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Nr. S7 Sonntag, äen 20. März 1927 22. Jahrgang /luer Tageblatt sEZM Anzeiger Mr -as Erzgebirge ^^8 Telegramme. Tageblatt flueerzgebirg« Enthalten- -le amtlichen Sekanntmachungen -es Rates -er Sta-t UN- -es Amtsgerichts -tue. postfcheck.gonto: Fmt LNps«g Nr. 1»»» Keudell-Debatte im Reichstag Ministers, Rußland zu isolieren, da» Londoner Kabinett Polen die Zustimmung für einen derartigen neuen mi litärischen Handstreich gegenüber Litauen gegeben hat. Tatsache ist jedenfalls, daß die Warschauer Regierung an der polnisch-litauischen Grenze größere Streitkräfte kon zentriert hat. Auf neue Ueberraschungen in Osteuropa wird man sich somit gefaßt machen müssen. Ob die Sowjetregierung sich einem etwaigen neuen Einmarsch Polens in Litauen gegenüber neutral Verhalten wird, muß bezweifelt werden, umso mehr, al» zwischen Li tauen und Sowjetrußland ein Freundschaftsvertrag be steht und gegenwärtig neue Verhandlungen im Gange sind, die auf den Ausbau dieses Abkommen» htnau-lau- fen. Angesichts der Uneinigkeit der Parteien in Li tauen ist im übrigen kaum damit zu rechnen, daß die litauische Bevölkerung einem neuen Einfall Polen» militärischen Widerstand entgegensetzen wird. Berlin, 19. März. Die polnisch-litauischen Be ziehungen haben neuerdings wieder eine bedenkliche Spannung erfahren. Nicht nur in Moskau, sondern auch in Berlin liegen Informationen vor, daß das Warschauer Kabinett nunmehr einen Druck auf Litauen ausüben wolle, und zwar dahingehend, daß die litauische Ne gierung nunmehr gewissen Forderungen Polens zu stimmt, .die verschiedene Differenzen zwischen beiden Mächten aus dem Wege schafft. Nachdem sich Polen in den Besitz von Kowno gesetzt hat, hält man es in den Politischen Kreisen der Retchshauptstadt nicht für aus geschlossen, daß Polen jetzt einen Vorwand sucht für einen neuen militärischen Handstreich in Litauen. Un verbürgten Gerüchten zufolge habe man in Warschau die militärische Besetzung von Kowno für den 19. März, dem Geburtstage Pilsudskts, vorgesehen. ES ist durchaus nicht von der Hand zu weisen, daß im Zusam menhang mit den Bestrebungen des britischen Außen ¬ nächsten Tagen wird der Entwurf dem Kabinett Vvrgv- legt. Nm 1. Avril sollen noch einmal Kinder in die untersten Klassen der Privatschulen ausgenommen wer den können. Verwaltungsreform und -abbau sind eine besonders wichtige Pflicht des Innenministers, welche möglich^ bald zum Abschluß kommen muß. Für Ver einheitlichung der akademischen Berichtigungen will ich gern sorgen, ebenso für die Reform des höheren Schul wesens. Das Problem der Staatsangehörigkeit ist völ lig befriedigend nur international zu lösen. Bei der nächsten internationalen Privatrechtskonferenz ist eine Erörterung in Aussicht genommen. Selbstverständlich keiten wie die Reichseinheit habe ich gestern nicht allzu ausführlich behandeln wollen. Ich konnte aber nicht zugeben, daß die Länder ihre Etnzelstaatlichkett ver loren hätten. Ich -berufe mich auf Anschütz und di preußische Negierung. Zur Frage der Titel und Orden kann ich mich mit Rücksicht auf schwebende Verhandlungen mit den Län dern nicht äußern, ebenso über das Ausführungsgesctz zu Artikel 48 (Unruhe und Gelächter links). Konkor datsverhandlungen haben anläßlich der Regierungstreu« bildung nicht stattgefunden. Die Ressorts Prüfen die Frage, aber zu irgendwelchen Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl ist es noch nicht gekommen. Ueber das Privatschulwesen sind einheitliche Vereinbarungen mit den Ländern getroffen worden. Sobald die Zustimmung sämtlicher Länder erfolgt ist, werden sie dem Reichstag vorgelegt. Das Entschädigungsgesetz ist inzwischen fer- tiggcstellt, es soll eine erschöpfende Regelung bringen) seine baldige Durchführung wird angestrebt, in den Bor einem polnischen Handstreich Kowno sott besetzt werden! 18. März. Zn der gestrigen Sitzung demokratische Führer Koch Stellung zu den Innenministers v. Keudell. ,Er er- Das Zweiparteiensystem ist für Deutschland viel leicht gar nicht erstrebenswert. Wir brauchen keine ale?» ^ts oder links, sondern einen Aus ¬ amt Entschieden müsse er cs verurteilen, daß der Minister dre Souveränität der Länder anerkennen will. Zeder Neichsminister hat die Aufgabe, für die Neichs- etnchett und -souveränttät einzutreten. (Beifall links) In tausendjähriger deutscher Geschichte sehe ich keine Spur von gesundem Föderalismus, sondern nur fürst, der das Reich nach außen ge schwächt Hat. Und Bismarcks Bundesrat war kein föde ralistisches Organ, sondern nur der Schild der Kaiser- gewalt gegenüber dem Reichstag, wie der Reichstag der Schild der Kaisergewalt gegenüber den Ländern war Und wie steht es mit ver Stammeseigenart? Waldeck besteht aus 25 000 Niedersachsen und 25 000 Hessen die einander kaum verstehen. (Heiterkeit.) Hält man eS für richtig, daß Preußen polizeilich aus Bachern aus gewiesen werden können, daß in Bayern gegen die Neichsverfassung Titel und Orden eingeführt werden? Wir verlangen den Ausbau der RetchSetnhett und be antragen zunächst Einführung der Reichsangehörigkeit an Stelle der StaatszugeHörigkeiten. Der Redner tritt ferner für die Freizügigkeit der Anwälte, für eine Unterstützung der Vergrößerungs pläne Hamburgs, für ein deutsch-österreichisches Zoll gebiet und für eine Verwaltungsreform auf unitarischer Grundlage ein. Abg. Koch kritisiert weiter die Steuer versprechungen an Bayern anläßlich des Finanzaus gleichs als Bezahlung für den Eintritt der Bayrischen Volkspartet in die Regtcrungskoalition und die Tatsache, daß die bayrischen Finnnzamtspräsidenten erst 1926 aus die Republik vereidigt worden seien, nachdem Dr. Rein hold den Widerstand der bayrischen Negierung endlich gebrochen Hatte. (Lebh. Hört, hört! links.) Schulange, legenhetten seien Staatsangelegenheiten und könnten nicht durch Konkordate geregelt werden. (Beifall bet den Demokraten.) Abg. Leicht (Bahr. WP.) begrüßt es, daß v. Ken del! sich für die staatliche Eigenpersönlichkeit der Län der ausgesprochen hat. Diese Einstellung sei der Reichs verfassung besser angepaßt als die der Redner, die jn den Ländern nur geographische Begriffe sehen. Der Parteigenosse des Abg. Sollmann, der preußische Mi nisterpräsident Braun, betont sehr nachdrücklich die staatliche Eigenpersönlichkeit Preußens. Er Hat das be sonders bet dem Streit mit Hamburg getan. Im Aus schuß für die Umbildung der Länder wußte man von einer GeHetmanwetsung der preußischen Regierung, die darauf Hinauslief: Preußen nimmt alles an, was sein Gebiet erweitert, es lehnt alles ab, was sein Gebiet verkleinert. (Heiterkeit.) Notwendig ist der W'lle, dem Staate zu dienen. Wer diesen Willen hat, st lte uns willkommen sein, auch wenn er die monar h Mische Staatsform für die bessere Hält. Abg. v. Ramin (Völk.) meint, der gegenwärtige Innenminister sei ein einwandfreier Mann, aber das parlamentarische System versammle nicht die höchste Blüte deutschen Geistes und schaffe keine Auslese der besten Führer. Darum arbeiteten die vaterländischen Verbände an einer Aenderung des Systems. Eine kapi talistisch beherrschte Presse und der Rundfunk stützten das heutige System, von dem man eine Rettung Deutsch- lands nicht erwarten könne. Neichsiiiuenminister v. Keudell erwidert dem Abg. Sollmann, er stehe zu jedem Wort, das er im Aus schuß gesagt habe. Ohne „Formulierungen" komme man nicht au». Sie bringen allerdings die Gefahr, daß man sich ausetnanderrede, was den Staat nicht stärke. Außer dem sei „übertriebenes Formulieren ein Zeichen von Schwäche". Welche Bestimmungen des Nepublikschuh- gesetzes aufrcchterhalten werden sollen, wird zurzeit im ReichSjustizmtntsterium geprüft. (Zuruf links: Und Ihre Ansicht?) Damit halte ich bis zum Schluß dieser Prü- fung zurück. Die Rückkehr des Kaisers ist nicht akut. Wir werden dazu bet der Verlängerung des Republik- schutzgesetzcs Stellung nehmen. Die Beschleunigung der Einbringung des MinkstcrpenstonSgesetzeS liegt der Reichsregterung sehr am Herzen. Ter Entwurf über die Arbeitszeit der Beamten bezieht sich nur auf die HohettSverwaltungen; darüber sind noch Verhandlungen mit anderen Ministerien erforderlich. Richtlinien über Befähigung und Einstellung von Beamten werden dem nächst da» Kabinett beschäftigen. Ta» provoz eeenbe Tragen von Abzeichen durch Beamte.im Verkehr nut de« WMkum itz untersagt. Sitzung cles Auswärtigen Ausschusses. Mehrere Tage Debatte im Reichstag. Berlin, 18. März. Der Auswärtige Ausschuß des Reichstages setzte heute unter dem Vorsitz des Abg. Wallraf (Dntl.) in Anwesenheit des Außenministers Dr. Stresemann, des Staatssekretärs von Schubert und des Ministerialdirektors Gaus die Beratungen über die Verhandlungen in Genf fort. An der Aussprache beteiligten sich Neichsaußenminister Dr. Stresemann nnd die Abg. Stöcker (Kom.), Ulitzka (Zen trum), Dauch (DVP.), Dr. Schnee (DBP.) und Dr. Hötzsch (Dntl.). Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Auf die Vertrau lichkeit der Ausschußverhandlungen wurde von dem Vorsitzen den nochmals ausdrücklich hingewiesen. Zu der kommenden außenpolitischen Debatte im Reichs tag hören wir aus parlamentarischen Kreisen, daß sich der Reichsaußenminister Stresemann nochmals vor dem Reichstag über das Genfer Ergebnis aussprechen wird. Dabei wird er aber auch wohl auf die großen außenpolitischen Probleme der Jetztzeit eingehen. Indessen steht es heute noch nicht fest, ob der Reichskanzler Dr. Marx in die Debatte eingreifen wird. Für die Dauer der außenpolitischen Debatte rechnet man mit einem Zeitraum von mehreren Tagen. Mege zur cleulscken Cinbeil. Ein« Red« Stegerwald». Berlin, 18. März. Zn München sprach gestern der Abgeordnete Stegerwald über Wege zur deutschen Einheit. Er führte dabei u. a. aus: Zwei große Fehler seien begangen worden: Erstens, daß in der Weimarer Verfassung kein klares Verhältnis zwischen Reich und Ländern geschaffen worden wäre, und zweitens die un reife Verschmelzung der Mehrhettssoztalisten M per USP. Durch Liese sei die gesamte Sozialdemokratie radikalisiert worden. Sin Deutschland, wie cS durch den Versailler Vertrag geschaffen worden wäre, sei auf die Dauer unmöglich. Entweder ganz Europa rüste in absehbarer Zett ab oder Deutschland müsse wieder eine starke Wehrmacht erhalten. Deutschland brauche ausrei chend Lebensraum. Zur Innenpolitik übergehend, be- zeichnete Stegerwald die heutige Demokratie al» Formal, demokratte. Mit der sozialistischen Ideenwelt sei kein Volkstum, kein Bolksstaat und keine Wirtschaft in Mtt- teieurvpa aufzubauen, Stegerwald verlangte größere Beträa» au» öffentlichen Mitteln, um Tüchtig« au» den Sesttzläsn Schichten durch, Besuch Höherer Hchulen in führende Stellungen hineinwachsen zu lassen. Zum Schluß betonte er, die Durchführung de« DaweS-Plane» sei eine Unmöglichkeit. Seginn -er -eutsch-tschechoslowakifthen hanüelsvertragsverhan-lungen. Berlin, 18. März. Amtlich- Tie Delegationen für die Handelsvertragsverhandlungen zwischen Deutsch land und der Tschechoslowakei haben ihre gemeinschaft lichen Beratungen, die zuletzt im Februar d. I. in Prag stattgefunden haben, am 17. März in Berlin wieder ausgenommen. Für die gegenwärtige Verhandlungs periode steht ein Zeitraum von etwa sech» Wochen zur Verfügung, in dem außer den einzelnen Zolltartfwün- schen auch Fragen der Ein« und Ausfuhr, der Klein» Greuzverkehr und die Bestimmungen de» allgemeine« Vertragstextes erörtert werden sollen. deutschlan-s Antwort auf -en belgischen Protest. Berlin, 19. März. Der belgische Gesandte hat jetzt beim Auswärtigen Amt wegen der Begnadigung des Mörders des belgischen Leutnant» Graff zu zehn Jahren Gefängnis vorstellig geworden und hat darauf hingewlesen, daß diese Maßnahme der preußischen Re gierung in Brüssel großes Befremden hervorgerufen hat. Dem Gesandten konnte noch keine endgültige Antwort erteilt werden, da sich zunächst da» Retch»kabinett mit der Angelegenheit beschäftigen muß. Eine Stellung nahme der Regierung zu der belgischen Beschwerde tst in den nächsten Tagen zu erwarten. Schon jetzt kam« gesagt werden, daß der Protest Belgien» »urüchgewtese« werden wird. diplomatischer Schritt Italien» «egen -er angeblichen kriegerischen Vorbereitungen Jugoslawien». London, 19. März. „Times" berichtet, die ita lienische Negierung Habe der britischen Regierung nnd anderen Regierungen mttgeteilt, sie habe Informatio nen .erhalten, daß auf jugoslawischem Gebiet Vorberei tungen in gewaltigem Maßstabe für einen Einbruch nach Albanien gemacht würden, um die albanische Regierung zu stürzen. Italien habe vor kurzem den Vertrag von Tirana mit der Regierung der albanischen Republik ge- schlossen und »» verlaut«, daß die italienisch« Kigierung gegrnüber d^m Schicksal dieser Alterung nicht gleich, gültig bleiben «erd«.