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„I . I,' p>> >' i >, > : Tonnaben-, 25. April LSV8 Ar. S5. Dritter Aahraang. Nvchs M über ,«1- -äno- I»tlr» u .»tt>M »oiv ul NNNZ s-> n,cl»i, ^11- »w .:nMl -M.. s-tuer ^ageolast und Anzeiger Mr das Erzgebirge verantwortlich«» Redakteur Friy Arnholö Für di» Inserat« verantwortlich: It) alter Kraur beide in Ane. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Honntagsblatt. Sprechende der Redaktion mit Ausnahme der Sontttage nachmittags von H—5 Uhr. — Teicgramm-Adresie: Tageblat! Aue. — Frtusprcchci 58. Für unverlangt «ingesandt« Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. druck und verlas Gebrüder Beuthner <I»H: Paul Brnthner) in Aue. Bezugspreis: Durch unser« Boten frei in» Haus monatlich so pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich 4v Psg. und wdchentlich ,o Pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich t.so Mk. — Durch len L.-iefträger frei ins »aus vierteliährlich ,.yr Mk. — Einzelne Nummer ,o psg. — Deutscher postzeitungs- katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens g'/, Uhr vormittags. Für Aufnahme von größeren Anzeigen an bestimmten Stelle» kann nur da»» gebürgt werden, wenn sie am klage vorher bei »ns eingehen. Jnsertionspreis: Vie stcbengcspalten« Rorpn,Zeile oder deren Raum >o psg., Reklamen 2» Pfg. Bei größeren Aufträge» entsprechender Rabatt. . Dies« Nummer ttnrfastt 10 r»it«n Außerdem liegt das achtfeitige Illustrierte Sonntagsblatt bei. Das Wichtigste vom Tage. Die Stcllung des Berliner Oberstaatsanwalts Isenl> iel soll infolge der Eulenburg- Affäre als er schüttert gelten. G r o st f ü r st i n Maria Pawlowna, geb. Prinzessin zn Mecklenburg ist zum orthodoxen Glauben ü b e r g e t r c t e n. Kaiser Wilhelm hat sich das S i tz n » g s p r o t o - koll des Mit n ch c n c r H a r d c n p r o ze s s e S wörtlich nach Korfu telegraphieren lassen. Der Wortlaut des Nord- und Ostsee-Abkommens ist gestern bekannt gegeben worden. Der sächsische Landtag wird die Frage der Wahl rechtsreform erst im H e r b st erledige». In Portugal scheint ein neuer Konflikt bevorzn- stehcn, die Republikaner verlangen den Verzicht der Königlichen Familie auf die Krone. Die Zschorlauer Eisenlmhnpetitiou. Di« Zweite Kammer des sächsischem Landtages verhandelte, wie wir telegraphisch am Donnerstag und gestern in unserem Parlamentsbericht schon erwähnten, vorgestern über die Peti tion des Gemeinderats zu Zschorlau wegen Herstellung einer direkten Eisenbahnverbindung von A u e über Auerhammer und Zschorlau nach Auerbach i. V. Leider lehnte die Kammer einem derartigen Vahnbau ab, obwohl die Herren Ab geordneten Bauer und Klei »Hempel warm dafür ein traten. Bei dem großen Interesse, das sich in allen beteiligten Ortschaften für eine dierekte Verbindung des Erzgebirges mit dem Vogtland« kundgibt, wird es unsere Leser sicherlich ii. rressieren, die Ausführungen des Herrn Landtagsabgeord neten Bauer im Wortlaut kennen zu lernen. Wir lassen seine Rede deshalb hier nach einer für das Auer Tageblatt herge stellten stenographischen Niederschrift folgen: Herr Landtags abgeordneter Bauer führte aus: Meine geehrten Herren! Es liegen drei Petitionen vor, die alle daraus hinauslausen, eine Verbindung des Erzgebirges mit dem Vogtland« anzustreben, und zwar aus dem Herzen des Erzgebirges nach dem Herzen des Vogtlandcs. Eine derartige Bahn ist allgemeines Bedürfnis, das geht aus den drei Peti tionen, die uns vorliegen, hervor. Die Petition von Zschorlau ist eigentlich nur als «ine Nebenpetition zu betrachten, die da durch hervorgerufen worden ist, daß Schneeberg—Neustädtel eine Petition um ein« Bahnverbindung nach Auerbach eingebracht hat. Es liegt noch eine weitere Petition vor von Eibenstock nach Reichenbach. Ich meine, aus alledem ist wohl das Bedürfnis charakterisiert, daß man eben eine Verbindung vom Erzgebirge nach dem Vogtlands braucht. Man must entweder einen grosten Umweg über Zwickau machen oder nach dem oberen Vogtlande von Muldenberg nach Falkenstein — das ist eine Verbindung, die kaum in Frage kommen kann — während nach dem eigentlichen Herzen des Vogtlandes von dem Herzen des Erzgebirges aus keine ^Verbindung besteht. (Zuruf: Mylau!) Ich gebe gern zu, dast diese Petition zunächst nicht berück sichtigt werden kann, solange man nicht daraus zukommt, die Eisenbahn Schneeberg—Neustädte! nach Auerbach auszubauen; denn dieses würde nur «ine Teilstrecke sein. Die Schneeberg— Neustädteler sind insofern bescheiden gewesen, als sie nur den Anschluß von Schneeberg aus haben wollten. Sie wollten die Züge über Niederschlema direkt weiter geführt haben. Da hat man einen spitzen Winkel und einen ziemlichen Umweg zu fah ren, und es würde die Frage sein, ob, wenn eine Verbindung nach dem Vogtlande geschaffen wird, sich diese Verbindung über Niederschlema als praktisch erweisen würde. Man würde dann später vielleicht von selbst darauf zukommen, die Linie Aue— Schneeberg—Neustädtel direkt zu bauen, und zwar den Klesberg zu durchstechen, wobei man nach Auerhammer und dem unteren Teil von Zschorlau gelangen könnte. Daß man von Schneeberg- Neustädtel aus die Bahn nach Zschorlau bauen könnte, halte ich selbst für schwierig aussührbar. Deshalb ist auch in der Petition von Schneeberg—Neustädtel die gerade und bequeme Linie vor geschlagen, die Zschorlau nicht berührt, denn die Schneeberg— Ncustädtler haben sehr wohl gewußt, daß sie von Schneeberg— Neustädtel aus die große Steigung und den großen Umweg nach Zschorlau nicht gut machen können. Aber, meine geehrten Herren, Zschorlau ist ein Dorf von zirka 4i/„ Tausend Einwohnern, dessen Industrie stark in Zu nahme begriffen ist, sodaß es wohl wünschenswert wäre, wenn man später einmal eine direkte Verbindung Aue—tschnceberg ausbauen könnte, damit auch Zschorlau dabei seine Berücksichti gung finden könnte. Auch die Worte des Herrn Abgeordneten Klein- Hempel waren bemerkenswert. Dieser führte aus: Die Gemeinde Zschorlau bedauere mit ihm das ungünstige Er gebnis ihres Gesuchs. Er hätte gewünscht, daß die Finanzdepu tation ir dies« Angelegenheit in Skibindung gebracht hätte mit dem Gesuche um Erbauung einer Eisenbahn von Schneeberg nach Auerbach, denn hiermit hänge das heutige Gesuch zusammen. Er behalte sich alles weitere in dieser Angelegenheit vor, bis der Bericht der Finanzdcputation It auf das Gesuch um Er bauung einer Eisenbahn von Schneeberg nach Auerbach vorliege; denn es werde wesentlich darauf ankommen, welche Stellung die Finanzdep, utation It und die Königl. Staatsregierung zu jenem Gesuche einnähmen. Neber die Hauptpetition Aue—Schneeberg—jNieustädtel— schweben ja noch die Beratungen, und ich behalte mir deshalb vor, sobald diese Sache zur Erledigung kommt, auch auf Zschor lau hierbei nochmals zurückzukommen. Sächsischer Landtag. Erste Kammer. 40. öffentliche Sitzung. p. Dresden, 24. April. Präsident Graf Bihthnm v. Eckstiidt eröffnet die Sitzung um 11 Uhr 20 Min. Punkt 1 der Tagesordnung, Vortrag aus der Registrande und Beschlüsse auf die Eiwzänge, veranlaßt keine Debatte. Punkt 2—g betreffen sämtlich Sisenbahnangelegenhoiten, und zwar mit Ausnahme von Punkt 2 Petitionen. Berichter statter ist im Auftrage der zweiten Deputation zu allem Punkten Dr. v. Wächter. Er stellt folgende Anträge, die sämtlich Beschlüs sen der Zweiten Kammer entsprechen: Zu Punkt 2: sich mit der Fortsetzung der vollspurigen Nebenbahn Beucha-Seelingstädt bis Trebsen-Pauschwitz einverstanden zu erklären und die dafür in Tit. 9V des außer ordentlichen Etats aus 1808/09 und durch Kgl. Dekret Nr. 88 unter -V I verlangten Mittel von 370 000 -<l zu bewilligen; zu Punkt 3: diePetition des G. F. Ebert in Gippe um Errichtung einer Haltestelle Gippe der Kgl. Staatsregierung zur Kenntnisnahme zu überweisen; zu Punkt 4: die Petition des Komitees für Erbauung einer normalspurigen Eisenbahn von Großhartsmannsdorf noch Forchheim-Ltpp«rsdorf und Een. der Kgl. Staatsregie rung zur Kenntnisnahme zu überweisen, weitergehende Wünsche aber auf sich beruhen zu lassen; zu Punkt 5: die Petitionen des Gemeinderats zu Erl bach und Gen. um Fortführung der Bahnlinie Siebenbrunn— Markneukirchen nach Erlbach der Kgl. Staatsregierung zur Er wägung zu überweisen; zu Punkt 6: dl« Petitionen der Stadträte zu Wurzen und Eilenburg um Erbauung einer Eisenbahn von Wurzen nach Eilenburg der Kgl. Staatsregierun>g zur Kenntnisnahme zu überweisen; zu Punkt 7: die Petition des Gemeindevorstandes zu Bärenstein und Een. um Erbauung einer vollspurigen Nebenbahn Bärenstein-— Königsivalde — Eeyersdorf — Wolken stein aus sich beruhen zu lassen; zu Punkt 8: die Petition um Errichtung einer Personen haltestelle Innerhalb der Ortschaft Thierbach der Kgl. Staats regierung zur Kenntnisnahme zu überweisen; zuPunkt 9: die Petition des Eemeinderats zuReichen- hain, betr. Bennenung der bisherigen Haltestelle Erfenschlag mit dem Namen Haltestelle Reichenhain oder auch Chemnitz- Reichenhain für erledigt zu erklären. Ohne Debatte tritt die Kammer in allen Punkten den Depu tationsanträgen bei. Nächste Sitzung: Mittwoch, 29. April, 11 Uhr vor mittags. Drei Zoll kalt Eisen. Novellette von H. C. von -Nebelschütz. Nachdruck vkktoOn. Zu den ritterlichen Fertigkeiten, in denen in meiner Jugend zeit ein den besseren Ständen angehöriger junger Mann geübt sein mußte, zählten Tanzen und Stoßsechten. Um mir diese anzueignen, begab ich mich zu einem alten französischen Emi granten, der sich durch Unterricht in diesen Künsten seln.-n Lebensunterhalt erwarb. Monsieur de Bonheur, eine weiß haarige schlanke Soldatengestalt, erklärte sich bereit, mir Tanz- und Fechtstunden zu geben und fragte mich, wann ich beginnen wollte? „Jetzt gleich, wenn es Ihnen gelegen ist," entgegnete ich. „Gewiß, ich stehe zu Diensten." „Aber Sie haben mir noch nicht gesagt, welches Honorar ich Ihnen zu zahlen habe." „Für vier Lektionen einen Louisd'or. Konveniert Ihnen das?" „Sicherlich, und ich wünsche in jeder Kunst zwei Lektionen zu nehmen." „Sie werden so vieler gar nicht bedürfen^ um ein guter Fechter zu werden, denn ich sehe an Ihrem Blicke, daß Sie Courage haben. Wir wollen Auge und Handgelenk gleich prüfen. Folgen Sie mir." > Er führte mich in ein großes, sehr Helles Zimmer, das außer einigen Stühlen nur ein Pianoforte, damals ein sel tener» Instrument als jetzt enthielt. An den Wänden und -wischen den Fenstexn hingen Florets und Drahtmasken, wäh rend in einer Ecke eine Anzahl Stöcke zum Stockfechten stand. Als der alte Herr mir Anleitung zur Fechtstellung gab, und sich -mir dann gegenllberstellte, bemerckte ich, daß er hinkte, zwar nur gering, aber es erschien mir doch seltsam, daß ein lahmer Mann in Künsten unterrichtete, welche die bewegliche Gelenkig keit erfordern. Jedoch zeigte er sich als ein Meister im Fechten. An di« erste Waffenübung schloß sich sogleich die erste Tanz stunde, die er mit der Violine dirigierte. Nachdem wir eine Weil« di« Positionen: «ins, zwei, drei geübt, rief «r: „Potz Wet ters Mein Bein hat heut seinen bösen Tag, ich kann nicht wei tertanzen!" „Ein anderes Mal denn —begann ich; er aber sprach: „Nein, nein, bleiben Sie nur, wir wollen das schon ein richten." Er hinkte zur Tür und ries hinaus Julie, komm schnell in Tanzschuhen!" und nach wenigen Sekunden trat Julie ein. — Sie war ein schlankes, brünettes Mädchen mit schwarzen großen Augen, kleinem Munde und vollen Lippen; zwar mager, knochig, aber schmiegsam wie ein Reh. Sie erschien wie ein zehnjähriges Kind und doch auch wieder wie eine achtzehnjährige Jungfrau. Der Alte stellte ns vor: „Mademoiselle de Bonheur — Herr Arthur Förster." Sie knixte in der Mode der Zeit, ich machte meine beste Verbeugung. „Julie," sprach er, „ich bin heute zu schwach zum Tanzen, unterrichte du den Herrn weiter." „Ja, lieber Vater." „Nun beginne! Blicken Sie nicht in Made- moiselles Augen, Monsieur, sondern auf die Füße, die Füße tanzen. Eins, zwei, drei!" Und so gin«z es mit gelegentlichen Violinalkorden bis zum Ende der Lektion. „Eenug für heute, mein Herr; Sie haben Seele, Sie werden ein vortrefflicher Tänzer werden, es wird eine Empfehlung für mich, Sie unter richtet zu haben. Julie, verabschiede dich von Monsieur." Mit einem tiefen Knix entfernte sie sich; der Alte meinte noch: „Ich hoffe, bei der nächsten Lektion wieder wohlauf zu sein," und ich ging. Aber nach zwei Tagen war sein Zustand noch schlimmer ge worden und Julie mußte ihn in beiden Unterrichtsgegenständen vertreten. Mit der Drahtmaske vor dem Gesicht, einem stark wattierten Schutzmieder vor der Brust, stand sie mir mit dem Floret in der Hand gogenüber, während der Alte kommandierte: „Salutieren! Monseur, blicken Sie Mademoiselle nicht in die Augen, sondern auf die Hand. In die Parade! Gut! Mit Quart ausfallen!" Ich fiel so leicht als möglich aus, während Julie ihr Floret in die linke Hand nahm und mit der rechten meine Kling« lenkte. „Bah!", rief der Alte, „Monsieur darf nicht so vorsichtig sein. Noch einmal! Sie müssen mit voller Kraft ausstoßen, fürchten Sie nichts für Julie, sie versteht es. sich selbst zu schützen. Die Finger etwas mehr auswärts. Nun — Quart Ausfall! Das war schon bester! Noch einmal!" Es war mir entsetzlich, mit voller Kraft auf die Brust dieses Kinde» Stöße führen zu müssen, aber es mußte sein, und so gingen die Hebungen durch Prime, Sekunde, Parade, Quart über, Quart unter dem Arm usw., wobei Julie mit einer Geschicklichkeit und Krast ausficl und parierte, die jedem Fechtmeister Ehre gemacht hätte. Dann folgte die Tanzstunde, und da der Alte für den Unterricht unfähig blieb, war Julie in seinem Beisein wochen lang meine Lehrerin. Da mit dem Fortschritte meiner Fertig keit es mir gestattet war, durch die Maschen der Drahtmaske ihr in die Augen zu blicken, nahm ich eine Veränderung wahr: da» Kind war zum Weibe geworden; es war nicht länger das Star ren kindlicher Nemzier oder der scharfe Blick des geübten Fech ters, sondern es lag mehr in den Augen: das Erwachen der Seele des Weibes. Auch ihre Gestalt änderte sich: di« Eckigkeit rundete sich, die Grazie wurde noch graziöser, aber die Magerkeit des Gesichts und der Schultern blieb fast unverändert. Durch einen Zufall erfuhr Ich, daß die Familie sich in Not befand. Vater und Tochter hatten mehrere Tage nichts gegessen, und ich hatte gar nicht daran gedacht, meine Lektionen zu bezah len. Ich wollte das erst am Schluß. Nun sollt« es aber gleich geschehen, und um den sehr emqftndlichen Alten nicht zu ver letzen, gab ich vor, in der nächsten Zeit nicht kommen zu können, weshalb ich die bisherigen Lektionen zu bezahlen wünsche. Der Alte wollte anfangs davon nichts wissen, schließlich aber sagte er achselzuckend: „Ganz nach Belieben, mein Herr!" Er steckte di« Louisd'ors mit «iner Gleichgültigkeit in die Tasche, die mir ohn« Kenntnis seiner Lage lächerlich erschienen wäre. Ich ließ ein paar Wochen vergehen, bevor ich das Haus wieder betrat. Welche Veränderung fand ich da! Julie war ein entzückend schöne» Wei-b geworden. Gute Nahrung hatte auf sie wie ein Zauber gewirkt. Nur Lei dem alten Manne hatte sich nichts geändert. Wenn sein Zustand «s gestattet«!, focht ich mit ihm, während Julie aus dem Piano spieltes war er unwohl, so focht und H»nzt*