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Ottendorfer Zeitung. Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Dhr. Inserate werden mit zo Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 46. Mittwoch, den 15. April 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, April 1903. — Der Osterpaketverkehr bei der Pest hat in diesem Jahre nach amtlichen Beobachtungen einen ungewöhnlich großen Umfang angenommen. Fast überall mußte eine Verstärkung des Personals eintreten. Eine neue Erscheinung im Poslverkehr zu Ostern ist die große Auf lieferung von Ostergrüßen. Die Sitte, Grüße durch Postkarten oder in Drucksachen auSzu- Vuscken, wird mehr und mehr auch auf die hohen christlichen Feste ausgedehnt. Die Papier- und Postkarten-Jndustrie sucht diese Sitte nach Kräften auSzunützen. Große Mengen von Osterkarten sind besonders in diesem Jahre auf den Markt geworfen worden und werden zu verhältnismäßig geringen Preisen verkauft. Sie alle muß die Post nachher befördern. Die Hauptauflirferung fällt hier auf den Sonnabend, die Bestellung auf das Osterfest, Die Menge der Osterposlkarten hat jetzt einen derartigen Umfang angenommen, daß die Postämter zum Teil genötigt sind, eine Verstärkung ihres Beamtenpersonals zum Stempeln und Sortieren der Karten vorzunehmen. Auch beim Oster paketverkehr fällt der Höhepunkt auf den Sonnabend vor Ostern. — Die Schonzeit für die Sommerlaich fische hat nach Königlich sächsischem Fischerei gesetz am 10. April begonnen und dauert bis 10. Juni. Zu diesen Sommerlaichfischen ge hören: Stör, Zander, Rapfen oder Schiede, Bleien oder Brassen, Maifische, Finten, Aland oder Nerflinge, Barben, Schleien, Döbel, Äschen, Karauschen, Rotfedern, Barsche, Rot augen oder Plötzen, Schmerlen, Zehrten und Weißfische. Von den übrigen Süßwasser- Speisefischen dürfen innerhalb der genannten Schonzeit nur folgende zu Markte gebracht werden; Lachse und Lachsforellen, sowie Bach forellen, Karpfen, Hechte, Aale und Aalraupen. Noch sei bemerkt, daß die Schonzeit für Krebse, die am 1. November begonnen hat, noch bis Ende des nächsten Monats andauert. — Stiefkinder haben keinen Anspruch auf Unfallrente, wenn ihr Stiefvater einem Betriebs unfall zum Opfer gefallen ist, denn sie sind keine Blutsverwandte. — LebenüversichcrungS - Gesellschaft ZU Leipzig, auf Gegenseitigkeit errichtet 1830 (alte Leipziger). Im ersten Viertel des Jahres 1903 sind 2046 Anträge über M. 15337200 Versicherungssumme (M. 1968000 mehr als in der gleichen Zeit des Vorjahres) eingegangen und 1767 Versicherungen über M. 13109 500 (M. 1 705700 mehr als in der gleichen Zeit des Vorjahres) abgeschlossen worden. Es hat sich damit der VersicherungSbcsland auf 657 Millionen Mark gehoben, während das Ver mögen auf 229 Millionen Mark angewachsen ist. Bei der alten Leipziger Gesellschaft, die eine reine GegenseitigkcüSanstalt ist, fließen alle Überschüsse in Gestalt von Dividenden den Versicherten wieder zu, die auf diese Weise bis jetzt 81 Millionen Mark erhalten haben. Im laufenden Jahre beträgt tue Dividende für die länger als fünf Jahre bestehenden Ver sicherungen be m Dioidcndenplan ^., wie seit Mehr als einem Jahrzehnt, 42 Prozent der ordentlichen Jahresbeiträge, bei abgekürzten Versicherungen außerdem noch 1,5 Prozent der Summe der gezahlten Zusatzprämien; beim Dividendcnplan L gelten steigende nach der Dauer der Versicherung abgestufte Dividenden sätze. die die Leipziger Gesellschaft in der von Anfang an in Aussicht gestellten Höhe fort gewährt, während viele andere Gesellschaften sich gezwungen gesehen haben, ihre steigende Dividende herabzusctzen. — Der Sächsische Gemeindetag, dessen Verschiebung im vergangenen Jahie infolge der Erkrankung und des HinschcidenS König Alberts erfolgte, findet nunmehr am 3. und 4. Juli in Pirna statt. Eine vorbereitende Organi sation ist bereits seit dem vorigen Jahre ge schaffen. Sacka. Am Karfreitag beging in aller Stille der Wirtschaftsauszügler August Wehner mit seiner Gattin Johanne geborene Müller die goldene Hochzeit. Blasewitz. Dem Bedürfnis nach einem Gymnasium soll dadurch Rechnung getragen werden, daß, da genügend Anmeldungen erfolgt sinft von Ostern ab in Verbindung mit dec höheren Bürgerschule eine Gymnasial-Sexta er öffnet wird. Mühlberg a. E. Ein scheußlicher Mord versuch wurde am Donnerstag Vormittag zwischen 10 und 11 Uhr im Kicferngehölz in in der Nähe des Rittergutes Lönnewitz aus geführt. Zwei Handwerksburschen, die sich in der Herberge zu Liebenwerda getroffen und dort übernachtet hatten, wanderten am anderen Morgen gemeinschaftlich weiter. Der ältere, ein 40 Jahre alter Mann, hatte eine Uhr und 2 Mk. Bargeld bei sich, worauf es der jüngere etn 26 jähriger Bursche, wahrscheinlich abgesehen hatte. Als beide im Lönnewitzer Holze, das sich an der Berlin-Dresdner Bahn hinzieht, an gekommen waren ging der ältere etwas abseits; dabei wurde der Nichtsahnende plötzlich von seinem jüngeren Reisegenossen meuchlings über fallen, der ihn würgte, ihm verschiedene Fuß tritte in das Gesicht versetzte und nicht weniger als 17 Messerstiche beibrachte. Vermutlich durch das Geräusch von Passanten verscheucht, ergriff der ruchlose Thater eiligst die Flucht und entkam. Der entsetzlich Zugerichtete wurde blutüberströmt aufgefunden und sofort nach dem Krankenhause in Liebenwerda überführt. Es ist fraglich, ob er mit dem Leben davon kommen wird. Die Verfolgung des Täters wurde sofort ausgenommen; hoffentlich geling! es desselben bald habhaft zu werden. Mutzschen. Der Wegfall des abends 7 Uhr 10 Minuten von Wurzen nach Nerchau- T-ebsen verkehrenden Zuges auf der Mulden talbahn bedeutet für die an der Schmalspur bahn Nerchau - Trebsen - Mutzschen - Wermsdorf liegenden Ortschaften einen bedeutenden Ver lust. Deshalb ist hier eine Petiton an die Generaldirektion der Königlich sächsischen Staats bahnen gerichtet worden, in welcher um Bei behaltung dieses Zuges gebeten wird. — Ein Fabrikbesitzer aus Halle, der hier die Errichtung einer Steinzeug- und Tonwarenfabrik plant, will demnächst durch Bohrversuche feststellen lasten, inwieweit bessere Tonerden in hiesiger Gegend vorhanden sind. Leipzig. Eine tragische Folge des Eisen bahnerstreiks in Holland wirft ihren Schatten auch nach Leipzig. Der Kaufmann Albert Gottschall, der sich zum Osterfeste nach Leipzig begeben wollte, war infolge des Bahnstreiks in Holland gezwungen, zur Reise von Rotterdam an die Grenze von wo er weiter die Bahn hätte benutzen können, sich dem Automobil an zuvertrauen. Auf dieser Fahrt ist der Be dauernswerte, der hier sehnsüchtig von seiner Braut erwartet wurde, tödlich verunglückt. Meerane. Vor einigen Tagen kam es bei der Firma Batky hier zu einem Ausstande, der aber nur kurzer Dauer war, da er in einer Verhandlung, der Herr Bürgermeister Wirthgen, der Stadtrat, der Inhaber der Firma und Vertreter der Arbeiter beiwohnten, schnell erledigt wurde. Die Forderungen der Arbeiter: 1) An rkennung eines Arbeiter- ausschusteö, 2) Bekanntgabe voraussichtlicher Ueberstunden schon am Vormittag des be treffenden Tages, 3) Abstandnahme von jed weder Maßregelung, 4) Wiedereinstellung eines Gemaßregelten, 5) Bezahlung der Ueberstunden mit 40 Pfg. (statt bisher 25 Pfg.) wurden bewilligt und daraufhin die Arbeit wieder aus genommen. Buchholz. Wie notwendig die Einführung einer Nahrungsmittelkontrolle in den Gemeinden ist, geht daraus hervor, daß vor einigen Tagen durch den für unsere Stadt vereideten Nahrungsmittelchemiker in einem Verkaufö- geschäft eine Flüssigkeit konfisziert worden ist, welche als Jamaika-Rum in den Handel ge bracht worden ist, aber kein Atom von Rum enthält. In einem anderen Falle wurden Nahrungsmittel in so verdorbenem Zustande vorgefunden, daß deren Genuß unter Umständen hätte tödlich auf den Menschen wirken können. Auch Butter mit gegen 20 Prozent Wasser gehalt ist schon beanstandet worden. Plauen. Ein heftiger Schneesturm hauste im oberen Vogtlande. Das Verweilen auf den Straßen war unmöglich. Die Schnee wehen sind häufig zwei Fuß tief. Auch im übrigen Vogtlands sind Höhen und Tiefen mit Schnee bedeckt. Nus der Woche. Der Osterhase hat in diesem Jahre neben wenigen guten Eiern auch viele faule Eier ge legt. Dazu gehört vor allen Dingen der große Streik in Holland, woselbst, wie man nach früheren Vorgängen vermuten durfte, ,,ons' Willemintje" beim Volke so beliebt ist, daß man ihr den großen Aerger eines allgemeinen Streiks nicht hätte antun sollen. Aber das in den unteren Klassen stets weiter um sich greifende Bewußtsein von den klaffenden sozialen Gegensätzen stört jedes Idyll; die Agitation tut dazu das ihrige, um alle ge werblichen Zustände unsicher zu machen und die Lebensgewohnheiten der breiten Maste zu stören. Das mag in Holland in diesem Jahre ein gar merkwürdiges Osterfest sein, bei dessen Feier gelegentlich „die Flinte schießt und der Säbel haut". — Den Serben hat der Oster hase in der Karwoche (die es als solche nach dem russischen Kalender in Serbien allerdings nicht ist) ein Windei beschert. Nicht etwa, da,. Draga wieder . . . i bewahre, das hat sie jetzt wo sie Königin ist nicht mehr nötig, nein: Seine Majestät König Sascha selber hat der Welt die Ueberraschung bereitet, indem er für fünf Minuten die von ihm beschworene Ver fassung von 1901 aufgehoben hat. Für volle fünf Minuten I Verfassung aufheben, Amts- enlsetzung der meisten Senatoren und Staats ratsmitglieder, Auflösung der Slupschtina und Wiedereinsetzung der Verfassung — das wurde alles in fünf Minuten von dem gewandten Gatten Dragas besorgt. Und da sage noch einer, daß eine Schnelligkeit von 0,5 eine bloße Redensart ist! Man glaube aber gar nicht, daß der König Alexander diesmal einen Staats streich beabsichtigt und durchgeführt hätte — es wäre übrigens nicht das erste Mal! — Faule Eier sind auch Macedonien, Marokko und Venezuela, aber sie sind keine Erzeugnisse des Osterhasen, sondern an sich alt und faul, ihr Geruch stört die Feier. Deutschland steht zudem im Zeichen der Wahlen, deren Vor bereitungen die ganze Zeit bis zur Pfingst woche ausfüllen werden. Das ist eben keine trostreiche Aussicht für diejenigen, die den Frühling für die beste Jahreszeit halten. Jede einzelne Partei tut so, als, wenn sie nicht einen großen Wahlsieg erringe, das liebe deutsche Vaterland ruhig einpacken könne. Jede tut so, als ob sie ihres Sieges völlig sicher wäre, denn endlich müssen doch den Gegnern die Augen aufgegangen sein! So wie bisher kann es doch unmöglich weiiergehen! Wir wüsten bei völliger Handelsfreiheit unsere Land wirtschaft und Industrie durch hohe Schutzzölle vor ausländischer Konkurrenz schützen, das Heer verstärken und dem Militarismus das Genick brechen, unsere Flotte vermehren und dabei viel sparsamer als bisher mit den Reichs finanzen umgehen, den Arbeiterforderungen bis an die Grenze des Möglichen entgegenkommen, aber endlich der ohnehin darmederliegenden Industrie eine Ruhepause bei dem weiteren Ausbau der sozialen Versicherungs- und Wohl fahrtseinrichtungen gönnen, der Kirche den ihr gebührenden Einfluß auf die Schule und be sonders die Hochschulen einräumen, dabei aber unbedingt die Freiheit der Wissenschaft hoch halten. Alle diese gegensätzlichen Forderungen stürmen im Wahlkampfe wild gegeneinander an und die Reichsregierung betrachtet es nun als ihre Aufgabe, die vielberufene „mittlere Linie" ausfindig zu machen, durch deren Inne haltung . . . niemand befriedigt wird. — Einen Lichtblick gewährte im Anfang voriger Woche der Kaiserbesuch in Kopenhagen. Der Kaiser reist ja viel, das deutsche Volk wünscht ihm natürlich überall Erfolg, aber es hat selten die Empfindung daß solcher auch bei den Besuchen an auswärtigen Höfen eintrifft. Von England und Rußland soll dabei geschwiegen werden; aber soviel steht fest: in Kopenhagen hat Kaiser Wilhelm einen vollen Sieg erfochten, allein, ohne Heer — bloß durch sein persönliches Auftreten! Das soll ihm offen und ehrlich ge dankt werden und vielleicht hätten sich noch bessere Folgen aus der Reise nach Kopenhagen ergeben, wenn nicht die Nierenerkrankung des ältesten Sohnes vom Herzog von Cumberland dazwischen gekommen wäre, die das elterliche Paar vorzeitig nach Gmunden zurückrief, so daß es nicht einmal am Mittwoch zum 85. Geburtstage des Königs Christian in Kopen hagen weilen konnte. Es läßt sich wohl an nehmen, daß der Herzog von Cumberland nur durch die Erkrankung des Sohnes verhindert war, mit dem Kaiser zusammenzukommen, daß er also nicht etwa „gestreikt" hat, wie die Holländer, die Baseler Verkehrsarbeiter und verschiedene Arbietergruppen in dem ewig un ruhigen Barcelona und in Saragossa. Das Schlimmste jedoch ist, daß aus irgend einem Grunde auch der Frühling zu Ostern streikt, der bis vor vierzehn Tagen recht fleißig war und viel auf Vorrat gearbeitet hat, was jetzt wieder zugrunde zu gehen droht. Tageskalender für Gttendorf-Moritzdorf. Kaiserliches Postamt: Ottendorf-Okrilla, Nadebergerstraße, geöffnet an Wochentagen von 7 Uhr bis 12 Uhr vormittags und 3—6 Uhr nachmittags. An Sonn- und Festtagen: 7 bis 9 Uhr vormittags und mittags von 12 bis 1 Uhr. Königliches Standesamt: Groß-Okrilla, Königsbrückerstraße. Königliche Gendarmeriestation: Gendarm, Köhler, Hermann, Radebergerstraße 25L. Königliche Schlachtsteuereinnahme: Ein nehmer: Knöfel, August, Radebergerstraße. Königlicher Bezirksarzt: Hesse, Walther, Vr. msä. Geh. Medizinalrat, Dresden- Strehlen, Julius-Ottostraße 11. Königlicher Bezirkstierarzt: Beier, Otto, Dresden-Neustadt, Löbauerstraße 14. Gemeindeamt: Radeburgerstraße, Geschäfts zeit 8 Uhr Vormittags bis 1 Uhr Mittags. 3 bis 6 Uhr Nachmittags an Sonnabenden und Vorabenden von Festtagen von 8 Uhr ununterbrochen bis 3 Uhr Nachmittags. Die Gemeindekasse 8 bis 1 Uhr, schließt bereits 5 Uhr und expediert an Sonnabenden und Vorabenden von Festtagen nur bis 2 Uhr. Sparkasse: Gemeindeamt, Geschäftszeit wie die Gemeindekaste. Pfarramt: Kirchstraße, Expeditionszcit: Werk tags von vormittags 9—12, nachmittags unbestimmt, Sonntags geschlossen. Gemeinsame Gemeindekranken - Ver sicherung für Ottendorf u. Umgegend: Kleinokrilla. Geschäftszeit: Sonnabends von 11—1 Uhr, sonst unbestimmt. Schule: Radeberger- und Dresdnerstraße. Vorsitzender des Schulvorstandes: Ge meindevorstand Lincke. Schuldirektor End ler, Dresdnerstraße. Geschäftszeit: An den Wochentagen von 9 bis 10 Uhr Vor mittags, sonst unbestimmt. Aerzte: Theurich, Hugo, Vr. msä., Radeburger straße 78o. Kleikamp, Gustav, Vr. msä. und Jmpfarzt, Kirchstraße 370.