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MMlOrFageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das ,Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— NM. srei Haus, bei Poftbestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Apfg. Alle Postanstalten, Post- _ träger und Geschäftsstellen nehmen zu jeder Aeu Be- sÜk U. stellungen entgegen, Fm Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht Kem Ampruck auf Lieferung der ?eitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gespaltene Naumzeile 20 Npfg., die 4gespoltene Zeile der amtlicken Bekanntmachungen 40.Reichs« Pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebühr 20 Neichspfennice. Vor» geschriebeneErsckeinungs- i- „ « tage und Platzvorsckriften werden nach Möglichkeit O berücksichtigt. Anzeigen annahme bisvorm.lOUHr. ' " — - - Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Nadattumpruct erlisüt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 113 — 91. Jahrgang Telezr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 17. Mai 1932 „Beeilen Gis sich!" Ms die Neichstagssitzung am Donnerstag ver gangener Woche „aufflog", also vom Reichstagsprästden- ten die Vertagung ausgesprochen wurde, hatte er noch hinzugefügt, die Reichstagsabgeordneten würden von ihm über den Termin des Wiederzusamülentritts benach richtigt werden. Es lag also kein Beschluß des Reichs tages vor, der diesen Termin fest bestimmte. Im Ältesten ausschuß sind dann Anträge der Opposition, die einen Wiederzusammentritt des Plenums nicht erst für den 6. Juni, sondern für einen beträchtlich früheren, sehr baldigen Termin verlangten, von der Mehrheit des Aus schusses abgelehnt worden, aber die Opposition kündigte bereits an, sie werde eine frühere Berufung unter Bezug nahme auf Artikel 24 der Reichsverfassung verlangen; dort heißt es nämlich, daß der Präsident des Reichstages „ihn früher berufen muß, wenn es . . . mindestens ein Drittel der Reichstagsmitglieder verlangt". Bei den 577 Mit gliedern des Reichstags wäre dieses Drittel also 193, und mithin würden die entsprechenden Anträge der Na tionalsozialisten, Deutschnationalen und Kommunisten mehr als genügen, um den Reichstagspräsidenten zu einem Verfahren gemäß Artikel 24 der Verfassung zu veranlassen. Die Dinge liegen anders wie bei früheren Anträgen dieser Art insofern, als damals der Wiederzusammentritt des Reichstages durch Mehrheitsbeschluß aus einen bestimm ten Zeitpunkt sestgelegt wurde, also ein anderer Termin höchstens durch einen Mehrheitsbeschluß des Ältestenaus schusses hätte bestimmt werden können. Das ist nicht ge schehen und man stellte sich sinngemäß auf den Stand punkt, daß der Artikel 24 nur anwendbar sei, wenn der Reichstag auf unbestimmte Zeit vertagt ist, weil ein -rittel der Neichstagsabgcordneten einen Beschluß der --ehrheit natürlich nicht umstoßen kann. Grundsätzlich ^übrigens vor kurzem der Staatsgerichtshof über einen ynlichen Streitfall beim Preußischen Landtag entschieden, d"r Mehrheitsbeschluß des Ältestenausschusscs, «lwdtaaes D^Mion geforderte Einberufung des 7 " nicht zwingenden Rechts sei, sondern eer """GAwentritt der Kammer hätte veranlaßt werden müssen. Es ist also wohl damit zu rechnen, daß im Reichstag die Opposition eine frühere Zusammenberufung herbeiführt, wenn sie einen entsprechenden, von einem Drittel der Abgeordneten unterstützten Antrag stellt. -r- Wenn der Reichstag früher zusammentreten sollte, dann konnte er auch, dem bisherigen Gebrauch gemäß, nach kürzerer oder längerer Debatte den .Haushaltsentwurf „in erster LZung" dem Haushaltsausschuß zur Durchberatung überwenen; an nnd für sich hat nach einer Gcschäfts- ordnilngsanderung aus jüngster Zeit der Reichstags- Präsident da^ zu dieser Überweisung, und es ist von ihm auch bereits mitgeteilt worden, daß er mit jenem Gesetzentwurf auch demgemäß verfahren werde. Toch den Massen des Volkes wird dieser „Gegenstand der Tages ordnung" ein nicht gerade übermäßiges Interesse ab- i igen, sw erwarten vielmehr mit allergrößter Ungeduld, daß endlich aus den Ministerien ein handfester Ent wurf über die Arbeitsbeschaffung heraus kommt. Seit zwei Jahren wird dort über dieses Thema debattiert und heute ganz bestimmt nicht mehr etwas Neues auf diesem Gebiete Produziert. Schier unzählige Kom missionen haben sich damit beschäftigt und es scheint doch so, als hänge jetzt das ganze Schicksal des Rumpfkabinetts Brüning davon ab, daß es von jenen papicrnen Be schlüssen und Denkschriften, Anregungen und Vorschlägen, Entwürfen und — Phantastereien endlich zur Tat kommt. Auch der Reichsbankprapdent Dr. Luther hat eine solche Denkschrift veröffentlicht, die sich natürlich vor allem mit der finanziellen Seite der Arbeitsbeschaffung befaßt. Er legt großes Gewicht ans die Einschaltung „hilfswirtschaft- licher" Maßnahmen, nämlich der „Nutzbarmachung" der Arbeitskraft der Erwerbslosen auf bestimmten Arbeits gebieten, aber nur vorübergehend und behelfsmäßig neben der freien Wirtschaft. Jene Maßnahmen — Arbeitsdienst pflicht ist ein einfacheres und verständlicheres Wort dafür — würden sich hauptsächlich auf Siedlungsausgaben er strecken und zum großen Teil geldlos durchgeführt werden können: Arbeitsleistung anstatt ^Bezahlung" durch Geld, Verwendung nur einheimischer Rohstoffe und Industrie- Produkte bei der landwirtschaftlichen Siedlung und hypo thekarische Sicherung der Lieferanten. Neben der Siedlung kommen dann nur „zusätzliche Arbeiten" in Frage, bei denen ^cinc unmittelbare Rentabilität nicht vorliegt, also z. B. Straßenbauten .Oochwasserschutz, Flußregulierungen usw. Das kostet natürlich Geld, viel Geld — und dafür ist die Prämienanleihe bestimmt, die der Reichstag ja in seiner kurzen Sitzungsperiode vor Pfingsten der Negierung hewilligt hat. Als 1862 der damalige preußische Kriegsminister Noon den Pariser Gesandten Preußens, Herrn von Bis marck, nach Berlin rief, um durch ihn die fast zusammen brechende innenpolitische Lage meistern zu lassen, tele graphierte er an Bismarck den berühmt gewordenen Satz: „Lorieulnm in morn! OopSebsr-vous!" „Gefahr im Ver züge! Beeilen Sie sich!" Soll man ans diesem historischen Telegramm heute eine Nutzanwendung für die Regierung Brünings ziehen? ÄM MimsterBBent emM. RtvMiMtt AWge in TM. Am Pfingstsonntag wurden in Tokio eine Reihe auf sehenerregender revolutionärer Anschläge verübt, denen u. a. der japanische Ministerpräsident Jnukai zum Opfer gefallen ist. Sieben als Marine- und Armeeoffiziere verkleidete Revolutionäre drangen in die Wohnung des Minister präsidenten ein und feuerten mehrere Schüsse auf ihn ab. Jnukai, Takahaschi, Ler ermordete der stellvertretende japanische Ministerpräsident. Jnukai wurde schwer verwundet. Man brachte den 76jäh- rigen Ministerpräsidenten sofort ins Krankenhaus, wo er trotz Blutübertragung wenige Stunden später ge storben ist. Gleichzeitig mit dem Anschlag auf Jnukai wurden Anschläge auf die Bank vonJapan, auf die Poll- zeizentralc, auf die Zentrale der Seiyukai-Partei, auf die M i t s u - B i s h i - B a n l und aus die Wohnun gen des Außenministers Joschisawa, des Admirals Suzuki, des Oberstzeremonienmeisters Baron Ha ga s h i und des Grotz-Sicgelbcwahrers Graf Makino verübt. Nach dem Anschlag.auf den Minister präsidenten stellten sich 18 junge Leute freiwillig der Polizei. Es handelt sich um fünf Marineoffiziere, mehrere Armeeoffiziere und Kadetten. Sie gehören sämtlich der „Gesellschaft der sch Warzen Drachen" an, die auch „Todeshand" genannt wird. Die Mitglieder dieser Bereinigung kämpfen gegen die neue Ordnung. Sie waren insbesondere mit der Politik der japanischen Regierung in der Mandschurei und in Schanghai nicht ein verstanden. Gleichzeitig mit den Anschlägen wurden überall in der Stadt Flugblätter verbreitet mit Aufschriften wie: „Nieder mit den untreuen Elementen; lang lebe der Kaiser; beendet die Korruption der Politiker; nieder mit der Oligarchie der Finanzleute!" Ausländsdeutsche im Lebenskampf. Die große Osttagung des VDA. Die 5 2. Jahrestagung des Vereins für das Deutschtum im Ausland wurde in Elbtng ab gehalten. Das große Psingsttresfen wurde mit einer Frauen- tagung eingeleitei. Der zweite Tag begann mit Sportwett- käinpfen. Von der Hauptversammlung des VDA. wurde eine Entschließung angenommen, in der u. a. festgestelli wurde, daß im vergangenen Jahre in der Lage des Auslandsdeutschtums, insbesondere des europäischen, nicht zu übersehende Verschlechte rungen eingetteten seien. Als die eine Ursache sei die Weltwirtschaftskrise anzusehen. Der Schrumpfungs prozeß des Außenhandels habe das Äuslandsdeutschtum viel fach härter getroffen als die Staatsbürger der Mehrheits völker. Das Bauerntum des Auslandsdeutschtums stehe in schwerster Krise, die sich in folge der Verzögerung einer mitteleuropäischen Lösung des Absatzes vertieft habe. Trotz der bei allen auslandsdeutschen Gruppen scstzustellenden Steigerung der Opserbereitschaft uns Entschlossenheit zur Selbsthilfe seien die. kulturellen Volks- organisatioucn, in erster Linie Schulen und Kirchenwescn, schwer bedroht. Als zweite wesentlichste Ursache der allgemeinen Verschlechte rung sei eine neue nationale Welle sestzustellcn, die in den meisten mittel- und osteuropäischen Staaten die rechtlichen Grundlagen des national-kulturellen Eigenlebens der Aus- landsdeuticken ru unterböblen droüe. Bei den verschiedenen Anschlägen nnd Bomben würfen wurden ein Polizist getötet, sieben Polizisten, ein Offizier und drei Zivilisten verwundet. Der Kaiser hak den Finanzminifier Takahashi zum stellvertretenden Ministerpräsidenten ernannt. Einzelheiten zu den Anschlägen in Tokio. über den Anschlag auf Jnukai teilte die Schwiegertochter des Ministerpräsidenten folgende Einzelheiten mit: Sie be fand sich außerhalb des Hauses, als die Attentäter eindrangen. Versuche vou Diener» und ewigen Polizisten, sie aufzuhaltcn, waren vergebens. Jnukai befand sich mit einem anderen Minister in seinem Zimmer. Die Schwiegertochter eilte zu ihm und bat ihn zu fliehen. Er weigerte sich ,edoch und trat den Eindringlingen entgegen, wobei er ihnen zurics: „Schießl nicht auf mich. Ich werde eure Forderungen anhören. Ihr dürft es nicht wagen, aus mich zu schießen." Der Führer der Eingedrungenen ließ sich jedoch nicht auf Unterhandlungen ein, sondern befahl Feuer zu geben. Von mehreren Kugeln getroffen, sank Jnukai zusammen. Die Attentäter flüchteten darauf zunächst in Automobilen. Wie noch bekannt wird, trug Jnukai seit einigen Monaten eine stählerne Weste, um sich gegen Anschläge zu schützen Infolge dessen zielten die Attentäter auch in erster Linie aus den Kopf des Ministerpräsidenten. Dynamit im Elektrizitätswerk Unter den Transformatoren im Elektrizitätswerk wurde Dynamit gefunden. Die Attentäter wollten allem Anschein nach das Werk in die Lufi sprengen, um die Licht versorgung zu unterbinden. Der japanische Kaiser hat der Familie des ermorde ten Ministerpräsidenten sein Beileid ansgefprochen. Gleichzeitig übermittelte das diplomatische Korps der ja panischen Regierung Beileidskundgebungen. Rücktritt des Kabinett» abgelehnt London. Das japanische Kabinett hat im Laufe des Montag dem Kaiser sein Rücktrittsgesuch überreicht. Dieier hat sich jedoch geweigert, es anzunehmen, und den stellvertre- lendenden Ministerpräsidenten Takahashi beauftragt, die Ge schäfte vorläufig weilerzuführen. Die „älteren Staatsleute" sind zu einer Sitzung zum Kaiser einberufen worden, der an geblich auch mit dem Kriegsminister Besprechungen hat, ob es ratsam sei, das Standrecht zu verhängen. Hiervon ist vorläu- sig Abstand genommen worden. Der Armeerat hat beschlossen, den Generalleutnant Masaki zum Kriegsminister zu machen, ganz gleich, ob das Kabinett dem Rücktritt des jetzigen Kriegs ministers Araki zustimmt oder nicht. Auch aus Araki war ein Anschlag geplant. Der bewaffnete Attentäter war in seine Wohnung kurz nach Mitternacht eingedrungen. Araki war je doch schon zur Kabinettssitzung fortgegangen. Beileid der Reichsregierxng Berlin, 17. Mai. Reichskanzler Dr. Brüning hat dem japanischen Außenminister folgendes Beileidstelegramm über sandt: „Tieferschüttert durch die Nachricht, daß Herr Minister präsident Jnukai einem verabscheuungswürdigen Anschlag zum Opfer gefallen ist, spreche ich Ew. Exzellenz meiner und der Reichsregierung wärmste Anteilnahme aus." Gleichzeitig hat der Chef des Protokolls dem Berliner japanischen Botschafter einen Beileidsbesuch abgestattet. Diese schmerzlichen Feststellungen seien dem VDA. und dein ganzen deutschen Volke ein erneuter Ansporn zur unermüd lichen gesteigerten Arbeit. Möge jeder Deutsche immer wieder daran denken, daß jeder dritte Volksgenosse heute außerhalb der Reichsgrenzen lebe und daß unwiederbringlich verloren fei, was heute nicht gerettet werde. Am dritten Tage fand nach Gottesdiensten in allen evangelischen Kirchen und der katholischen Pfarrkirche der große Festakt statt, bei dem nach einleitendem Orgelvorspiek zunächst Ober präsident Dr. e. h. Siehr - Königsberg das Wort nahm. Der Redner wies u. a. daraus hin, daß Ostpreußen durch den Machtspruch der Entente vom Mutterlande losgelöst und deutsche Gebiete rings um Ostpreußen herum der Staatshoheit fremder Staaten unterworfen seien. Gerade diese Schicksals schläge hätten jedoch die besten Eigenschaften der ostpreutzischen Bevölkerung klar in Erscheinung treten lassen, die zu der Hoss- nung berechtigten, daß der Kamps bis zum Siege durchgefochten werde. So wertvoll die Hilfsmaßnahmen der Reichs- und Staatsregierung seien und so dankbar sie in allen Kreisen ver Bevölkerung anerkannt würden, sie müßten doch Stückwerk bleiben, wenn es nicht gelinge, bei der gesamten deutschen Bevölkerung Verständnis für die Sonderlage Ostpreußens, für seine Bedeutung für das Deutschtum im Osten zu wecken. Die Tagung möge dazu bei tragen, ein neues festes Baud zu knüpfen zwischen allen Deutschen diesseits und jenseits des Korridors. Der Vorsitzende des VDA., Dr. Geßler, hielt das Schlußwort. Den eindrucksvollen Worten der Vorredner sei zu entnehmen, daß der Kampf unter dem Druck politischer Ver gewaltigung und wirtschaftlicher Not immer schwerer werde und daß der bescheidene SÄub, den die Kriedeus-