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MlsdnOrÄMatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Montag, den 1S November 1S28 Schotte StmmMeo M Wosser imd z« Lute Der rasende Novemberstnrm W Ein orkanartiges Unwetter, das den Schiffsverkehr im Kanal zum beinahe völligen Stilliegen brachte, hat im ganzen Gebiet der englischen Inseln große Verwüstungen angerichtet. Die von allen Seiten einlaufenden Berichte sprechen vom Einsturz ganzer Häuser, von mehreren Toten und zahlreichen Verletzten. Überall waren die Straßen mit den Trümmern herabgestürzter Schornsteine und zerschmetterter Fensterscheiben bedeckt. Der Sturm hatte bei einer Geschwindigkeit von 60 Meilen in der Stunde eine so ungeheure Wucht ent wickelt, daß selbst große Passagierdampfer von den Wellen wie leichte Bälle hin- und hergsworfen wurden. Vier riesige Krane, die auf dem Kai standen, wurden von ihrer Unterkonstruktion losgerissen und stürzten zu Boden. Einer von ihnen im Gewicht von 15 Tonnen zerschmetterte im Fallen den dichtbesetzten Er frischungsraum aus den Kai. Drei Personen wurden verletzt. In Liverpool traf ein Dampfer ohne Schlot ein; der Sturm hatte den Schornstein ab gerissen. Die auf den verschiedenen Routen in der über fahrt England—Frankreich beschäftigten Schiffe konnten, soweit sie noch unterwegs waren, nur mit äußerster Mühe ihre Bestimmungshäfen erreichen. Auch das Anlegen innerhalb der Hafendämme bereitete noch erhebliche Schwierigkeiten. Der Flugverkehr war eingestellt. Jedoch ist eine 20 Personen fassende Verkehrsmaschine, von Paris kommend, noch in Croydon eingetroffen. Sie hatte unterwegs einen furchtbaren Kampf mit dem Sturm zu bestehen, über dem Kanal wurde die Maschine plötz lich vom Wind herabgedrückt, sie glitt aber noch wenige Fuß über dem Mast des Dampfers „Maid of Orleans" hinweg. Auch in London herrschte ein mit Wolkenbruch- cirtigen Regengüssen verbundenes Sturmwetter. Zahl reiche Straßenpassanten wurden vom Wind zu Boden ge schleudert. Von der Rordküste Frankreichs vor liegende Meldungen berichten ebenfalls über große Schäden, die durch die Stürme angerichtet worden sind. Auch Nordbslgien wurde von dem Sturm schwer heimgesucht und inHolland richtete er überall schwere Schäden an. In Hamburg stellte sich ebenfalls ein schwerer Westsüdweststurm ein, der die Fluten der Elbe bis auf den Grund aufwühlte. Das Wasser richtete in den tiefer gelegenen Stadtteilen am Hafen durch Überschwemmungen große Schäden an. Verschiedene in See gegangene Dampfer mußten infolge des Unwetters zurückkehren und liegen bei Kuxhavsn vor Anker. Im Stadtgebiet wurden Bäume entwurzelt und aus die Straße geschleudert. Von einigen Dächern stürzten Schornsteine. Auch wurden zahlreiche Fenster eingedrückt. In Hannover richtete der orkanartige November sturm in verschiedenen Stadtteilen schwere Schäden an. Eingestürzte Schornsteine und Baugerüste mußten von der Feuerwehr beseitigt werden, da sie große Verkehrshindernisse bildeten. Am schwersten wurde der Fernsprechverkehr in Mitleidenschaft gezogen, über 100 Leitungen nach Süd- und Westdeutschland sind gestört. Der starke Sturm hat ferner an zahlreichen Stellen der Stadt Köln und ihrer Vororte teilweise erheblichc Schäden angerichtet. Dächer wurden abgedeckt, Bau gerüste, Zäune, Telegraphenmasten und sogar mehrer« Litfaßsäulen umgeweht. Besonders zahlreich sind di« durch Funkenflug entstandenen Kaminbrände. Ins gesamt wurde die Feuerwehr 23mal zur Hilfeleistung go rufen. Auch aus den übrigen Gegenden We st deutsch land s werden Sturmschäden gemeldet. In dei Düsseldorfer Gegend wurden viele Bäume ent wurzelt und Telegraphenmasten umgeweht. InAachen setzte ein wolkenbruchartiger Regen ein, dem ein Wirbel sturm folgte. Im Jugendheim der Pfarre St. Johann in Burtscheid hob der Sturm einen Teil des Daches mit den Balken ab und warf die ganze Last auf den danebenliegenden Bau platz. In den Wupperstädten Elberfeld und Bar men richtete der orkanartige Sturm gleichfalls ziemlichen Sachschaden an, ebenso in anderen Städten des bergischen Landes. Auch aus Sachsen werden starke Sturm schäden gemeldet. Auf den umliegenden Höhen von Dresden wurden nach Aufzeichnungen des Böen- , schreibers 37 Sekundenmeter erreicht, was einer Windstärke von 10 bis 11 entspricht. In Dresden mußte die Feuer wehr dreimal ausrücken, um hinuntergcfallene Gesimse und Reklameschilder zu entfernen. In der Naimundstraße stürzte ein Haus- abputzgerüst zusammen, wobei die Leitungsdrähte der Straßenbeleuchtung durchschlagen wurden. In Gärten und Parkanlagen sind vielfach starke Äste abgebrochen und Zäune niedergelegt worden. Lteberall große Verwüstungen. <., schwere Orkan, der Nordwesteuropa Heimsuchle, hat Mel Schaden angerichtet. Rendsburg hatte un- gewohnliches Hochwasser. Die Feuerwehr hatte bereits ^.ndsackabdämmungen begonnen, als die Flüt ru- ruckg-ng. In Friedrichstadt wurden die Ein- wohner nachts durch Glockenläuten alarmiert. An mehreren Stellen ist der Eiderdeich gebrochen. Der fler- storungszug ging über Hamburg und das ganze Unter- elbegebret nach Schleswig-Holstein. Von der Insel Sylt wird berichtet, daß der Sturm die Stärke 11 erreichte. In Westerland wurden erwachsene Personen auf der Straße umgeweht. Die Promenade ist beschädigt wor den. Die Schäden in den einzelnen Orten lassen sich wegen der Störungen in den telephonischen Verbindun gen nicht abschätzen. Bei Keitum sind 60 Schafe er trunken. Die Ländereien im südlichen Teil der Insel wurden überschwemmt. ^n der Nacht strandete auf der Ranzelplatte (Bor kum) der Dampflogger „Ella" 11 aus Leer. Die aus sieben Mann bestehende Besatzung wurde von dem Motor rettungsboot „Hindenburg" gerettet und gelandet. Die Bergung des leckgeschlagenen Schiffes war wegen des stürmischen Wetters bisher nicht möglich. England hatte schwer zu leiden. Wahrscheinlich sind mindestens zwanzig Menschen von fallenden Bäumen und Mauerwerk erschlagen worden. Unter den Getöteten be- fmdet sich auch ein Anzahl Kinder. Die Zahl der Ver letzten läßt sich auch annähernd nicht angeben; London allein hat sieben Tote infolge des Sturmes zu ver zeichnen. An der Küste arbeiteten die Rettungsboote ohne Pause, um Schiffbrüchige zu retten. Seeleute der Küsten bewohner erklären, daß der Sturm der schlimmste seit 50 Jahren gewesen sei. Infolge des Sturmes der letzten zwei Tage sind er- bebliche Störungen im telegraphischen Verkehr mit dem Kontinent eingetreten. Zwischen London und Frankreich arbeitet nur eine Linie. Die Schweiz und Italien sind völlig abgeschnitten, und zwischen London einerseits und Deutschland und Belgien andererseits wickelt sich der Verkehr nur unter Schwierigkeiten ab. Im inneren Frankreich herrschte ununterbrochen Sturm und Regen. Bek Nemiremont sind unübersehbare Verwüstungen entstan den. Der Frachtdampfer „Ville de Dunkeraue", der nach Oran ausgelaufen war, erlitt so schwere Beschädigungen, daß er gezwungen war, in den Hafen zurückzukehren. Die Damvfer „Arlanza" und „Columbus" sind mit zwölf stündiger Verspätung in Cherbourg einaetroffen. An der Nordwestküste von Quimper. wo eine fürchterliche Bran dung herrscht, wurde ein Fischerboot von der Veranke rung losgerissen und auf den Strand geworfen. Der griechische Dampfer „Amazon" befand sich in Seenot. Von Brest ist ein Schlepper zur Hilfeleistung ausgelaufen. An der holländischen Küste scheiterten verschiedene Dampfer. In der Nähe der Insel Terschelling wurde das Wrack des Kutters „Noordstern" ausgefunden, dessen Insassen, ein Fischer mit seiner Frau und seinen zehn Kindern, bei dem Untergang des Kutters umgekommen sein dürften. Nicht weit von der „Noord stern" entkernt konnte das Rettungsboot von Terschelling die ans fünf Personen bestehende Besatzung eines sinken den Fischdampfers bergen. Mehrere Fischdampker, die sich zur Zeit des Sturmes an der Küste der Provinz Friesland befanden, werden vermißt. Auch in der Flutz- schiffahrt ist der Verlust einiger Schiffe zu beklagen. Beim Untergang eines Schleppschiffes auf dem Waal find zwei Matrosen ertrunken. Auf mehreren Strecken erlitt der Eisenbahnverkehr erhebliche Verzögerungen. Tue Straßenbahnen mußten stellenweise den Betrieb einstcllen. In den Häfen Rotterdam und Amsterdam rissen sich zahl reiche Schiffe los. In Amsterdam wurden Hunderte von Dachziegeln auf die Straße geschlendert, zahlrerche Fenster scheiben eingedrückt und Bäume entwurzelt. Tue Be wohner eines großen Hauses in der Brinzengracht mußten in aller Eile ihre Wohnungen verlassen, da das Gebäude einzustürzen drohte. Dänischer Observationsturm zerstört. Die Damvffäbre „Danmark" in Giedser hat sich los gerissen und ist nach dem Bootshafen abgetrieben worden, wie sic auf Grund steht. Bei Saksköbing auf der Insel Laalind ritz der Sturm das Dach eines Observations turmes des Geodätischen Instituts herunter. Eine Reihe kleinerer Schiffe ist gestrandet, darunter die Galeaffe Annie" auf der Fahrt nach Rostock. Das Schiff steht mir wenige Meter von der Küste bei Giedser. Wie aus Skelskör in Westseeland gemeldet wird, sprengte eme Hamburger Motorgaleasse im Omösund die Ankerkette und sank auf neun Meter Wafsertiefe. Drei Mann der Besatzung gelang es, in die Schiffsjolle zu kommen, ^er Taktik. Kommt die Grotze Koalition? „Wir wollen keine Krise" — das mutz man über die Reden und die Vorgänge im Reichstag schreiben, die sich an die an und für sich doch rein sachliche Frage «»geknüpft haben, ob der Panzerkreuzer gebaut werden soll oder nicht. Aber das war überhaupt gar keine sach liche Angelegenheit mehr, sondern eine rein politische. Oder, wie der Zentrumsredner unterstrich, eine parla mentarische. Auch insofern hat er, ebenso wie der dcmo- krasische Redner Lemmer äußerte, rech« damit, daß man vielfach außerhalb des Parlaments für diese ganze Ge schichte keinerlei Verständnis aufzubringen vermag. Für den Außenstehenden stellen sich die Dinge einfach folgen dermaßen dar: Die Demokratische Partei lehnt teilweise den sozialdemokratischen Antrag auf Einstellung des Panzerkreuzerbaues ab, ihre Minister im Kabinett find für den Bau — und die Fraktion stimmt geschlossen gegen den sozialdemokratischen Antrag. Die sozialdemokratischen Minister sind am 10. August für den Bau gewesen und stimmen jetzt dagegen. Weil eben die ganze Sache eine rein politische geworden war, es sich darum handelte, ob nun die Grotze Koalition von der Sozialdemokratie dis zur Deutschen Volkspartei kommen kann oder nicht. Die Krise ist jetzt vermieden worden dadurch, datz die Deutschnationalen, obwohl sie Oppositionspartei sind, fleichfalls Mann für Mann sich dem sozialdemokratischen Antrag entgegenstellten. Hätten sie sich der Stimme ent halten — im englischen Parlament wäre man so ver jähren, hätte vielleicht sogar für den Antrag gestimmt, «knie ihn sachlich zu billigen —, so wäre die Regierungs- ?nse dagewesen. Parlamentarische Taktik und sachliche Stellungnahme krachten aufeinander und die Taktik unter- auf hem Oppositionsflügel, um desto stärker bei den- lenigen Parteien zu siegen, die an der politisch gewordenen ^Nzerkrcuzerfrage das größere Ziel nicht scheitern lassen «ollten: Ausräumung der Hindernisse, die sich der Schaf- UMg der Großen Koalition entgegenstellen. Der Zen- Cumsredner hat sehr deutlich darauf hingewiesen, daß Cme Partei es nicht zum zweitenmal dulden würde, wenn eine der jetzigen Regierungsparteien neue Hindernisse auf »en Weg zur Großen Koalition werfen würde. Es war la symbolisch, datz alle Minister von ihrer Tribüne her- ^nterstiegen und sich zu ihren Abgeordnetensitzen begaben, "ei der Abstimmung wurde sichtbar, datz das K a b i n e tt nusei nanderbrach, die eine Hälfte gegen die nndere stimmte. Parlamentstaktik des Augenblicks — denn nun soll a auch die Sozialdemokratie, wie ihr Redner Dr. Breit- stheid andeutete, sich dem Mehrheitsbeschluß Zeugen, der nur mit Hilfe der Opposition zustande »am und der den Weiterbau des Panzerkreuzers festlegt. Die zweite Rate dafür kommt demgemäß in den Etat 'es nächsten Jahres hinein. Den mutz die Sozialdemo- uatie als Regierungspartei — ein Mitglied von ihr ist W sogar Reichsfinanzminister! — annehmen. Also auch Mittel für den Weiterbau. Und die Deutschnatio- ""len als parlamentarische Oppositionspartei werden Ebenso selbstverständlich den Etat ablehnen.- Also auch die Mittel für den Weiterbau des Panzerkreuzers; denn es i'bt nur ein Ja oder Nein für den Gesamtetat. „Taktik". . ...Sind unter solchen Umständen die Voraussetzungen va;ur gegeben, daß die Große Koalition nicht bloß dem „ach Stande kommt, sondern eine wirklich ?rvtttsfäksige, allen Angriffen standhaltende parlamen- «wsche Grundlage für die Regierung sein wird? Außen- U'tisch gesehen wäre diese Frage zu bejahen und das Ws für die bevorstehende außenpolitische Debatte im Reichstag ein anderes Bild, als es die Vorgänge der ver- »angenen Woche malten. Aber innenpolitisch . . . Der Konflikt in der Eisenindustrie wird grundsätzlich ver- imieden beurteilt auf dem rechten und auf dem linken niugel der Großen Koalition und der Beschluß des sozialpolitischen Reichstagsausschusses über die Frage 'er staatlichen Unterstützung ist nur ein Kompromiß, auch wieder in der Absicht vereinbart, Hindernisse aus dem Aege zu räumen. Und dann steht mitten auf diesem ^ege breit und hoch die weitere Frage, wie das 700- - Ulronen-Defizit gedeckt werden soll. Außerdem noch "Mges andere. parlamentarischen Taktiker werden also eine tun haben, um eine Plattform für die ^aatttton zu schaffen. Was sich in den letzten dcün Aa^ament abspielte, gibt genug Veranlassung Ank,-» -Msahigkett einer solchen Plattform einiger- Y°Trg"d^uen. Nämlich solange, als die Taktik im Nr 270. 87 Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 .wil»br»fftr T»,«blatt- «sch«i«t »» ««» W«,»t.g«n nachmitta«, » - E. im Manat, 2^0E. LLÄWLL Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend PA— Md«,«» ,»ts«,rn. Z» Fall« hiheree »ewalt, Krieg »der sonM«-- Belriedastdrnn«-» besteht LsUt»,»dkr^ü'»,L«B«,u„p«t,«.-«Lcks«nd««,1«ins«s-»d««eqMtftS<d««rt»l,tn«r,»«»uP-rto^ ... Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meist««, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentawts Tharandt und des Finanzamts Nosseu behördlicherseits bestimmte Blatt. b^wierigkeiten iür psineare ZvuAur'^n,, P"ul-Boncour ist nun auch der Rücktritt 's Posten als Völkerbundsdelegierter für 'ach der Demittia^m Z°^cmr gibt als Grund an, datz er Balten könit- "-ss Vaul-Boncours nicht mehr sein Mandat x-chsels und der Art ^ucktritt ist die Folge des Kabinetts- ^wissionen ?"r neuen Poincarü-Regierung. Diese ^nken gen^, Beginn eines Generalangriffs der Klinke s"?em^ Die „VolontS" erklärt, ^kranke,, zu isolieren"' Kabinett Poincarü wie einen