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WilsdrnsTharauder Wochenblatt. Freitag, den 26. Februar 1841. Mit König!. Sachs. Concesston. Verantwortlicher Rcdactcur und Verleger: Albert Reinhold. Ben dieser Wochenschrift erscheint alle Freitage Nachmittags eine Nummer. Der Preis für den Vierteliahrgang beträgt 10 Ngr. (8 Gr.) Bekanntmachungen aller Art werden ausgenommen; die gespaltene Zeile oder deren Naum wird mit 6 Pf. in Anrechnung gebracht. Aufsätze die im nächsten Stück erscheinen sollen, werden in LhanUld bis Sonntag Nachmittags 3 Uhr und in Wilsdruf bis Sonntag Abcnds 6 Uhr angenommen. Später eingehende Zusendungen müssen bis zur folgenden Woche liegen bleiben. Wir erbitten uns dieselben unter den Adressen: ,,an die Redaktion des Wilsdruf-Tharander Wochenblattes zu Wilsdruf (Dresde ner Gasse im Hause des Herrn Stadtrichters Tamme, 1 Treppe,) oder: ,,an die Agentur des Wilödrus-Tharander Wochenblat tes zu Tharaud," die Herr Buchbinder Tauscher übernommen hat. Etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, sollen stets mit großem Danke angenommen werden. Die Redaktion. Der Jahrmarkt zu Lorenzkirchen. Romantisches Gemälde von Albert Reinhold. (Fortsetzung.) Hier erst hatte der junge Mann Zeit, die weltberühmte Frau zu betrachten. Das tief gefurchte, magere Antlitz mußte einst sehr schön gewesen sein, ehe das Alter oder Sorge und Gram mit ihren zerstörenden Abzeichen darin sich cingenistet. Noch blitzten die großen, dunklen Augen voll Feuer umher, die hohe, einst falten lose Stirn und die zierlich gebogene Nase muß ten diesem Gesicht in blühender Iugendfüllc einst herrlich angcstanden haben, und der kleine Mund mochte wohl geeignet gewesen sein, berauschende Küsse zu geben und zu nehmen. Sic zeigte sich in der Landestracht der dasigcn Bäuerinnen, doch war ihr Anzug sehr reinlich und konnte fast zier lich genannt werden. Auch schien sie noch rüstig und kräftig, denn sic setzte den schweren Cichcn- stuhl ohne Anstrengung an den Tisch, den Gast zum Sitzen einladend. „Sie sind krank, mein Herr," nahm sic jetzt das Wort. „Was meine geringe Kunst Ihnen zu helfen vermag, das soll geschehen. Wo sitzt das Uebel?" „Tief, tief," entgegnete der junge Mann, und schaute verwundert im Stübchen umher, denn er vermißte alle und jede Attribute der Zauberei, niit welchen cs seine Phantasie bereits bestens ausgeschmückt hatte. „Mein Uebel sink nahe an der Wurzel des Lebens, in der Brust, nicht weit vom Herzen. Im Duell jagte mir mein Gegner ein halbes Loth Blei hier herein, und es wühlt und drückt noch immer darin zum bleibenden Gedachtniß und zu meiner Qual. Von den gelehrten Doctorcn vermochte es keiner hcr- auszuzichen. Da haben sie mir denn mit gro ßer Talent- und Kunstverschwendung auseinan der gesetzt, daß die Kugel in dieser, meiner Brust einen sogenannten Beutel sich gebildet, in wel chem sie fest sitzen und bleiben werde bis zum Auferstchungsmorgen. Alle zuckten die Achseln, keiner konnte helfen — so helft denn Ihr mir." Mit großer Aufmerksamkeit hatte die Heil- kundige den Krankenbericht angehört. Sie neigte mehrmals das Haupt mit den grauen Locken bedächtig hin und her, sah dem jungen Mann scharf in das bleiche Antlitz, und sprach dann: „der Fall ist bös und schlimm, die Wunde von außen gcheilc und vernarbt, das Blei aber im Innern. Von dem kann auch ich Sie nicht befreien, schon der Versuch würde Ihnen das Leben kosten. Doch Linderung Ihrer Leiden und Schmerzen will ich Ihnen verschaffen, so hoff' ich's. Doch pünktlich müssen Sic befolgen, was ich Ihnen jetzt sag^n werde. Gcmüthsruhe ist die erste Hauptbcdingung, die ich Ihnen stelle. Die Leidenschaften, diese steten Begleiter der Men schen, müssen Sic zu ersticken suchen —" „Fordert alles, nur dies nicht!" schrie Tie fenthal dazwischen, und sprang vom Stuhle auf. „Solch weisen Rath haben mir die gelehrten Herren auch schon crtheilr. Aber bevor sic mir nicht das glühende Herz auörcißen oder stille stehen machen, kann ich nicht befolgen, was mir geboten, auch mag ich es nicht. Ich will nicht mit den ewigen, todstarr.n Zügen und kalten Marmorblickcn umherwandcln, wie ein lebendiger Leichnam. Ich bin noch jung, das Leben regt sich noch frisch in mir, ich will es genießen. — Gebt andern Nath." „Da ist wenig mehr zu rachen," versetzte das Weib. „Jndcß versuchen wir's. Nehmen Sie dies Fläschlein hier," fuhr sie fort und langte