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/luer Tageblatt AW Anzeiger für -as erzgebirge IW ?MLWK« mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsblatt. ZKKWM ».?«» Sprechstua», »tt N»»oM,i, «u Naenahm» «smuag, «achmiüag» 4—» Uh«. — L-ttgramm-fttr-ss» r Lagebla« ffveerzgedlrg». fernfprechrr SZ. »».«» />' *LWr M- u°o«l-aal ttngefav»» Maauffttpt. kam, Onoöh» «ich. geastet ««»«. Nr. 100. Sonnabenck, 3. Mai ,913. S. Jahrgang. Dies« Nummer umfaßt 14 Seiten. Außerdem liegt das achtseittge illustr. Sonntagsblatt bei. Das Wichtigste vom Tage. Aus dem Schlachtfelds von Großgörschen sand gestern eine Erinnerung» feier statt, di« mit der Enthüllung eine» Scharnhorstdenkmal» verbunden war. * Der Präsident desüsterreichischen Reichsge richt» und frühere Minister Dr. Joses Unger ist in Wien 85 Jahre alt gestorben. » Rach einer Meldung au» Eattaro soll Erbprinz Danilo Skutart zur Haupt st adtdon Mon tenegro proklamiert haben?) Ein königliches Dekret ordnete den BelagerungSzu- stand auf allen durch Griechenland be- sehtenJnseln an. * Bet einem Kampfe mit dem marokkanischen Stamm« der Schloe in Stdt Alt verlor die französische Kolonne de» Obersten Man- gtn achtzehn Tote und 41 Verwundete?) »> N0H-I-« an ander«» Mutmaßliche Witterung am 4. Mui: SUdmestmind, zeit, weise aushciternd, etwa» wärmer, lein erheblicher Nieder- schlag. Ein Derlegenheitsmanöver. Europa ist wieder einmal in Verlogenheit. Es möchte so gern ei-nig bleiben und wsitz doch nicht, rote es einig bleiben kann. Oesterreich möchte die Monte negriner möglichst rasch aus dem eroberten Autavi hinaus werfen und Rußland möchte ihm — wenn es auch nicht mehr zu .hindern ist, daß König Nikita die Feste Meder verlassen muß, wenigstens ein anständiges Schmerzensgeld «verschaf fen. Zwischen diesen beiden Polen gibt es anscheinend keine Annäherung. Da soll England hilfreich einspringen. John Bull, der ja überall Interessen hat, ist ja auch lebhaft interessiert, daß am Mittelmeer das europäische Gleichgewicht nicht gestört werde. Das europäische Gleichgewicht hat es ja England immer ermöglicht, auf dem Kontinent das Züng lein an der Wage zu spielen, bald der einen Mächtegruppe, bald der anderen das Uebevgerotcht zu verschaffen, ohne sich sonderlich in Unkosten zu stürzen. Es liegt deshalb geradezu in der Richtung der historischen «Politik Englands, goenn es jetzt das Spiel einer Mächtegruppe verderben will. Die» ist jetzt — wie fast immer seit Edward» VH. Tagen — der Dreibund. Der Dreibund schickt sich an, Montenegriner und Serben von der Adriaküst« zu vertreiben, an der sie nach Europas einmütigem Willen nichts zu suchen haben. Schon aber.sucht England diesen Plan zu durchkreuzen. Es ist zur Stunde noch nicht sicher, ob England wirklich sich al» Dritter im Bunde dem Vorgehen Oesterreich» und Ita lien» gegen König Nikita und seine albanischen neugewon- neuen Lunderbrüder «»schließen wird. Die Abneigung in England gegen «in energische» Handeln an der Adria ist recht groß. Aber wenn e» sich anschlletzt, so tut e» da» nur in der Absicht, Oesterreich Fesseln anzulegen. Da» hat die Botschafteikonferenz am Montag zur Genüge «bewiesen. Hät- te sich Grey am Montag in London entschlossen aus di« Seite Oesterreich« gestellt, so wäre e» vermutlich zu einer Eini - gung gekommen und Oesterreich und wohl auch Italien hätten da» europäische Mandat zur Beruhigung Nikita» be kommen, da» jetzt durch ein Hintertürchen doch noch kn di« Boischafterkonferenz Hineingelassen werden soll. Woher nun diese Sinnesänderung? Einzig, und allein, weil man erkannt hat, datz Oesterreich» Geduld zu Ende ist. Da sucht man noch zu retten, was zu r»tt«n ist, da» heißt Nikita soll nicht zu scharf angefaßt werden. Und da» soll England «besorgen. L«id«r leistet ihm dabei' der Bundesgenosse Oesterreich», Italien, Helfersdienste. Italien bemüht sich, England al» dritten Mann zu gewinnen, nicht vielleicht so sehr, um der ganzen Aktion «in internationa le» Mäntelchen zu geben als um Oesterreich» Taten drangzu mäßigen. Denn e» will ja nicht selbst aktiv gegen Königin Vena» Schwiegervater oovg«hen, mutz «Ho den Kampf um Skutart dem DrÄLundgenossen überlassen, der iü Albanien bisher sein gefährlichster Nebenbuhler war. Da» Bestreben, jetzt noch, nachdem erst die Mächte von Ge walt gegen di« ungeberdigen Lschernagoren nichts wissen wollten, ein Internationale» Einschreiten herbeizu führen, zeigt deutlich, was damit beabsichtigt Dich. E» soll wieder einmal Nikita nicht zui wehe getan werden. Bleibt aber Oesterreich dabei, datz nun einmal dem ganzen Spuk an seiner Südostgrenze ein Ende — und zwar ein Ende mit Schrecken — bereitet werden soll, dann wird es der Wett jetzt, wenn England suchen sollte, dem ein Halt entgegenzu- rufen, erst recht kund, wie einig Europa ist. Und die Hoch achtung König Nikitas vor diesem einigen Europa wich ins Ungemessene fallen. So ist dieses Berlegenhektsmanöver, in zwölfter Stunde ein« Aktion zu stände zu bringen, ,in Wahrheit ein Verschleppungsmanöver. * Falschmeldung über Deutschland» Stellungnahme. Did Norddeutsche Allgemeine Zeitung schreibt: Die Pretz-Zentrvle «verbröitet, Deutschland habe in Wien außer ordentlich eindringlich vor dem Einmärsche in Montenegro abg«rat«n, da di« russisch« Regierung der deutschen Regierung die Erklärung abgegeben habe, datz sie «inen An griff auf Montenegro mit der Vewaffneten Neutralität, da ¬ heißt. «mit der Konzentrierung von mindestens dreihundert- tausend Monn an der österreichischen Grenze beantworten würde. Wir können feststellen, datz weder hier eine der artige russisch« Erklärung «abgegeben, noch, in Wien «in« Warnung erteilt worden ist. Die ganze Meldung ist er- fund « n. Als unrichtig zu bezeichnen ist auch eine Meldung der Daily Mail, datz der deutsche und der österreichisch-un- garische Botschafter in Konstantinopel von der Unterzeich nung de» Friedensvertrage, vor Abschluß der Skutarifrag» abgeraten hätten. , * Orsterreichtscher Mtnisterrat. Der gestrige österreichisch« Ministerrat dauert« von vor- mittag« 11 Lis nachmittags 2A Uhr. In Wiener maß gebenden Kreisen betrachtet man die Situation vom österreichisch-ungarischen Standpunkt au» al» unverän- dert, da man der Ansicht ist, daß nur eiste Vorbehalt- lose Unterwerfung Montenegro» unter den Willen der Mächte Zwangsmaßnahmen unnötig machen könnte. Eine Unterwerfung ist bisher aber nicht erfolgt, auch lieg« kein Anzeichen dafür vor. Di« Situation höchst krttssch Da» Neu« Wiener Dagblatt veröffentlicht eine Unter- redung mit einem Staatsmann, der an dem Minister- rat teilnitmnt. Der Staatsmann habe erklärt, die Situa tion sei höchstkritisch. Die Politik Oesterreich-Ungarn, fei, wie seit Beginn der ganzen Krise, klar und au frich« t i g. Oesterreich - Ungarn habe au» seinen Absichten kein Geheimnis gemacht und werde nunmehr zu deren Verwirk lichung gedrängt. Der gestrig« Ministerrat werde sich schon mit den finanziellen und militärischen Gtnzelfragen befassen, dir sich auf die Durchführung dieser Absichten be ziehen. Bon den bevorstehenden militärischen Dispositionen werde der Ministerrat nur Kenntnis nehmen. Der Staat», mann habe die Hoffnung ausgesprochen, daß die militärische Aktion lokaler Natur bleiben werde. Was Italien betreffe, so könne er nach bestem Wissen mitteüen, daß es mit Oester- reich-llngarn gehen werde. Di« Meinung der Wiener Börse. Der Kommissar der Wien«/ Mrs« veröffentlichte «m Freitag an der Mittagsbörse folgendes offizielle Tommunt- quö: Die politische Situation ist unverändert. Oester reich nimmt den unveränderten Standpunkt.ein, daß die europäischen Beschlüsse schnellsten» durchs «führt werden müssen. » Ei« Manifest über di« Annetzissn Skutart». Die AlLaneflsche Korrespondenz berichtet aus Satckro, daß der montenegrinische Thronfolger Erbprinz Das» nilo an die Einwohner von Skutart «in in awanefischer Sprache verfaßte, Manifest gerichtet HM, in dem er die Annexion Skuta«i»Leka«ntgtbt und di« Stadt zu, Hauptstadt Moutenegrvs pvokkamhert. Die schöne Pronnesse. Humoreske von Ponta. (Nachdruck o«rL»I«>.) Unsere Perle barockte! Da» taten unsere Perl«« fast immer, wenn sie einige Zett in unserem Besitz waren. Au» tadellosen, richtig geformten, richtig gefärbten Perlen wuch sen allerlei Ausbuchtungen heraus, ihr reine» Unschulds weiß bekam allerhand seltsame Schillerungen, sie wurden halt zu Barockperlen! Meine Frau, die Humor hat und auch gern neue Wortgebilde sucht, nennt da» dann barocken. Also Hulda davockte. Sie war un» von einer guten Bekannten al» tadellos« Perle empfohlen. Ich hatte gleich Bedenken! E» gibt so wemg Tadellose» im allgemeinen heutzutage. Und nun gar bei den Perlen ... Na, «man «miß ja! Hulda ließ sich zwar nicht schlecht an. dkowou s,1 omou. Unter Hulda stellt man sich so wa» Schwärmerische», Sanfte», Schmacht« lockenhaft«» vor. Und Hulda hatte so rva»! Sie stammt« au» dem schönen Dhiertngen (sprich Thüringen), wo »» ja leicht so wa» gibt. Aeußerlich sah man'» ihr »war nicht so sehr an. Ader st» hatte «s wohl innerlich. Denn seit »in paar Tagen kam'» durch. Hulda wurde zerstreut; da, war da, erst« Symptom. Sie stand gedankenverloren, mit ir gendeinem Hau»haltgegenstand in der Hand, und starrt» mit wett ausgerissenen Augen in ein« Fern«, in der e» sicherlich di, interessantesten Ding» zu sehen gab. St» stand »ft mi nutenlang so! Da» sah sehr komisch au» wenn st» dabei «inen Besen, «in Scheuertuch, »inen Topf krampfhaft fest hielt, — aber wenn daneben aus dem Herd die Milch über kocht», war das weniger komisch. Manchmal Nett st» di» Ding« aber auch nicht fest genug. An «tnmn tag» fanden »in Milchtopf, «eine Tast« und «in Teller mit gekochten Pflaumen ein schveckltche» End«. Dio Milch überschüttet» da« neue Morgenkletd mein«, Frau, die Pflaumen machten »inen Niesensleck auf dem schneeweiß gescheuerten Fußboden. Und da, «ar doch direkt peinlich. Ein paar Tag» lang ging'» danach besser. Hulda war fröhlich und guter Dinge. Sie sang da» schöne Lied vom Ritter Huhjoh und der Hin- da, die in de» Gatten» dunkler Laub« Hand in Hand fitzen, und: Hach, wie ist'» möglich denn? Fragte man st«, warum fie neulich so sonderbar gewesen sei, so lächelte sie geheim nisvoll. Dann wurde es wieder schlimmer. Hulda starrte wie- der, lieh wiederLLpf« fallen, sowie auch einmal eine Sauciere voll der schönsten Gänsesau«, womit sie .sich und meine Frau gleichmäßig begoß, und di« un» obendrein nun zum Gänse- braten fehlte. Außerdem weinte fie. St« konnte auf ein« beunruhigende Art §weinen. St« vergoß Thränenströme, buchstäblich Ströme! Unser« Supp« schmeckte manchmal son derbar in dieser Zeit. Mein« Frau argwöhnt« ein« Ver wechslung des Salze» mit Natron, ich aber ahnt« Tränen! Da» war auch nicht appetitlich zu denken, nicht wahr? Aber dann «twa nach ein«, Woche dies,» Zustande» ändert« sich wieder all«». Hulda war jetzt tn d«r Tat ganz Hulda! Schmachtend, MvärmerM sentimental. St« sang: Hist d«nn Lieben — Hein verbrech«»? — — Hulda, sagte ich «enn St« d«nn schon fingen müssen, warum d«nn immer mit 'n«m H, wo kein» htngchört? Hulda sah mich vor- «urfewoll an. Da» gcheert sich nu doch «emol« Leim Singen, erwiderte fi» vorwurfovoll. Ich «ar geschlagen! Natürlich, da» geheert sich so! Daß ich auch da» nicht wußte. Und dann sang st, da» Sich von der häßlichen Einrichtung: Da» hist -im Leben häßlich hetnaettchtet. Na, Sott, sei Dank. Singen ist Lesser al» Milchtopf« und Sänsesauc, -tnschmet- ßen! Sogar mit'n«m H. Sonderbar I Genau nach «in«r Woche diese» glücklichen Zustande» ändert« sich da» Bild wilder. Aber jetzt wurde es direkt h «unruh tgend. Denn nun vergoß Hulda M»«r« von Tränen. Si» rang di» Hände. Sio stammelt« undeut lich» Worte. Sie rauste sich da» Haar. Kurz, fi» »»fand sich in einem Zustand« äußerst«» Verzweiflung. Mein« Fra» war wütend. Erstens, weil sie selber kochen mußte, denn ich weigert« mich entschieden, mich Mi Gerichten, die durch Hul da» Tränen reichlich gewürzt waren, zu ernähren, — ich hab' nun einmal die Antipathie — dann aber auch, weil Hulda sonst wirklich «tn ganz brauchbar«, Mädchen war und sie es nur ungern entlasten wollte. Aber was kann man mit einer Hulda anfangen, di« augenscheinlich an periodischem Irrsinn leidet? — Ich tröstete fi«, — meine Frau nämlich: vielleicht wird'» wieder bester, du weißt ja, am letzten Sonntag hat sich'» auch geändert. O ja, «» änderte sich. Genau am Sonntagabend. Aber nicht zum Guten! Hulda brütete jetzt stumm vor sich hin. Si« fuhr entsetzt tn die Höhe, wenn man fi« anrief. Sie kam au» dem Keller vom Kohlenholen nicht wieder. Al« ich hinunterstieg, mein» Frau fürchtete sich, -- fand ich .fie auf den Kohlen fitzend. Si« sah starr in ein« Ecke und.murmelt« roa» vor sich hin, da» ich nicht «erstand: Pronnest«! — wa» sagen St«, Hulda? — O j« o je, di« schön« Pronnest«, jammert» st« verzweifelt. — Na, nun kommen St» mal 'rauf, Hulda, sagt» ich tröstend, und oben erzählen Sie mir mal, wa» denn la» ist. Hulda fotzt, leis» jammernd. JiN Tageoltcht Lot st« einen jäm merlichen Anblick. St» hatt» ihr» Trän»n mit Kohl«nfin- g«rn abgewifcht und «ihr Haar im Uebermatz de» Schmerz« zmrauft, auch mit dem Effekt, daß in d«n blonden Sträh nen schwarz« Tropfen waren. So. Hulda, sagt» ich mild« — ich Li,» tn solchen Fällen immer für Mitt« — und nun sa gen St, mir mal, «a» Ihnen fehlt! Hulda schüttelt» den Kopf: Huch, huch, jammert» fie, »» i» zu« fürchterlich. — wa» ist fürchterlich Hulda- — Huch, da» mit der schönen Pronnest«! — Mit wa»? -- Huch doch mit der schönen Pronnest»! — Na, w a» ist denn damtt, Hulda? — Huch nunn« fitzt st» tn der Hochnengruft! — wo fitzt fi«, Hulda? — In der Hahnengrust, und «in, gwtz» Steinplatte liegt drauf. — wodrauf, Hulda? — Nunn«, doch auf der Hah- nengruft. So war doch richtig, Hulda «ar wirklich verrückt. Wie