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Zweites Blatt. Wmdt, Dffen. Menlchn und die UniMliden. Imtsölafi für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Horstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis fpätesteus Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnserüonspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. No. 57. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. Sormabend, Dem 15., Mai 18S7. Zum Sonntage Cantate. Offenbarung Joh. 21, 3: Siehe da, eine Hütte Gottes bei den Menschen, und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein. Die Sonntage wenden sich den Pfingsten zu. Auf Pfingsten ward die christliche Kirche begründet unter dem Wehen des heiligen Gottesgeistes. Diese Eine, Heilibe, allgemeine, christliche Kirche, die wir allsonntäglich im Glauben bekennen, ist die Hütte Gottes bei den Menschen, die dem Seher der Offenbarung verheißen ward. Unter Wort und Sakrament wohnt Gott bei ihnen. Die Christenheit ist Gottes Volk. Der Vater des Herrn Jesu Christi ist ihr Vater, ihr Gott. Und ob diese Kirche äußerlich angesehen in Sonder-Kirchen, Sekten, Deno minationen sich gliedert — es ist doch Ein Tempel, wie es der salomonische mit seinem Allerheiligsten, Heiligen und seinen Vorhöfen war, wie es der Tempel war, den Hesekiel im Gesichte schaute. Es thut noth, in unsern Tagen, in denen man so leidenschaftlich die Zerrissenheit in der Christenheit betont, auch einmal Haupt und Herz hochzuheben und sich der Einheit aller Christenheit in Christo dem Fürsten bewußt zu werden. „Denn gleicher Weise," schreibt Paulus, „als wir in einein Leibe viele Mieder haben, aber alle Glieder nicht einerlei Geschäfte haben: aho sind wir viele ein Leib in Christo, aber unter emander ist einer des andern Glied, und haben mancherlei Gaben, nach der Gnade, die uns gegeben ist." Das Be wußtsein der Zusammengehörigkeit darf bei aller Fehde unter den Christen nicht völlig erlöschen, lieber allen Fahnlem ragt hoch die Fahne des himmlischen Feldherrn, ragt das Kreuz Christi. Die sich zu ihm bekennen, sind Kinder eines Volks, mögen sie noch so verschieden sein. Aber die Weissagung aus Offenbarung 21 hat wie alle Prophetia noch eine vollkommene Erfüllung in der Zukunft des Menschengeschlechts. Wenn das große Pfingsten der Ewigkeit anbrechcn wird, dann fallen alle Schranken im Tempel. Die Nebel, die uns den Wunderbau der heiligen Kirche Gottes heute noch verhüllen, zerreißen, und das herrliche Heiligthum erscheint m unvergänglicher Schön heit und Majestät. Der König des Himmelreichs, Jesus, tritt sichtbar an die Spitze der vollendeten Gemeinde und bringt sie seinem Vater zu, um dann fortan in ihrer Mitte Residenz zu nehmen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Dann wird es keiner Aufforderung „Cantate", „Singet" mehr bedürfen. Aus den Tempelhallen schallt ewiger Lobgesang. Die Vermittelung der Machte. . Der Krieg zwischen der Türkei und Griechenland ist M Üblich infolge der einsetzeuden Vermittelungsaktion in ein Stadium eingetreteu, welches die A,. des Krieges und hiermit die Beilegung ""Een längsten Wirren und Verwickelungen im sind duÄÜ Aer griechische Hochmuth und Trotz b ?Vlü ^ der griechischen Truppen und durch die Erkenntniß der AuSsichtsI01igkeit s.n. Griechenland daü in feinem Wnffen- gauge mit der Pforte vielleicht noch eine günstigeres eintreten werde nun doch gebrochen worden, mit beiden Händen hat setzt die Athener Regierung den einzigen ibr winkenden Rettungsa^ und die angebotene Vermittelung der Großmächte angenommen. Allerdings versuchten die Gewalthaber m Athen selbst jetzt „och aller hand Vorbehalte zu machen, aber die energische Haltung Deutschlands bereitete den Winkelzügen der griechischen Regierung ein rasches Ende und bestimmte letztere zur de- und wehmüthigen Nachgiebigkeit. Durch den Sprecher des Athener diplomatischen Korps itl Mhen, den russischen Ge sandten Onou, wurde dem griechischen Minister des Aus wärtigen, Sknludis, am Dienstag die gemeinsame Note der sechs Großmächte übergeben, in welcher dieselben ihre Be reitwilligkeit, zur Erlangung eines Waffenstillstandes und der Beilegung der gegenwärtig zwischen Griechenland und der Türkei schwebenden Schwierigkeiten ihre Vermittelung anzubieten, ausdrücken. Nur betont die Note weiter, der Schritt der Mächte geschehe nnter der Bedingung, daß die griechische Regierung erkläre, sie wolle zur Abberufung ihrer Truppen von Kreta schreiten, die Autonomie der Insel formell anerkennen und vorbehaltlos die Rathschläge an nehmen, welche ihr die Mächte im Jnteresfe des Friedens ertheilen werden. Umgehend hat das Ministerium Rallis die verlangte bindende Erklärung den Vertretern der Mächte abgegeben und im Anschlusse hieran das Vermittelnngsan- erbieten derselben der griechischen Armee bekannt gemacht, so daß nun also das Feld für die Vermittelungsbemühungen der Mächte geebnet erscheint; vielleicht, daß zur Stunde bereits zunächst eine Waffenruhe zwischen den beiden krieg führenden Theilen bewirkt worden ist. Ob jedoch die unter der Aegide des „vereinigten Europas" einzuleitenden diplomatischen Verhandlungen zur Wiederherstellung des Friedens im Orient einen glatten Verlauf nehmen werden, das bleibt freilich abzuwarten. Das Selbstgefühl der Türkei ist durch die von den tür kischen Truppen im thessalischen Feldzüge errungenen glänzenden Erfolge gewaltig gestärkt worden, daß man nun türkischerseits dem Abschlusse eines Friedens mit dem griechischen Nachbar einfach auf der Grundlage des swtns qua ante, vor Allem ohne jede Gebiets- und Geld- oder sonstige Entschädigung für die siegreiche Türkei und auf Grund der Wiederräumung des eroberten Thessaliens nach dem Rückzüge der griechischen Truppen aus Kreta zustimmen sollte, ist daher kaum anzunehmen. Bereits verlautet denn auch ziemlich bestimmt von gewissen Friedensbedingungen, Wesche die Pforte aufgestellt haben soll und als welche ge nannt werden: Kriegsentschädigung von 3 Millionen tür kische Pfund (ca. 55 Millionen Mark), Grenzbcrichtigungen in Epirus und Thessalien zu Gunsten der Türkei, Auf hebung aller für die griechischen Unterthanen in der Türkei abgeschlossenen Sonderverträge, Anslieferung der griechischen Panzerschiffe, Beschränkung der versprochenen Autonomie für Kreta. Sollten die maßgebenden türkischen Diplomaten wirklich all die genannten Friedensbedingungen aufgestellt haben, so ist dies wohl in dem Bewußtsein geschehen, gaß die Pforte an denselben doch wird erheblich herablassen müssen, und daß es der siegreichen Türkei auf jeden Fall gut steht, derartige Forderungen erheben zu können. Immer hin dürfte jedoch die türkische Diplomatie an dem einen oder dem anderen Punkte der ihr zugeschriebenen Forde rungen hartnäckig sesthalten, und da sich anderseits Griechen land weder zu einer finanziellen Entschädigung noch zu einer Gebietsabtretung an die Türkei wird verstehen wollen — die Zahlung einer Kriegskostenentschädigung würde für Griechenland in Hinblick auf die gänzliche Erschöpfung seiner Staatskasse allerdings auch ein Kunststück sein — so ist der diplomatischen Vermittelungskunst der Mächte ein reiches Arbeitsfeld geöffnet. Hoffentlich bewährt sich aber wenigstens diesmal ihre Einigkeit, fo daß man er warten darf, es werde dem gemeinsamen Drucke der euro päischen Diplomatie doch gelingen, etwaige übertriebene Forderungen der Türkei abzuschwächen und schließlich das erstrebte Friedenswerk znmersprießlichenAusgange zu führen. Die Rache Her Nihilistin. Original-Roman von A. Rochefort. (Fortsetzung.) .Diese Geschichte kann ich leicht aufklären," rief Wladimir dem Freunde mittheilend, was sich bei dem Grafen zugetragen hatte. »Ich wollte es ruchbar werden lassen," schloß er, „daß ich nicht feige entflohen, sondern furchtlos jeder Gefahr kühn die Stirn bot." „Kiselew entfernte sich," fuhr Freihoff fort, .die Anderen blieben noch plaudernd zurück. Plötzlich sprang Puschkin auf, lachte wie toll und rief: „Ich habe eine merkwürdige und un bezahlbare Entdeckung gemacht." „Welche, welche?" fragten die Uebrigen. „Wir olle wissen, wie geschickt Wladimir von Rulow sich zu verkleiden versteht. Ich wette, daß jener Bauer deö Grafen kein anderer, als Wladimir ist! Kein Wort dem Grafen! Wir können den auf Wladimir gesetzten Preis gewinnen, und gleich zeitig Kiselew auf eine schöne Art los werden." Diese Raben sind jetzt hinter Ihnen her, mein junger Freund. Wollen Sie ihnen entschlüpfen, so halten Sie sich verborgen, oder wechseln die Verkleidung." „Ich kann weder das Eine noch das Andere thun, doch verlassen Sie sich auf mich, ich werde sie zu vermeiden wissen. Morgen erscheine ich im Gerichtssaal, mein Zeugniß abzugeben." 33. Kapitel. Der letzte Verhandlungstag. Unter den noch zur Vernehmung kommenden Zeugen be fand sich auch Fürst Gortschakow, in dessen Herzen die Liebe zu dem Sohne des Freundes den Sieg über die kaltblütigen Erwägungen des Staatsmannes davon getragen hatte. Ihm unbewußt beeinflußte ihn auch die Haltung seiner Nichte, die unentwegt für General Galitzin cintrat. Die Verdienste und der Ruf des jungen Fürsten waren unantastbar. Sie zu er wähnen, schien übeiflüssig. Dennoch verweilte der Kanzler, als er geladen wurde, sein Zeugniß abzugeben, sehr lange bei dem selben. Ec erwähnte seine Beziehungen zu dem Großvater und Vater deö Angeklagten, sprach von seinen Entzücken über die Heldenthaten des jugendlichen Soldaten im Balkan, von seiner Beförderung zum General und der Ernennung Galitzins zum Leiter der geheimen Polizei. Die Handschrift des Fürsten war dem alten Diplomaten bekannt. Zu seiner maßlosen Bewunder ung sei er durch Warwusch in den Besitz der Brandschriften gelangt, die in dem Hause Galltzin's geschrieben worden sein sollten, noch aber zweifle er an deren Echtheit. lieber die Befreiung dec Rulows durch den Fürsten aus dem Gefängniß befragt, mußte der Kanzler zugestehen, daß Galitzin sich hierbei einer ungesetzlichen und in die Vorrechte der Krone eingreifenden Handlung schuldig gemacht habe, ebenso daß Wladimir von Rulow den Verdacht rechtfertige, sich den amsturzbrütenden Nihilisten angeschloffen zu haben. »Ist Ihnen, Durchlaucht, der Kammerdiener des Generals Galitzin, Peter Warwitsch, bekannt?" fragte der Vorsitzende den Kanzler. „Nein," erwiderte Gortschakow. „Wissen Sie, Durchlaucht, baß dieser Mensch eine außer gewöhnliche Fertigkeit besitzt, jede fremde Handschrift nachzu ahmen?" „Nein," tönte es wieder von den Lippen des Kanzler«. General Galitzin erbot sich und erhielt die Eclaubniß, einige Fragen an den Kanzler zu stellen dürfen. „Vermögen sich Durchlaucht an alles zu erinnern, was Sie geschrieben haben?" erkundigte sich der General. „Nein, aber ich würde unfehlbar jede Zeile wiedererkennen, die ich jemals geschrieben habe." „Ist das Ihre Handschrift, Durchlaucht?" fragte der General dem Kanzler den am Abend vor se'ner Verhaftung ihm von Kiselew geschickten Brief, in dem er den Bedrohten auffor derte, unverweilt aus Petersburg zu entfliehen, überreichte. Der Kanzler überflog den Brief. „Ich hätte gewünscht, daß Sie rechtzeitig geflohen wären, General, aber ich leugne entschieden, diese Zeilen geschrieben zu haben." „Aber der Brief ist offenbar in Ihrer Handschrift." „Sie sieht ihr wenigstens zum Verwechseln ähnlich, aber Sie ist dennoch nicht von nur. Ich leugne auf das entschiedenste, ihn geschrieben zu haben." „Noch gaben Sie einen Andern den Auftrag, ihn zu schreiben, Durchlaucht?" „Nein." Graf Kiselew's Gesicht färbte sich purpurroth, während seine blutlosen Lippen krampfhaft zuckten. Luschkin wurde aufgerufen, als Zeuge vernommen zu werden. Ein Mann mit struppigem Haar und Bart erhob sich, warf den Mantel ab, der ihn bisher fast ganz verhüllt hatte, und näberte sich schnellen Schrittes dem Zeugentisch. „Kennen Sie den Grafen Kiselew," fragte ihn der Vor sitzende. „Seit dem Tage vor der Verhaftung des Fürsten Galitzin habe ich in des Herrn Grafen Diensten gestanden, dem mich Fräfin Alexandrine Reckow empfohlen, deren Hilfe ich erbeten hatte." „Der Graf gab Ihnen eine Anstellung im Staatsgefäng- niß, Luschkin?" „Ja, doch nur für wenige Tage." „Sahen und sprachen Sie den Fürsten Galitzin in seiner Zelle?" „Mehrere Male." „Und er übergab Ihnen einen Brief zur Beförderung an die Gräfin von Rulow oder ihre Tochter?" Der Bauer zögerte und die Zuhörerschaft lauschte mit an gehaltenem Athem. Helene von Radowsky'S Augen verzehrten ihn, Warwitsch zupfte sich nervös am Bart und Puschkin duckte sich wie sprungbereit zusammen.