Volltext Seite (XML)
»4, Sonnabenä, 2. Mai i914. 9. Jahrgang. I j» vH». «8uu»L«A SkFAtzN.'W ... -jKSKNÄ Auer Tageblatt AW Mzeiger M -as Erzgebirge ß mit -er wöchentliche« Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsblatt. Nr. 100. Diese Nummer umfaßt 14 Seiten. Außerdem liegt das achtseitige illusttsiert« Sonntagsblatt Sei. Das Wichtigste vom Tage.« Die Zustellung der VeranlagungSbeschetd« zum Wehrbettrag beginnt Preußen Anfang näch ster Woche, in Sachsen erst später. » Der neue Statthalter der RetchSlande Dr. von Dallwitz ist gestern vormittag in Straß burg eingetroffen?') Fn der Budgetkommtssion des Reichstages er- klärte der preußische Kriegsminister, daß eine neue HeereSvorlage nicht in Arbeit sei. O Die Gemeindebehörden von Braunschweig ün'd Elberfeld lehnten die Einführung der kom munalen Arbeitslosenversicherung ab. ' I ! - o Dl^S Kriegsluftschiff Z. S ist am Freitag in Po fen etngetroffen, um in der dortigen Halle voraussichtlich längere Zett zu verbleiben. l I ! ! ° Bei einem Eisenbahnunglück in Rheinhes sen wurden bislang drei Tote geborgen. Fünf wettere Tote sollen noch unter den Trümmern liegen und fünf Personen sind schwer verletzt.*) , . o Roosevelts Expedition ist wohlbehalten in Ma- naoS (Brasilien) angekommen; ihre Ergeb nisse sind nach amerikanischen Meldungen bedeu- Lsnd.*) N »Mherr« steh, an anderer Stelle. , IM»- Mutmaßliche Witterung am S. Mai: Nordwest, wind, wolkig, kühl, kein erHHlichi -r Niederschlag -MO > Freizeiten im Hanäelsgewerbe. 'GS' Der Reichstogsausschuß für das Sonntagsgesetz hat sich mit verschiedenen Anträgen beschäftigt,den Hand- lungsgehilfen und kaufmännischen Lehrlingen einen Er satz für die auch künftighin betzubehaltenden sonntäg. tichen Arbeitsstunden zu schaffen. ES wäre ja in manchen Hinsichten wünschenswert, wenn die Bestrebungen ir gendeinen Erfolg hätte». Die allsiebentägtge 24stündtge Ruhefrist ist uns Westländern nun einmal durch unsere aus das mosaische Gesetz gegründeten monotheistischen Religionen in Fleisch und Blut übergegangen. Wir kön- Meyerbeer. ZUM fiO. fkodestag am 2. Mai M4. »Nachdruck v«chol«n.) Wenn ein Opernkomponist aus der-Zeit «vor Richard Wagner schon fünfzig Jahre tot ist, und dach nach in seinen Werken auf der Bühne lebt, so kaum man wohl sagen, daß er nicht blaß für den Tagesgeschmack gearbeitet hat. Meyerlbeer war gewiß Überzeugt, daß seine Opern sich noch viel länger halten würde«, aber unser Geschmack in der MWk, wie in der Kunst überhaupt, hat sich dach wesent lich gewandelt, und wir erkennen heute viel mehr als Meyerbeers Zeitgenossen wie sehr er der äußeren Wirkung dem Theatereffskt, in der schlimmen Bedeutung de« Wortes Rechnung getragen hat. Wenn trotzdem seine bedeutendsten Opern auch heute noch immer wieder ausgeUhrt werden, so ist das der starken Wirkung, die sie aus das Publikum ausüben, zuguschreiben. Das große technische Können des Komponisten, die «blendende Form seiner Werk« täuschen uns auch heute noch meist Über deren innere Schwäche hin weg. Giacomo Meyerlbeer hieß eigentlich Jakob Lieb- mann Beär. Den hinzu««fügten Namen Meyer muhte er von einem Verwandten übernehmen, dessen bedeutend« Vermögen er erbtq. Geboren wurde er am b. September 1791. (Meyerbeer selbst gab 1794 al« sein Geburtsjahr an.) Gr war der Sohn eines begütertem jüdischen Bankiers in Berlin. Da er schon als Knabe große musikalische An« lagen zeigte, erfüllten seine Eltern ihm den Wunsch, fich ganz der Musik zu widmen. Seinen ersten Klapierunver» richt «Hielt er von 'Laueka und dem sich vorübergehend in Berlin aushaltenden Mugio Tlementt. Schon 1890 trai er als junger WaMevvirtuos« «M Im Alter von fünf, zehn Jahren ging er zum Abt Vogler nach Darmstadt, bei dem er im Verein mit K. M. von Weber und CSns- bacher drei Jahre hindurch seiner Ausbildung «bla» -ter wurde er erst gründlich in die deutsche Satzkunst einge führt. Gr wurde zuerst ein zopfiger deutscher Komponist. Schon gegen Ende seiner Studienzeit veröffentlichte er nen uns garntcht vorstellen, wie die Ostasiaten es ohne einen regelmäßig in kleinen Zeitabschnitten wiederieh renden Feiertag aushalten können. Die vorchristliche Mtttelmeerkulturwelt besaß umgekehrt soviel« mehrtägige Festzeiten, baß man verwundert fragt, wann denn in Rom nun eigentlich gearbeitet wurde. Unser mittelalter licher und srühneuzettltcher Sonntag war nun aber in dem 19. Zahrundert mit seiner gewaltigen technischen Entwickelung dermaßen verschüttet, daß Kenner fremd ländischer Zustände mit Neid auf den berühmten engli schen Sonntag hinüberschauten. Das waren nun aller- dtngS auch Uebertretbungen. Eine sonntägliche Schlie ßung unserer Theater, Museen, Gasthäuser usw. würde einfach verwüstend aus unser Volksleben wirken. Aber auch im 'Handelsgewerbe erscheint ein völliges Verbot den Geschäftsbetrieben gänzlich ungangbar. Die Fanati ker des Sonntagsschutzes werden sich darein finden müs sen, daß auch das gegenwärtig dem Reichstage vorlie- giede Gesetz innerhalb allerdings sehr verengter Gren zen einen Sonntagsbetrieb ausrechterhält; zumal für kleinere Orte. Die vor einem Vterteljahrhunderte etnsetzende kirch liche Bewegung zugunsten einer strengeren Sonntags feier hätte nicht so vergleichsweise rasche und ausgebrei tete Erfolge gezeitigt, wäre ihr nicht der soziale Ge danke des ArbetterschutzeS zu Hilfe gekommen. Diesem, soweit er nicht zugleich kirchlich gerichtet ist, liegt eigent lich nichts an dem Sonntage, sondern nur an dem Feiertage als solchem. Und Bestrebungen dieser Art verdanken die erwähnten Frakttonsanträge ihren Ur sprung, die in der KommtsstonSsttzung des 30. April ver handelt wurden. Nun gingen aber die vorgebrachren Wünsche nach zwei Richtungen auseinander. Tie einen wollten einen Ersatz der den: Ruhetage verloren gehenden Arbeitsstunden durch einen freien Wochen« Nachmittag, die anderen aber eine Entschädigung der Handlungsgehilfen durch «ine zusammenhängende all jährliche Freizeit von 7 bis 18 Tagen. Diese von der Wirtschaftlichen Vereinigung gestellte Forderung ging nun allerdings ein bißchen weit: sie würde manchem Ar beitgeber unerträgliche Lasten ausbürden; denn, wohlge merkt, «S handelt sich natürlich um bezahlte Freizei ten. Im übrigen bietet diese zusammenhängende Frei zeit manche Vorzüge vor dem Fretnachmtttage, wie ihn die Sozialdemokraten wünschten. Tie Antragsteller der Zentrumspartet, di« den Urlaub in der mäßigen Begrenzung von sieben Tagen verlangten, wiesen mit Recht yuf dte segensreiche Wirkung einer solchen Einrich tung PK die festere Knüpfung des Familienbandes hin, also auf ideale Bedeutung. Das Ausgehe« an einem Wochentage ist ja schon für die Oberkellner und Ptccolt eingeführt, und man kann nicht gerade sagen, daß es zur Nachahmung einlädt, wem: diese Herren aus ihren vierstimmige geistliche Gesänge Mopstocksche Gedichte). Jn- fMe seiner Kantate Gott und di« Natur wurde er zum graßherzaglich darmstäd tischen Hoflomponiston ernannt. Im 18. Jahre begab sich Meyerbeer nach München, wo er feine Oper, Jephthas Tochter, auf dte Bühn« brachte. Dann ging «r nach Wien. Hier trat er bald den gefeierten Klaviervirtuqstn an die Seit«, während seine komische Oper Abim«l«k oder die beiden Chalifen, sowie das Monodrama Thevelinder keinen Erfolg hatten. Aus den Rat des Wieners Salieri reiste er nach Italien, um sich namentlich in der Opern- technik weiter auszubildm. Im Lande der Sonne erlebte er die ersten Triumphe Rossini», und er nahm sich diesen nun zum Vorbild. So wie «r feinen Vornamen in Gia como umänderte, so ,wurde er auch in der MWk ein Ita liener. Er schrieb ein halbe» Dutzend italienische Opern. Die meisten derselben hatten Glück! und verbreiteten Meyer, beer« Rus über Italien^ aber nur die letzte von ihnen, der 1824 Mr Benedig geschriebene Grociato in Mgitto, drang über die Ähren und wurde in Paris ausgoführt. Mit der Rückkehr nach Berlin beschloß Meyer- Leer seine italienische Periode. In Deutschland sah er zwar di« Wirkung, die Webers romantischer Freischütz aus. iibte, aber er war Überzeugt daß er selbst nur von Paris au» einen Einfluß aus da» Musikleben gewinnen könnte, von IMS bi« 1842 lebte er denn auch in der französischen Hauptstadt. Gegen die eigentlichen Italiener konnte er nicht auskommen, und er sch auch ein, daß dir Franzosen an ihrer großem internationalen Oper festhielten. In der deutschen Romantik sand er da» Element, wodurch er Spontint, Rossini und Auber Überholen konnte. Seinem Ruhm begründete Robort, der Teufel, der 1831 zu erst an der Großen Oper in Pari« aMeMhrt wurde. Da» Werk bedeutet die oollständtzge Umwandlung sein« künstle rischen Schöffen» Meyerbeer Hat darin di« in Deutschland wieder auifgelSbte romantische Richtung inach Frankreich über- tragen, und das gelang ihm um so leichte«, al« Stoff und musikalischer Dhavakter dieser seiner Oper der Auffassung von Romantik, wie sie sich in französischen Werkm jener Urlauben mit einem verdoppelten Bedürfnisse gründ lichen Ausschlafens zurückkehren. Indessen mögen doch die Umstände in den einzelnen Fällen nach den persön lichen Verhältnissen verschieden erscheinen. So traf denn schon ein nationalltberaler Antrag das Richtigere, wenn er dte Wahl zwischen einem Fretnachmittage und einem zusammenhängenden Urlaube offen halten wollte. Mer die einfachste Lösung gaben doch Wohl dte Konservativen an, aus derer: Standpunkt sich auch zuletzt eine Mehrheit des Ausschusses vereinigter ganz allgemein einen Ersatz durch eine Freizett in da» Gesetz al» verbindliche Westkv- stimmung hineinzuschretben. Auf diesem Boden kann eine Verständigung gewonnen werden, die vielleicht Arbeit geber und Arbeitnehmer am ehesten gleichmäßig zufrie denstem : gelegentlich, besonders bei stärkerem AuSspan- nungsbedürfnts oder, um Gelegenheit zum Besuche eine» guten Theaterabends zu geben, eine Einzelbefvetung, und dann einmal im Jahre eine möglichst etnwvchentliche Hetmsendung der jungen Leute in da» Elternhaus, um sie diesem nicht ganz zu entfremden. Politische Tagesschau. »VS, ». Was. Das Urteil gegen di« Berliner Lustschiffer. Darüber ist man sich in Deutschland angesichts die» Urteils gegen di« drei Berliner Luftschiffer Berliner, Haase und Nikolai in Perm — je sechs Monate Eie» fänginseinzelhaft bei sofortiger Verhaftung oder Stellung einer Kaution von je 2000 Rubel >— wohl einig: die Luft- schiffer sind Mr ihre Unvorsichtigkeit, di« russische Grenze trotz des ausdrücklichen Verbotes überflogen zu hoben, hart genug bestraf worden. Man mag fich da zu dem Verhalten oer russischen Behörden stellen, wie nran will. Gewiß: In genieur B. lmer war zum mindesten unvorsichtig, den» er hatte bereits in einem früheren Falle ehrenwörtlich versichert, nicht wieder nach Rußland Hinliberfliegen zu wollen. Er tat es trotzdem, nm einen neuen Rekord aufzustellen. Das praktische Ergebnis ist leider die«, daß nunmehr den deut schen Luftschiffen ein Mr allemal di« russische Grenze Mr Fernflügs verschlossen sein wird, und somit haben die drei Berliner Luftschiffe: mit ihrem Distanzistuge Bitterfeld— Perm der deutschen Luftschiffahrt keinengutänDienst erwiesen. Doch da» ändert nichts an der Härt« des. Ur teil«. Daß jeder Spionageverdacht ausgeschlossen war, hat ja selbst das russische Gericht anerkannt; im andeven Falle wäre den Aeronauten Zwangsarbeit und Zuchthaus sicher gewesen. Wer das mißliche Zusammentreffen allerlei widri ger, nicht abzuleugnenLer Umstände bot den ruUschen Rich tern eine sicherlich nicht unerwünscht: Handhabe zu ihrem strengen Vorgehen. Befremdlich bleibt es nach wie vor, daß man die drei Deutschen so lange festhielt. Demgegenüber ist auch die volle Anrechnung der 88 Lags Untersuchungshaft Zeit vom Viktor Hugo und Alexander Dumas spiegelte, in auffallender Weise verwandt sind. Als Komponist hatte Meyerbeer die Rossi nische Form, in der er sich bis dahin bewegte, abgestreift bis auf die Fähigkeit, für Gesang zu schreiben, und diese blieb ihm al» der beste Erwerb au» s lner langen italienischen, Schule dauernd eigen. Im Übrigen war er zu einer selbständigen Manier durchge- drangen, die aus einer ungemein scharfen Berechnung, de« äußeren Effektes beruht. Dazu verfügte er über eine reiche melodische Erfindung und eine Meisterschaft in der Hand habung aller musikalischen Mittel. Robert, der Teufel war eine tolle Mischung von romantischem Spuk, wilder Dämonie, glänzendem Ritter leben und berauschenden kirchlichen und weltlichen Festen, Das Werk sand einen solchen Beifall, daß sein Urheber nun zum Beherrscher drr Pariser Oper wurde. Allein in den ersten zwanzig Jahren wurde Robert der Teufel 330 Mal aus der Bühne der Großen Oper in Paris aufgq- führt, Dis Oper Die Hugenotten, die 1S3S zuerst in Paris gegeben wutdo, bezeichnet den Höhepunkt von Meyerbeers Schaffen. Der vielgrwandte Dramatiker Scribe hatte ihm hier ein ungemein dankbares Textbuch geliefert. Der historische Stojff bot «in gewaltige» Interesse, uffd Scribe hätte io» verstanden, ihn in de» raffiniertesten Weife auqzunützen. Aber auch Meyer beer erwies sich hier al» genialer ToMlnsfler. Er hat hier seinen Stil vollständig ausgebildet und zu nach be deutsameren Wirkungen verwertet al» früher. Gin« Neu heit in der dramatischen Struktur dieser Oper war «tt daß im vierten Akte an Stelle eine» Finales den beiden Hauptpersonen «in Duett gegeben war, da» abweichend von dm bisherigen, Musikformen den Charakter einer großen, wahrhaft dramatischen Szene hatte. Dte» war schon «in Vorbild Mr dte späteren Musikdvamm Wagner». Inden Hugenotten treten allerdings auch di« Schattenseiten in der Manier Meyerbaer» stark hervor, di« Häufung drastischer WirkunWmittel, übertriebene» Rafftn«mmt in bezug auf« Detail, auf di« Eftitze getriebene Chavackteri- fievung.