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Wochenblatt - - für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebentel)« nnd die Umgegenden. Amtsöl'att für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Dtadtrath daselbst. ^5 38. IreiLag den 20. War 1870. Tag esgesch ichte. Aus dem Dr. Anz. ersehen wir, daß der Bau des Neustädter Theaters in Dresden nunmehr gesichert ist. Der Verein ist bereits durch sein Direktorium mit einigen Architekten von Nus in Verbin dung getreten und es sind von den Letzteren bereits sehr gut inven- tirte Pläne vorgelegt worden. Das Haus ist für 13—1400 Zu schauer berechnet, da nach reiflichem Erwägen diese Znschanerzahl als die richtigste, den Verhältnissen angemessenste befunden wird. Das Theater soll, bei mäßigen Eintrittspreisen, hauptsächlich dem Schau spiele, der Posse und der Operette gewidmet sein. Dieser Tage hat sich in Dre, en während des Exerzierens einer Abtheilung des 2. Grenadierregimcnts ans dem Alannplatz ein sehr beklagenswerther Vorfall ereignet, der allerdings nur dem traurigen Zufall und keiner Nachlässigkeit zuzuschreibcn ist. Beim Rekruten-Excr- zieren machten die Mannschaften eine Angriffsübnng mit gefälltem Gewehr, wobei ein Mann stürzte und einem seiner Kameraden das Bayonet in den Unterleib stach. Der Schwerverletzte ist bereits gestorben. Am 17. d. verabschiedete sich der Geh. Eommcrzienrath Hartmann in Chemnitz von seinen Arbeitern in einer Weise, die seiner wür dig war. Er übergab ihnen 12,000 Thlr. zur Unterstützungscasse für invalide Arbeiter und stellte auch für die jetzt projectirten Ar beiterwohnungen ansehnliche Eapitalicn zu billigen Zinsen in Aussicht. Er schloß mit einem Hoch auf seine braven Arbeiter. Im Namen derselben dankte der Vorsteher der Arbeiterdeputation, Herr Eduard Müller, indem er zugleich das Direktorium der neuen Aktiengesell schaft begrüßte, in dessen Namen Herr Commcrzienrath Keller (bis heriger Ässocie von Hartmann) erwiederte. (C. Z.) Aus Leipzig vom 14. Mai berichtet das „L. T." folgenden Fall: Auf der Windmühlengasse gerielhen heule Nachmittag ein 12- jähriger und ein 13jährigcr Knabe in einer Weise feindlich gegen . einander, wie man es von solchen jungen Burschen kaum für möglich halten sollte. Der kleinere und jüngere Knabe zog in der Wuth ein Taschenmesser und brachte seinem Gegner mehrere Stiche in den Kopf und Hals bei, daß diesem das Blut über Gesicht und Hals lief. Bei dem Widerstande des also verletzten Knaben trug jener kleine Wüthcrich aber selbst eine klaffende Wunde davon, da ihm das Messer die rechte Hand durchschnitt. Die Dazwischenkunft von Leuten in der Nähe verhinderte bei der gegenseitigen Erbitterung der Knaben größeres Unheil, doch mußte beiden ärztliche Hilfe geleistet werden. Das „L. T." berichtet aus Leipzig vom 16. Mai: Heute Vor mittag ereignete sich ein beklagenswerther Unfall auf der chirurgischen Klinik im Jacoshospitale. An einem von auswärts in das Klinik ge brachten Knaben sollte der Steinschnitt gemacht werden. Der kleine Knabe wurde in der gewöhnlichen Weise und unter den üblichen Vorsichtsmaßregeln mit Chloroform in Schlaf versetzt und dann die Operation von Prof. Thiersch begonnen. Die Operation war in gutem Gange, als plötzlich der Kranke zu athmen aufhörte. Man unterbrach sofort die Operation und wendete alle Mittel an, welche sonst im Stande sind, die Respiration wieder in Gang zu bringen. Nach dreistündigen vergeblichen Versuchen, nachdem unterdessen auch die Blutcireulativn zum Stehen gekommen war, mußte man sich sa gen, daß jeder weitere Belebungsversuch erfolglos sei. Der Sergeant Weber in Oelsnitz, der den Rekruten Rache zum Selbstmörder machte, ist mit Hilfe der Presse degradirt und auf 16 Monate in die Strafcompagnie eingestellt worden. Die Pfennigsammlung für den Schulbau in Frauenstein hat gegenwärtig, wie die „Sächs. Schulztg." nachweist, die Höhe von 1215 Thlr. erreicht. Aus dein oberen Gebirge. Wir sind nun auch in den Lenz gekommen. Die Bäume beginnen auszuschlagen und die Stachel beersträucher sehen schon grün aus, trotzdem liegt in den Wäldern noch viel Schnee. Der Fichtel- und Keilberg sind noch für uns im winterlichen Anblick prangend. Aus Schönbach in der Lausitz wird folgender Fall von Roh heit berichtet: Am 11. Mai Abends waren in der Lehmanu'schen Scbankwirthschaft allhier nnter anderen Güllen der Oekonom Gustav^ Hauptmann und der Maurer Jäckel von hier anwesend. ES kam zwischen den beiden letztgenannten Personen zu verschiedenen Hände- leien, die aber keineswegs einen ernsten Charakter annahmen. Nach dem nun in der ersten Stunde erst Jäckel, dann Hauptmann daS Lokal verlassen haben, ist der Letztere in der Nähe der Wirthschaft von Jäckel'n abgelauert und überfallen worden. Hauptmann erhielt mit einem Stecheisen (denn ein solches fand man später auf dem Platze) einen gewaltigen Hieb ans den Hintcrkvpf, dann aber wurde ihm von Jäckel'n mit einem Messer die Oberlippe durchstochen und der Mund bis zum rechten Ohre aufgeschlitzt. Jäckel ist in Haft ge nommen worden. Berlin, 12. Mai. Ein getreuer und unermüdlicher Kämpe für das Verfassungsrecht Preußens und Deutschlands weilt nicht mehr in unserer Mitte. Seit heute Morgen erfüllt Berlin die schmerzliche Trauerknnde, daß sei» langjähriger parlamentarischer Vertreter, der Geh. Obertribunalralh Waldeck gestern in später Abendstunde ver schieden ist. Was Waldeck in dem Kampfe unseres Volkes, um Be gründung eines freien Staatslebens, auf der Tribüne, was er als Hüter des Rechts und der Gerechtigkeit in dein höchsten Justizhof des Landes geleistet, was er durch ein Gewebe von Fälschungen in eine langwierige Untersuchungshaft verstrickt, als Märtyrer für die Principien der Freiheit erduldet hat, es lebt noch frisch in Aller Gedächtnis) und wird ihm in der Rechts- und Verfassungsgeschichte Preußens und Gesammt-Deutschlands ein bleibendes, makelloses und ruhmvolles Andenken sichern. Waldeck hat das 68. Lebensjahr noch nicht vollendet, er war am 31. Juli 1802 zu Münster geboren und empfing auf der Universität Göttingen seine juristische und staats- wisscnschaftliche Bildung. Von 1822 ab trat er in den preuß. Staats dienst und nachdem er verschiedene juristische Funktionen in Halber stadt, Paderborn, Vlotho und Hamm bekleidet, wurde er 1844 als Hilfsarbeiter in des Geh. Obertribunal berufen nnd 1846 zum Nath bei diesem Gerichtshof ernannt. Von dem Jahre 1848 an begann seine parlamentarische Laufbahn, die er nach dem Ausgang seines Prozesses bis zur Beseitigung des Ministeriums Manteuffel zwar unterbrach, dagegen unter dem Ministerium Schwerin, als die ge- sammte liberale Partei wieder in die politische Aktion eintrat, aufs Neue aufnahm. Bis zur letzten Session Hal Waldeck ungebrochenen Muthes an den gesetzgeberischen Arbeiten des preußischen Abgeord netenhauses und des norddeutschen Reichstags auf das Eifrigste theil genommen lind selbst seine politischen Gegner haben seinem sittlichen, männlichen Ernst den Tribut der Achtung nicht zu entsagen ver mocht. Das Vaterland hat mit ihm einen seiner würdigsten Männer verloren. Etwa 20,000 Personen nahmen an seinem Begräbnisse Theil. Die böswilligen Gerüchte, als wolle mit Ablauf des eisernen Militärbudgets 1871 der Krieasminister v. Noon für jeden Bundes- soldatcn 240—280 Thaler verlangen, treten immer lauter auf. Wir freuen uns einstweilen auf die Entrüstung und Energie, mit welcher der Kriegsminiffer und der Bundeskanzler diesen Gerüchten entgegen treten werden. Sie wissen ja am besten, daß schon die 225 Thlr. den meisten Staaten blutsauer geworden sind und daß viele sie bis jetzt noch nicht haben aufbringen können; und nun gar noch eine Steigerung; Das eiserne Budget bedeutete den friedlichen Bundesge nossen die höchste steile Höhe, jenseits deren das Absteigen beginne» werde, der Lebensodem geht ihnen aus, wenn hinter dieser steile» Höhe sich ein neuer Gipfel erheben sollic. Auf seiner Badereise nach Ems ist der Kaiser von Rußland in Berlin angekommen und verkehrt viel mit dem Könige. Der Kaiser ist der einzige fremde Fürst, der (von Nicolaus her) ein eige nes Palais in Berlin hat. In Berlin zeigte sich ein Kunstschlosser mit einem 2rädrigen Velocipede auf dem Seile (40 Fuß hoch); plötzlich schwankte er, fiel herunter und war eine Leiche. —Glücklicher gelang Napoleon das Seiltanzen beim Plebiscit, so glücklich, daß ihm alle Fürsten Europas gratulirt haben. Vor Freude setzte er sich mit Frau und Söhnlein in den Wagen und fuhr durch alle Straßen von Paris. Papa Strousberg hat viel Geld, aber auch viel Sorge und Acrger. Sein ältester Sohn ist ein lockerer Zeistg und macht das