Volltext Seite (XML)
. Wochenblatt Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amisölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 60. Freitag den 2. August 1872. Tagesgeschichte. Die K. Kreisdirection zu Leipzig macht unterm 24. v. M. Folgen des bekannt: „Die Einführung trichinöser Fleischwaaren aus Amerika betreffend. Es sind neuerdings amerikanische Speckseiten über Bre men in den Handel gekommen, deren fleischige Bestandtheile sich bei der Untersuchung als trichincnhaltig erwiesen haben. Wenn nun nach den hiesigen Steuerlisten vor Kurzem jauch in eine größere An zahl sächsischer Städte amerikanischer Speck von Bremen eingeführt worden ist, so wird vor dem Ankauf und Genuß dieser Fleischwaaren ohne vorherige mikroskopische Untersuchung dringend gewarnt, den Verkäufern aber die Bestimmung in 8 367, Abs. 7 des Reichsstraf gesetzbuches in Erinnerung gebracht, wonach Diejenigen, welche tri- chinenhaltiges Fleisch feilhalten oder verkaufen, mit Geld bis zu 50 Thlr. oder mit Haft bestraft werden. Das „Dr. I." berichtet: Am 29. Juli Nachmittag gegen '/-3 Uhr ist auf einem zwischen Strehla und Reick gelegenen, dem Gutsbe sitzer Eimann in Strehlen gehörigen Weizenfelde eine Weizenpuppe in Brand gerathen, und noch 30—40 dergleichen niedergebranut. Von hier aus hat sich das Feuer weiter verbreitet und sind außer dem 2 Scheffel auf dem Halme stehender Hafer, 2 Scheffel auf dem Halme stehender Weizen desselben Besitzers, etwa 3 Scheffel auf dem Halme stehender Weizen des Gntsbesitzers Mendel, '/- Scheffel auf dem Halme stehender Weizen der Gntsbesitzerin Leumncr durch die Flammen vernichtet worden. Reichenbach. Am 25. d. M. Nachmittags ist in der zum Rittergut Erlmühle gehörigen Waldung bei Obcrneumark ein Wald brand entstanden und sind dadurch ca. drei Acker Hochwald total be schädigt winden. Königsbrück, 28. Jnli. Gestern Abend in der 9. Stunde ent stand auf dem zur hiesigen Standesherrschaft gehörigen Zeisholzer Revier ein Waldbrand, welcher, begünstigt durch die herrschende große Trockenheit, den 15—20jührigen Holzbestand nebst Waldspreu auf einen Flächenraum von mindestens 15 Acker in kurzer Zeit vernichtete. Am 22. d. Morgens hatte der Tagelöhner Wagner aus Geit hain, in Diensten dort, das Unglück, im Dorfe Thierbaum unter die Räder seines mit Braunkohlen schwer beladenen Wagens zu kommen und sich dergestalt durch Ueberfahren des Unterleibes und der Brust zu verletzen, daß er sofort seinen Tod fand. Derselbe hinterläßt eine Frau und vier Kinder. Ueber ein am letzten Sonntagmorgen im Dorfe Dösen bei Leipzig stattgefundcncs Schadenfeuer wird dem „L. T." Folgendes gemeldet: Das Gehöft des Bauergntsbesitzcrs Welke ist, mit Aus nahme des massiv erbauten Kuhstallgebäudes, bis auf den Grund niedcrgcbrannt. Das Vieh ist sämmtlich gerettet worden, dagegen konnte von dem Inventar, Bekleidungsgegcnständcn, Betten rc.^nur sehr wenig den Flammen entrissen werden. Von der diesjährigen Ernte sind über 100 Schock Roggen und ansehnliche Heuvorräthe mit verbrannt. Ein die Familie des Zimmcrmcisters S. in Nossen plötzlich getroffenes Unglück bewegt die Gemüther der ganzen Stadt. Das dreijährige Töchterchen desselben ist dnrch Magen- und Hantvergiftnng mittelst einer nrscnikhalligen grünen Farbe (wahrscheinlich Schwein furter Grün) gestorben. Wie es zu derselben gekommen, ist noch nicht völlig aufgeklärt; dem Anschein nach hat es eine Düte mit be wußtem Inhalt auf der Straße gefunden. Zwei andere Kinder, die ebenfalls davon genossen, konnten glücklicher Weise gerettet werden. Wieder eine Warnung mehr, Kinder auch vom Belecken farbigen Spielzeuges abzuhalten. Eine für die Entwickelung des weiblichen Erziehungswesens vor aussichtlich höchst wichtige Zusammenkunft wird am 30. September o. in Weimar stattfindcn, nämlich eine erste Versammlung von Direc toren, Lehrern und Lehrerinnen deutscher Töchterschulen. Auf dersel ben soll diesen Anstalten eine festbestimmte Stellung neben den anderen höheren Schulen erwirkt werden. Angeregt wurde diese Ver sammlung vom Direelor Ur. Kreiyenberg aus Iserlohn. Drr Essener Strike hat die bergbaulichen Interessen im All gemeinen und jene der Arbeiter und Arbeitgeber im Besonderen, trotz der kurzen Dauer seiner Zeit, dennoch wesentlich geschädigt. Nach einer amtlichen Erhebung beträgt der tägliche Lohnverlust der Arbei ter 20,000 Thlr., während die Besitzer täglich 300,000 Center Kohlen cinbüßten. Die Bayern haben den deutschen Kronprinzen Fritz, der sie von Weißenburg und Wörth bis nach Pari* führte, nicht vergessen. In Berchtesgaden war von weit und breit alles zusammengeftrömt, um ihn mit mächtigen Sträußen von Alpenrosen, mit Jauchzen, mit Liedern und Musik zu begrüßen; die Liedertafel hatte einen Süngergruß extra für ihn gedichtet und komponirt. Und eine Illu mination veranstalten sie, wie's Andere bleiben lassen müssen; denn Schlag halb neun Uhr Abends am 21. Juli flammten alle Berg gipfel der Alpen in wunderbarer Pracht und namentlich vom Watz- mann strahlte das Bergfeuer herrlich durch die Nacht. Von dem heimlichen Feuerlein, welches die Pfaffen schüren, kam nichts zum Vorschein. Auch in Wiesbaden wachsen die Bäume des Uebermuthes nicht in den Himmel. Die Droschkenkutscher hatten die Fahrpreise und Trinkgelder trotz aller Taxen immer unverschämter in die Höhe ge schraubt und mit einem Schlag alle Fahrten eingestellt, als die Po lizei ihnen mit einer neuen Taxe einen Schlagbaum zog. Die Noth war groß, die vielen tausend Gäste mußten zu Fuß von den Bahn höfen in dje Stadt und umgekehrt keuchen; denn die Wagen der Gasthöfe reichten nicht entfernt für den Verkehr aus, Niemand konnte eine Fahrt in die schöne Umgegend machen. Zu Hilfe gerufene Mainzer und Frankfurter Kutscher verweigerten theils kameradschaft lich den Dienst oder wurden durch Steinwürfe re. abgeschreckt; aber die Schadenfreude der Kutscher war kurz, denn schon nach einigen Tagen fand sich ein unternehmender Berliner, der sich verpflichtet hat, 200 elegante Droschken zu stellen und zu den festgesetzten Preisen zu fahren. Die Behörden haben ihm sofort die Conccssion crtheiit. Die Jesuiten conccntriren sich rückwärts aus Deutschland hinaus nach Oesterreich, Belgien und Frankreich. Die Herren reisen am liebsten inoognito, d. h. nicht unter ihrem eigenen Standesnamen, sie bitten fast überall die Behörden, in den Pässen die Bezeichnung „Je suit" oder „Mitglied vom Orten Jesu" der Kürze halber wcgzulasse»; die Behörden aber meinen, cs fei gut, wenn künftige Gastfreunde dieser Herren sofort wüßten, mit wem sie eS zu thun haben, und unterstreichen den Namen Jesuit in den Pässen. Der Kaiser von Rußland kommt am 6. September auch nach Berlin. Sein Besuch bei Hofe ist telegraphisch angcmcldet. Die Franzosen hoffen auch bezüglich der Erndle au der Spitze zu marschiren. Der Wein giebt zwar nur eine Mittelerndte, Getreide und Futter aller Art aber eine doppelte Mittelerndte. Auch die Preise aller laudwirthschastlichen Erzeugnisse bleiben lohnend. Kurz, die Bauern brüsten sich, daß sie allein mit zwei solchen Erndten die Milliarden zahlen könnten, sie würden aber bös sein, wenn sie Herr Thiers beim Wort halten würde. Monsieur Thomas, Präsident der Notariatskammer in Paris, ist in gleicher Lage wie Frankreich; er muß seine Kriegsschulden noch bezahlen. Am 23. Juli 1870, wenige Tage nach der Kriegserklärung, bot er im Kleinen Moniteur öffentlich die Wette au, 200,000 Fr. gegen 100,000 Fr. zu setzen, daß die Franzosen am nächsten 15. August, am Napoleonstag, in Berlin sein würden. Andern Tags schon nahm der Kaufmann Mouillac in demselben Blatte die Wette an. Er gewann sie, wie weltbekannt, hat aber bis jetzt keinen Frank erhalten und ist jetzt klagbar geworden. Die Arbeiterunruhen im französischen Norddepartement, sowie die gleichzeitig auf benachbartem belgischem Gebiete ausge brochenen Strikes nehmen die Aufmerksamkeit der französischen Presse um so mehr in Anspruch, als diese Bewegung unmittelbar vor Er öffnung der Subscriptio» auf die neue Anleihe äußerst inopportun erscheinen mußte. Die Behörden haben denn auch nicht gezögert, gegen die TnmnltaiUen mit wünschenswerlher Energie vorzugehen und sind von Paris aus ziemlich erhebliche Truppen- Verstärkungen nach den bedrohten Punkten entsendet worden. Sowohl dieDeparte- mentalblätter wie die Pariser Zeitungen und schließlich auch die Regierung selbst entlasten die französische Arbeiterbevölkerung von