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Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Stadt rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 240 — 94. Jahrgang Drahtanschrift: „Tageblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Montag, den 14. Oktober 1935 Der Guezkanal. Wird er geschloffen oder nicht? Der Völkerbund hat Sanktionen gegen Italien geschlossen, um den Krieg in Abessinien möglichst schnell zu beenden. Damit taucht auch die von An fang gn viel erörterte Frage wieder auf: Wird der Suezkanal geschlossen oder nicht? Eine solche Maßnahme würde Italien schwer tresfen, da der ganze Nachschub zum abessinischen Kriegsschauplatz durch den Kanal geht. Ler Suezkanal, diese künstliche Wasserstraße, die vaD Mittelländische und das Rote Meer miteinander ver bindet, ist die Schlagader des Verkehrs nach Südafrika, Indien und Ostasien. Auch Abessinien, dessen einzig bequeme Zugänge am Roten Meer liegen, kann von Europa aus nur auf diesem Wege erreicht werden, wenig stens, wenn man nicht den einen Monat längeren Weg nm Nord- und Südafrika herum benutzen will. Seit dem ersten Tage, an dem Italien den Feldzug Segen Abessinien vorbereitete, ist es einer der besten Kun den des Suezkanals geworden. Man kann annebmen, daß Mussolini annähernd eine halbe Million Soldaten und Arbeiter nach Afrika geschickt hat, die alle zu Schiff Verfrachtet werden mußten. Sinn ist aber so eine Durch fahrt durch den Suezkanal ein recht teures Vergnügen. Die Verwaltung des Kanals ist auch heute, da die meisten Währungen nicht mehr entfernt den Vorkriegsstand auf weisen, nicht von ihren nach Goldfranken berechneten Tarifen abgegangen. Bis vor wenigen Wochen betrug die Durchfahrtsgebühr für Schiffe 5,75 Gold franken (etwa 5 Mark) für jede Tonne Schiffsraum. Ein Mittlerer Handelsdampser von 5000 Tonnen hatte also stets für eine Durchfahrt 25 000 Mark zu entrichten. Erst auf den Protest italienischer und französischer Schiffahrts kreise hat sich die Verwaltung kürzlich entschlossen, den Preis für Frachtraum um 20 v. H. zu senken. Nicht ge ändert wurde aber die Durchfahrtsgebühr für Personen. Denn das ist das Merkwürdige: Neben der Schifssgebühr ist auch noch eine weitere Gebühr von 10 Goldfranken (etwa 9 Mark) pro Person zu entrichten. Bei Truppen transporten kommen da schon ganz ansehnliche Summen zusammen. So dürfte ein einziger italienischer Truppen transporter ungefähr 50 000 Mark Gebühren zu ent richten gehabt haben. Allerdings sei hier erwähnt, daß Italien bisher die Durchfahrtsgebühr schuldig geblieben sein soll. Aber die Suezkanalgesellschaft kann es sich schon einmal leisten einen solchen Schuldner zu haben, denn sie ist bisher noch immer auf ihre Kosten gekommen. Allein 1933 passierten Schiffe mit einem Gesamt schiffsraum von 30 Millionen Tonnen den Kanal. Sie mußten also 150 Millionen Mark an Durchfahrtsgebührcn entrichten. Dazu kamen aber noch ungefähr 2,4 Millionen Mark für Passantengebühren. Das Geschäft blüht also, und der Gewianausweis für 1935 dürfte noch ganz andere Zahlen aufweisen. Wer Suezkanalaktien in Händen hat, hat für sein Leben ausgesorgt. Von den rund 500 Mil lionen Goldfrunken Reingewinn, die 1923 und 1933 aus gewiesen wurden, erhielten die Aktionäre 71 v. H. Das Aktienkapital der Kanalgesellschaft beträgt 200 Millionen Goldfranken. Der Wert einer 250-Franken-Aktie ist im Laufe der Zeit auf nahezu 4000 Goldfranken gestiegen. England vereinigt 46 Prozent des Aktienkapitals der Suezkanalaktien in seinen Händen, und hat sich seinen Einfluß auf den Suezkanal gesichert. Denn die Aktien mehrheit ist auf viele, meist Kleinrentner in Frankreich, verteilt, die keine geschlossene Aktienfront gegen England bilden können. England besaß diesen Anteil nicht von Beginn an. Zunächst war es vielmehr Frankreich, das reges Inter esse an dem Bau des Kanals nahm. Bekanntlich ist ja auch der Franzose Lesscps der Erbauer dieser wichtigste« aller Scüifsabrtsstraßen. Aber bald nack der seierlstk-m SiWzielle li. MsWW SaMm Die Beratungen der Genfer Sanktionskonserenz. Ler Ausschuß der ständigen Sanktionskonferenz in Genf hat am Sonnabendnachmittag eine vierstündige Be ratung über die Möglichkeit wirtschaftlicher Sanktionen abgchalten, ohne zu einem Ergebnis ge kommen zu sein. Der Ausschuß hat beschlossen, am Mon tag die Verhandlungen fortzusctzcn. Man hat noch nicht die in Aussicht genommenen Unterausschüsse für die Frage des Imports aus Italien und des Exports nach Italien eingesetzt, weil der englische Völkerbundsminister Eden sich gegen diesen Vorfchlag ausgesprochen hat. In der Aussprache haben die Eng länder scharfe Forderungen gestellt, Abschneidung aller kriegswichtigen Einfuhr nach Italien und Aüschneidung aller Ausfuhr Italiens in andere Mitgliedsstaaten des Völkerbundes, so daß der gesamte italienische Handel lahmgelegt und Italien auch durch Mangel an Devisen für seine Ausfuhr gezwungen werden würde, die Aus fuhr auf den Gebieten einzuschränken, die nicht kriegs wichtig sind. Die Engländer sind dabei vondenFran- zosen unter st ützt worden. Die Sanktion Nummer 2, die Verhängung der Sperre für Anleihen und Kredite gegenüber Italien, wurde Sonntag nachmittag in Unterbrechung des sonst im Völkerbund heiligen Sonntagsfriedens in einem Unter ausschuß und später in einem großen Ausschuß der stän digen Sanktionskonferenz vorbereitet. Der große Aus schuß hat jetzt statt 16 18 Mitglieder. Man zahlt Portugal, weil es den Präsidenten gestellt hat, jetzt zu diefem Ausschuß und hat Mexiko ausgenommen, weil es größere Ollieserungen nach Italien hat und deshalb zur Vorbereitung der wirtschaftlichen Sanktionen heran gezogen werden muß. Man nahm in Genf am Sonntag abend mit Sicherheit an, daß der Ausschuß und die Voll versammlung der Sanktionskonferenz umgehend die schar fen Kredttsanktionen beschließen werden. Es wird sich dabei umdasVerbotvonStaats- krediten an Italien, das Verbot der Auslage italienischer Anleihen in den Mitgliedstaaten handeln, weiter um das Verbot der Auflage öffentlicherE Missionen durch irgendwelche Per sönlichkeiten oder Gesellfchasten Italiens in den Mitglieds staaten des Völkerbundes, das Verbot der Eröffnung von Bankkrediten von Mitgliedsstaaten an Italien, von Bank krediten persönlicher Art oder durch Gesellschaften an Italien und um einige Bestimmungen, die getroffen werden, um ein Ausweichen vor diesen Verboten zu ver hindern. Normale Handelswechsel sollen aus dreißig Tage gegeben werden. Die Entscheidung in dieser Frage hängt davon ab, wie weit die maßgebenden Banken der Vereinigten Staaten gehen wollen. Man hat beschlossen, darüber in New DorkErk undigungen einznziehen. Durch Mitteilungen in einem dem Völkerbund nahe stehenden Genfer Blatt erfuhr man übrigens, daß der englische Minister Eden die Sperre der Einfuhr ita lienischer Güter in allen Mitgliedsstaaten als wichtigste Maßnahme deshalb verlangt hat, weil damit 70 Prozent der italienischen Ausfuhr erledigt sein würden. Das Blatt des Völkerbundes erklärt dazm Saß, wenn diese Sanktion beschlossen würde, das italieni sche Volk nur noch das Recht habe, mit den Waffen in Afrika zu sterben oder in Italien Hunger zu leiden. Eden soll erklärt haben, daß diese Sanktion so scharf und wirksam sein würde, daß man, da sie im Rahmen der bestehenden Handelskontingente leicht anzuwenden und leicht zu kontrollieren sei, einen vollen Erfolg baben könne. In der Aussprache haben übrigens Titulesc« (Rumänien), Pouritsch (Jugoslawien) und der tür kische Außenminister Entschädigungen dafür ge fordert, daß sie sich an wirtschaftlichen Sanktionen gegen Italien beteiligen sollen. Dieser Forderung hat sich auch der griechische Vertreter Maximos angeschlossen, der in Genf ein seltsames Schicksal erlebt hat. Er hat am Donnerstag die Tribüne der Vollversammlung zur Ab gabe einer Erklärung als republikanischer Außenminister bestiegen und sie als abgesetzter Außenminister in einem Königreich Griechenland verlassen. Maximos ist aber von der jetzigen griechischen Regierung als Genfer Ver treter bestätigt worden. — In der Sitzung des Aus schusses hat man Eden gefragt, wie er sich zur Frage der Entschädigung stelle. Der englische Minister hat keine Antwort gegeben. Äuße rungen, die der russische Vertreter Potemkin über die Notwendigkeit der Vorbereitung von Sanktionen gegen die Nichtmitgliedstaaten und gegen Österreich und Ungarn für den Fall, daß sie sich an Sanktionen nicht beteiligen, getan hat, werden in dem Blatt des Völkerbundes in be sonders scharfer Form wiedergegeben. Danach hat Potemkin direkt Einführung sofortiger Sanktionen gegen Lsterreich und Ungarn gefordert, und der rumänische Vertreter Titulescu hat sich dieser Forderung angeschlossen. Es ist auch die Frage aufgeworfen, ob man nicht die diplomatischen Be netzungen zu Italien abbrechen müsse. Der Präsident hat aber die Erörterung diefer Frage nicht ausgenommen, sondern ebenso wie die Frage der Behandlung der Nicht- Mitglieder zwecks weiterer Erörterung der Vollkonserenz überwiesen. Einigung über die Kredttsanktionen. Im Ausschuß für die Kredttsanktionen wurde am Sonntagabend nach vielstündigen Beratungen eine Einigung erreicht. Es ist eine Entschließung aus- gearbeitct, die dem Großen Ausschuß der Sanktionskonfe renz zugelettcl wurde. Die englische Abordnung hat im Laufe des Tages unentwegt auf Verschärfung der finanziellen Maß nahmen gedrängt und ihr Ziel schließlich erreicht Lie Entschließung selbst wurde mit Rücksicht darauf, daß ihr Inhalt für die Banken der ganzen Welt von großer Be deutung ist. streng vertraulich behandelt. Im Lause des Sonntag haben auch vielfache Besprechungen zwischen englischen und französischen Sachverständigen über die wirtschaftlichen Sanktionen stattgefunden. Der englische Völkerbundsminister Eden hat auch hier eine Einigung zwischen England und Frankreich erzielt. Es ist eine Abstufung der wirtschaftlichen Sanktionen vorgesehen in der Form, daß von Woche zu Woche neue Maß nahme» verkündet werden. Einweihung des Kanals erkannte England seinen Fehler. Als 1875 der Khedive Ismael von Ägypten in finanzielle Schwierigkeiten geriet, griff der englische Staatsmann Disracli (Lord Beaeonsficld) zu und kaufte ihm das Aktienpaket für vier Millionen Pfund Sterling ab. Da mit war Englands maßgeblicher Einfluß gesichert. Dar über hinaus hat aber England seitdem unablässig an dem Ausbau seiner militärischen Stellung am Suezkanal ge arbeitet. Die anderen Völker versuchten zwar mit allen Mitteln, die Neutralität des Kanals zu sichern, aber mit recht wenig Erfolg. Am 29. Oktober 1888 kam der so genannte Vertrag von Konstantinopel zu stande, der den Wünschen aller Beteiligten gerecht werden sollte. Die beiden wichtigsten Artikel dieses Vertrages lauten: Artikel 1: Der maritime Suezkanal wird stets, in Kriegszeiten wie in Friedenszeiten, jedem Handels oder Kriegsschiff ohne Unterschied der Flagge frei- und offenstehcn. Dementsprechend kommen die Vertrags- schließenden Parteien überein, die freie Benutzung des Kanals in Kriegs- und Friedenszciten nicht zu beein trächtigen. Der Kanal wird niemals der Ausübung des Blockaderechtes unterworfen werden. Artikel 2: Da der maritime Kanal laut Artikel 1 in Kriegszeiten selbst den Kriegsschiffen der Krieg führenden zur freien Durchfahrt offensteht, vereinbaren die Unterzeichner, daß kein Kriegsrecht, kein Akt der Feindseligkeit, noch auch irgendein Akt zum Zwecke, die freie Schiffahrt auf dem Kanal und in seinen Einfahrts- Häsen sowie im Umkreise von drei Seemeilen von diesen Häfen zu verhindern, ausgcübt werden darf. Siebzehn Staaten garantieren diese Abmachung, aber England hat gewisse Vorbehalte gemacht, und es könnte sich jetzt, wo es zur Anwendung von Sanktionen gegen Italien kommen soll, auf diese Vorbehalte stützen. Wenn auch der Vertrag keine Sperrung des Kanals zuläßt, so gibt doch die Geschichte bereits mehrere Beispiele, wo diese Neutralität durchbrochen wurde: 1898 im spanisch amerikanischen Krieg, 1905 im russisch-japanischen Krieg durch die russische Blockierung des Kanals, und schließlich im Weltkrieg, als England den Kanal sperrte. Sollte die Sperrung des Kanals im Zuge der Sanktionen gegen Italien jetzt wieder geplant sein, so wird der Völkerbund sich darüber entscheiden müssen, ob der Vertrag von 1888 noch gültig ist oder ob die Völkerbundssatzung hier in Kraft tritt und den Vertrag außer Kraft setzt.