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8. Jahrgang. Mer Tageblatt -AW Mzeiger für -as erzgebirgr MiMlHVD mit -er wöchentliche« Unterhaltungsbeilage: Mer Sonntagsblatt. W Sprrchstmrü« See tb-aktio« mit siusnahm» ü»e Sonntag, nachmittag» 4—- Uhr. — «eiegramm-fweess»: Lageblatt MweeMblrg». ßvmstnech« «. »«hm<m 0«st,üui!,,» Ätz»,»». hü» «mverlangt »tn-efanbt» Manofkript* kam» Snotthr nicht stiftet w«rü«a. Nr. 24S. Dienstag» 21. Oktober 1913. Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Zn Leipzig fand in Gegenwart des Königs von Sach sen die Grundsteinlegung der Deutschen Bücherei statt. » In Gegenwart de» Kaisers und der Kaiserin hat die Feier des 1 50jährigen Bestehens der Kgl Porzellanmanufaktur sta.tgefun en. * Der deutsche Marineetat für 1914 wird sich dem Vernehmen nach um einige Million eil niedriger stellen als der Etat für das laufende Jahr.*) » Der russische Minister de» Aeußern, Tsasonow, trifft heute zu einem offiziellen Besuche in Berlin ein.*) * Der Ehurchillsche Vorschlag, ein Feterjahr im Kriegsschiffs«» ÄtHufüyren, wird von der englischen Press« abgelehnt. * In Texas ist ein amerikanischer Militärzug ver unglückt. Zwanzig Soldaten fanden dabei ihren Tod. Etwa hundert sind verwundet.*) »> Näh,r«« st«»« an and««« »ttll». Das österreichische Ultimatum. 'S' Nachdem die diplomatischen Vertreter de» Dreibun des in Belgrad nacheinander bet der serbischen Regie rung aus die Notwendigkeit der Beachtung der in Lon- von bestimmten Grenz«« Albaniens hingewtesen und auf die schleunige Räumung jener Stellungen gedrängt hat ten, die, obgleich sie -um autonomen Albanien gehören, von serbischen Truppen beseht gehalten Werden, ist der österreichisch-ungarische Geschäftsträger, Herr von Störck, in Belgrad noch einen Schritt weiter gegangen, indem er der serbischen Regierung mitteilte, Oesterreich.Ungarn erwarte, daß Serbien längsten» Vinnen acht Ta gen seine Truppen aus den von ihm besetzten Ge bieten des autonomen Albanien» zurüchziehe. Noch vor wenigen Tagen würde eine solch« Nachricht allerwürt» die Wüßte Beunruhigung hervorgerufen, In den ruhig- sten Gemütern KriegSbeftirchtungen geweckt Haven, aber inzfvischen hat die öffentliche Meinung in Europa die BaManvöKer und ihr« Angelegenheiten nüchtern und ohne Nervosität betrachten lernen. Man läßt sich nicht nur weniger leicht Wer di« Wirklichen Zustände und Vorgänge am Balkan täuschen al» früher, sondern man hat auch viele bestimmte Anhaltspunkte dafür, daß sich di« Gefahren für neue ernste Verwicklungen im nahen Der Mantel. ^Plauderei pon Mbert Frick. Nachdut« »«rdottn. Wir betrachten zumeist jede» Kleidungsstück vom Stand punkt der Mode. Was der schnelle Wechsel der Mode in den Vordergund drängt, erscheint uns als schön; was die Mode verworfen, hängen auch wir beiseite. Dabei spielt die Mode die eigentümliche Roll«, dah sie die Stände gegeneinander zum Kampf« ausruft und doch zugleich nivellierend wirkt. Jede Mode geht von den höchsten Ständen au», von wenigen Tonangebern in den vornehmsten KVeisen und verbreitet M nach und nach auf, die unteren Kreise hin. Ist, sie dort ange» langt, ist sie zu allgemeiner Mode geworden, dann gilt st« nicht mehr dm oberen Kreisen ab» Mode. Früher war das nicht so: gewisse Kleidungsstücke waren dm oberen, vorneh men Kreisen Vorbehalten, und dm niederen Ständen war es zuweilen Lei strengen Strafen verboten, di« Kleidung der vornehmen Kaste zu tragen. Wir legen «inen Mantel an, wenn die Kälte es erfordert und Vie Mode es gestattet, der vornehme Römer trug dm Mantel als Zeichen seiner Würde, ohne das er niemals öffentlich erschien. Freilich gibt es auch heute noch gewiss« Fälle, wo der Mantel «in Abzeichen einer Würde ist, der iKrLnungrmanlel zum Beispiel, dann auch bei der Geistlichkeit. Au» den altrömischen, mit gchrimnisool- len Zeichen geschmückten Mänteln der römischen Priester ent stand da» Pallium, ein weißer, wollener Mantel, dm die Bi schöfe seit dem vierten Jahrhundert tragen. Sie erhalten ihn bei der Weihe al» Symbol ihre» Amte», de» die Schafe aus dem Rücken tragenden Hirten. Wir bezeichnen heute im übertragenen Sinne mit dem Worte Mantel auch noch viel« Gegenstände technischer Art, di« weiter keinen anderen Zweck haben, al» eine schützende Hüll« abzu geben. Sa spricht man bei m Mauerwerk von ei nem Mantel, der da» nicht feuerfest« Kerngemau« Ixzeichner Orient in den letzten Wochen rasch verringert habens. Die politischen Leidenschaften im europäischen Wetter winkel haben sich ausgerast, und soweit sich noch einzelne Machthaber mit gefährlichen ehrgeizigen imperialistischen Plänen tragen, haben sie di« BolkSstimMen nicht mehr für sich. Das ist aber da» wesentliche. Bon politischen Abenteuern, denen Bolksmassen zujubeln, hat man.sich alle» mögliche zu versehen, wenn aber keine Volksseele mehr für sie kocht, die Massen, di« ihnen einst begeistert folgten, vielmehr über ihren unstillbaren Tatendurst murren, dann Ihä!': es für die europMsrre Diplomatie >>ci einiger Übereinstimmung nt-yt schiver, solche Wider spenstige zu zähmen. Erfreulicherweise haben sich die Schwierigkeiten für die Großmächte, in Balkanfragen! sich zu verständigen, seit den Balkankctegen verringert. Die russischen Panslavisten beherrscht nach den Erfah rungen de» zweiten Balkankrieges Und angesichts der An freundung Bulgarien» mit der Türkt eine Katzen- jamMersttmmung und die Peter»burg«r Machthaber sind weniger denn je geneigt, den Gefühl-Politikern jener Kreise zu folgen. Zudem ist man an der Sängerbrücke zurzeit wieder stärker durch ostasiatische Vorgänge in Anspruch genommen. Was die Initiativ« der Wiener Diplomatie Wetter sehr erleichtert, ist die Schwächung be it« Herrischen Mißtrauen» gegenüber der österreichischen Balkanpolitik. Die Ergebnisse der Balkankriege haben ein« abenteuerlich« österreichische Expansionspolitik auf der Balkanhalbinsel einstweilen so gut wie unmöglich gemacht, umso leichter entschließt man sich in Rom zu einem gemeinsamen Vorgehen mit Oesterreich zums Schutze per Grenzen Albanien». Serbien wird dem Willen der Dreibundmächte nicht trotzen. ES fehlt nicht an Anzeichen dafür, dah dem Ministerpräsidenten Paschitsch der äußer« Druck gar nicht unerwünscht ist, weil e» ihm nun umso leichter fällt, die Militärpartei in Belgrad, die vorübergehend die Ober. Hand gewonnen zu haben scheint, kchMzulegen. Da» serbisch« Volk Wird sich darüber nicht sehr aufregen. ES hat an zwei Kriegen genug und wünscht keinen neuen starken Aderlaß. Man erinnere sich der Schwierig keiten, auf die di« Mobilmachung gegen die albanischen Aufständischen stieß, und der heftigen Unzufriedenheit der serbischen Press« Über die Verzögerung einer Ein berufung der Gkupschttna, die auf die autokratischen Gelüst« der von ihren Erfolgen berauschten Militär partei zurückgeführt wurde. Aus der anderen Seite ist nicht anzunehmen, daß sich in Wien in maßgebenden! Kreisen schon wieder kriegerische Neigungen hervorwagen könnten. Dagegen spricht vor allem da» stark Friedens bedürfnis der Bevölkerung der Monarchie. Daß, Wie sich bei der Untersuchung gegen die Canada-PaciftoBahn, die feit kurzem eine SchiffahrtSlinie zwischen Triest und Kanada unterhält, herausstellte, in den letzten 10 Monaten 170 000 Wehrpflichtige von Auswande rungsagenten zur Auswanderung veranlaßt Werden konn ten, spricht Bände. Di« serbisch« Regierung hat bereit» Bei vielen Maschinen gibt es «inen Mantel, der zum eigent lichen Maschinenwerk nicht gehört, sondern diese» nur um schließt. Bei Geschossen, Gewehren und Geschützen gibt es ei nen Mantel, der Börsenmann nennt die Aktie oder Obli gation ohne die eigentlichen Wertpapiere, also den Umschlag, der die Coupons umhüllt, den Mantel. In der Botanik und in der Zoologie gibt «s Mäntel, Hüllen aller Art, der Man tel gilt eben als Bekleidung schlechtweg, ohne daß man dabei an die Form der Bekleidung denkt. Und selbst in ganz ab strakt«» Weise sprechen wir von Bemäntelung einer Sache, wenn wir durch die Rede etwa» zu verhüllen streben. Dies« Abstraktion ist freilich ganz konkreter Herkunft und schrei« sich von den sogenannten Mantelkindern her, den illegitimen Kindern, die die Braut bei der Trauung mit ihrem Mantel -Heckte, durch welche Bemäntelung die Mnder ihre Legiti mation erhielten. So suchen wir auch durch Bemäntelung in der Rede eine nicht legitime Sache legitim erscheinen zu lassen. Schon im Alterum gebot es aber, da eben der Man tel mehr ein Zeichen der Würde war, al» ein Schutz gegen Wind und Wetter, diese Würde, ihn mit Geschmack zu tra. gen. Der Faltenwurf, den man dem Mantel gab, zeugte von dem künstlerischen Geschmack dessen, der den Mantel trug, und war offenbar, wie Bildwerke de» Altertum» zeigen, der Per sönlichkeit vollkommen angepaßt. Kleine, dicke Personen tru gen den Mantel ander» al» große, schlanke, und es gab Per sonen. wie zum Beispiel Alkibiades, der ja wegen mancher genialen Äußerlichkeiten bewundert wurde, di« berühmt wv- ren wegen ihrer Geschicklichkeit dm Mantel zu tragen. Man hatte bestimmte Mäntel für bestimmte .L wecke; in zerrisse nem und zerschlissenem Mantel suchte der Angeklagte das Mitleid seiner Richter zu erregen. Der Bewerber um eine Ghrenstelle mußte sich in einem weißen Mantel zeigen, und der Weißgekleidet«, Tandidatu», heißt noch heute jemand, der sich um einen Posten bewirbt, obwohl er meist jetzt schwarz gekleidet, in einem Frack einhergeht. Der rote Purpurman- tel al» Zeichen der Hrrrscherwürde war schon im Altertum erklärt, daß si« die Bestimmungen de» Londoner Pro tokoll» qchten Wolle- und auch Befehl zur Einstellung des Vormarsches der serbischen Trüschen gegeben habe. Trotzdem zögert sie, die in Frage kommenden Positionen auf albanischemGebiet zu räuMen, Weil sie behauptet, va» könne man von ihr erst verlangen, wenn in Alba nien wirklich geordnete Zustände Platz gegriffen hätten. Sie wird sich eines Besseren besinnen, vielleicht noch, bevor die Frist von acht Tagen verstrichen ist. Man würde in Wien sich kaum für ein Ultimatum entschlossen inüen, wenn man sich der Wirkung nicht von vornherein sicher gewesen wäre. Doa äen baäischen Wahlen. S Am heutigen Dienstag wird das badische Volk an die Urnen treten, um wiederum für vier Jahre seine Ver treter zur zweiten Kammer zu erwählen. Die badischen Landtagswahlen erregen wett Wer die rotgelben Givens pfähle hinaus Interesse, weil sich -ei ihnen entscheiden wild, ob der Landtag de» Grotzherzogtum» auch ferner eine Mehr- iheit au» dem im Groß-lock vereinigten Liberalen und Sozialdemokraten aufweisen Mrd oder ob es dem Zentrum und den im Badener Land« allerding» sehr »schwach .vertrete nem Konservativen gelingen Mrd, die Mehrheit, um die st« für 1908 und 1909 vergeblich kämpften, HU «langen. Da» Stärkeverhältni, der Parteien war bisher derart, daß den 44 Abgeordneten de» Großblock» 17 Nationalliberäl«, 7 Fortschrittler, 20 Sozialdemokraten zählte man darunter Lö Zentrummnitglieder und 8 Konservative gegenüberstehen. Dem Groß-lock müßten also acht Mandate abgenommen wer- den, um ihn zur Minderheit zu Machen. Die» wär« an und für sich nicht unmöglich Denn Baden ist zu Mei Dritteln d«r Bevölkerung katholisch und bei der eifrigen Agitation de» Zentrum» wäre e» durchaus nicht ausgeschlossen, dah es dem Zentrum gelänge, einen so erheblichen Lett per katho lischen Wählerschaft in «fein Lag« herüberzuziehen, Mä der Groß-lock in die Minderheit gedrängt würde. Ab« gegen diese Möglichkeit sprechen doch durchaus die A-stim- mungsziffern -ei den letztverganyenen politischen Wahlen in Baden. M den Lackckagpwahlen 1909 erhielten di« zum Großblock vereinigten Parteien 183 000, da» Zentrum und die Konservativen dagegen.nur 122 000 Stimmen und -ei den Reichstagswahlen von 1912 wurden für Liberal« und Sozialdemokraten zusammen 256 000, für Konservative und Zentrum 148 000 Stimmen abgegeben. Innerhalb der drei Jahre von ,1909-4912 hat sich also das in dqN Abstimmung». Ziffern M darstellende Gesamtbild der politischen Stimmung in Baden noch zugunsten de» Großblocks verändert und in den etndreiviertel Jahren seit der Michewahkschlacht ist nicht» geschehen, was aus einen radikalem Umschlag in der Volksstimmung hinwiese. Trotzdem ist «» nicht ausgchhlossen, daß da» Zentrum, da» sein« Wählerschaft im Oberlande und in der Main- und TaUbergsgend eng« konzentriert fitzen hat al» die üb« da» ganze Land hin sich «»breitenden -Äannt. In Byzanz erschien selbst «ine Herrscherin in diesem Abzeichen der Macht, da» dann auch im Mittelalt« von den geistlichen Fürsten angenommen wurde und da» auch di« mächtigen Dogen von Venedig und Genua trugen. Ohne si« war keine Machtentfaltung denkbar. Wenn der Purpur fällt, muß der Herzog nach, heißt es im Schillerschen Fiasko. Mit dem Mantel fällt der Mächtige. Zum Purpur kam dann der Hermelin dazu, weil« die kostbarste Pelzsorte ist. Als sich der brandenburgische Kurfürst Friedrich NI. zum preußischen König Friedrich I. krönen ließ -- am 18. Januar 1701 in »Königsberg — trug er ein Scharlachkleid mit De- mantknöpfen besetzt, von denen das Stück 8000 Dukaten ge schätzt wurde, und darüber wallte der weite Kvönungsmantel von purpurfarbenem Samt, üb« und Wer Mt in Gold ge stickten Kronen und Adlern bedeckt und von einer köstlichen Agraffe zusammengehalten, welche von drei großen Demanten gebildet wurde, zusammen eine Tonne Goldes wert. Einen gleichen Mantel trug auch die Königin. Zwei kostbare Män tel, bestimmt, einmal im Leben jene» Fürstenpaares getra gen zu werden, das Nur wenige Jahr« noch der dadurch er rungenen königlichen Macht sich freuen konnte, Mäntel ab«, die ein Rtesenvermögen kosteten und die den verschuldeten Staat noch tiefer in Schulden stürzten. Nicht alle Krönung». Mäntel sind purpurfarben, die Könige von Frankreich wur den in blauen mit Hermelin besetzten Mänteln gekrönt, Vie mit goldenen Lilien bestickt -waren. Der rote Mantel da gegen wurde im Mittelalt« zuweilen auch von solchen an- gelegt, die im Namen eines König» gleichsam als dessen Wer- tret« auftvaten, zum Beispiel auch vom Scharfrichter, den aber der Mantel -nicht davor bewahrte, al» unehrlich ange- sehen zu werden. Und den fürstlichen Purpur mit Herme lin trägt noch in unseren Tagen der Rector Magnifieu» ei ner Universität, der in seinem Reiche ja auch der gewählte Herrscher ist und für diese» Reich weitgehendste Machtbefug- Nisse hat. Natürlich trägt auch er den Mantel nur bei be sonder» festlichen Gelegenheiten. Eid» große historische Be-