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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag,. Abonnementspreis beträgt vierteljährlich I Mark so Ps pi-iennm-n'Lnän. Inserate werden oiS spätest-nö Mittags des vorhergehenden Lages deS Erscheinens erdete - und die Corpusspaltenzeile mi! io Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend. für den Stabtgemeinderalh, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. 27. Sonnabend, den 1. März 1884. 9. Iahra. Sächsische Aachrichten. — (Lehrcontracte sind stempelpflichtig.) Es dürfte vielleicht noch nicht allgemein bekannt sein, daß Lehrcontracte steuerpflichtig sind. Lehrverträge, in welchen ein Lehrgeld von unter 150 Mk. stipulirt ist, sind mit 50 Pfg., diejenigen, die 150 Mk. Geld oder Zuwend ungen in dieser Höhe übersteigen, mit I Mk. 50 Pfg. stempelpflichtig. Bei der zu Ostern bevorstehenden Annahme neuer Lehrlinge ist dies zu beachten. — Der Bestand an Betriebsmitteln bei den sächsischen Staats eisenbahnen war am 1. Januar 1884 Folgender: 729 Locomotwen (einschließlich 6 Stück für schmalspurige Bahnen), 557 Tender, 3 Dampfomnibusse mit je 20 Sitzplätzen II. und 54 III. Classe, Ge päckraum und Dampfheizung, 2046 Personenwagen, 340 Passagier gepäckmagen, 6914 bedeckte Güterwagen, 12930 offene dergleichen, und zwar 2119 einfach- und 10811 doppelladige Wagen. Für die schmalspurigen Bahnen sind 29 Personenwagen, 21 bedeckte und 85 offene Güterwagen, in Summa 135 Wagen und die eingangser wähnten 6 Maschinen vorhanden. Die im Betriebe der Sächsischen Staatsbahnen befindlichen Privatbahnen Gaschwitz-Meuselwitz, Alten- burg.Zeitz, Zittau-Reichenberg und Oberhohndorf-Neinsdorfer Kohlen bahn besitzen im Ganzen 23 Maschinen, 11 Tender, 36 Personen- und 7 Paffagiergepäckmagen, 71 bedeckte und 810 offene Güterwagen. — Mit dem I. März kommt wieder eine Eigenthümlichkeit bei der sächsijchen Armee in Wegfall; die von den Unteroffizieren auf dem Mantelkragen zum Abzeichen ihrer Charge getragenen Wappen- knöpfe werden entfernt und durch eine Litze in der Landesfarbe, wie dies in der preußischen Armee der Fall ist, ersetzt. — In Chemnitz stieß ein 1 ^jähriger Knabe an einen auf der Diele stehenden Topf mit heißem Wasser und verbrühte sich derart, daß er sterben mußte. — Schönheide, 26. Februar. Infolge einer Petition vieler Einwohner von Schönheide, Schönheiderhammer und Neuheide will unser Gemeinderath auf die Niederlassung eines zweiten Arztes hin wirken, dem zunächst auf 3 Jahre eine jährliche Beihilfe von 300 Mark in Aussicht gestellt werden soll. Die 3 Orte zählen zusammen 7000 Einwohner. Schönheide ist vorzugsweise Jndustrieort; nach einer amtlichen Ermittelung werden hier allein für 1200 gewerbliche Arbeiter 5 Betriebs- und 3 Ortskrankencassen zur Errichtung kommen muffen. — Plauen, 24. Februar. Betreffs der Affaire Schmidt (An geklagter wegen Mordes gegen den Fleischerlehrling Strobel) ist zu erwähnen, daß 6 der Geschworenen für, 6 gegen Schuldig waren. — Plauen. Von der Strafkammer des hiesigen Landgerichts wurde die Hebamme Louise Glaß aus Untersachsenberg, weil sie in Ausübung ihres Hebammengewerbes den Tod einer Wöchnerin auf fahrlässige Weise verursacht hatte, zu 1 Jahr Gefängniß verurtheilt. — Ein Knecht aus der Gegend von Reichenbach i. V. erlitt leichte Handverletzungen, rieb die Wunden mit Petroleum ein und zog sich eine Blutvergiftung zu, die ihn nach wenigen Stunden tödtete. — Neugersdorf. In voriger Woche sind hier zwei Glieder einer Familie an einem Tage vom Tode abberufen worden; es waren Großvater und Enkelin. Letztere verschied nach langen Leiden im Alter von 23 Jahren, eine halbe Stunde später solgte ihr, wie er gewünscht, der um 50 Jahre ältere Großvater, den der Tod eben falls von einem lange» Krankenlager befreit hatte. — Elsterberg. Der 20 jährigen unverehelichten Fabrikarbei terin H. von hier, welche im Walde bei Greiz von Arbeitern mit erfrorenen Händen und Füßen aufgefunden und in das Kreiskranken stift zu Zwickau gebracht wurde, sind nach hier gelangter Mittheilung beide Füße abgelöst worden. — Dresden. Das „Dresdn. Journal" schreibt: „In einzel nen Zeitungen bilden die Ankündigungen bevorstehender schöffenge richtlicher Verhandlungen eine stehende Rubrik, und zwar werden darin nicht nur die verhandelnden Strafsachen unter Angabe des Delikts, des Namens des Angeklagten und bezw. des als Privat kläger Bethciligten, sondern auch die zur Mitwirkung berufenen Schöffen nach Namen, Stand und Wohnort bezeichnet. Diese Art von Ankündigungen, durch welche die gerichtlichen Verhandlungen wie öffentliche Schaustellungen behandelt erscheinen, haben im Publi kum mit Recht Anstoß erregt. Es soll auch wiederholt vorgekommen sein, daß infolge der Ankündigungen Schöffeg vor der betreffenden Sitzung von Betheiligten mit Besuchen und Anliegen behelligt wor den sind. DaS Justizministerium, dessen Aufmerksamkeit neuerdings auf den Uebelstaud gelenkt worden ist, hat durch allgemeine Verord nung seinen Beamten untersagt, durch Auskunftsertheilungen au Zeitungen jenen Brauch zu fördern. Etwas Weiteres kann von Seite der Negierung nicht geschehen. Es steht aber wohl zu hoffen, daß die betreffenden Nedactionen jenen programmatischen Ankündigungen, welche nicht einem öffentlichen Interesse zu dienen, sondern nur Un- betheiligten die Gelegenheit zur Unterhaltung nachzuweisen geeignet sind, entsagen werden, wenn sie erfahren, daß inan im Publikum daran Anstoß nimmt." — Eine gewiß seltene Taufe vollzog man am Sonntag in der Kirche zu Plauen bei Dresden. Einem Einwohner und Mitglied der Feuerwehr wurden seine vier Kinder im Alter von 1/2 Jahr bis sieben Jahr getauft, wobei 20 Feuerwehrleute in Paradeuniform die Pathenstelle vertraten. — Leipzig, 22. Februar. Außer einem vom den Münchener Schützen veranstalteten Extrazug nach Leipzig zum Deutschen Bundesschieben haben nun auch die Tyrolerschützen einen solchen von Innsbruck aus mit über 2000 Personen Betheiligung hier angemeldet. — Das „Lindenau-Plagwitzer Wochenbl." schreibt über die socialdemocratische Demonstration aus Kleinzschocher Folgendes: Großes Aufsehen erregte ain Sonntag Nachmittag ein Leichen zug, der, von Plagwitz kommend, sich durch die Hauptstraße unseres Ortes nach hiesigem Friedhöfe bewegte, dadurch, daß eine sehr große Anzahl der Leidtragenden sich mit rothen Blumen ge schmückt hatten. Auch an mitgeführten Kränzen bemerkte man die auffällige rothe Schleife. Man führte die Leiche eines in der Blüth- uer'scheu Fabrik beschäftigt gewesenen Plagwitzer Einwohners auf unsern Friedhof über. Die Angehörigen hatten ein christliches Be- gräbniß mit Standrede und Segen bestellt, und so wurde denn auch der Leichenzug mit Glockengeläut empfangen, während der Geistliche mit dem Lehrer und seinen Chorknaben dem Zuge entgegengingen. Auf das Ansuchen des Herrn Pastors, die auffälligen Blumen und Schleifen zu entfernen, antworteten die Leidtragenden nach gepflogener Berathung, verneinend, und so bewegte sich denn nun der Zug ohne Glockengeläut, ohne Geistlichen und Lehrer fort bis zum Friedhöfe, den bald eine große Menschenmenge füllte. Dort angekommen sprach einer der Leidtragenden und ein mit anwesender Gesangverein sang, obgleich eine Erlaubniß dazu nicht eingeholt, den Betreffenden viel mehr Rede und Gesang untersagt morden waren. Der Vorgang dürste noch ein Nachspiel haben, indem man gegen die Theilnehmer bereits vorgegangen ist und Anzeige bei den zuständigen Behörden erstattet hat. — Greiz. Bei der am Montag hier stattgehabten Wahl eines zweiten Bürgermeisters erhielten Herr Stadtbaumeister Seivel 529, Herr Akt. Jahn 300, Herr Kaufmann Hempel 10, Herr Baumeister v. Kobeser-Altona 15 Stimmen; der erstere Herr ist somit gewählt. Von 1021 Stimmberechtigten haben 865 ihr Wahlrecht ausgeübt. — Gera. Wie leichtsinnig nicht selten einer Geringfügigkeit wegen das Leben in die Schanze geschlagen wird, illustrirt folgender Vorfall. Kürzlich entführte kurz vor der Station Gera bei einem von Meerane kommenden Personenzuge einem zum Fenster hinaus sehenden Passagier 3. Classe der Wind den Hut. Was thut der Mann? Er öffnet rasch die Coupeethüre und springt zum Schreck der Mitreisenden sofort dem Hute nach. Natürlich wurde bei der kurz darauf erfolgenden Ankunft in Gera der Vorfall schleunigst gemeldet und man machte sich auf, den betreffenden Passagier aufzusuchen. Das Wagniß war ihm über Erwarten gut geglückt, denn er soll dem Vernehmen nach nur eine Verletzung am Knie davongetragen haben. Ob freilich der Vorfall nicht noch unangenehmere gerichtliche Ahndung zur Folge haben wird, dürfte abzuwarten sein. Jedenfalls aber kann es als unverantwortlich bezeichnet werden, in solch frevelhafter Weise gegen bestehende strenge Bestimmungen zu handeln und Leben und Gesundheit für einen Hut aus's Spiel zu setzen. Der kühne Springer soll ein Fabrikarbeiter aus der Nähe Gera's gewesen sein.