Heimer Gesellschaften sein, deren Führer das Volk zum An schluß an ikre ungesetzlichen Verbindungen aufreizen. Sie ver breiten ärgerliche Gerüchte über die Ausländer, um Gelegen heilen zum Plündern herbeizuführen. Falls sie nicht abgefangen und sofort streng bestraft werden, ist die Ruhe des Staates gefährdet. Ich befehle hiermit den Vicekönigen, Tatarengenc- ralcn und Statthaltern, sofort ihre Beamten anzuweisen, die Fübrer und die Mitglieder geheimer Gesellschaften zu ergreifen, sic vor Gericht zu stellen und im Falle der Schuld sogleich binzurichten. Die Fremden Lehren dienen zum Frommen der jenigen Chinesen, welche sich die Religionen der Missionare anzueigncn wünschen. Die Bekehrten und ihre Seelsorger sind gute und friedfertige Leute, und daher ersuche ich euch Vicckönige und hohe Beamten, durch Aufruf das Volk zu warnen, den falschen Gerüchten keinen Glauben zu schenken. Das Eigenthum nnd Leben auswärtiger Missionare und Kauf leute in China muß jederzeit geschützt werden, und wenn ihr, Beamte, eure Pflichten vernachlässigt, werdet ihr eures Ranges entsetzt und bestraft werden. Schon früher fielen ähnliche Unruhen, in einzelnen Provinzen vor, und die Ausländer ver langten für die Zerstörung von Eigenthum und Kirchen große Entschädigungen, welche noch nicht erledigt find. Ich befehle euch, hohen Beamten, nun, diese Ansprüche schleunigst auszu gleichen und nicht auf die Reden eurer Unterthanen zu hören die euch glauben machen möchten, daß sie nicht imstande sind, das Geld für diese Entschädigungen zusammenzubringen".