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Wilsdruffer Tageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, D«» ,WU»druffer TagedlattE Erscheint an allen Werktagen nachmittags b Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in de, Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,3V AM., dei Poftdestellung TAM. zuzüglich Abtrag- . gebühr. Einzelnummern UApfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruft u. Umgeaend Postboten und unsereAus- teilgerundGeschäftsstellen """ — -—-> -- ' nehmen zu jeder Zeit Be« stellungen entgegen. JmFalle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung »er Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. "L-F^nsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 üdm,°hm°n wir kein« D-.ran.i-. I-d-rRabananIpr. ü wenn?«B°°raad^ Kla,- nns-zoe-n w-rd-n muh ab-, ü-rAuttragg-b-rin Kondn» Anz-Ig-nn-hmcn rb-D. ^i!«ung-st-llm-nt^ Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meisten des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Sonnabend, den 28 Juli 1928 Nr. 175. — 87. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt« Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 „Gefühl ist alles!" Volksschnsucht. — Stetes Hämmern. — Deutsche Einigung Das Echo in Köln. „Wien, dn Stadt ^meiner Träume« — viele Zehn lausende der deutschen Sänger, die jetzt an den Wiener Festtagen teilnahmen, mögen diese Stadt an der Donau, mögen das österreichische Volk zum erstenmal gesehen, kcnnengelernt haben. Wenn der Kahlenberg und schließ lich der „Steffel", der Turm des Stephansdomes, über den Horizont heraufzieht, dann packen den Deutschen von heute ganz andere Gedanken als vor dem Kriege. Damals war der Österreicher für uns der zwar liebenswürdige, aber bisweilen etwas unbequeme Bundesgenosse, war Wien die Stadt Schuberts, Mozarts, Beethovens und Haydns, war die Welt der Walzer und Österreich das Land der Alpen. War — selbstverständlich — ein deutsches Land, in dem — vor allem im Parlament — einige wilde Völkerschaften herumtobten. Und wir fühlten uns ein bißchen erhaben über all den Tumult nud die „k. u. k. Schlamperei" dort unten, wohin wir nur kamen, um Freude, Musik und „Heurigen" zu genießen. Das ist jetzt anders geworden nach dem Kriege. Und wenn man den inneren Gewinn dieser äußerlich so glanz vollen Festlichkeiten des Wiener Sängertages feststellen wollte, so möchte man ihn in die Worte kleiden: der Zusammenfchlußgedanke, gleichgültig, ob er im einzelnen Deutschen und Deutschösterreicher in hellster Klarheit verstanden, gehegt und gepflegt war oder ob er nur — nachgesprochen wurde, ist jetzt zum Zusammen- schlußgefühl geworden, das jenseits alles Redens und Schreibens steht. Viel stärker, im Deutschen und Deutschösterreicher, ist dadurch die Sehnsuckit nach diesem Zusammenschluß geworden. Zu einer Selbstverständlich keit wurde sie und wenn man ihre Verwirklichung hemmt, so trifft man nicht mehr in erster Linie die verstandes gemäß aufgestellte Forderung eines Zusammenschlusses, zu dem Bruderblut ebenso hindrängt wie wirtschaftliche Not wendigkeit oder der Anspruch endlicher Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts auch der Deutschen, sondern man trifft jetzt etwas, was auch in das deutsche Gefühl übergegangen ist. Was nicht mehr so sehr Volksgedanke, Volkswollen, sondern vor allem Volksschnsucht, Bolksstimmung geworden ist. Solch eine Stimmung — Italien beweist es und Polen, Tschechien und andere Slawenstaaten — ist aber weit stärker, aber auch weit empfindlicher als nur ein staatspolitischer Gedanke. Das mögen sich die Herren und Hüter der Verträge, die uns noch trennen und auseinanderhalten, recht bald aus den Wiener Tagen entnehmen. * In Paris ist von einer solchen Berücksichtigung dieser neuen, tief innerlichen Einstellung der Deutschen im Reich und in Österreich freilich ebensowenig zu spüren wie in jenen Südoststaaten Europas, die das Hauptcrbe der Habsburger antreten durften. In der letzten Woche ist ja der deutsche Außenminister in Karls bad, wo er zum Kuraufenthalt weilt, „zufälligerweise" »usammengewesen mit dem rumänischen Kollegen sowie einem Vertreter der russischen Negierung nnd dein tschechi schen Staatspräsidenten sowie dem Außenminister Benesch. Wenn natürlich ein amtliches Dementi jeden politischen Charakter dieses Zusammentreffens bestritt, so wird man — gerade wegen dieses Dementis — kaum glauben, daß Uh die Herren nur über die Vorzüge und die heilsame Wirkung des Mühlbrunnens unterhalten haben! Dazu waren die Schatten, die das Wiener Sängerfest herüber warf, denn doch zu stark gewesen. Und Dr. Strese mann wird darum auch Wohl — kaum mit Erfolg — mit den Herren Masaryk, Benesch und Titulescu ein wenig über den Zusammenschlußgedanken gesprochen haben. Neues ist ja wenig zu sagen, aber die Kleine Entente hat soeben wieder auf ihrer letzten Konferenz sich mit besonderer Schroffheit gegen den Anschluß Deutsch- Osterreichs an Deutschland ausgesprochen. Da hilft deutscherseits nur stetes Hämmern. Weil wir auch bei historischen Entwickelungen an die Wahrheit des alten Sprichworts glauben: Steter Tropfen höhlt den Stein, nicht durch Gewalt, sondern durch sein unaufhörliches Fallen. * Das gilt auch für den deutschen Westen, für die Rheinlandräumung. In Köln, der Metropole des Rheinlandes, die ja erst im Januar 1926 geräumt wurde, sind ja jetzt auch Hunderttausende von Deutschen aus dem Reich und von allüberall aus der weiten Welt zusammengeströmt im Zeichen der deutschen Turnerei, die schon einmal die Stimmungssehnsucht zur deutschen Einigung in sich verkörperte. Nnd wenige Meilen südlich ünd westlich stehen die Vorposten der Besatzungstruppen. Mitten in das Fest hinein dringt die Kunde von dem Be llehren der Franzosen nach Auslieferung von vier Deut- Ichen, weil diese angeblich Zusammenstöße mit Mit- llliedern der Besatzung gehabt haben. Nun wird den melen Tausenden von Deutschen, die nach Köln gekommen >wd, deutlichst vor Augen geführt, was — immer noch — ,.w Besetzung deutschen Bodens durch fremde Truppen Eigentlich darstellt. Ein schriller, aber in seinem Gellen BNt mißzuverstehender Ton aus der Wirklichkeit unserer und Bedrängnis, ein Mitzton, der ein besonderes Echo MMer Mr EisenWunMerheit die Sicherheit sei für die Bahn höchste Pflicht. Aussprache mit dem Neichsverkehrsminister. Die Vahnkaiasirophen der Wen Zett Schwierige Finanzlage. In einer Besprechung mit Vertretern der Presse er klärte der Generaldirektor der Reichsbahn Dorpmüller im Hinblick auf die zahlreichen Betriebsunfälle in der letzten Zeit es als seine Hauptaufgabe, durch eingehende Untersuchung der Ursachen dieser Uuglücksfälle fest zustellen, welche Maßnahmen schleunigst getroffen werden müßten, um die Betriebssicherheit der Reichsbahn zu er höhen. Eine scharfe Kontrolle der Bahnstrecken wcrdc durchgeführt, die so vielfach beklagte Überlastung des Per sonals untersucht und vor allem eine genaue Kontrolle des Oberbaues der Reichsbahn erfolgen. Zurzeit seien Gleisreparaturen für noch 7700 Kilometer not wendig, die aber eine erhebliche Ausgabe darstcllen, da dm Instandsetzung von 1000 Kilometern schon 25 Millionen Mark kostet. Schließlich gehe namentlich aus dem Ummen dorfer Unglück bei Ulm hervor, daß in den süddeutschen Gebieten die norddeutsche Diensteinteilung eingeführt werden müsse, da diese eine wesentliche Erleichterung für die Beamten darstelle. Der Generaldirektor erläuterte dann die Einzelheiten aer Eisenbahnunglücksfälle bei Siegelsdorf, Ummendorf, Ulm, Neuß und Düsseldorf und namentlich beiMünche n, sie teilweise eine Verkettung unglücklicher Umstände als Ursache hatten. Man müsse bei dem Riesenbetrieb der Eisenbahn aber immer bedenken, daß die jetzige Reichs bahngesellschaft die Eisenbahn erst seit Jahren in Per waltung habe und hierbei die verhängnisvolle Erbschaft der Kriegszeit, der Nachkriegszeit und nicht zuletzt des Ruhrkampfes übernehmen mußte. Wenn sich in der letzten Zeit die Unglücksfälle häuften, so wisse der Fach mann, daß solche Zeiten des Anschwellens von Betriebs unfällen eine schon immer beobachtete Erscheinung sind, die von Zeiten eines erheblichen Heruntergehens dieser Zahl abgelöst werden. Leider sei die Finanzlage der Reichsbahn sine sehr schwache, man müsse die Rücklagen aus dem Vor jahre angreifen und namentlich Bayern bedeute für die Gesamtverwaltung einen Zuschußstaat, da dort die Aus gaben über die Einnahmen hinausgehen und der Zustand der Bahnen ein besonders unerfreulicher war. Im übri gen habe er alle Reichsbahndirektionen angewiesen, grobe Mißstände ohne Rücksicht auf die Kosten sofort beseitiaen Vorher hatte der Generaldirektor Dr. Dorp müller eine eingehende Aussprache mit dem Reichs verkehrsminister gehabt, die sich gleichfalls mit der Frage beschäftigte, wie die Betriebssicherheit auf den deutschen Bahnen erhöht werden könnte. Eine Reihe technischer Maßnahmen sollen für diesen Zweck durchge führt werden ohne Rücksicht auf die Kosten. Das gilt be sonders auch für die Reparaturarbeiten am Oberbau. Hinsichtlich der vielfach gemachten Vorwürfe wurde nach gewiesen, daß prozentual auf eine Million Zugkilometer im Jahre 1927 die Zahl der getöteten und verletzten Per sonen 1927 nur ganz wenig größer war als 1913, obwohl die heutige Besetzung der Züge um 24 Prozent größer ist als im Vorkriegsjahre. Gegenüber 1919 ist diese Pro zentzahl dagegen auf die Hälfte zurückgegangen. Schließ lich wurde auch darauf verwiesen, daß sich jetzt das Ge samtpersonal der Deutschen Neichsbahngescllschaft auf 704 000 Beamte, Arbeiter und Angestellte belaufe, d. h. 12 000 Köpfe mehr als im Jahre 1913; in Bayern allein ist dieser Gesamtpersonalbestand um 10 000 höher als 1913, so daß man dort von besonders schwierigen Personalverhältnissen nicht sprechen könne. Vom Generaldirektor wurde ausdrücklich die Zusiche rung gegeben, daß er trotz der schwierigen finanziellen Lage der Reichsbahn mit allem Nachdruck dahin wirken werde, daß die Sicherheit des Betriebes gewährleistet wird. * Die geplante Tariferhöhung. Das Reichsbahngericht, das nach Wunsch der Reichs bahn und dem Beschluß des Rcichskabiuetts das endgül tige Urteil über die von der Reichsbahn geforderte Tarif erhöhung fällen soll, wird dem Vernehmen nach Ende dieser Woche zusammentreten. Den Vorsitz wird der Senatspräsident beim Reichs gericht Meyer führen. Die beiden Beisitzer, die auf Vor schlag der Parteien (Reichsregierung und Reichsbahn) be stellt werden, sind noch nicht ernannt. Das Urteil des Neichsbahngerichts mutz nach den gesetzlichen Bestimmun gen innerhalb von drei Monaten gefällt werden, doch hofft man, datz schon in einigen Wochen die Entscheidung des Gerichts vorliegen wird. jetzt gerade in Köln Hervorrufen wird. Kein lautes, kein papierenes Echo, aber ein um so tiefer in die Herzen ein dringendes. Denn man muß warten können in der Geschichte und in der Politik. In Köln werden die Deutschen aus dem unbesetzten Gebiet und vor allem aus dem Auslande es verstehen lernen, daß die deutsche Politik sich jetzt, das deutsche Volk und vor allem das besetzte Gebiet hinter sich, eingestellt hat auf das Abwarten, das Ablaufen der Fristen, bis die Räumung von selbst erfolgen muß. Man rühmt uns aus Paris, wie wertvoll eine „vorzeitige" Räu mung doch für Deutschland wäre — um dieses Pfand l möglichst teuer zu verkaufen. Gewiß ist sie wertvoll, aber doch nicht genug, um von uns mit neuen Bindungen im Rheinland und anderswo erkauft zu werden. Nnd mit jedem Tag rücken die Räumungsfristen näher, verliert das Angebot an Wert. Schon drängt man uns, es anzu nehmen, bedeutet jenes Auslieferungsbegehren eine Art Druck auf Deutschland. Wir werden auch das tragen. Und die Hunderttausende in Köln werden cs verstehen lernen, warum wir warten müssen. Um des ganzen Deutsch lands willen! Dr. Pr Was wir- aus Stresemanns pariser Reise? In Berlin nichts bekannt. Während aus Amerika jetzt genau gemeldet wird, an welchem Tage der Staatssekretär Kellogg zur Unterzeichnung des Paktes in Paris seine Reise antreten wird, wird in Berlin amtlich mitgeteilt, daß von einer Einladung des französischen Außenministers Briand an Reichsminister Dr. Stresemann, zur Unterzeichnung des Kellogg-Paktes im August nach Paris zu kommen, die in einem Bries an Dr. Stresemann nach Karlsbad enthalten sein soll, im deutschen Auswärtigen Amt „nichts bekannt" sei. Eine weitere amtliche Berliner Mitteilung wendet sich gegen Behauptungen der Pariser Presse, daß der deutsche Reichsautzenminister Dr Stresemann bereits in einem „sehr herzlich gehaltenen Antwortschreiben" die Zusage der Teil nähme an der Unterzeichnung des Kellogg-Vertrages in Puris gegeben habe; auch von einem derartigen Schreiben sei den deutschen zuständigen Stellen nichts bekannt. Eine offizielle Einladung ist gleichfalls bisher noch nicht überreicht worden Alles, was bisher in dieser Angelegenheit geschehen sei, beschränke sich daraus, daß diplomatische Fühlung in der Frage genommen wurde. Diese Dementis weisen also etwas übereilte Pariser Presse meldungen zurück, vermeiden es aber außerdem sorgfältig, auch nur anzudeuten, ob Dr. Stresemann nun wirklich nach Paris fährt oder nicht. Datz die Erregung der deutschen öffentlichen Meinung über das französische Auslieferungsbegehren von vier Deutschen auf diese vorsichtige Zurückhaltung der amtlichen Berliner Stellen nicht ohne Einfluß ist, erscheint als zweifellos und wird in der Presse auch vielfach in diesem Sinne gedeutet. Andererseits sollen sich aber trotz französischen Widerstandes an die Pariser Zusammenkunft der Außenminister wichtige Verhandlungen anknüpfen. Der Pariser Vertreter einer großen Newyorker Zeitung glaubt nämlich aus Grund von Erkundi gungen in diplomatischen Kreisen mitteilen zu können, daß gelegentlich dieses Zusammentreffens auch wichtige Be sprechungen hinsichtlich des Reparations- und Kriegs- schuldenproblems stattfinden würden. Das Blatt weist darauf hin, daß der Generalagent für die Neparationszahlun zen, Perker Gilbert, mit Schatzsekretär Mellon in Dinard zusammengetroffcn ist und daß er anfangs dieser Woche eine lange Unterredung mit Poincars hatte. Die Pläne zur Regelung der Nachkriegsfragen würden bei dem Zusammen treffen der Außenminister im nächsten Monat nach Ansicht auch französischer diplomatischer Kreise aus eine offizielle Grundlage gebracht werden. Wahrscheinlich werde auch Mellon an aiesen Besprechungen teilnehmen. * Forderungen der vaterlSndWen Verbände Berlin 27. Juli. Die Vereinigten Vaterländischen Ver bände wenden sich mit einer Kundgebung gegen die Ausliefe- rungsschmach und fordern, falls die Reichsregierung sich mit der Auslieferung einverstanden erklärt, datz an Stelle der Verfassungs feiern am 11. August ein allgemeiner deutscher Butz- und Trauer tag eingesetzt werde, datz ferner der Reichstag sofort einberufen werde, um zu entscheiden, ob die Regierung noch das Vertrauen besitzt, und schließlich, falls auch der Reichstag deutsche Staats angehörige nicht vor der Auslieferung schützen sollte, datz der Reichspräsident dann den Reichstag sofort auflöst.