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«»Mch-S-U« M Lonaabenä, äen s. Oktober 1S2S 24. Jahrgang uer Tageblatt —^tnIeiger Dr öas ErZgebirgr L^^ra««,: Lag^lna fto»«sgM^, GuthaUrn- -le amtttchra Srkaantmachoagen -es Rates -er Sta-t u«- -es Amtsgerichts -tz«e. posiM«k^m»r MM «M» Nr. 233 Tum ?oäe Airelemanns Für all« unerwartet tft diese Trauernachricht ge- 'Emen. Ihre Bedeutung und ihre Auswirkungen zu überblicken, mag im Augenblick unterbleiben^ Wenn viele der bisher bekannt gewordenen Betletdskund- gebungen von der Unersetzlichkeit diese» Verlustes wird die Zukunft da» auch nach unserem Dafürhalten leider bestätigen. Dem deutschen Reiche und dem deutschen Volke ist nicht ein Parteiführer und parlamentarischer Minister, W« ist ein Staatsmann entrissen worden. Wir allo wissen, wie stark umstritten im Partei kampf« gerade diese Persönlichkeit während der letzten Jahrs gestanden hat, wissen gerade in unserem Wahl kreise, wie keine Schmähung niedrig genug gewesen ist, um im Kampfe gegen ihn nicht verwendet zu werden. Wir wissen aber auch, wie er, der Gesund heit und Leben restlos eingesetzt hat für den Menst am Vaterlands, darunter gelitten, wio diese Hetze zur Untergrabung seiner Gesundheit beigetragen hat. Im Folgenden soll eine erste Würdigung seiner Leistung versucht werden. Nicht auf systematische Vollständig keit kann es dabet vorerst wesentlich ankommend Met Gesichtspunkte, die auch im Kampfe de« Meinungen eine hervorragende Molle gespielt haben, seien vielmehr herauSgegriffen. Man hat, sofern man Sachlichkeit und Anstand wahrte, an Stresemanns nationaler Gesinnung und sei nem vaterländischen Wollen nicht gezweifelt, aber die Ansicht Vertreten, daß die Wege seiner Außenpolitik verfehlt seien. Man hat indessen anders bessere Wege entweder nicht zu weisen vermocht, oder aber sich leiten lassen von einem heiß schlagenden vaterländi schen Herzen, das jedoch den harten Tatsachen und der rauen Wirklichkeit nicht Rechnung trug. Sofern Poli tik die Kunst des Möglichen ist, wird sie sich von noch so gut gemeinten Illusionen fern halten müssen. Entscheidend dafür, ob Stresemanns Wegs die richtigen waren, ist in Praktisch-Politischer Bezichung der Erfolg. Auch darin stchen sich die Ansichten schroff gegenüber, doch wird nüchtern abwägende, gerechte Beurteilung nicht um die Tatsache herumkomlmen, daß zwischen den Zuständen von 1923, als Stresemann zum Reichskanzler berufen wurde, und denen von 1929 ganz wesentliche Unterschieds bestehen. Außen politisch stand am Beginn seiner Tätigkeit die Befrei ung des Ruhrgebiets, und bet seinem Hinschetden hin terläßt er uns als politischen Erfolg der letzten inter nationalen Verhandlungen die vorzeitige Befreiung des Mheinlandes, die von allem Anfang an sein Lebens ziel gewesen ist. Gewiß! sind dis neu übernommenen Verpflichtungen noch drückend und unerträglich! genug, bringen uns aber eine Befreiung Von allen Kontrol len und eine Ersparnis von rund sieben Milliarden RM während der ersten zehn Jahre. Wenn dem ent gegengehalten wird, daß auch das neugeborene Ge schlecht noch! Versklavt würde, so mag darauf mit einer Frage geantwortet werden: , Warum hat daS wohl habende England wohl die Tilgung seine« Verpflich tungen Amerika gegenüber auf msHr als 60 Jahre ausgedchnt? Die Geschichte der Tributzahlungen seit 1919 zeigt, daß keine Vereinbarung Ewigkeitswert und dauernde Geltung besitzt. Parteipolitisch Hat man oft gemeint, Stresemann -regiere lieber mit Sozialdemokraten als mit Deutsch mattonalen zusammen. ES ist indessen u. E. ein glattes Unding, staatspolitische Maßnahmen nur mit Parteipolitischen Maßstäben messen zu wollen. Für wen Staatsmann Haben im Vordergründe dis StaatS- motwendtgkeiten zu stchen, und Stresemann selbst hat Bereit» im ersten Jahrs seine« RegterungStättgkett be wiesen, daß er auf die Mitwirkung der Sozialdemo kratie zu Verzichten ivußte, al» sie sich den Staats notwendigkeiten verschloß. Un» will dagegen ange sichts der augenblicklichen ernsten tnnerpolttifchen Lage scheinen, daß man unter HugenbergS Führung den Sinn positiver Opposition völlig verkennt, der darin bestcht, zu gegebener Zett zur Mitarbeit bereit zu sein. Ms Fahnen wehen auf Halbmast^ Mit Stress mann ist de« Staatsmann dahingegangen, der seins Person restlos der Ide« der Befreiung seineS Batev- lande» unterstellt hat. Di« gleich« Unterstellung un ter da» Vaterland forderte er von seiner Partei, bü ren überragender Führer er war, ganz gleich, ob st« dadurch vorübergehend an Volkstümlichkeit ejnbützte oder nicht. Wir stchen an seiner Bahrs voll tiefer Trauer. Wir dürfen e» indessen bei der Trauer nicht bewenden lassen. Much unser Blick muß, wollen wir sein Besteiungswerk fortschen, aM die Zukunft ge- richtet lei«. Nur dadurch» Paß uns« all« «arge» und Schaffen und Mühen kn gleiche« Weiss dem BM terlande geweiht ist, opferbereit und verantwortungs bewußt, getragen von Heißem Herzen, zugleich aber geläutert durch klaren Verstand, werden wir alle zur endlichen Völligen Freiheit beitragen können. Aufruf cler Deutschen Volkspartei zum l^oäe ibres fübrers Der Partetvorstand der Deutschen Bollspartei er läßt einen Aufruf, in dem es Heißt: „Der Führer ist von uns gegangen! Schmerz erfüllt beklagen wir den schwersten Verlust, den wir erleiden konnten. Gustav Stresemann, der Gründer und Führer der Partei, der uns Schwert und Schild zugleich war, ist mitten aus dem Politischen Ringen gerissen worden. Die Zusammenfassung aller Kräfte des deutschen Bottes, der Wiederaufstieg der Nation, das waren die Leitsterne seines Lebens^ Sie müssen in diesen Zeiten der Zerklüftung auch fernerhin über dem deutschen Volke stehen. Erfüllen wir unsere Pflicht, schließen wir die Reihen, und gehen wir den Weg weiter zu den Zielen, dis Gustav Stresemann unS gestockt Hat." dr. Strefrmarm kann nicht vergessen wer-« In der Sitzung der Reichstagsfraktivn der Deutschen Dvll»- partei erhob sich der stellvertretende graktionsvorsitzend« Ge heimrat Dr. Zapf, um mit bewegter Stimme der Fraktion bi« Trauerbotschaft von dem Hinscheiden Stresemann« mitzuteii« und dem Toten folgende Worte des Gedenken» V widmen: „Der Tod Stresemanns ist ein beinahe unersetzlicher Verlust nicht »« für die Fraktion und bao Parlament, sondern für da» ganz» deutsche Volk. Fürst Bülow hat mir noch vor «oeaiaen Tage» bei einem gemeinsamen Zusammentreffen mit Dr. Stresemann gesagt, baß dem kranken Reichsaußenmiirister noch Mf Sohr« vergönnt sein mühten, um sein Weck zu vollenden, bann war« die Zukunft Deutschlands gesichert. Stresemann hat den Acker bestellt, er hat gesät, di« Saat gepflegt, sie steht reff «ff dem Felde, nur er selbst kann sie nicht mchr einfahren. Gr ist auf die Garbe hingesunken. Gin anderer muß bas Weck vollenden, für bas er sich verzehrt hat. Ich hoffe aber, baß das heroische Leben und Sterben urfferes Parteiführers batzu beiträgt, di« bei den großen Ziel« zu fördern, für die er gelebt, gearbeitet «Nb gekämpft hat: Für den Wiederaufbau Deutschlands und für bi« Versöhnung der Nationen untereinander, der wir so viel« Opfer gebracht haben. Als Rheinländer muß ich der Fraktion noch besonders sagen, baß bas Bild Stresemanns nicht au» der Er innerung des Nheinlandes und des deutschen Volkes verschwinden kann, wenn es Dankbarkeit überhaupt noch in der Well gibt." Di« Fraktion schloß darauf ihr« Sitzung. Staatsbegräbnis für Dr. Stresemann Trauersttzung -es Nelchskablnetts Aus Anlaß des Hlnschekbens de» Reichoautzenministers Dr. Stresemann trat gestern nachmittag bas Reichskabinett unter dem Vorsitz des Reichskanzlers zu einer Trauersttzung zusammen. Der Reichskanzler gedachte hierbei erneut in warm empfundenen Motten des Dahingeschiedenen und würdigte sein Wirken für Reich und Volk. Staatssekretär von Schubert gab der tiefen Trauer Ausdruck, die bas Auswärtige Amt und seine Beamten schaft über den Verlust ihres unvergeßlichen Chefs erfüllt. Sm Anschluß hieran beschloß bas Reichskabtnett, auf Antrag des Reichstnnenministers, das Staatsbegräbnis, bas im Einver nehmen mit der Familie am Sonntagvormiltag stattfinben wird. Weitere Einzelheiten werden noch bekamügegebeu. G Bei der Traueifeier km Reichstag wird die Trauerrede Reichskanzler Müller halten. Bei der Kundgebung vor dem Reichstag wird in Abwesenheit des Reichstagspräsiden- tsn Löbe der Reichstagsvizepräsldent von Kardorff sprechen. An der Trauerfeier im Reichstag wird Reichspräsident v. Hin denburg teilnehmen. Das Philharmonische Orchester wird den musikalisch en Teil der Feier bestreiten. Der Trauerzug geht vom Reichstag durch die Wilhelmstraße und hält einen Augenblick vor der Arbeitsstätte des Reichsaußen- Ministers, geht dann weiter über die Blüchefftraße zum Friedho der Lorüsenstäbtischen Gemeinde. Für die Trauerfeier im Reichs tag wird ein großer Baldachin errichtet. Auf dem Sarg, in dem Stresemann aufgebahrt liegt, liegt di« DienMagge des Reichs außenministers, die den Schild und den Reichsadler zeigt. Zur Totenparabe wird voraussichtlich eine Kompanie der Reichswehr kommandiert werden. Seisetzung Stresemanns am Sonntag Die sterbliche Hülle Dr. Stresemanns wurde heute abend im Wintergatten des Trauorhauses «ufgebahrt. Die Ueberfüh- rung in den Reichstag ist für Sonnabend abend vorgesehen. Die Beisetzung bst auf Sonntag vormittag 11 Uhr festgesetzt worden, um möglichst weilen Kreisen der Freunde des Verstorbenen Ge legenheit -um Abschiednehmen zu geben. Die Parteien zu Stresemanns ^ocl was -le Sorttner Zeitungen sage« Di« ,Mreuzzeitu«g" sagt: „Jeder, auch der politische Gegner, wird anerkennen, baß der verstorbene Reichsaußen minister ein« selten« Energie bewiesen hat, um seine politischen Ziele zu verfolgen. Er kannte dabei kein« Rücksichten gegen sein« eigene Person und hielt auf seinem Posten trotz seiner schon jahrelangen schweren Erkrankung durch. Seine Anhänger werden ihm heute manchen Lorbeeckranz flechten. Die, die seine Politik bekämpft haben, können -war in ihren Nachrufen der hohen Pflichtauffassung des Hingeschiedenen Ministers gerecht werden. Aber es ist das Los bes Politikers, baß er nach seinem Tode nach den Ergebnissen seines Mickens beurteilt wird. Die Geschichte wird einst bi« sechsjährige Periode Stresemannscher Regierung einer schaffen, aber gerechten Kritik unterziehen. Sie wirb nicht verkennen, mit welchen großen Schwierigkeiten die deutsche Nachkriegspolitik zu kämvfen hatte. Aber sie wird bi« Tatsache nicht übersehen können, bah die Stresemannepisod« das beutsch« Voll Nicht in -1« Freiheit führt« und auch nicht führen 8» ber ^«alsch«« Aalte»«-" (baL-völl.) wirb erklärt: Mitten au» ber Arbeit abgerufen zu wecken, la be» Sielen zu sterben, «ffebnt sich jeder im tätigen Leden stehend« Mann. Dieses Los ist ihm zuteil geworden. Welch« Wirkungen sein Tod für die weitere Entwicklung ber politischen Lage haben wick, ist nicht vorauszusagen. Zweifellos aber hat er wett tragende Bedeutung. Mil Stresemann ist der sichtbar« Träger der verderblichen deutschen Verständigungspolitik ausgff Haltet, vielleicht auch war er ber einzige, dem es möglich war, di« au»- «inandersttebenben Kräfte des derzeitigen RÄchskabinetts ziffam- menzuhalten." — Die Deutsche Tageszeitung" (Datl. Lanbbund) erklärt: „Die Tragik dieses plötzlichen Tode» im schaffensfrohen Alter von 61 Jahren Wick dadurch in etwa» gemildert, daß es Stresemann vergönnt war, am Schluss« seiner Laufbcchn wenigstens das eine Ziel, auf bas seine Arbeit gerich tet war: die Rhffnlandräumung, in greifbar« Näh« gerückt zu sehen. Umsomehr mußt« man es bedauern, daß biff« groß« Be gabung und dieser starke Wille sich immer weniger in .einer Rich tung auswirkten, di« nach unserer Ueberzeuguug den . wahr« deutschen Zukunftsinteressen entsprach. 6m „Berl. Lokalanzeiger" (dntl.) schreibt Friedrich Hussong u. a.: ,/politisch kann man in der Stund« seine» Todes den Politiker nur ehren, lädem man — war «» «in Geg ner — die Wesentlichkeit dieser Gegnerschaft auMgt. Moffch- lich baff man noch einmal bas ML des Manne» zurückrufeu, wie es in seinem Besten sich darstellte: Gustav Stresemann war der geschickteste, fingerfertigste Spieler in dem Kartenspiel de» neudeutschen Parlamentarismus. Aber Stresemann war mehr: er war ein begnadeter Sprecher, der fast immer, fast bis «letzt auch in den verzwicktesten Situationen durch die Eindringlichkeit seiner Rednerkraft obsiegte. Gerade durch sein« kulturell« Hal- tung, die ihn immer wieder einmal über di« Grenzen der „Nichts- als-Politik" hinaus sich an kulturellen Dingen orientieren ließ — gerade durch sie war er den Nichts-als-Polikikern immer wie der überlegen: gerade sie gab ihm seine wirksamsten dialektische» und gedanklichen Waffen. Goetbe war ihm ein Bundesgenosse, den mancher seiner Gegner auch hätte haben können. Der Man«, den heute die „Guten Europäer" preisen und di« Leute mit dem Wellgewissen, war ein glühender Deutscher. Wer jcchrelang ihm menschlich begegnet ist, ber weiß bas. Aller Politik und allem politischen Gegensatz -am Trotze. Keiner sand auflobernder« Worte, wenn es dem Namen Vaterland gast. Unter der llebeffchrift: „Ein Kämpfer mb Staatsmann" führt die Deutsche Allgemein« Zeitung (DVP.) aus: „Das deutsch« Partsileben hat einen Politiker mit über ragender Führerqualität, bas Parlament «Inen fafziuievncken Redner und Taktiker, bas Relchskabinett den geksÜgen Führer, die Nation «inen großen Staatsmann verloren. Die er ge wünscht haben mags, ist er inmitten seiner Arbeit am Staat und für den Staat dahmgerafst worben. Der restlos strebende Ran» der leidenschaftlich« Käufer hätte politische Untätigkeit wohl nicht ertragen können. Sein Leben vollendete sich, ch« leine Ziel« verwirklicht waren. Aber er überschritt di« Schwell« de» Tobe» doch schon mit dem Bewußtsein, daß «in Anfang der Verwirk lichung gesichert war, di« vorzeitig« Räumung be» besetzten Ge- bietes, um bi« er seit Jahren Mit aller Zähigkeit gerungen hat. Die .^Germania" (Ztr.) erklärt: ^Ls ist ganz gleich, w<« man politisch zu Dr. Stresemann steht. Unter den Freunden und Len vielen Gegnern kann es niemanden geben, der nicht anerken nen müßtL baß ihn eine Tugend, die heut« leider so selten Ist, vor allen Dingen auszelchnste: bas Führertum. Wo» zum Füh rer sorbfftimmt, war Ihm eigen: ber Wille, ein klarer Blick für reale Dinge, Mut, Unerschrockenheit und Kühnheit de» Dedan- «ns, Kanwfgefft und Idealismus. Dazu kommt bi« Liebe zum Volk und zur Sache, die bet Stresemann in ausgeprägtem Maße vorhanden waren. Er kam au» ber Masi« de» Volle» «r bat ich besten gerühmt und war deshalb auch mit da» Röt« be» Volle» »erquickt. Da» antzueffennen muß jeder asm bemtt fff» der dem toten «restman» GamchtlM «lltmsahr« ltfff« »iL