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PochmM für MsW Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne I Nummern 10 Pf. TharM Mn, Siebenlehn »nd die KnigeMden. ImtsbsM Inserate j werden Montags und Donnerstags ' bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertivnspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. No. 64. Dienstag, den 11. August 18S1. Bekanntmachung, den Abschluß des Gesindedienstvertrages betreffend. Wie die Königliche Amtshauptmannschaft in Erfahrung gebracht hat, herrschen namentlich unter dem landwirthschaftlichen Gesinde über die Erfordernisse und den Zeitpunkt der Rechtsvcrbindlichkeit eines geschlossenen Gefindedienstvertrages vielfach irrige Ansichten. Jn's Besondere soll die ganz unzutreffende Meinung verbreitet sein, daß ein solcker für 'das folgende Jahr eingegangener Vertrag erst vom 1. Oktober ab bindend fei, bis dahin aber dem Gesinde freistehe, unter Rückgabe des empfangenen Miethgeldes von dem Miethvertrage einseitig und ebne gesetzlichen Kündigungsgrund beliebig zurückzutreten. Diesem Jrrthüme gegenüber will die Königliche Amtshauptmannschaft nicht unterlassen, die unter (-) nachstehend abgcdruckten gesetzlichen Vorschriften in M 1? und 21 der Ge sindeordnung vom 10. Januar 1835 noch besonders einzuschärfen und die Ortspolizeibehörden zu veranlassen, vorkommenden Falles ihrerseits das betheiligte Gesinde entsprechend zu belehren und unter Hinweis auf die nach §8 23 und beziehentlich 28 flg. der Gesindeordnung zu gewärtigenden Strafen und Nachtbeile vor einem solchen Vertragsbrüche zu verwarnen, auch den Dienstvermittlern eine ähnliche Verständigung der Betheiligten bei dem Abschlusse der Gesindedienstverträge anzuempfehlen. Meißen, am 6. August 1891. Königliche Amtshauptmannschast. V. LiirvLlbsel». G K 17 der Gestndeordnung. Der Gesindedienstvertrag ist für beide Theile als verbindlich geschlossen anzusehcn, wenn sic über die Art der zu übernehmenden Dienste im Allgemeinen und über den Betrag des Dienstlobnes sich vereinigt haben. Daß diese Vereinigung wirklich Statt gefunden habe, ist vcrmuthcn, wenn der Dienst angetretcn, oder Miethgeld gegeben und angenommen worden ist. Die Entrichtung eines Miethgeldes überhaupt und dessen Betrag hängt von der freien Nebereinkunft zwischen Herrschaft und Gesinde ab. Das MiethgAd wird der Regel nach auf den Lohn abgerechnet, insofern ein anderes bei der Vermicthung nicht ausdrücklich bedungen worden ist. 8 21 der Gesindeordnung. Nach einmal abgeschlossenem Dienstvertrage ist die Herrschaft schuldig, das Gesinde anzunehmen und letzteres, den Dienst zur bestimmten Zeit anzutreten. Weder der eine noch der andere Theil kann sich durch Ueberlassung oder Zurückgabe des etwa gegebenen Miethgeldes dieser Verbindlichkeit entziehen. Mittwoch, den 12. ds. Mts., Nachmittags 6 Uhr, öffentliche Stadtgemein-erathssitzung. Wilsdruff, am 10. August 1891. Der Stadtgemeinde rath. Brgmstr. Tagesgeschichte. Das erste geflügelte Wort des Reichskanzlers von Caprivi, daß die Politik langweilig werden würde, wird in diesem Sommer in bemerkenswerther Weise dadurch illustriert, daß derjenige Theil der deutschen Presse, dem es in erster Linie darum zu thun ist, dem Leser pikanten Poltischen Gesprächsstoff zu liefern, aus der Tagesgeschichte um jeden Preis etwas Sen sationelles zu extrahiren, nichts Besseres zu finden weiß, als auf den Fürsten Bismark zurückzugreifen, denn darüber sind sich auch seine inkarnirten Gegner und Neider klar, daß dem deutschen Volke alles, was den ersten Reichskanzler des durch sein Genie zur Einigkeit gebrachten Reiches betrifft, bei weitem interessanter ist, als viele, sehr viele andere Dinge. Und so wird denn noch immer, wenn Stoffmangel eintritt, über die angeblichen Ursachen des fatalen Zwistes zwischen Kaiser Wilhelm I I. und Fürst Bismarck darauf los erfunden. Natürlich wird dabei immer auf die prinzipielle Sucht der Ver kleinerung des Giganten die entsprechende Rücksicht genommen. Bald soll Fürst Bismarck gegen die zweite Kaiserreise nach Rußland gewesen sein und dabei allzu peremptorisch aufgetreten sei» — bald soll der Kaiser eingesehcn haben, daß durch die Publikationen anläßlich des Geffckcn Prozesses die Dynastie in Gefahr war, eine moralische Schlappe zu erleiden und neuerdings wird nun wieder der alte Kohl aufgewärmt, daß die tiefe Ver stimmung des Kaisers gegen seinen Kanzler, durch den Besuch Windthorsts beim Fürsten Bismark hervorgerufen worden sei. Und dies letztere neuestens wieder nur darum, um es zu de- mentiren und dabei Fürst Bismarck zu verkleinern. Ein Ge währsmann der „Essener Volksztg." läßt soeben wieder den kohlen Windthorst, der es ja nicht mehr widerrufen kann, seiner- zeit gesagt haben: „Zwei Thatsachen vergesse ich nie in meinem Leben: als' ich dem König Georg von Hannover mittheilen mußte, daß aus sei mit seiner Herrschaft, da stand ich an dem moralischen Sterbebett eines entthronten Königs: und dann, als mir Bismarck mit Thränen in den Augen sagte: Man will mich nicht mehr, ich muß gehen: da stand ich an dem moralischen Sterbelager einer gefallenen Größe." — Man verstehe wohl, das Bild vom weinenden Bismarck und die Phrase von der gefallenen Größe, sollen das Werk der Ver kleinerung des Unsterblichen in den Augen des Volkes vollbringen. Es braucht nicht erst gesagt zu werden, daß alle diese Erfind ungen ohne Einfluß auf denkfähige Köpfe bleiben. Sie sind zu rcgistriren als Zeichen der Undankbarkeit eines Theiles der Zeitgenossen und auch darum, um daran die Bemerkung zu knüpfen, daß der überwiegende Theil der deutschen Bevölkerung keine Gemeinschaft mit diesen Hassern und Neidern haben will! und sich ihrer Versuche aufs tiefste schämt. Der Abschluß der ungemein wichtigen Handelsver träge zwischen Deutschland, Oesterreich-Ungarn und der Schweiz ist leider in letzter Zeit in Stockung ge- rathen. In den Verhandlungen der deutschen, österreich-un garischen und schweizerischen Delegirten betreffs des Abschlusses eines Handelsvertrages haben sich, wie aus Wien gemeldet wird, in neuester Zeit so bedeutende Schwierigkeiten ergeben, daß es fraglich ist, ob in diesem Monate eine Verständigung überhaupt erzielt werden kann, um so mehr, als im Hinblick auf die in kurzer Zeit mit Italien anfzunehmenden Verhand lungen über den Abschluß eines Vertrages mit der Schweiz ein nur verhältnißmäßig kurzer Zeitraum verfügbar ist. Die Handelsvertragsverhandlungen mit der Schweiz sind inzwischen vorläufig abgebrochen worden, da Deutschland und Oesterreich der Schweiz keine weiteren Konzessionen machen wollen, weil sie meinen, daß die erhöhten Zolltarife im neuen schweizerischen Tarife vom Volke durch ein Referendum verworfen werden würden, so daß die alten niedrigen Sätze in Geltung blieben. Der Abbruch der Verhandlung hatte zur Folge, daß Deutsch land, Oesterreich und die Schweiz die Verhandlungen mit Italien nicht in Bern, wie anfangs beabsichtigt gewesen, sondern in einer deutschen Stadt, vielleicht München, wieder aufnehmen werden. Gemeinsame Verhandlungen bezüglich der Handels verträge Deutschlands, Oesterreich-Ungarns und der Schweiz gegenüber Italien waren niemals in Aussicht genommen. Die Verhandlungen mit Italien werden jetzt nur gemeinsam von Deutschland und Oesterreich-Ungarn betrieben und besteht so wohl in Berlin, als in Wien und Rom die Absicht, den Beginn derselben möglichst zu beschleunigen. Das Befinden des Königs Otto von Bayern ist in letzter Zeit wiederum ein recht ungünstiges. Daß bezüglich des Geistes zustandes des unglücklichen Monarchen auf irgend welche Besserung nicht gerechnet werden kann, ist das einstimmige Urtheil fämmt- licher ärztlicher Autoritäten; und mit dieser bedauerlichen That- sache hat man sich leider seit langen Jahren vertraut machen müssen. Aber das körperliche Befinden des Kranken, das wechselweise bald ein besseres, bald wieder ein schlechteres ist, hat in der letzten Zeit mancherlei zu wünschen übrig gelassen. König Otto verweigert noch immer oft Tage lang, jedwede Nahrung zu sich zu nehmen, und nur der List der Aerzte ist cs zu danken, wenn es Ihnen gelingt, ihn zu bewegen, zu essen und zu trinken. Er thut dies dann oft in so übermäßiger Weise, daß wiederum ein ärztliches Eingreifen nothwendig wird, um nachtheiligen Folgen vorzubeugen. Zumeist sitzt der Kranke, apatisch vor sich hinträumend; weicht dieser Zustand der Apathie, so beschäftigt fick der Kranke, oder vielmehr er wird beschäftigt mit fast kindlichen Zerstreuungen. Die robuste Constitution des Kranken läßt trotzdem erwarten, wenn die geistige Paralyse nicht im beschleunigten Tempo fortschreitet, daß es gelingt, ihn noch auf lange Jahre hin am Leben zu erhalten. Zur Linderung des bedeutenden Nothstandes in Schle sien infolge des letzten Hochwassers haben sich Hilfskomitees in Steisse, Wohlan und Brieg gebildet. Ueber den Zonentarif hat eine Deputation des Ber liner Vereins „Zonentarif" und des Hamburger Vereins „Eisenbahnreform" beim preußischen Eisenbahnminister Thielen eine Audienz gehabt. Neber den Verlauf derselben wurden in einer Versammlung des Vereins „Zonentarif" in Berlin Mil- tbeilungeu gemacht. Die Deputation schlug dem Minister die probeweise Einfübrung des Zonentarifs auf den Strecken Memel Tilsit- Insterburg und auf der Strecke .Hamburg - Kiel vor. Der Minister erklärte jedoch, er sei Gegner des Zonentarifs ebenso wie seine Kollegen und der Landtag. Es sei ja möglich, daß der Zonentarif der Zukunft gehöre. Ob dem aber so sei, das müsse erst die Zukunft lebren. Wenn jetzt ein Arbeitsloser in etwas heruntergekommenem Zustande entdeckt wird, greifen die sozialdemokratischen Blätter stets die jetzige Produktionsweise auf das Heftigste an und bc- baupteu, iu ihrem Zukunftsftaatc würden solche Fälle überhaupt nicht vorkommen. Nun erfahren wir aber aus dem Munde eines bervorragcndcn sozialistischen Redners, daß in diesem „Jdealstaatc" sogar alle Untüchtigen brotlos werden sollen. In einer Berliner Versammlung kam nämlich das sozialdemo kratische Programm zur Besprechung. Einer der Redner äußerte, daß ihm die Forderung des Programms, die Aerzte zu Beamten machen, sehr wenig probat erscheine. Wenn eine Stadt oder eine Gemeinde das Pech hätte, einen untüchtigen Beamten zu bekommen, was sollte mit demselben geschehen? Der Staat könne ihm doch unmöglich das Leben seiner Bürger anvcrtraucn. Sofort erhob sich der sozialistische Agitator Dr. Lütgenau zu der Entgegnung: „Das ist sehr einfach, ist er untüchtig, wird er brotlos!" Die Versammlung quittirtc natürlich nut lautem Lachen über die schöne Aussicht. In Pest nimmt die Agitation gegen die Deutschen immer größere Verhältnisse an. Mehrere Blätter veröffentlichen einen Aufruf zur Bildung eines Vereines, dessen Mitglieder sich ver pflichten sollen, keine deutschen Zeitungen zu lesen, keine deutschen Bücher zu kaufen, Kaffee- und Gasthäuser zu meiden, in welchen deutsche Zeitungen aufliegen und deutsch gesprochen wird, bei Kaufleuten nicht zu kaufen, welche deutsche Firmentafeln führen und deutsche Rechnungen ausstellen. Es ist abzuwarten, ob die Negierung die Statuten ein s solchen Vereins bestätigen wird. Aus London wird unten» 7. August berichtet: Auf der Westshor-Eisenbahn, vier Meilen von Byron, fand ein fürchter liches Eisenbahn-Nnglück statt. Die Kette zwischen zwei Wagen im Güterzuge riß entzwei, auf welche im dichten Nebel der folgende Kounerzug stieß. Drei Wagen wurden zertrünimert Der Rauchsalon des Kourierzuges, welcher vollständig gefüllt war, wurde zerdrückt. Der Schlafwagen fing Feuer. Bis jetzt sind 14 Tote aufgefunden, 11 Personen schwer, zahlreiche leicht verletzt worden. Die Festtage in Petersburg und Kronstadt sind vorüber. Admiral Gervais weilt mit 40 Offizieren und 16 Unteroffizieren zur Zeit in Moskau und das französische Ge schwader befindet sich auf der Reise nach PortSmoutb. Ob zwischen Rußland und Frankreich in der That ein Vertrag,