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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebentel)» und die Umgegenden. ZtmtsölaLt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dienstag, den 11. Januar 1876. Tagesgeschichte. Unsere Eisenbahnen werden, die Anzeichen mehren sich, sagt der „Dresdner *Anzeiger", am Ende doch Reichseisenbahnen werden. Ganz besonders in militairischen Kreisen sowohl, als anch in der militairischen Presse wird der Ankauf der deutschen Eisenbahnen durch das Reich vielfach erwogen. Die betreffenden Blätter belegen ihre Ansicht besonders durch Beispiele aus den letzten Feldzügen. ES ist zwar nicht zu leugnen, daß schon damals unsere deutschen Eisen bahnen in einer Weise leistungsfähig gewesen, daß sic allen An forderungen genügten, aber damals seien vom großen Generalstabe schon seit längerer Zeit eine Mobilisirung und damit zusammen hängende Eisenbahntransporte ins Auge gefaßt und bis ins kleinste Detail ansgearbcitet worden. Fraglich erscheine es, ob in einem späteren Falle, wenn zu den zu treffenden Dispositionen nur ein kurzer Zeitraum gegeben, ein ebenso vozüglicher Erfolg zu erringen sei, wenn nicht von einer einzigen Stelle aus die Transporte dirigirt werden können. In den Kriegen der Neuzeit seien die Eisenbahnen einer der wesentlichsten Factorcn, und besonders für Deutschland, das durch srine politische Lage leicht in den Fall kommen kann, nach ver schiedenen Seiten hin gleichzeitig Front zu machen. Dann müsse die Möglichkeit gegeben sein, größere Truppenmassen rasch von einem Kriegsschauplätze zum anderen werfen zu können, und dies sei nur möglich, wenn das gesammle Eisenbahnwesen einer einheitlichen Leitung unterworfen. In gleicher Weise nolhwendig seien die Eisen bahnverbindungen für die ausreichende Verproviantirnng der Truppen. I Unsere deutschen Heere, welche Metz und Paris belagerten, hätten ! selbst im reichsten Lande verhungern müssen, wenn ihnen die nölhigen i Bedürfnisse nicht durch die Eisenbahnen hätten zugcführl werden ! können. Ebenso wurde es mit Hilfe der Eisenbahnen möglich, noch kurz vor der Einschließung Paris derartig zu verproviantiren, baß es > Monate lang Widerstand zu leisten vermochte. Der Zug Bourbakis nach Osten war in der Hauptsache auf die Mithilfe der Eisenbahnen gegründet und sein Scheitern zum großen Theil der nicht entsprechenden Leistungsfähigkeit der betreffenden Bahnen zuzuschrciben. Was mili- tairische Interessen heutzutage wiegen, weiß ein Jeder, und rechnet man hinzu, daß auch politische Interessen mit ins Spiel kommen, und daß viele, sehr viele Eisenbahnaktionäre ihre Papiere herzlich gern mit Staatspapieren vertauschten, so gewinnt der Plan immer mehr Gestalt und Wahrscheinlichkeit. Das Project, sämmtliche deutsche Eisenbahnen für das deutsche Reich zu erwerben, wird von der bayerischen Staatsrcgierung nicht i nur nicht unterstützt, sondern — wenn dasselbe noch an den Bundes- rath gelangen sollte — in diesem entschieden bekämpft werden. Nach dem siebenten Verzcichniß der beim deutschen Reichstag eingcgangenen Petitionen haben aus Sachsen petitionirt: Das Dircctouum des landwirthschafttichen Kreisvercins zu Leipzig wegen Beseitigung der Schutzzölle; der Lacksabrikant Heinrich Dietz zu Leipzig, dessen Begehren unverständlich ist; die Firma Jordan u. Timäus in Dresden wegen der gesetzlichen Regelung des Eisenbahnwesens; der Verbau'!) der Glasindustriellen in Dresden wegen Abänderung der > Gewerbeordnung; der Vorstand des Gewerbevereins in Zwickau wegen der Wanderlager und der Waarenauctionen, der Gewerbeverin in ! Pirna desgleichen, der Vorort der Oberlausitzer Gewerbevereine des- ' gleichen; der Verein Gewerbetreibender in Dresden wegen des Güter- ! Verkehrs auf den deutschen Eisenbahnen. Recht lehrreich sind die Auslassungen der socialdemokratischen Blätter über die Ziele, welche die Partei verfolgt. So heißt es s in dem „Volksstaat": „Die neu aufgewärmte heilige Allianz der Monarchen", „trägt bereits den Todeskeim in sich; sie wird in Staub sinken vor der heiligen Allianz der Völker, vor dem Bund des - arbeitenden Volkes, welcher da werden muß zum AUvölkerbund, denn das arbeitende Volk ist überall dasselbe auf Erven. Und nun fröhlich ins neue Jahr! Wir haben die Flagge an den Mast genagelt. — Es lebe der Sturm, der uns rascher hinübcrtreibt in die neue Welt! Glück auf!" In derselben Nummer ist von der Gemeinschädlichkeit und Absurdität des Privatcigenthums an Grund und Boden die Rede. Nichtsdestoweniger giebt es nach der Versicherung des „Volks staat" „nur Eine Partei der Ordnung" und diese ist natürlicherweise — die Socialdemokratie. Mit den aus Deutschland ausgewiesenen Nonnen oder Schwestern des h. Baromeus ist in der Slade Tesch en in Oesterreich der Un friede eingezogen. Die Nonnen kanften ein Haus für 60,000 ff., ließen sich dort nieder und errichteten ein Schule trotz der energischsten Abwehr der städtischen Behörden, die bei Pontius und Pilatus vor stellten, sie brauchten keine Nonnenschule und wollten keine Störung des Friedens in der Stadt. Die Nonnen hatten hohe Gönner und es hals auch nichts, daß die Stadt selber das betreffende Haus um 60,000 ff. kaufen wollte, sie wurde abgewiesen. Nach in Wien eingegangenen Nachrichten ist am 30. Dec. v. I. in den Salzbergwerken vor Bochnin ein Grubenbrand ausgebrochen, bei welchem 8 Menschen verunglückten. Die am 31. Dec. endlich vom politischen Schauplatz abgetretene sranzöstsche Nationalversammlung hat dem Lande als letztes Ver- mächtniß ein Andenken hinterlassen, wofür keine Partei, obwohl sie sämmtlich dazu beigetragen haben, die Verantwortlichkeit übernehmen will: das Preßgefetz und die Aufrcchthaltnng des Belagerungszu standes in Paris, Lyon, Marseille und Versailles. Die Negierung ist freilich sehr wohl damit zufrieden, denn sie hat nunmehr nach Buffets Ausspruch die Mittel in der Hand, „Ruhe, Ordnung und Freiheit bei den bevorstehenden Deputirtenwahlcn zu schützen", aber die Bonapartisten und Republikaner, die Orleanisten und Legitimisten machen sich hinterher Vorwürfe, diese bei der Bevölkerung so unbe liebten Gesetze verschuldet zu haben. So ist aus dem wüsten Ge misch der verschiedensten Interessen eine gesetzgeberische That zu Stande gekommen, welche als Kind der allgemeinen Verwirrung das unver kennbare Zeichen parlamentarischen Verfalls an der Stirne trägt. — Der längst ersehnte Heimgang der Deputirten wurde in der Pro vinz mit großem Jude; begrüßt. Ein ansehnlicher Theil der Blätter, welche die Nachricht davon brachten, erschien aus diesem Grunde mit dreifarbigen Rändern. Es war der spanischen Regierung kein Geheimniß mehr, daß die in der Verbannung lebende Königin-Mutter Isabella von Paris aus weitgehende Verbindung in Madrid unterhielt, welche keinen ge ringeren Zweck hatten, als das gegenwärtige spanische Ministerium zu stürzen und mit Hilse eines aus Parteigenossen gewählten Ministeriums die Zurückberufuug der Königin durchzusetzen. Diese wollte alsdann ihre Abdankungsurkunde für null und nichtig erklären und ihren Sohn vom Throne entfernen, theils wegen seines Widerstandes gegen Rom, theils weil sie ihm nicht verzeihen konnte, daß er gerade der Partei, die eist am eifrigsten zu ihrem Sturze beigctragen, über wiegenden Einfluß an seinem Hofe gestattete. Zur Leitung und Weiterführung dieser Pläne erschien eines Tages der mit süßen Banden an die Königin gefesselte Vertrauensmann derselben, der Intendant Marson, in Madrid und trat nicht nur mit den hervorragendsten Parteiführern ganz offen in Verbindung, sondern suchte sich auch mit solcher Unverschämtheit an den König zu drängen, daß dieser voller Entrüstung seine Verhaftung befahl. Es hieß damals, Marfori werde ohne weiteren Proceß zu lebenslänglicher Verbannung nach den Philippinen geschafft, man begnügte sich aber damit, ihn vor läufig in Kadix sestzuhalten und jetzt soll sein weiteres Schicksal von dem Spruch eines Kriegsgerichts abhängig gemacht werden. Damit ist vielleicht ein Werkzeug der Verschwörung unschädlich gemacht, allein diese selbst darf um so weniger für gelähmt angesehen werden, da die eigene Schwester des Königs, die Gräfin von Girgenti, mit ihrem Anhang jetzt in Madrid den Mittelpunkt aller gegen den König gerichteten feindseligen Bestrebungen bildet. Solche Zustände können nicht ohne verderbliche Folgen auf die Weitereutwickelung der Dinge in Spanien bleiben und die Feinde der bestehenden Ordnung werden schon die auf den 20. Januar mit allgemeinem Stimmrecht ausge-