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Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievmlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 35. Dienstag den 16. Jutt 1872. Bekanntmachung. Das für Marie Therese Adler aus Wilsdruff uuterm 30. September 1870 hier ausgestellte Gesiudezeugnißbuch ist nach einer anher erstatteten Anzeige verloren gegangen, was zur Verhütung von Mißbrauch damit hierdurch bekannt ge macht wird. Königliches Gerichtsamt Wilsdruff, am 15. Juli 1872. Leonhardi. Tagesgeschichte. Das „Leip;. T." berichtet aus Leipzig, 12. Juli: Auch in un serer Umgegend — Cemuewitz, Leutzsch, Lindenau, Schönfeld rc. — hat der Kornschnitt seit gestern begonnen. Die Qualität der Frucht erweist sich als ausgezeichnet. Plauen, 10. Juli. Durch ein gestern in der weitern Umgebung aufgclrosfenes Gewitter, Perbuuden mit heftigem Schloßenschlag, sind die Früchte auf den Flnren der Dörfer Jößnitz und Trieb, sowie theilweisc von Steinsdorf, NuppertSgrüu, Liebau und Nöttis fast to tal vernichtet worden. Eibenstock, 10. Juli. Wie man dem „Eibenstocker Anz." mit- theilt, erschlug der Blitz bei dem gestrigen Gewitter in dem Dorfe Steinbach 2 Personen, ebenso wurden 2 andere betäubt. Dippoldiswalde, 10. Juli. Bei dem vorige Nacht über unsere Gegend gezogenen Gewitter zündete der Blitz in der Scheune des Gutsbesitzers Richter in Schönfeld, und wurde das Gut mit den vorhandenen Vorräthen und Mobilien ein Raub der Flammen. Der „F. A." berichtet: Am 10. d. M. bemerkte der Freiberger Ortöpolizcidicncr auf seinem Wege durch den Hospitalwald daselbst einen niedrigen Erdhügel. Nerwundert darüber, entfernte er mit dem Fuße die Erde und sand unmittelbar darunter ein ungefähr '/.Jahr altes Kind vergraben. Nach geschehener Anzeige ist auch bereits noch an demselben Tage die gerichtliche Aufhebung Seiten der königlichen Staatsanwaltschaft und die Beisetzung des unglücklichen Kindes auf dem Johaunisfriedhofe erfolgt. Am 9. d. Morgens hatte sich der Zuchtbulle aus dem Nittergutc Hainewalde bei Zittau von der Kelte losgemacht und sich auf den Tagarbciter Glathe aus Spitzknnncrsdorf gestürzt. Derselbe wurde auf eine schauderhafte Weise von ihm gclödet. Die herbeigeeilten Mensche,,, welche sich in den Stall gewagt hatten, um Gleiche als Leiche dem Thicre zu entreißen, mußten sofort den Stall verlaffen, indem der Ochse auch auf diese cinging. Selbst einige herzugerufene Fleischer wagten nicht, das Thier zu fesseln. Auf herrschaftlichen Befehl mußte das wüthendc Thier durch die Kugel des herrschaft lichen Försters zum Fenster hinein getödtet werden. Glathe war 72 Jahr alt, Wittwer, ein braver Mann und allgemein beliebt. Stollberg, 8. Juli. Gestern, Sonntag, fand in unserer Haupt kirche eine Trauung statt, wie sie in Stollberg noch nicht gesehen. Herr Freitag aus Niederwürschnitz, der im Kampfe ums deutsche Vaterland durch.eine französische Kanonenkugel beide Arme verlor, wurde mit derjenigen getraut, die, als er noch unverletzt und als ge sunder Jüngling nm ihr Herz und ihre Hand warb, ihm durchs Le ben zu folgen versprach. Lugau, 10. Juli, lieber die weitern Vorkommnisse auf dem Vertrauensschacht, d. i. die ehemalige Fundgrube, kann das CH. Tgbl. Folgendes als sicher mitthcilcn: Die Zahl derer, welche von den 101 am 1. Juli 1867 verschütteten Bergleuten bis heute zu Tage geför dert wurden, beträgt 82, so daß also mit den 2 Manu, welche be reits früher im Schachte auf den Bühncu aufgcfuuden wurden, 84 Mann herausgeschaffc worden sind. Bevor die noch fehlenden 17 zu Tage gefördert werden können, muß erst ein Bruch beseitigt werdeu. Bereits sind 36 Mann eingesargt und in der hiesigen Todtenhalle vorläufig aufgestellt worden, was auch mit den Uebrigen, sobald die hierzu erforderlichen Särge herbeigeschasft sind,' geschehen wird, lieber Begrübniß derselben, sowie über eine damit zu verbindende Trauer- feierlichkeit, ist noch nichts Bestimmtes zu vernehmen. Zur Feier des alljährlich am 2. September zu feiernden National- Festes ist folgendes Programm vorgeschlageu worden: 1) Am Abend des 1. September: Große Feuer auf den Höhen, um welche sich die Menge schaart. Wort und Gesang würdigen die Bedeutung des heißen Schlachttages von Sedan. Glockengeläute und Kanonendonner. 2) Am frühen Morgen des 2. Sept.: Reveille, Glockeugeläutc und Ka nonendonner. 3) Vormittags: Festzug unter Betheiligung aller Stände, Vereine und Corperationen durch die im Schmucke der Fah nen und Kränze prangenden Straßen zum FestgotteSdieust. 4) Nach mittags Auszug zur Volksfeier im Freien. Großes Schulfest im Freien. (Letzterem geht am Nachmittage oder vor dem Festgoltes- dienst am Morgen eine Feier durch Gesänge und Vorträge in den Schulsälen voran.) 5) Abends: Festlicher Rückzug in den Ort. Illu mination. Zwei Jahre find in diesen Tagen darüber vergangen, daß Frankreich in frivolster Weise Deutschland zum Kriege herausfordcrte. Wer sich des infernale» Jubels erinnert, mit welchem damals der Ruf „si Lorliu!" in der Hauptstadt ausgestoßen ward, und des Widerhalls den er weithin im Laude fand, der muß in der That die Franzosen für unverbesserlich halten, wenn er heule in einem großen Theile ihrer Presse noch immer die Behauptung wiederholt findet, daß lediglich die Napoleonische Negierung an Frankreichs ganzem Unglück schuld sei. Um so mehr verdient es Anerkennung, wenn ausnahmsweise ein französisches Blatt den Muth hat, ui diesem Punkte die Wahrheit zu sagen. Ein solches Beispiel liefert jetzt das officiöse „Bien Public", indem cs mit Bezug auf die ungeheuere Last der neuen Anleihe sagt: „Ganz neuerdings »och wohnten wir in der Nationalversammlung schmerzlich bewegt jenem hitzigen Streite bei, welcher der Verlesung der Convention voranging. „Hören Sie dieses," sagten die Eine», „Hören Sie jenes", sagten die Andere». Wir aber dachten: Ist das die Stunde, sich solche Anschuldigungen ins Gesicht zu werfen? Hören wir Alic, sagten wir, denn wer unter uns weiß pch frei von Schuld? Freilich, viele behaupten es, aber wer glaubt cs ihnen? Sie glaube» es selbst nicht. Und diese Schuldlose», wo waren sie in der Stunde der Gefahr?" Daß diese Sprache gar manchen Leuten nicht gefallen wird, und am wenigsten den Freunden des Herr» Gambetta, liegt auf der Hand. Um so ehrcuwerther ist es, daß sie in einem, dem Präsidenten der Republik so nahestehenden Blatte geführt wird. In den großen Tuchfabriken zu Lambrecht (Nhcinpfalz) ist seit mehreren Tagen eine Arbeiterstrike im Gange, dem aber durch Hcranzug pon Webern aus Bischiveiler, die zu denselben Bedingungen arbeiten, unter denen die Strikenden die Arbeit eingestellt haben, bereits die Spitze abgebrochen ist. Den Slrike begleiteten mehrfache Excesse, so daß am 6. Abends zwei Compagnien der Speyerer Gar nison zur Aufrechterhaltung der Ordnung entsendet werden mußten; 6 Männer und 4 Frauen sind verhaftet und zur Untersuchung nach Frankenthal abgeführt worden. Als Urheber der Excesse werden zwei socialistische Agitatoren von der Fraction Hasenclever bezeichnet, welche vor einigen Tagen in der Gegend waren. Aus Prag, 10. Juli berichtet die „Boh.": Ein abnormes Jahr, das henrige! Dieser Ruf, den man schon vor Wochen und Monaten vernehmen konnte, wiederholt sich immer wieder. Noch ist die Hälfte dieses Jahres nicht abgelaufcn und schon hat cs cine Reihe gewal tiger Katastrophen in der Natur hcrbcigeführt. Erdbeben, Vulkan ausbrüche, Orkane, furchtbare Souuenbründe und gewaltige Wasser- stürzc, sie folgen im Jahre 1872 rasch nacheinander. Es ist, als ob