Volltext Seite (XML)
Wochenblatt fir Wbmß Thmadt, Nossen, Siebenltha und die UmgegeadtN. ImlsbluU für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und Mar Dienstaas, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1M.55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. - Jnsertiouspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 192. Dienstag, den 31. August §1897. Bekanntmachung. Sonnabend, den 4. September d. I., Borm. 9^ Uhr findet im hiesigen Verhandlungssaale öffentliche Sitzung des Bezirksausschusses statt. Die Tagesordnung ist aus dem Anschläge in hiesiger Hausflur zu ersehen. Meißen, am 27. August 1897. Königliche Amtshauptmannschaft. von Schroeter. Warnung. Da die irriieirv am 8«eii8<iori«r durch das letzte Hochwasser beschädigt worden ist, wird vor der der Brücke mit 8«dvrvr«iu ^«Krvsrlt« hiermit »u«Mrü«KHoI» xvvsrnt. Wilsdruff, 23. August 1897. Der Stadtgemeinderath. Bgmstr. Berichtigung. In Nr. 100 d. Bl. in dem Inserat Konkursverfahren betr. Zeile 2 nach dem Worte „eröffnet" darf der Satz nicht lauten „eröffnet. Da", sondern „eröffnet, -a etc." Die Kontribution der Neichen. In unserer von großen wirthschaftlichen und sozialen Gegensätzen erfüllten Zeit, in welcher Reichthum und Noth stand, Kapital und Armuth größere Triebfedern des öffent lichen Lebens geworden sind, als rein politische Streitfragen, rst m der Zinsbeweaung ein Faktor aufgetaucht, der eine Kontribution der Reichen durch den Slaat zu Gunsten der Armen sehr ähnlich sicht und mit welchem allen Augen scheine nach in der französischen Republik, wo Demokraten und Sozialisten die Volksvertretung bilden, stark gerechnet wird. Unmittelbar nach der Rückkehr des Präsidenten Faure aus Petersburg will sich die französche Regierung mit der Frage einer Umwandlung der französischen Rente in niedriger zu verzinsende Staatspapiere beschäftigen. Die Lorbeeren Englands lassen Frankreich nicht ruhen. Immer drängender wird die große Zahl derjenigen, welche behaupten, daß eine 2V./7» Verzinsung für die französischen Staats schulden hinreiche und der Staat im Hinblicke auf die zu nehmende VerarmuM vieler seiner Bürger verpflichtet sei, die Zinsenersparnisse zur Linderung des sozialen Elends zu verwende». Die Reichen sollen in Kontribution gesetzt, den Armen soll geholfen werden, das ist das Schlagwort, welches nicht nur in Paris, sondern in ganz Frankreich jetzt zündende Wirkung übt. Daß durch die fortgesetzte Zinsenschmälerung der Renten gerade die konservativen, staatenerhaltcnden Elemente in ihrer Existenz bedroht werden, darum kümmern sich die Vertreter der Massen nicht. Käme es thatsächlich zu einer Konversion der fran - zösischen Rente, so wäre damit in allen europäischen Ländern eine finanzielle Entwicklung begonnen, denn dann würden wohl auch in Deutschland und anderen Staaten Zinser mäßigungen eiutreten. Zwar hat die französische Regier ung bei den früheren Rentenkonversionen stets darauf Rück sicht genommen daß keine allzu weitgehende Verschiebung unter den Nentcubefltzern entstehe. Auf lange Termine hinaus wurden Bomstkatwuen gewährt, welche die Kapita listen bestimmen sollten, den ursprünglichen Anlagen treu zu bleiben, allein das Alles war nur in solange möglich als es sich noch um einen Zinssatz gehandelt hat, welcher bescheidenen Ansprüchen zu entsprechen vermochte. Bei 2 ->'7„ werden ganz neue ungewohnte Erscheinungen zu beobachten sein, da ein reduzirtes Neveau die Lebens- bedingunqen jener Rentner unterbindet, die bisher mit den Zinsen eines Kapitals von 200 000 oder 300 000 Francs. Das Auslangen zu finden vermochten. Schon die Vor bereitungen für die weitere Jnteressenschmälernng drängen das französische Kapital ausländischen Staatsfonds zu, die bei genügender Sicherheit ein noch mehr als 3'2 Proz. Erträgniß abwerfen. Innerhalb weniger Tage sind bei spielsweise dem Wiener-Markte mehr als 5 Millionen der 37-2 Proz. österreichischen Investitions-Rente für Pariser Rechnung entzogen worden. Pariser Firmen wenden neuerdings ihre' Aufmerksamkeit auch den österreichischen Prioritäten und Pfandbriefen zu. Wenn die Finanzkreise außerhalb Frankreichs vorläufig noch Bedenken tragen, den sensationellen Finanzplänen Freichreichs.ihre ganze Aufmerksamkeit zuzuwenden, so ist dies zunächst dem Um stande zuzuschreiben, daß gerade jetzt aller Orten sich die Geldverhältnisse ungünstiger gestaltet haben. Die „französisch-russische Mianze." Die Franzosen schwimmen in Wonne, denn knrz vor der Abreise des Präsidenten Fanre aus Rußland ist zwischen diesem und dem Oberhaupte des russischen Reiches das ersehnte Wort von der französisch-russischen Allianze, worauf man in Paris schon lange sehnsüchtig gewartet hatte, gefallen. Ganz Frankreich strahlt in Triumph, Paris hat zu Ehren des großen Erfolges der Freundschaft mii Rußland illnminirt und den heimkehrenden Präsidenten werden die Franzosen einen Hnldigungszng bereiten. Müssig ist es auch, an den Worten der Trinksprüche, welche bei dem Abschiede auf dem französischen Kriegsschiffe „Pothuau" zwischen dem Präsidenten Faure und dem Kaiser Nikolaus ausgetauscht wurden, zu deuten, denn, wie man jetzt erfahren, haben bei dem Abschiedsmahle auf dem „Pothuau" der Präsident Faure wie auch der Kaiser Nikolaus ihre Trinksprüche nicht frei nach der augenblick lichen Empfindung des Herzens gesprochen, sondern sie haben die Trinksprüche verlesen. Daraus geht hervor, daß jedes Wort der Trinksprüche vorher von den russischen und französischen Diplomaten vereinbart worden war. Des weiteren geht aber aus der Verlesung der Trink sprüche hervor, daß ihrer Vereinbarung andere Verhand lungen und Vereinbarungen zwischen den Vertretern Ruß lands und Frankreichs vorausgegangen sein müssen und daß jedenfalls eine Allianze, ein Vertrag zwischen Rußland und Frankreich in voriger Woche abgeschlossen wurde. Die leicht erregbaren Franzosen werden nun ohne Zweifel die kühnsten Träume hegen, denn nicht nur von den ver bündeten Völkern hat der Kaiser von Rußland in seinem letzten bedeutsamen Trinkspruche gesprochen, sondern noch drei andere Worte sind in dem Zarentoast enthalten, denen in Frankreich eine besondere Bedeckung beigelegt wird. „Es sind dies die Worte: „ckoit, jusvce, — „Recht, Gerechtigkeit und Billigkeit." Man will natürlich in Paris ans diesen Worten eine Anspielung auf Elsaß- Lothringeu herauslesen, «schon sieht man in Paris im Geiste die elsaß-lothringische Frage wieder anfgerollt und in einem Sinne gelöst,' welche vom französischen Stand punkte aus „recht, gerecht und billig" sein müßte. Aber diese Worte „äroit, Justice squitL'- erschrecken kühle Beur- theiler der politischen Lage glücklicher Weise gar nicht daß um so weniger, als der Zar im selben Athemznge betont hat, daß die beiden „befrenndeten und alliirten" Nationen „gleichmäßig entschlossen" seien, „mit ihrer ganzen Macht zur Autrechterhaltuug des Weltfriedens" beizutragen Was er also mit der einen Hand den französischen Vertretern der Nevancheidee gab, nahm er schnell mit der anderen zuruck. Neugierig wird nun allerdings alle Welt fragen, was denn nun wohl der Inhalt des russisch-französischen Bünd- mffes sein mag 7 In dieser Hinsicht wird man wohl die Wahrheit nicht so leicht erfahren, denn wenn der Vertrag Rußlands und Frankreichs mir ein gegenseitiges Schutz- und Trutzbündniß ist für den Fall, daß Rußland oder Frankreich von Deutschland angegriffen werden sollten, so hat der Vertrag keine große Bedeutung, da es Deutschland nicht einfallen wird, mit Rußland oder Frankreich einen Krieg vom Zaune zu brechen. Sollte aber in dem Ver trage stehen, daß Rußland den Franzosen bestimmte Hilfe bei der Wiedereroberung Elsaß-Lothringens leisten wird, so dürfte man von dem Vertrage erst recht nichts erfahren. Wir möchten aber auch stark bezweifeln, daß nach den Kundgebungen, welche anläßlich des Besuches des deutschen Kaisers in Petersburg zwischen diesem und dem Kaiser von Rußland gewechselt wurden, der russisch-französische Bünduißvertmg überhaupt den Zweck der Wiedereroberung Elsaß-Lothringen für Frankreich haben kann, denn die Worte der beiden Kaiser erhielten eine Bürgschaft für den Weltfrieden. Französische Ueberschweuglichkeiten ändern daran nichts, zumal da durch viele Kundgebungen der Pariser Zeitungen ein wehmüthiger Zug geht und kein einziges Blatt in Pans die sofortige' Wiedereroberung Elsaß-Lothringens auf die politische Tagesordnung zu setzen wagt. So erklärt die „Autorite" im Augenblicke, wo man von Recht und Gerechtigkeit in der Politik spreche, es nicht verboten sein, an Elsaß-Lothringen zu decken. Die Pforte der Ostgrenze bleibe nunmehr halb ckckmet und wo dte Väter nicht durch konnten, könnten vielleicht tue Sohne durch. Wir möchten hinzusetzen, daß was den söhnen der jetzigen Franzosen versagt ist, vielleicht den Enkeln beschicken ist!?! Wer kann wissen, M Jahren in Europa aussieht?! Ebenso an- maßend als albern ist aber das Urtheil der englischen L ,'es" über den Zweibund Rußlands und Frankreichs. Nach der Times soll dieser Zweibund den Dreibund Deutschlands, Oesterreich und Italiens erschüttert haben und Deutschlands Einfluß lahm legen!? Wer das glaubt, zahlt einen Thaler! Der Dreibund verfügt über fünf Millionen Soldaten, er wird also von den leeren Worten neidischer Engländer recht sehr erschüttert werden. Tagesgeschichte. Die große Herbstparade des Gardecorps, welche am Sonnaband vor dem Kaiser und dem Könige von Siam und einer Anzahl anderer Fürsten und Prinzen auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin in glänzender Weise stattfand, hat für das deutsche Reich den Beginn der großen Herbstmanöver angezeigt, die nun für alle Armeecorps beginnen und in den großartigen Kaiser- manövern, welche im Südwesten Deutschlands von den bayerischen und mehreren preußischen Armeecorps abge- halteu werden, ihren Glanzpunkt und ihre große militärische Bedeckung erlangen dürften. Der König von Siam hat am Sonntage Berlin wieder verlassen und sich zum Besuche des Regenten Herzog Johann von Mecklenburg-Schwerin nach Schwerin begeben, von dort reist der König von Siam nach Hamburg. Berlin, 28. August. Dem „Reichsanzeiger" zu Folge brachte bei dem gestrigen Diner zu Ehren des Königs von Siam im Neuen Palms der Kaiser folgenden Toast in englischer Sprache aus: „Indem ich Euere Majestät in Meinem Lande herzlich willkommen heiße, drängt es mich, Ihnen zu allen großen Unternehmungen, die Sie in Ihrem Reiche begannen, zu allen Reisen, die Sie im Interesse Ihres Volkes unternahmen, Glück und Gedeihen zu wünschen. Mögen die Bande der Freunschaft und des regen Handelsverkehrs, die zwischen unsern Ländern so glücklich bestehen, zum Segen unserer Völker immer weitere