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A-orter Wochenblatt, t ———-»MW-WSS-— M i t t h e i l n n g e n über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Zehnter Jahrgang. Hrcii für den Jahrgang bci Bestellung von der Post: > Thaler, bei Bestellung des Blattes durch Botengelegenheit: ru Neugroschcn. ' ' , . v§ 39. Erscheint jeden Mittwoch. 24. Sept. 1845. Die Feier des ConstitutionsfesteS zu Mylau und Rei ckenbacl). Bci dem allseitig sich zeigenden Streben nach Verwirklichung deS constitulivneUen Lebens, bei der immer deutlicher hcrvortretcndcn Thcilnahmc des gan zen Volkes an den Angelegenheiten des Staates, bei der Nahe des so schnlichst herbeigcwünschten Landta ges ist cs kaum zu verwundern, daß sich dicßmal säst allcrwärts cin ungewöhnliches Streben nach Vcrberr- lichung des Geburtstages unserer Verfassung zeigte, daß man an gar vielen Orten statt der Sonntags frier den eigentlichen 4. September als Festtag wählte. Letzteres hatte man auch in Neichenbach beschlossen, wahrend man sich in Mylau mit der Sonntagsfeier begnügte. Hier begrüßte man den jungen Tag mit Musik und erwartete dann gespannt den Aufzug der uniformirten Schützen zur Kirchenparade. Die Pre digt bot ein überaus erfreuliches Zeugniß dafür, daß auch unser Voigtland Prediger besitze, die mit dem wärmsten Eifer sich der Sache des Fortschritts an- nchmen. Nachdem nämlich gesagt worden, daß das Fest, obgleich cin bürgerliches wohl verdiene, kirchlich gefeiert zu werden, ging der Ncdncr auf die großen Vorlhcile cin, die' uns die Verfassung gebracht, — und schloß daran die Bcmcrkung, daß der Tag uns ein Tag der Freude und zugleich des Dankes sein müsse; daß sich aber gewiß mit dieser Freude und diesem Danke die Hoffnung zugleich fände, ,,denn", fuhr er ungefähr fort, ,,jeder Denkende wird es er kannt babcn, daß unsere Constitution nicht cin völlig fertiges Gebäude, Voß sie'vielmehr nur eine sichere, feste Grundlage zu wejlcVein Fortbauen ist. Und wie Manches fehlt noch' dimm Äusbaue! Schmachtet nicht noch immer der Au^öruck^bes freien Gedankens durch Wort und Schrift unter den unnatürlichsten Fesseln! Ist nicht noch immer cin großer Theil achtbarer Bür ger von dem Rechte, Vertreter des Volkes zu wählen. oder als solcher gewählt zu werden, ausgeschlossen? Strebt nicht noch immer die Kirche vergeblich nach Befreiung von den beengenden Schranken der Negie rung? Trachtet nicht ein großer Theil unserer Vater- landsgcnossen, die das römische Joch abgeworfcn ha ben, vergeblich nach der Anerkennung im Staate? Hofft nicht das Vaterland noch immer auf einen ge- wattigen Umschwung unserer Rechtspflege? Hat nicht selbst die Regierung die Nothwcndigkcil einer solchen anerkannt, wenn gleich das Streben in Beziehung der Art der Ausführung ein verschiedenes ist?— DaS sind Wünsche, die das ganze Volk bewegen, die sich in den jetzigen Tagcn mit besonderer Stärke regen, wo die Vertreter des Landes in die Nähe des Thro nes berufen sind, um gemeinschaftlich mit der Regie rung des Landes Wohl zu bcrathen. Diese Wün sche, diese Hoffnungen desVaterlandesbei der bevorstehenden Ständeversammlung, wir wollen sie jetzt betrachten im Lichte der Re ligion. Denn dieß giebt ihnen eine weise Be schränkung, eine höhere Weihe und eine tie fere Begründung." Die treffliche Ausführung war der aus der innersten Ueberzeugung kommenden und klar überzeugenden Einleitung würdig. — Nach Beendigung des Gottesdienstes zog man auf den Schießplatz, und der Commandant der Gesellschaft brachte nach der Absingung eines Gesangbuchliede- ein dreifaches Hoch dem König, den Landständen, dem Abgeordneten Georgi besonders und den Behör den der Stadt. Schon sah man sich bedenklich fra>- gend an, warum die Verfassung leer ausgehe. Da nahm sich Georgi der Verlassenen, her Vergessenen an:, „Wcnn der Himmel heiter und der Pfad geebnet, da bedarf der Wanderer keiner Leitung., Wenn aber Stürme sich erheben, düsterer Nebel die Aussiche, hemmt, dunkle Nacht den Horizont verdüstert, dann bedarf er eines deS Weges kundigen Führers. Dieser-