Volltext Seite (XML)
Nr. 209. Dienstag. 9. September 1913. s. Jahrgang. Diese Numm-r umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Die Kaiserin an üver haben gestern mit dem Vor marsch des fünften und sechsten Armee korps begonnen. Der Kaiser begab sich früh um sieben Uhr von Bad Salzbrunn ins Manöoer- gelände. * Einer Privatmeldung zufolge ist ein Antrag der poftnschen Ansiedlungolominifston auf Enteig nung weiterer fünf polnischer Ritter güter vorläufig zurückgezogen worden.*) * Der König der Hellenen wird am 21. September nach Paris kommen u id dein Präs idente Potncare einen Besuch ab statten. * Offiziös wird in Konstantinopel versichert, datz die türkisch-bulgarischen Verhandlun gen entsprechend den türkischen Forde rungen beendet werden würden.*) * Kardinal VtveS h Tuto, einer der einfluß- reichsten Kirchensürsten des Vatikans, starb im Alter von Jahren. Hüherei» n«he an ander« eie'!«. HW* Mutmaßliche Witterung am 10. September: Süd winde, Bewölkungszunahme, gering« Lrmperiaturttnderuag, vorwiegend heiter. -WS Der Rampf um Noräafrika. >0? Es waren wichtige Provinzen des alten römischen Weltreiches, die an der Küste NordafrtkaS das Mittel meer entlang lagen. Vom Blut heißer Kämpfe wurde der Boden getränikt, ehe die römischen Kaufleute ihre reichen Wirtschaftlichen Früchte aus ihm ziehen konnten. Die Namen einer Kleopatra, eines Jugurta, eines Han- nibal sind jedem Kinde geläufig. Und welcher Kontrast doch zwischen ihrer Berühmtheit, ihrer Macht und ihrem Ansehen und der Dürftigkeit Ihrer einstigen Herrschafts gebiete in der heutigen Zeit. Wo sind die Schätze ge blieben, die einst dort zu holen waren? Sollten sie nicht vielleicht von fleißigen Suchern wieder auSzugra- ben sein? Liegt das Land nicht da wie eine verzauberte Königsherrlichkett, die mit dem rechten Zauberschlüssel wieder zu neuem Leben gebracht werden könnt«? Und nun sehen Wir hie Nationen Europas tatsächlich, im Wettbewerb um das nördliche Afrika. Im Laufe eines Jahrhunderts hat sich ein erstaunlicher Wetteifer unter ihnen entwickelt. Und seit die Italiener ihre Hand auf Tripolis gelegt haben, ist ganz Nordafrtka wieder eine Dependence Europas wie zu römischen Zeiten. Nur daß jetzt nicht eine einzige Weltmacht darüber gebietet. Franzosen und Spanier, Italiener und Engländer stehen in Konkurrenz nebeneinander. Ko.onisationStätigkett ist ein Prüfstein für die Kraft der Nationen. Ein Blick auf die heutigen Zustände in Nordafrika spricht Bände. Man sehe, was die Engländer aus Aegypten wieder zu machen imstande waren! Man vergleim« damit die Lei ung.n der Franzosen, der Spanier, der Italiener! i. ^.i des Besitzes ist ja freilich verschieden. Und man Wied diese Verschiedenheit berücksichtigen, um nicht un gerecht zu sein. Man kann auch an die Verschiedenheiten der afrikanischen Küstenländer denken. Eine große Ver wandtschaft haben sie trotzdem alle miteinander, denn sie sind doch im Grunde nur oasendurchsetzte Teile der Sahara, wie aber die verschiedenen europäischen Völ ker an ihre Eroberung Herangehen, ist schon bezeichnend. Die Engländer vorwiegend wirtschaftlich; Kämpfe hatten auch sie tzrs bestehen. Mit Wüstensand und Wüsten söhnen haben st« manchmal unter schweren Opfern ge rungen. Mer ihre Hmchtwaffe war doch ihr Kapital. Mit seiner Hilfe schufen st« Argumente ihrer Ueberlegen- hett, denen sich auch di« ägyptische Bevölkerung rasch beugen lernte. Es war sogar mißlich, daneben einen Schein von Selbständigkeit der alten Türkenherrschast noch zu lassen. Nach solchem Schein fragt England nicht viel, wo eS nur die realen Werte sicher in seiner Hand hat. Wie anders am entgegengesetzten Ende nach Westen zu die Opanter. Sie haben nirgends in ihrer Ko lonisation Glück gehabt. Die Intoleranz ihrer Be- keh-rungswut, die sich nicht einmal mit der politischen Souveränität allein genügen ließ, sondern daneben auch noch die religiöse in Anspruch nochm, ließ ihnen überall einen Hatz entgegenwachsen, der jedes Etnwurzeln ihrer Herrschaft von vornherein unmöglich machte. Und statt Kapitalien in ihre Kolonien hinetnzustecken, wollten sie immer nur Gold herauswühlen, auf Kosten natürlich aller anderen Werte, insbesondere auf Kosten der Lebenskraft der Bevölkerung. Wie bequem liegt ihnen das Stückchen Marokko, das ihnen gehört, gegenüber! Cm feines Quartier. ManÄverMchichte von A. Oskar Klaußmann. (Itachdrurt veiboien.) Manüverquartiere! Es ist viel Glück, um nicht zu sagen: Hazard, dabet, 'wie di« ManÄverquartiere ausfallen. Kommt man in ärmliche Gegenden, wo der Boden schlecht ist und di« Leute selbst nichts haben, dann sieht es natürlich >öse mir dem Quartier aus. Mer selbst dort, wo eine arme 6ovölkerung auf unfruchtbarer Scholle sich mühsam abquält, -ut man für di« Soldaten, die ins Quartier kommen, mehr, .ls eigentlich die Kräfte gestatten. Ueberhaupt kann man erklären, daß in ganz Deutschland der Soldat überall als Manövergast willkommen ist, und daß man sich bemüht, ihm die schweren Tage des Manövers so angenehm wie möglich zu machen. Die Quartierwtrte waren selbst Soldaten, Ha den noch Angehörige beim Militär und tun ausnahmslos mehr a's ihre Pflicht. Natürlich auch Ausnahmen kommen vor; aber diese bestätigen nur die N«gel. Bon einer solchen Ausnahme will ich nach der Wirklichkeit das Folgende erzäh len: Das Brtgadeexerzteren, an das sich unmittelbar Ne Di- vtsiansllbungen anschloffen, war im besten Gang«, und der einjährigfireiwtllige Gefreite Neumann lag mit seiner Kor poralschaft von zehn Mann in einem ziemlich wohlhabenden Dorfe bei dem Bauer Borowka im Quartier. Da« war «in Reinfall mit dem Quartier! Der Bauer Borowka war ein Geizhals schlimmster Sorte, der sich der Verachtung und An feindung seiner gesamten Dorfgenoffen erfreute. Söhn« und Töchter halten da- Kau» verlassen, mn außerhalb Dienste zu nehmen, weil sie Ne Verhältnisse nicht auechielten. Knechte und Mägde hatte Borowka nur selten; denn fi« lststn ihm nach wenigen Tagen davon. Ebenso krakoelig und schmutzig geizig wie der Mann war di« Frau des Borowka. Als Ne Quartierzettel verteilt wurden, kam der Ortsvorsteher, ein sehr verständige Mann, an den Einjährigen Reumann heran, um ihm zu sagen, datz er es lebhaft bedauere, datz Neumann und seine Leute gerade in diese» Quartier kämen. Gr schil derte den Borowsk« in den schwärzesten Farben und riet dem Einjährigen selbst, sich nichts gefallen zu lassen und sich so- fort zu beschweren, wenn ihm und seinen Leuten das nicht zukäme, was ste zu beanspruchen hätten. Neumann teilt« seinen Leuten mit, welches Glück ihnen mit dem Quartier' beschi«den war, und Ne Mannschaften ließen di« Köpfe hän gen — Mit Ausnahme des Polen Poliwka, den der Feld webel den Kerl mit dem falschen Namen nannte, denn Po- liwka heißt zu deutsch Suppe, und der Feldwebel behauptete, der PoliwSa habe keinen Anspruch auf solch anständigen und schmackhaften Namen. Der Feldwebel war überhaupt nicht gut auf Poliwka zu sprechen und hatte dazu seine Gründe; denn Poliwka war ein listiger Bursche mit bösen, um nicht zu sagen räuberischen Instinkten, ein Kerl, mit allen Hunden gehetzt. Der Empfang beim Bauer Borowka war ja wenig ver« lqkend. Borowka erklärte, er habe die Soldaten nicht «tn- geladen; ste sollten sehen, wo sie Unterkommen fänden. Der Einjährige Neumann wurde sofort fürchterlich rabiat. Neu mann berief sich auf das QuattierSillet und verlangt« das den Mannschaften und ihm Zustehende: nämlich eine Schlaf kammer mit Bett oder eine Lagerstätte von -frischem Stroh ein gegen die Witterung geschützte« Obdach mit einer Ge legenheit zur Unterbringung der Ausrüstungsstücke, Mitbe nutzung der Koch-, Eß- und Waschgerüte des Qüartiergebers und einen abend» beleuchteten Aufenthaltsort. Der Bauer erklärte, es fiele ihm gar nicht ein, sich wegen der ungebetenen Gäste in Unkosten oder Umständlichkeiten zu stürzen; aber als er sah, daß er unmittelbar davor stand, von seiner Einquar tierung gM Feier der Ankunft durchgeprügelt zu werden; als er entdeck«, datz er in beäug auf Schimpfen gegen den Mist, »er Poliwka nur ein Waisenknabe sei, gab er den Kampf auf und beschränkst sich fortab auf passiven Widerstand. Der Ge freit« Neumann erfüllte den Wunsch de» Ortsvorstehers und beschwerte sich sofort Wer den liebenswürdigen Empfang. Abend» kam er mit einer zweiten Beschwerde, di« er an den Feldwebel weitevgab, weil Borowka auf einem schmutzigen, von Ratten wimmelnden Boden der Einquartierung ein Strohlager angewiesen hatte, au» Stroh, welches tin Pferde stall bereit» als Streu verwendet worden «ar. Der Ortsvor steher kam, drohte Borowka, Ne Einquartierung in da» Dorfgasthau» auf Kosten Borowka» zu legen, und nun gab dieser roentgsten» frische», rein«» Stroh. Den Soldaten fing der Kampf mit dem widerwärtigen Quartterwtrt an, Spaß zu machen. Ste hatten Aussicht, mindesten» eine Woche bet ihm zu bleiben, und waren fest entschlossen, selbst au» dem Verger noch so viel Vergnügen wie möglich zu ziehen. Wie leicht müßte es Mr ein kulturstarkes, kapital und militärkräftiges Volk sein, über Ne schmale Straß« von Gibraltar die Brücken der Herrschaft hinüberzuschlagen. Und seit Jahrhunderten schon dauern die Bemühungen der Spanier um diese Wichtige Gegenküste. Fochten wch schon Karls V. Landsknechte gegen die Kabhlenstämme. Unp der Erfolg? Augenblicklich ein nahezu völlige« Fiasko! Mit Frankreich hat man sich jahrelang Herum gebissen, uM di« eigene Interessensphäre durch die fran zösische nicht zu weit etndrücken zu lassen, und stolz schickte man sich dann an, seinen Besitz gegen Ne inneren und äußeren Feinde zu behaupten. Und jetzt mutz man den äußeren Feind gegen den inneren zu Hilst rufen. Man ist außer Htande, Mit beiden zugleich! fertig zu werden. Was den Spaniern in Marokko fehlt, ist die wirtschaftliche Unterlage. Ohne Straßen und Eisen bahnen kann man auch sein Militär nicht richtig ge brauchen. Durch den Handel wußten auch di« allen Römer §chon friedliche Eroberungen zu machen. Die Spanier verstehen e» nicht. Und statt fremden Religion», bräuchen verständnisvoll Spielraum zu lassen, fordern ste den Fanatismus gegen sich heraus. In geschlossener Front stehen ihnen sonst bitter verfeindete Stämme gegenüber. Da» alt« Dtvtde et impera der Römer ist ungeduldigen spanischen Diplomaten nicht geläufig. Wie wissen, wie klug Ne Franzosen von diesem Mittel Gebrauch gemacht Haven. E» hat den Grund zu ihrem heutigen Protektorat gelegt. Den wirtschaftlichen Grund dazu baut ihnen Ne unbezahlte blutig-saure Arbeit der Fremdenlegion. Da» ist völkerrechtlich gewiß zu tadeln, aber al» kluge Kolonisatoren zeigen sich die Franzosen damit doch. Und die Schwierigkeiten der Wüst« mögen groß sein, man wird mit ihnen fertig werden. Italien steht erst ganz im Anfang seiner afrikanischen Er- oberungSarbeit, trotzdem e» der nächste Erbe de» römi schen Weltreich» gewesen wäre. Biel Glück hat «S mit seiner bisherigen Kolonisationstätigkeit noch nicht ge habt. Aber gÄevnt zu haben scheint es. Die Nachbar- schäft Englands in Aegypten ist ihm ein gute» Vorbild, und Ne Hafenbauten und Eisenbahnen in Tripoli» be deuten da» richtige Einsetzen der Kraft. So Wird Nord afrika allmählich Wieder eng in Ne Maschen de» euro päischen Hnteressennetze» hineingezogen. Die Ner be teiligten Nationen werden sich, st weiter sie Vordringen, einander in die Hände arbeiten. Und da» schwäch liche Spanten Wird dabei Wohl zuletzt, wenn'» nicht anders geht, von den kräftigeren Nachbarn etwa» un ter Ne Arme gegriffen bekommen. So Wird die Süd küste de» MtttelmeereS unserm Gesichtskreis immer noch Am nächsten Tage wurde zeitig zum Brigadeexerzieren au-fgebrochen. Die Mannschaften kamen erst nachmittag» zu rück, und do ft« ohne Verpflegung einquartiert waren, muh- ten sie erst daran denken, sich da» Eff«n au» dem gelieferten Material zu kochen. Das führte sofort wieder zu einem Kon flikt mit Frau Borowka, die sich weigerte, nachmittag» noch einmal Feuer auf dem Herde zu machen. Erst nach langem Parlamentteren entschloß fi« sich dazu, was nur Ne Folge hatte, daß die Soldaten sich sämtlich in die Küche drängten, um angeblich mitzukochen, eine schandbare Verschwendung mit Brennm aterial trieben und sich so lästig wie nur möglich machten. Das selbst -uberettete Essen erhöhte natürlich die angenehme Stimmung nicht, und Poliwka schwur, er würde die höchste Gemeinheit, welche die Einquartierung gegen ei- nen widerwärtigen Quartiergeber zur Anwendung bringen kann, durchführen, nämlich am nächsten Tage in der Küche einen Salzhering in'Ttiefelwtchse braten, wobei sich ein Ge ruch erhebt, durch den man hartgesottene Verbrecher zu Gv- ständniffen zwingen kann. Neumann verbot ihm aber Nest Liebenswürdigkeit gegen ^ie Quartstrgeber. Abend» saß Neumann sistt seinen Leuten im DorfwirtShaus, und hier wurden ihm von allen Setten von den lieben Mitbewohnern Borowka» haarsträubende Sachen von dem Quattierwirt er zählt. Poliwka hatte «ine ganz besonder« Bekanntschaft ge macht: di« eines Knechtes, welcher 'früher selbst Lei Borowka tm Dienst gewesen war. Er verriet Poliwka «in Geheimnis: - Auf dem Boden, auf welchem die Einquartierung schlief, Le- fand sich eine klein« Kammer; in dieser >waren nacht» die Gewehre unteryvbracht. An der Rückwand dieser Kammer konnte man Sin Brett verschieben, so datz eine Oeffnung ent- stand. Dann sah man in einen Luftschach, in welchem der Bauer sein« Schinken heimlich verwahrte. Der Berräter war überzeugt, datz dieser Wink bet Poliwka auf fruchtbaren Boden fallen würdeLn der Tat ging Poliwka frühe, heitn al» dst anderen Kameraden, revidierte da» Betsteck und fand dort vier Schinken hängen. Gr verschloß den heimlichen Zugang zu diesem Schatz wieder und verbrachst eine schlaflose Nacht. E» ging ihm ein Plan im Kopfe herum. Am nächsten Mor- gen war er mit demselben fettig. Während de» Gestchtoexer- zierens kam Poliwka nitt Neumann und zwei anderen Leuten der Korporalschaft al« Eeitenpatroutlle in ein Dorf, wo «in Schlächter allerlei verführerische Delikatessen in seinen Schau- stttsstr LUsMeM. hatte. Kaustn Sie «inen Schinken, Herr