Volltext Seite (XML)
MlsdrufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter I Nr. 173 — 90. Jahrgang Wilsdruss-Dresden Telegr.-Rdr.: „Amtsblatt" Dienstag, den 28. Juli 1931 Postscheck: Dresden 2640 Wochenblatt für Wilsdruff u, Umgegend Anzeisknprri«: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpsg-diel gespaltene geile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reich». Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebohr 20 Reichspfennige. Bor« geschriebeneE-scheinungs. —, . ,, — , tage nnd Platznorschrift»» werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeige». annabmedisoorm.I0Ui,r. — ! Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. IederRabattansprnch erlischt, wenn derBetragdnrch . - . - , Klage eingezogcn werden muß oder dcrAnftraggeber in Konkurs gcrüt. Anzeigen nehmen alle Bcrmittlungsstcllen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstremamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. MrMMklörllWN MMM für MsWd „Beunruhigungen und Argwöhne müssen unterdrückt werden". „Gesunder Menschenverstand". Wer es bisher noch nichr getan Hal, wird es auf Grund der letzten Erfahrungen wohl endlich gelernt haben: internationale Konferenzen der Nachkriegszeit haben die Weltgeschichte nur sehr selten vorwärts geschoben. Be sonders dann war der Ausgang recht kümmerlich, für uns Deutsche eigentlich immer schwer enttäuschend, wenn auf solchen Konferenzen nur Diplomaten, nur Politiker bei einander waren. Was zwischen solchen mehr oder weni ger feierlichen Zusammenkünften vor sich ging, war mei stens viel wichtiger und folgenschwerer. Und die letzten Minister-„Entrevuen" haben gleichfalls kaum etwas dafür getan, hier eine Besserung herbeizuführen. Schon sind anderthalb Monate verstrichen, — oder soll man sagen: erst anderthalb Monate sind vorbeigegangen, seit der deutsche Reichskanzler und der Außenminister in Chequers die englischen Staatsleiter besuchten, die Nun, wie es offziell heißt, in Berlin ihren Gegenbesuch machten. Anderthalb Monate erst, — aber was alles drängte sich in diese kurze Zeit zusammen. Rach Chequers kam, nicht bloß als zeitliche Folge, sondern durch die Be sprechungen Macdonalds mit dem amerikanischen Schatz sekretär Mellon verursacht, die Hoover-Botschaft, kam ihre endliche, enttäuschende Verwirklichung, kam der deutsche Niederbruch und dann alles das, was in Paris und London geschah, bzw. nicht geschah. Wir brauchen daran ja nicht zu erinnern. Und wenn erst der Staats sekretär Stimson, dem Macdonald und Hender son ihren Berliner Besuch so schnell an jene Konferenz anschlossen, dann darf man als gequälter Deutscher doch wohl glauben, daß auch dies mehr ist als ein zeitliches Auf einanderfolgen, — daß hier vielmehr die Absicht maß gebend ist, die schmale, in London gewonnene Basis zu verbreitern. Wenn der amerikanische Staatssekretär Stimson in Potsdam Schloß Sanssouci aufsuchte, so sah er dort den Ausdruck historischer preußischer Größe. Ein General Friedrichs des Großen focht ja neben Washington für die Befreiung Amerikas. Aber was besagen heute solche Erinnerungen! Oder die anderen, daß bis zum Welt krieg niemals Deutsche und Engländer im Kampfe ein ander gegenüberstanden! Macdonald ist Wenigstenseiner der Väter'des Dawes-Planes gewesen, sah 1924 in Lon don die deutschen Minister bei sich, darunter den damaligen Reichsfinanzminister Dr. Luther. Zwar ist ihm dann, als er wieder englischer Ministerpräsident geworden war, das große marincpolitische Versöhnungswerk mit Amerika ge lungen durch seine Reise nach Washington, aber die Londoner Marine a b r ü st u n g s k o n f e r e n z blieb er gebnislos infolge des französischen Widerstandes. Ist es anders gegangen nach Chequers und wird in Berlin etwav geschehen, was uns in unserer Not hilft? Besuch der englischen Minister ist kein H u b e r t u s st o ck" geworden. Sie b wohnten nur einige hundert Meter Am, und von der Reichs kanzler. Es war auch kern Wochenend ausfluq", so wenig wie dre Fahrt Dr. Brünings nack Paris e n der englische Ministerpräsident die Hoffnung ausqe- sprochen, daß sein Berliner Besuch „sie' in Chequers Er reichten günstigen Resultate weiter fördern werde" Fn Berlin wurde es zu einer Besprechung der gesamten euro päischen Finanzlage kommen „zwischen Männern, die ge sonnen sind, ihr mit gesundem Menschenver stand und mit Sinn für die Wirklichkeit zu begegnen". Nun, die europäische Finanzlage dürfte in Paris und in London genügend erörtert worden sein — nur besser ist sie seitdem nicht geworden, weder im Hinblick auf England noch gar für Deutschland! Und leider ist auch der gute Wille und die Kraft Englands selbst in Ver bindung nlit Amerika nicht ausreichend, um jene Finanz lage Europas grundlegend zu ändern. Wenn der ge sunde Menschenverstand" allein etwas zu sagen hätte dann wären wir in Europa überhaupt schon viel weiter Darüber ist der nur noch auf die Wirklichkeit eingestellte Sinn der englischen, amerikanischen und deutschen Konfe renzteilnehmer in London sich sehr schnell klar geworden „Es ist die Ansicht der englischen Negierung, daß die Londoner Siebenmächtekonferenz eine Periode ständiger Fühlungnahme zwischen den Häuptern der führenden ^--taaten eingeleitet hat und daß nun die Gelegenheit ge- Zeben ist, das wirkliche Problem der deutschen Kredite, der Reparationen usw zu lösen," schreibt anläßlich des eng- "lchen Ministerbesuchs ein Londoner Blatt Za, wenn nur der gesunde Menschenverstand bei dieser Fühlung nahme entscheidend wäre . . .! Macdonald in Berlin. Berlin, 27. Juli. Der englische Ministerpräsident Ram sey MacDvnald traf um 17.17 Uhr mit dem Holland-Expreß aus dem Bahnhof .Friedrichstraße ei«r. Eine ungewöhnlich große Menschenmenge hatte sich vor dem Bahnhof und auf dem Bahn steig selbst eingefunden. Die Polizei hatte umfangreiche Ab sperrmaßnahmen getroffen. Kurz vor dem Einlaufen des Zuges erschienen auf dem Bahnsteig Reichskanzler Brüning und Reichs außenminister Curtius mit Herren der Reichskanzlei und des Aus wärtigen Amtes, ferner der englische Außenminister Henderson, der englische Botschafter Sir Horace Rumbold mit dem gesamten Personal der Botschaft und zahlreiche Mitglieder der englischen Kolonie in Berlin. Unter den Anwesenden bemerkte man u. a. auch den Berliner Oberbürgermeister Dr. Sahm. Reichskanzler Dr. Brüning und Minister Curtius gingen, als MacDvnald im Begriff war, den Zug zu verkästen, sofort auf ihn zu und begrüßten ihn herzlichst. Dann begrüßte der englische Ministerpräsident den englischen Botschafter und das Personal der Botschaft. Das auf dem Bahnsteig angesammelte Publikum durchbrach in diesem Augenblick sämtliche Absperrungen und brachte laute Hochrufe auf MacDvnald aus. Auf dem Bahnsteig hatte auch eine Abordnung des Reichsbanners in Stärke von mehr als hundert Mann Aufstellung genommen, die MacDvnald mit Heilrufen empfingen. Beim Verlasten des Bahnhofes ertönte aus der draußen angesammelten Menschenmenge dauernde Hoch rufe auf MacDvnald. Es ertönten Rufe: „Es lebe der Friede", „Nie wieder Krieg", „Frei Heil" usw. Die Polizei hatte außer ordentliche Mühe, den Durchbruch der Menge vor dem Bahnhofs gebäude zu verhindern. Die Wagen der Minister konnten sich nur mit großer Mühe einen Weg durch die Menge bahnen. Mspracden Lrümngs unü MaeäonaMs Berlin, 27. Juli. Bei dem Esten, das heute (Montag) abend zu Ehren der englischen Minister in der Reichskanzlei stattfanb, brachte zunächst Reichskanzler Dr. Brüning einen Toast aus den Reichspräsidenten und Seine Majestät den König von England aus. Der Reichskanzler hielt sodann folgende Ansprache: „Ew. Exzellenzen! Meine Herren! 5m Namen der Reichsregierunz heiße ich Sie, Herr Ministerpräsident, und Sie, Herr Henderson, in der Reichshauptstadt auf das herzlichste willkommen. Das deut sche Volk hat ein lebhaftes und dankbares Gefühl für die Bedeu tung dieses ersten Besuches der führenden englischen Staats männer in Deutschland. Mir ist es eine besondere Freude, die liebenswürdige Gastfreundschaft erwidern zu können, die Sie Herrn Curtius und mir vor nicht langer Zeit in Cheqeurs und auch jetzt in London haben zuteil werden lassen. Ich hoffe auf richtig, daß Sie sich bei uns während des leider allzu kurz be messenen Aufenthaltes wohlfühlen, und daß die Tage für Sie eine Entspannung bedeuten werden inmitten der schweren Arbeit, 'n der Sie sich befinden. Sie kommen nach Deutschland in einer sor genvollen Zeit. Ich habe bei unseren wiederholten Begegnun gen im Laufe der letzten Zeit Gelegenheit gehabt, Ihnen die Lage in Deutschland und die schweren Probleme, die uns gegenwärtig beschäftigen, ausführlich zu schildern. Deutschland setzt alle seine Kräfte daran, der Krise Herr zu werden. Es muß aber auch darauf rechnen, daß das Ausland, das mit Zurückziehung kurz fristiger Kredite die Krise auf die Spitze getrieben hat, an diesem Ziele mitarbeitet. Wir erkennen dankbar an, was Ihre Regie rung durch die vorbehaltlose und herzliche Annahme des Hoover- planes sowie durch Ihre Bemühungen um das Zustandekommen und das Ergebnis der Londoner Konferenz bereits für uns getan hat. Wir wissen, daß auch Sie in England schwere Zeiten durch wachen. Der Grund hierfür liegt nicht zuletzt in der gegenwär tigen finanziellen Krise Deutschlands, Lie heute internationale Be deutung gewonnen hat. Ich bin daher auch überzeugt davon, daß eine wirkliche und gründliche Sanierung der wirtschaftlichen Ver- hätnisse Europas nur durch loyale Zusammenarbeit aller Nati onen und durch gegenseitige Hilfe möglich sein wird. Der Grund stein für die Zusammenarbeit ist in London gelegt worden. Die weitere Aufbauarbeit muß nunmehr beginnen. Ihr heutiger Be such ist ein Beweis dafür, daß es auch Ihr Wunsch ist, die glücklich begonnene Arbeit fortzusetzen. Möge sie der Welt den wahren Frieden bringen. Ich erhebe mein Glas auf das Wohl Ew. Ex zellenzen, auf eine glückliche Zukunft Großbritanniens und auf die englisch-deutsche Freundschaft." MacDvnald dankte zunächst für die Worte des Reichskanz lers und erklärte dann folgendes: Der englische Außenminister und ich sind nach Berlin ge kommen, um dem Herrn Reichskanzler und dem Außenminister einen Gegenbesuch abzustatten. Wir haben uns über ihren Befuck» in London seinerzeit außerordentlich gefreut und mit der gleichen Freude sind wir Ihrer Gegeneinladung gefolgt. Diese gegen seitigen Besuche werden für die Stärkung des guten Einverneh mens in der Welt und für seine weitere Ausbreitung eine absolut Notwendigkeit. Wir sind jedoch nicht nur nach Berlin gekommen, um für den deutfchenLhequersbesuch einenGegenbesuch abzustatten, sondern auch um der Welt zu zeigen, daß trotz der Schwierigkeiten der gegenwärtigen Lage unser Vertrauen in Deutschland unver mindert fortbesteht. Deutschland macht schwere Zeisen durch, und wir sind voller Mitgefühl für den schweren Kampf, den die ses Land im jetzigen Augenblick durchzuführen hat. Lasten Sie mich gleich eins hinzusügen: Wir sind voller Bewunderung für Deutschland, und wenn auch seine (Schwierigkeiten noch nicht überwunden sind, so sind wir doch der festen lleberzeugung, daß, wenn Deutschland in seinen Anstrengungen fortfährt, daß, wenn es seine intellektuellen, moralischen und wirtschaftlichen Kräfte an spannt, um wieder auf die Füße zu kommen, und sich davor hütet, sich der Verzweifung hinzugeben, die anderen Völker ihm Hilfe leisten werden und das deutsche Volk nicht untergeben lasten. Ein freies und sich selbst achtendes Deutschland ist für die Gemein schaft der Zivilisation unentbehrlich. Genau so wie kein Sper ling vom Dache fällt, ohne daß der Schöpfer aller Dinge davon weiß, so kann auch keine Nation, die sich selbst achtet, aufhören zu existieren, ohne daß für alle anderen Glieder der internatio nalen Gemeinschaft sich daraus das schwerste Unglück ergibt. Es wäre undenkbar, daß einem Land, das sich in der Kunst, in der Wirtschaft, im Geisteswissen so ausgezeichnet hat wie Deutsch land, das den Körper und den Geist gleichermaßen fest in der Gestalt hat, das in einer langen und wechselvvllen Geschichte seine Qualitäten erwiesen hat, von den anderen Völkern die Hilfe in der Not verweigert würde. Die Ergebnisse der Londoner Konferenz sind nicht sensationell gewesen. Es hat sich darum gehandelt, die Stellung zu halten, während die Vorbereitungen für eme gründlichere Behandlung der Schwierigkeiten getroffen wurden. Das, worüber man sich in London geeinigt hat, ist zu einem großen Teil bereits durchge führt worden- Das Studium der deutschen Finanzlage hat begon nen, die Ratgeber Deutschlands, die von der Londoner Konfe renz vorgesehen worden sind, befinden sich hier in Berlin und der Apparat ist auf diese Weise in Bewegung gesetzt worden. Das wichtigste aber ist, daß die Nationen, die auf der Londoner Kon ferenz vertreten waren, sich auf Zusammenarbeit zur Hilfe für Deutschland haben einigen können- Obwohl der Genius und das Verantwortungsgefühl des Bankiers sich von der Politik fern zuhalten hat, so müssen trotzdem, wenn die Banken und die Kre ditinstitutionen ihre große Funktion in der Zukunft richtig aus üben wollen, zukünftige Generationen alle ihre Anstrengungen darauf richten, den internationalen Wohlstand zu erhöhen. Es genügt nicht, wenn jeder die Macht, die er auf diesem Gebiete besitzt, nur für seine eigenen Zwecke verwendet. Alle finanziellen Hilfsquellen mästen dazu verwandt werden, das Gewebe der nationalen und internationalen Zivilisation zu stärken und zusam menzuhalten. Und in diesem Zusammenhänge müssen die Grund ursachen der gegenwärtigen Krise früher oder später einmal klar ins Auge gefaßt werden und mit gesundem Menschenverstand und gutem Willen einer glücklichen Lösung entgegengeführt werden. Als Vorbereitung dazu muß ein Gefühl gegenseitigen Vertrauens geschaffen werden. Ein Gefühl gegenseitigen Vertrauens in per sönlicher Hinsicht, so daß die Staatsmänner, die miteinander ver handeln, wissen, daß der Unterhändler auf der anderen Seite offene und ehrliche Worte zu ihnen spricht und offen und ehrlich handelt. Nicht durch schriftliche oder mündliche Abmachungen, sondern durch ein Gefühl des Vertrauens im Herzen eines jeden ist dieses Ziel zu erreichen. Und zum Zweiten muß das Ver- trauensgesuhl von Nation zu Nation wiederhergestellt werden- Jedes Volk hat viel dazu beizutragen und ich möchte der Hoff nung Ausdruck geben, daß Besuche, wie der von Chequers, von London oder unser jetziger Berliner Besuch nicht als einzelstehende Tat achen bestehen bleiben, sondern daß sie als Ausdruck einer Tendenz zum besseren gegenseitigen Verständnis auf internatio naler Grundlage ihre Fortsetzung in ähnlichen Zusammenkünften finden mögen. Seit Abschluß der Londoner .Konferenz ist manches wichtige geschehen. Zu allererst mochte ich in diesem Zusammenhang die Hilfeleistung Frankreichs anerkennen und möchte dem Wunsche Ausdruck geben, daß die Besprechungen zwischen Ihnen und den französischen Staatsmännern fortgesetzt werden mögen unter Teil nahme anderer Länder, wenn dies nötig sein sollte. Die Schaf fung von Beziehungen von Mensch zu Mensch ist das wichtige. Wir wüsten die Vergangenheit vergessen, da die Zukunft von einer Politik abhängt, die nur von Männern geführt werden kann, die guten Willens sind und die von einem Bestie der Zu sammenarbeit beseelt sind, der es ihnen ermöglicht, die Beunruhi gungen und die Argwöhne zu unterdrücken, die, wenn sie bestehen