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Ottendorfer Zeitung. Die „Dttendorser Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch dir Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Atü wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode. Annahm« »ro Jnsrrat« di» »«mittag s« llhr. Inserat« wrrden mit >o p ftr dl« Spaltzitl« b«r«chn«. Ladellarisch« Satz nach b«s»nd«rrm Laris Druck und Verlag vor. .^ermann Rühl« in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühl« in Groß-Dkrilla No. 69. Sonntag, den 9. Juni 1907. 6. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vticndorf-Vkctlla, den 8. Juni ryor. iI Mit Rücksicht daraus, daß der letzte Aus liegetag der Urwählerlisten für die bevorstehende Landtagswahl aus morgen Sonntag, den 9. Juni 1907, fällt, wird das hiesige Gemeinde amt an diesem Tage von 9—12 Uhr vor mittags und 2 -5 Uhr nachmittags zur Einsicht nahme in die Listen für die Beteiligten ge. öffnet sein. —* Der Höhepunkt des JohrcS ist bald erreicht. Tie Natur befindet sich jetzt noch in dem ersten Stadium ihrer Entwickelung. Aber Nur noch wenige Wochen dauert diese Herrlich- keit Ist der erste Schnitt aus unseren Wiesen erfolgt, wird das duftende Heu geerntet, ist da» JohanniSfcst da, so liegt die schönste Zeit des Jahres wieder einmal hinter uns. Jetzt bietet sich unserem Auge ein bmttbcwegtes, farbenfreudiges Bild auf Wiese und Feld dar. Die Wiese zeigt ihr schönstes Kleid, geschmückt Mit allerhand Blumen. Das graugrüne Halmenmeer wogt uns entgegen, Kornblumen, Mohn und wie die Feldblumen alle heißen, winken uns freundlich zu. Das Korn blüht, und nach normalem Verlauf — je vierzehn Tagt auf das Blühen auf das Wachsen und das Reifen der Kornfrucht gerechnet, — haben wir in sechs Wochen, also schon kurz vor Be ginn der großen Ferien, die Kornernte zu er warten. Die Sommersaaten haben sich infolge des wiederholten Regens gut entwickelt und be rechtigen zu schonen Hoffnungen. Nicht minder ist der Regen den Kartoffeln und Futter pflanzen zustatten gekommen. —* Der Bezirksausschuß der Königlichen Amtshaupimannschast Dresden-Neustadt hielt unter dem Vorsitz des Herrn Geh. Rats Frei- Herrn von Salza und Lichtenau seine achte diesjährige Sitzung ab, Tagesordnung und Nachtrag en'hielten 33 Gegenstände, von denen sechs ist nichtöffentlicher Sitzung verhandelt wurden. Es wurde zu der Abtrennung bei dem Grundstück« Blatt 7 de« Grundbuches sür Grünberg mit Diensdorf die nachgesuchte Dispensation abgelehnt. Auf ein Gesuch des Schornsteinfegermeisters Püschel in Radeberg wurde b-schloffen, die Zuteilung des Orts Lomnitz zum Kchrbezirk Klotzsche nur dann zu befürworten, wenn dir noch anzustellenden Erörterungen ergeben sollten, daß der Kehr bezirk Klotzsche ohne Lomnitz nicht lebensfähig sei. Hinsichtlich der Rittergüter SeiferSdors und Wachau wurde die Zuteilung zum Kehr- bezlik Radeberg befürwortet. Weiter wurde angeregt, die Rittergüter Hermsdorf und Grünberg dem neuen Kehrbezirk Klotzsche zuzu weisen. —* Die Erdbeere ist das FrühlingSgeschenk unter den Früchten an die Menschheit. Schon die ersten sasttgen roten Beeren erregen nicht nur dem Auge Wohlgefallen, sondern er quicken den Gaumen, und was noch wichtiger ist, sie üben eine wohltuende Wirkung auf die Gesundheit au». Blutreinigende Erfolge hat der fleißige Genuß derselben und ihr Reichtum an Nährstoffen, wie Zucker, Eiweiß, Zellulose Pektose, und heilsamen Säuren ist so groß, daß man schon bald die erquickenden und stärkenden Folgen empfindet. Weniger bekannt dürfte die arzneiliche Hilse der Erdbeeren gegen Nieren- und Gallcnleiden sein. Man verordnet vielfach den auSgepreßtcn Saft der Frucht oder die zerquetschten Samenkörner, die beide in Wein genommen werden. Von den be rühmten Naturforscher Linne erzählt man, er habe, um seine Gicht los zu werden, eine regel rechte Erddeerkur gebraucht und so den ge wünschten Zweck erreicht. Klotzsche-KönigSwald. Von der hiesigen Gemeindeverwaltung wird in dem hinter der Oberjöcsterei an der Königsbrücker Straße hier gelegenen Waldpark auch in diesem Sommer wieder eine Reihe öffentlicher Waldparkkonzerte veranstaltet werden, die teils von der Kapelle des Königlichen 1 Tratn-BataillonS Nr. 12 (Dir. Landgraf), teils von der Kageschen Künstlerkapelle ausgeführt werden soll. Eintritts geld wird zu diesem Konzerten nicht erhoben. Das erste Konzert wird Freitag den 14 Juni nachmittags von '/, 5 Uhr an stattfinden. Im hiesigen Waldpark wird im Laufe dieses Sommers auch wieder an zwei Sonntagen, vorausichtlich am S1. Juli und am 18, August Waldgottesdienst abgehaltcn werden. Lichtenberg. Am Freitag früh gegen 3 Uhr brach in der Scheune des Gutsbesitzers Alwin Ziegenbalg ein Schadenfeuer aus. welches diese sowie das anstehende AuSzugshaus in Flamm-rr setzte. Das Feuer, welches auf Brandstiftung znrückzuführen ist, ergriff das Nachbar-AuözugShaus des Wirtschafisbesitzers König und der darin wohnende Barbier konnte mit seiner zahlreichen Familie nur durch das Fenster gerettet werden, von hier aus sprang das Feuer über die Straße und setzte das Wohnhaus des Besenbinders Ernst Gärtner ebenfalls in Brand. Weiter ergriff das Feuer auck die gegenüberliegende Wirtschaft des Bernhard Gärtner wo das baufällige Wohn haus in Flammen aufging, von der im Bau begriffenen Scheune brannten die Sparren herab. Dem Brands konnte fast kein Einhalt getan werden, da Wassermangel herrschte und das Feuer mit großer Schnelligkeit um sich griff. Dresden. Nach fast fünfjähriger Bauzeit ist jetzt ein Bauwerk zu Ende geführt, das zu den größten Dresdens zu zählen ist: Die neue Dresdner Gesangenanstalt. Infolge der Aus dehnung der Stadt Dresden hatte sich das auf der Pillnitzer Straße befindliche Dresdner- Landgericht, das Anfang der 70er Jahre er baut wurde, schon lange als unzulänglich er wiesen. Es wurden daher vom Landtage die Mittel zum Bau eines neuen LandgerichtS- gebäudeö nebst Gefangenenanstalt erbeten und bewilligt und im Jahre 1902 wurde mit dem Bau begonnen. Jetzt ist der Bau vollendet und während der Gerichtsferien erfolgt die Uebersiedelung in das neue Heim. — Aus der Tharandter Straße der Vorstadt Löbtau-DreSden war ein Automobil mit einem Grünwarenwagcn zusammengestoßen. Der letztere, der klein und schon gebrechlich war, fiel um und der Inhalt verstreute sich in weitem Bogen aus die Straße. Darüber war die Grünwarenhändlerin natürlich sehr erregt, doch erboten sich die Insassen des Automobils, die Sache im guten zu schlichten, und sagten: „Machen Sie keine Märdc, wir brauchen nicht erst die Behörde" und drückten der Frau 20 Mark in die Hand. Damit war der in zwischen herbeigeholte Ehemann der Grün warenhändlerin aber nicht zufrieden und sprach: „Machen Sie nur keene Mengenke, da müssen Sie mir noch etwas schenke." Darauf gab der Besitzer des Automobils noch ein Zehnmarkstück, und beide Teile fuhren, ob dieser Lösung des Vorfalls befriedigt, von dannen, der Handwagen natürlich in vielen Teilen und erst, nachdem die verstreuten Salatköpfe, Spinat- und RadieSchenbündcl aufgelesen waren. — Der Ehrenpreis der Stadt Dresden sür die Herkomerfahrt 1907 ist in Form eines Automobils als Tafelaufsatz entworfen, in Silber ausgeführt und vergoldet. Statt der Coupefitze ist eine Fruchtschale und statt der Schutzfenster da» Dresdner Stadtwappen in edelsteingeschmücktem Rahmen angebracht. Im übrigen ist alles genau einem Auto nachgebildet worden. Das ganze ist eine reine Gokd- schmiedearbeit ohne jeden Gußteil. Alles ist aus Draht und Blech getrieben, gemeißelt und zusammengefügt. Der Schöpfer dieser herrlichen Preises ist Herr Professor Groß. — Verschiedene Gerüchte über das Ver schwinden eines hiesigen Rentiers, der namhafte Summen in Häuserspekulationen verloren haben soll, sind gegenwärtig in der Stadt im Umlauf. Es heißt, das der Verschwundene auch Wechsel gefälscht habe im Gesamtbeträge von mindestens 100 000 Mk. Näheres war bis jetzt nicht zu ermitteln. — Bei der Niederlegung der alten AugustuS- brücke ist ein aus Eichenholz hergestellter Psahlrost bloßgelegt worden, der nach Sach verständigen Gutachten aus der ältesten Brückenbau-Periode stammen soll. — Vor einiger Zeit erregte der Selbstmord versuch des für wohlhabend geltenden Architekten Lippold einiges Aussehen. Jetzt erfährt man, haß über den Nachlaß Lippolds, der in Ver mögensverfall geraten war, der Konkurs ver hängt worden ist. Kötzschenbroda. Ein Spczial-Laboratorium ür stuhlanalytische Ausgaben hat hier Herr Dr. med. Thalwitzer in Gemeinschaft mit einem erfahrenen Nahrungsmittelchemiker, Histologen und Botaniker errichtet. Löbau. Freiwillig in den Tod gegangen rnd in Schönlinde bei Löbau der 25 jährige Arbeiter Bernhard Simon aus Friedland in Böhmen und dess-m Geliebte, die Kellnerin Anna Fischer. Simon geriet mit dem sehr hübschen jungen Mädchen in einem Lokale in Streit. Er verließ darauf kurzerhand das Gasthaus und erschoß sich vor demselben mit einem Revolver. Als die Kellnerin den Schuß hörte, eilte sie vor die Tür, woselbst sie des bereits toten Geliebten ansichtig wurde. Laut aufschreiend warf sie sich über denselben. Dann erhob sie sich rasch, ergriff den neben der Leiche liegenden, noch mit vier Kugeln ge ladenen Revolver und erschoß sich, ehe die ver dutzten Zuschaner dies verhindern konnten. Zittau. Erschossen hat sich im Restaurant Gambrinuö in Reichenau der 36 jährige Monteur und Marklhelfer Johannes Peters aus Dresden. Schon in Zittau, wo er in der Nacht zum Sonntag im Gasthof zur Mandau logierte, hatte Peters geäußert, daß er sich wegen Untreue seiner Frau das Leben nehmen wolle. Die Leiche Peters wurde an di« Anatomie in Leipzig gesandt. Meißen. Die Erörterungen über den be reits berichteten Skelettfund haben zu Fest stellungen geführt, durch welche die Annahme, duß hier das Opfer eines Verbrechens auf gesunden worden ist, sehr wahrscheinlich wird Der Tote ist vermutlich identisch mit dem seit dem 28. September 1884 hier vermißten 18 jährigen Bäckerlehrling Richard Emil Pürschel aus Kamenz, der ost mit Altersgenoffen an der Elbe sich aufgehalten hat und an jenem Tage von seinem Verwandten Geld erhalten hatte. Für böswilliges Verlaffen seiner Arbeitsstätte hat man damals keinen Anhalt finden können, sodaß man von Anfang an auf einen Unglücksfall oder ein Berbrechen schloß. Zu letzterer Annahme drängt der Umstand, daß unweit des Ausfindungsortes des Skeletts der 1865 geborene Ziegeldecker Franz August Hausdorf gewohnt hat, der 1865 wegen Brandstiftung fünf Jahre Zuchthaus erhielt und 1890 wegen Totschlags einer Frau aus Zehren vom Schwurgericht Dresden zu lebens länglichem Zuchthaus verurteilt wurde. — Spurlos verschwunden ist seit dem 31. Mai aus idem benachbarten Zaschendorf der Guts- und Ziegeleibesitzer Hönicke, wie es heißt, mit Hinterlassung einer Schuldenlast von mindestens 1 Million Mark. Der Flüchtige, der Schwiegersohn des Inhabers des Meißner Bankhauses Kröber und Cie., zog dieses Institut derart in Mitleidenschaft, daß es, wie schon an anderer Stelle erwähnt, liquidieren bez. durch den Dresdener Bank verein gestützt werden mußte; er soll große Summen in Grundstücksspekulationen verloren haben. Der Vorfall macht weit über Meißen hinaus gewaltiges Aufsehen. Niederlommatzsch. Durch hereinbrechende Gesteinsmaffen wurde am Mittwoch früh in einem hiesigen Steinbruch eine Anzahl Arbeiter verschüttet. Der 21jährige Lorenz und der 50jährige Arbeiter Fuhrmann sind tödlich ver unglückt, ein dritter Arbeiter wurde verletzt. Lichtensee. Einen sonderbaren Besuch er hielt in der Mitternachtsstunde vom Sonntag zum Montag der Gutsbesitzer Ekelmann. Un artikulierte Laute weckten ihn aus süßem Schlummer. Der ganze Hof stand voll Jung vieh. Er rieb sich die Augen und rief sein Weib mit den Worten: „Das Koboldchen hat unsern Hof voll schönes Vieh gemacht." Doch bald dämmerte es bei ihm und er erkannte, daß es das Jungvieh vom Rittergut Tiefenau war. Das Vieh hatte auf seinen nächtlichen Gange schon einen Angriff auf den Zug bei Wülknitz gemacht, welcher die Belästigenden aber durch heftigen Dampf abwehrte. Bald war dem nächtlichen Besuch im Hofe ein nächt liches Lager bereitet, und am anderen Morgen wurde dem Besitzer Nachricht gegeben. Hoffentlich kommt der Mühe Lohn recht bald der Aufregung nach. Chemnitz. Ein schwerer Aulomobilunfall ereignete sich auf der Wettinerstraße. Dort kam in den Nachmittagsstunden ein Automobil oas einem Lastwagen ausweichen wollte, in« Schleudern und rutschte in eine einen Meter tiefe Ausgrabung. Ein 28 jähriger Handarbeiter, der in dieser Ausgrabung arbeitete, wurde da bei umgerissen und erlitt außer leichteren Ver letzungen schwere Quetschungen des Brustkorbes o daß er sofort in ärztliche Behandlung ge nommen werden mußte. Das Automobil wurde zertrümmert, die Insassen kamen mit )em Schrecken davon. Leipzig. Eine verhängnisvolle Gondel- partie unternahmen drei Schüler der hiesigen Handelslehranstalt am Dienstag Nachmittag auf der Pleiße. Als die Insassen die Plätze wechseln wollten, schlug das Boot um und alle drei fielen in« Waffer. Einer, der schwimmen konnte, rettete sich an» Land, während ein anderer sich so lange am Boote festhielt, hi er geborgen werden konnte, der dritte aber, Curt Stoll au» Markneukirchen, welcher an scheinend unter da» Boot geraten war, kam nicht wieder zum Vorschein und ertrank. Der Leichnam des bedauernswerten jungen Menschen ist noch nicht gesunden worden. Schwarzenberg. Eine verhängnisvolle Messerstecherei fand hier statt. Ein Trupp junger Leute zog, sozialdemokratische Lieder singend, über die Badbrücke. Andere junge Leute äußerten sich hierüber abfällig. Die» erbitterte den 17 jährigen Stanzer Stiehler derart, daß er nach ungefähr zwei Stunden den zum Militär auSgehobenen Sohn de» Gasthofsbesitzers Lein auslauerte und ihm sechs liefe Messerstiche in den Hal», die Brust und die Hüfte beibrachte. Die Verletzungen find lebensgefährlich. Stiehler, der festgenommen wurde, erhängte sich in der Zelle mit seinem Taschentuch. Plauen. Der hiesige Korbwarrn- und Kinderwagen-Großhändler Adolf Holland hatte eine große Tour mit seinem Motorrad unter nommen. Auf der Heimfahrt, in der Nähe von Elsterberg, passierte er in schnellem Tempo eine Krümmung. Im selben Moment kam ein anderer Motorradfahrer entgegengefahren. Es erfolgte nun ein gewaltiger Zusammenstoß beider Fahrzeuge und die Fahrer wurden mit voller Wucht auf die Straße geschleudert. Dabci wurde der Großhändler Holland schwer verletzt. — Wieder zurückgegangen ist der Vieh schmuggel und die Pascherei von Lebens- und Genußmitteln an der sächsich- böhmischen Grenze, obwohl nach dem Inkrafttreten der neuen Zollbestimmungen ein Wiederaufleben des Schmuggelunwesens dem bedeutend er weiterten Wach- und AufsichtSapparat zum Trotz befürchtet wurde. Während in den Jahren 1881 bis 1895 in Sachsen 8907 Personen zu Geldbußen und 59 Personen zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden, haben sich diese Ziffern seit 1901 auf etwa 120 im Jahresdurchschnitte vermindert.