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Zum 5. Sonntage nach Trinitatis. Matth. 13, 4S u. 46: Das Himmel reich ist gleich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und da er eine köstliche fand, ging er hin und verkaufte Alles, waS er hatte und kaufte dieselbe. Der Kaufmann suchte gute Perlen und fand eine köstliche Perle. Es giebt kaum einen Menschen, der nicht Perlen suchte, kaum einen, indem nicht ein mächtig Seh nen nach einem Gut oder Glück wohnte. Du suchst mehr als Brod und Kleid, suchst Perlen, die das Leben ver schönern, ein eigenes Heim, Kenntnisse, Künste, Amt, Ehren, ein Leben in Lust und Freude. Denn viele se hen solche Dinge als die Perlen des Lebens an und geben, gleich Kaufleuten, manches hin, um sie zu erwerben. Alle suchen, was sie für Perlen halten. Aber Jesus redet nicht nur vom Suchen nach Perlen, sondern vom Suchen nach guten Perlen. Jener Alaun hat ohne Zweifel in seinem Leben auch Perlen kennen gelernt, die ihm auf die Dauer nicht genügen konnten, weil sie sich als unecht bewiesen. Jetzt sucht er nach echten. Wer das thut, der ist und wird ein Sucher nach dem Himmelreich. Dahin muß alles Suchen nach guten Perlen führen. Alle wahr haft guten Perlen sind nur der Vorgeschmack von dem Wege nach der köstlichen Perle. Denn alles Suchen des Herzens ist, bewußt ober unbewußt, ein Suchen nach Friedm, also nach Christo. Christus istunser Friede. suchst du sie, gute Perlen, mußt aber klagen, daß du die eine köstliche Perle, Jesum und die Gerechtigkeit in ihm, noch nicht gefunden hast? Die Schuld liegt an dir und nickt am Herrn. Er thut alles, damit die Seele das Eine findet. Hast du das rechte Suchens Gerech tigkeit und Friede möchtest du haben, in den Himmel möchtest du kommen, aber du möchtest das alles als Zu gabe zu dem, was du schon hast. Das ist nicht das rechte Suchen. Der Kaufmann hatte das rechte Suchen, darum fand er nicht bloß eine gute, sondern eine köstliche Perle. Dem Aufrichtigen läßt es der Herr gelingen. Suchst du von ganzem Herzen, hungert und dürstet dich wahrhaftig nach Gerechtigkeit und Frieben, so wird die eine köstliche Perle, Jesus, die Perle voll Gnade und Wahrheit, sich von dir finden lassen und dir mit sich selber geben Frieden und volles Genüge. Und der Preis, um den du die edle Perle kaufen mußt? Er lautet: Alle deine Habe. Gefunden wird sie durch aufrichtiges Suchen, gewonnen wird sie nur um den höchsten Preis. Wer schon gute Perlen sucht, wie Paulus, der unsträflich lebte nach dem Gesetz, der giebt auch die guten Perlen hin um der einen köstlichen Perle willeu. Willst du sic nicht nur finden, sondern behalten, dein eigen nennen? Denn höre: Gieb hin, was dir das Liebste ist, Dick und alles Deine. Verleugne dich selbst. Die Perle ist es Werth. So viele sie erlangt haben, die haben genug darin, die begehren sonst nichts mehr, weder von irdischen, noch von anderen scheinbaren Dingen. Die sprechen: Bringt Edelstein und Schätze, Bringt Glück und Wonne her; Was ist's, das mich ergötze, Fehlt mir mein Leben, Er? Brinat Kronen her und Güter, Bringt was ein Mensch nur weiß: Das Labsal der Gemüther, Mein Jesus bleibt der Preis. Vaterländisches. Wilsdruff, 13. Juni 1902. — Am 26. vorigen Monats und folgende Tage hat eine abermalige Ausloosung Königlich Sächsischer Staats papiere stattgefuuden, von welcher die auf O'///« herab gesetzten, vormals 4°/g Staatsschuldm-Kassenscheine von den Jahren 1852/55/58/59/62/66 und/68, 3^7« derglei chen vom Jahre 1867, auf37z°/o herabgesetzten vormals 4°/o dergleichen im Jahre 1869, die durch Abstempelung in 3^2 7o und 40/0 Staatspapiere umgewandelten Löbau- Zitlauer Eisenbahnaktien Ost. und L, ingleichm die den 1. Dezember 1901 zurückzuzahlenden, auf den Staat übernommenen 37, "/v Partialobligationen von den Jahren 18^/^ derLeipzig-Dresdner Eisenbahn-Kompagnie betroffen worden sind. Die Inhaber der genannten Staatspapiere werden hierauf noch besonders mit dem Hinzufügen auf merksam gemacht, daß die Listen der gezogenen Nummern in der Leipziger Zeitung, dem Dresdner Journal und dem Dresdner Anzeiger veröffentlicht, auch bei sämmtlichen Bezirks-Steuer-Einnahmen, sowie bei allen Stadträthen, Bürgermeistern und Gemeindevorständen des Landes zu Jedermanns Einsicht ausgelegt werden. Mit diesen Listen werden zugleich die in früheren Terminen ausgcloosten bez. gekündigten, aber noch nicht abgehobenen Nummern wieder ausgerufen, deren große Zahl leider beweist, wie viele Interessenten zu ihrem Schaden die Ausloosungen überseben. Es können dieselben nicht genug davor ge warnt werden, sich dem Jrrthume hinzugeben, daß, so lange sie Zinsscheine haben und diese unbeanstandet ein gelöst werden, ihr Kapital uugekündigt sei. Die Einlös ungsstellen können eine Prüfung der ihnen zur Zahlung präsentirten Zinsschcine nicht vornehmen und lösen jeden echten Zinsschein ein. Da nun aber eine Verzinsung ausgelooster oder gekündigter Kapitale über deren Fällig keitstermin hinaus in keinem Falle stattfindet, so werden die von den Betheiligten in Folge Unkenntniß der Aus loosung zu viel erhobenen Zinsen seinerzeit am Kapitale gekürzt, vor welchem oft empfindlichen Nachtheile sich die Inhaber von Staatspapiercn nur durch regelmäßige Einsicht der Ziehungslisten (der gezogenen wie der resti- renden Nummern) schützen können. — An den Anschlagsäulen in Dresden befand sich eine Bekanntmachung der Staatsanwaltschaft in Altona, welche 300 Mark auf die Ergreifung des Raubmörders aussetzt, der vor Kurzem im Holsteinischen eine alte Frau ermorder und beraubt hat. Daß eine solche Belohnung mitunter auch andere, als die erwünschten Folgen haben kann, mußte am Montag Mittag der Werkführer einer angesehenen Dresdner Firma erfahren. Dieser geht jeden Tag durch die Waisenhausstraße und besah sich am Mon tag bei dieser Gelegenheit an einem Schaufenster aus liegende Photographien, wobei er an eine Unordnung an seiner Kleidung aufmerksam gemacht wurde und diese be seitigte. Dies fand ein dortiger Ladeninhaber „auffällig", schickte zum nächsten Gendarmen und dieser verhaftete den Wcrkführer als — Holsteiner Raubmörder, obgleich ein! vorüberkommender Bekannter die Persönlichkeit des Ver- hafteten feststellte. Dieser wurde unter großeni Auflauf fortgeführt und erst der Verwendung seiner Chefs ver dankte er seine Freilassung. — Die evangelischen Arbeitervereine in Dresden werden sich in diesem Jahre erstmalig geschlossen an den Stadtverordnetenwahlen betheiligen, und zwar beabsichtigt man, einen besonderen Kandidaten aufzustellen. — Chemnitz. Wegen systematischer Soldaten schinderei wurde der Unterofficier im 22. Pionierbataillon zu Riesa Leopold Beyer zu einem Jahr sechs Monaten Gefäugniß vcrurtheilt. Gegen dieses Urtheil legte sowohl der Gerichtsherr als der Angeklagte Berufung beim Ober kriegsgericht zu Leipzig ein, ersterer, weil er die Strafe für zu niedrig erachtete, letzterer, weil er in einer Anzahl von Fällen zu Unrecht verurtheilt sein will. Nach ein gehender Beweisaufnahme, zu der fast die ganze Corporal- schaft als Zeugen geladen war, schloß sich das Oberkriegs gericht den Feststellungen der Vorinstanz auf thatsächlichem Gebiete an und verwarf beide Berufungen. Der Urtheils, begründung entnehmen wir, daß das Oberkriegsgericht nach der ganzen Sachlage den Schluß gezogen hat, daß Beyer systematisch die Recruten geschunden hat und daß ihn auf jeden Fall eine große Mitschuld an dem Selbst- morde Stemmlers trifft. — Plauen i. V. Ein bedeutender Uhrendiebstahl ist Nachts bei einem hiesigen Uhrmacher verübt worden. Es sind 37 goldene und silberne Damenuhren, 22 Herrenuhren aus Silber und Nickel, Herrenketten und Broschen gestohlen worden. Die gestohlenen Sachen hatten einen Werth von gegen 2000 Mk. -- Oelsuitz. Eine hier in der Nordstraße wohnhafte Fabrikarbeiterin k«m in den Verdacht, ihr etwa 4 Wochen altes Kind langsam getödtet zu haben, indem sie das arme Wesen verhungern ließ. Die von der Königl. Staatsanwaltschaft Plauen angeordnete, am Sonnabend Vom Königl. Bezirksarzte und Herrn Dr. med. Schmidt vorgenommene Sektion ergab, baß des Kindes Mund und Gaumen so stark mit „Schwämmchen" besetzt waren, daß eine Nahrungsaufnahme nicht möglich war. Der Magen inhalt des Kindes wurde behufs chemischer Untersuchung nach Planen gesandt und die Frau in Haft genommen. — Während noch vor wenigen Jahren in Falken, stein mehrere Hunderte Handstickmaschinen in Thätigkeit waren, sind diese Maschinen von den Schiffchenstickmaschinen in neuerer Zeit fast völlig verdrängt worden, denn bei der am 1. Mai vorgenommen Zählung der Arbeiter und Stickmaschinen sind nur noch 28 Handstickmaschinen in Thätigkeit, während 139 Schiffchenmaschinenbetriebe mit mehreren Hundert Schiffchenmaschinen gezählt wurden. Allerlei Ungereimtes in Reimen. (Nachdruck verboten.) „Aus deutsches Noik! Halt gute Wacht! Richt deinen Blick nach Osten! Sei gegen Polcnubermuth genügend auf dem Posten!" In diesem Sinne ist es jüngst aus Kaisermund erklungen, Von Ost nach West, von Nord und Süd ist dieser Rus gedrungen. Des deutschen Reiches Ostmark wird bedrohet von Gefahren, Weil dort zu sehr das Polenthum wuchs in den letzten Jahren: Das Deutschthum ward zurückgedrängt! — der Slave will erringen Dort Land und dadurch Macht und einst zur Geltung beides bringen. Schon manche Scholle deutschen Lands gerieth in Pvien-Hände, Fürwahrlich, es wird Zeit, daß deutsche Langmuth geht zu Ende! Schwer geprüft. Roman von Georg Gertz. S8 Nachdruck verboten. Auch Martha athmete Die Trennung fiel keinem schwer. erleichtert auf, als Hermann fori war. Sie hatte eine geheime Angst nicht überwinden können, daß er nochmals Unheil an- richten werde. Jetzt halte sie dies nicht mehr zu sürchteu. Doch sie täuschte sich, sie hatte keine Ahnung davon, daß dieses Fortgehen Hermanns nur eine List war, ersonnen, um seinen Plan um so leichter ausführen zu können, ohne daß der Ver dacht sich auf ibn lenkte. Zum Weihnachtsfeste wollte Wessel mit seinem Patienten In Wien eintreffen, wohin auch der Kommerzienrath und Martha reisen wollten, um den glücklich Gefundenen zu begrüßen. Das wußte Rabe. Er hatte auch erfahren, daß sie im Hotel „Goldenes Kreuz" Wohnung nehmen wollten. Er begab sich nun nach Wien, ließ sich den Bart abrasieren und kaufte sich eine Bedientenlivree. Nachdem er sich so unkenntlich ge macht, ging er täglich nach dem Anlegeplatz der Donaudampfer, um die Ankunst Wessels und Fabers abzupasscn. Er mußte freilich einige Tage warten, denn die andauernde Schwäche des Patienten, hatte eine mehrmalige Unterbrechung der Reise nothwendig gemacht und die Ankunft um einige Tage ver- iögert. Endlich kamen sie an und fuhren ins Hotel. Reinhold n>ar noch so schwach, daß er nicht gehen konnte, sondern in den Wagen getragen werden mußte. Kurz darauf trat auch Rabe ins Hotel. Er gab sich für tinen Diener der soeben angekommeneu Herrschaften aus und beß sich noch deren Zimmer zeigen. Dann verschwand er wieder, vnter dem Vorgeben, einen Auftrag ausführen zu müssen. Nun war er beim Hotelpersonal bekannt und konnte un- Kehindert ein- und ausgehen. Darauf baute er seinen Plan die günstige Ausführung seiner schwarzen Tbat. Er legte sich setzt ans die Lauer. Nach einigen Stunden sah er Wessel das Hotel verlaffen. Diese Zeit wollte er be nutzen. Er ging ins Hotel. Den zurückbleibenden Diener hoffte er leicht zu täuschen und unter einem schicklichen Vorwand zu entkernen. Unangefochten ließ ihn der Portier passieren. Oben angekommen klopfte er und winkte dem öffnenden Diener herauszukommen. „Der Herr Lieutnant läßt Ihnen sagen, Sie sollen sofort mit diesem Billet zum Anlegeplatz der Donau-Dampfschiffe gehen und ihm seine kleine Handtasche holen, welche er auf dem Dampfer hat liegen lassen. Ich soll unterdessen bei dein Kranken bleiben." Der Diener, in der Annahme, Hermann sei ein Hotel- Bediensteter, nahm das Billet und machte sich auf den Weg, nachdem er Hermann instruirt, wie er sich dem Kranken gegen über zu verhalten habe. Jetzt schlafe der Kranke, er habe also nichts nölhig, als im Vorzimmer zu lauschen, falls derselbe er wache und zu trinken wünsche. Rabe wat ins Zimmer. Vor einer Stunde konnte der Diener nicht zurück sein und auch Wessel würde hoffentlich nicht so bald zurückkommen, er hatte also keine Störung zu fürchten. Die Thüre zum Nebenzimmer war leicht angelehnt, so daß Nabe dasselbe übersehen konnte. Der Kranke lag mit dem Gesichte ihm zugekehrt. Wie war er verändert! Die Wangen waren bleich und die Augen lagen tief in ihren Höhlen, von dunklen Ringen umschattet. Jeder hätte Mitleid mit dem armen Kranken haben müssen, der nur ein Schatten war gegen früher. Aber Nabe rührte dieses Jammerbild nicht, ec sah in ihm nur den Nebenbuhler, den Menschen, der ihm auf seinen: Lebenswege hindernd in den Weg getreten war und ihn um das Millionenerbe brachte. Daher mußte er aus dem Wege geräumt werden. Selbst vor einem Morde schreckte er nicht zurück. Er griff in seine Brusttasche und holte eine Brieftasche hervor, der er eine kleine Düte entnahm. Bist satanischem Lächeln betrachtete er das weiße Pulver darin. „Ja, sa, tbeuer warst Du", murmelte er leise vor sich hin, „mit Gold habe ich Dich dem alten Heuchler zehnfach auf wiegen müssen. Aber das thut nichts, wenn Du nur deine Schuldigkeit thust. Und das wirst Du sicher, denn als ich ihn nach der Wirkung fragte, zitierte er mir mit grinsendem Munde die Worte des Giftmischers aus Shakespeares „Rome» und Julia": Thut dies in welche Flüssigkeit Ihr wollt, Und trinkt es aus; und hättet Ihr die Stärke Von Zwanzigen, es hüls' Euch gleich davon. Nun laß sehen, ob's so ist." „Er trat dicht an die Thüre. Der Kranke hatte sich jetzt umgewendet und lag mit dem Gesichte der Wand zugekehrt. Die tiefen ruhigen Ntbemzüge verriethen, daß er noch immer schließ Leise trat Nabe ins Zimmer. Am Kopfende des Bettes stand auf einem Tischchen ein Glas Wasser und mehrere Mediziuflascheu. Die Düte in der Hand schllch er näher und war eben im Begriff, das Pulver ins Wasserglas zu schütten, als er plötzlich Wessels Stimme auf dem Korridor hörte. Heftig schrak er zusammen. Wo sollte er hin. Aus dem Zimmer konnte er nicht mehr heraus ohne bemerkt zu werden. Da gewahrte er, daß das Zimmer einen Balkon hatte, schnell entschlossen öffnete er lecke die zu demselben sührende Thür und trat hinaus. Es war bitter kalt auf den: Balkon und Rabe klapperten bald die Zähne vor Frost, aber er mußte aushalten, um gelegentlich, wenn das Zimmer einmal leer würde, seine Absicht auszuführen und dann schleunigst zu entfliehen. Als Wessel ins Immer trat, wunderte er sich, seinen Diener nicht zu finden, nachdem er sich aber überzeugt, daß Faber rubig schlief, glaubte er, daß der Diener auf kurze Zeit hinaus gegangen sei. Er setzte sich ins Nebenzimmer aufs Sofa und begann zu lesen. Durch den Spiegel tonnte er das Neben zimmer übersehen, um scpoltbeider Hand zu seüi, wenn Faber sich rührte.