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Nr. 2SS. Mzeiger für -as Erzgebirge mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsblatt. GPW<-g>W-e -er Ue-a-üsa Mit siNsmchW« -er Oemurue nOchWittag» e - Uh». Aettgrannn-st-wsse t Tage-lack MteeiM-ir-e» Heenfpeeche» «wettaugt ttu-«f«wt» «mmftiipt» k«m nicht gelttsstt »«ch«. Mittwoch, 10. Dezember ISIS. S. Jahrgang. Dies« Nummer umfaßt II Sette«. Das Wichtigste vom Tage. Der Kaiser hörte di« Vorträge der Thef» de» Militär - kabinetts de» Admiralstabe» der Marine und desMarinekabtnett». Der Reich»!anzlersprach inder Etatidebatteim Reichstag über auswärtige Politik/) * DiebeidenHäuserdespreutztschenLandtages sollen auf den 8. I a n u a r etnberufen werden * DieverhandlungengegendieZaber nerRek u- ten sind aus Donnerstag verschoben worden. * Der bekannt« Komponist und Musikpädagoge Pro« sessor Kullak ist zu Wilmersdorf im kg. Johre g e - st o r b e n. * Die Wahlen in Bulgarien haben eine über« legen« Mehrheit der liberalen Regierung»» Parteien erbracht/)' 1 «ah«»» stH« a» «da« «t-ll». Hrieäenswünsche äes Datikans. Der patriotische Aufschwung desTripolirkrie» ge » hatte auch italienische Kirchenfürsten mit sortgertssen. Man Hörte Stimmen, selbst in der unmittelbaren Nähe de» VatikanH, die es nicht veyrnkworten zu dürfen glaubten, daß die Kirche trotzend im Winkel stehen bleibe, während die NationbasBermächtnis der großen mittelalterlichen Päpste Urban» II. und Gregor» IX., die Zurückdrängung der Sarazenen au» altchristlichen Ländern, ausnehme. Freilich lagen nicht nur die Zeiten der Kreuzzüge schon «in bißchen recht weit zurück, sondern spätere Päpste hatten die stetig« Fortpflanzung solcher Ueberlieferungen sogar Höchst gewalt sam unterbrochen, Alexand er VI. zum Beispiel hat mit türkischen Hilfstruppen gegen Kaiser, Franzosen und Bene» tianer gekämpft. In WirNichkeit lagen die Dinge auch Wohl umgekehrt, al» man es erscheine« zu lassen sich bemühte: nicht im christlich-patriotischen Eifer mochten di« Herren für den Türkenkrieg schwärmen und aus diesem Wege zur Annähe rung an die Regierung geneigt fein, die ihn unternommen hatte, sondern umgekehrt: da» Sehnen nach der Versöhnung ließ sie die willkommene Gelegenheit beim Schopfe er» greisen. Man möchte so gern von dem Proteststa"dpumkie -«rücktreten, auf den man sich seit dem 20. September 187V gestellt hatte. Daß unter Pius IX. ein Entgegenkom men unmöglich war, weüsteht sich ja von selbst. Aber unter Leo xm, flogen schon einige Versuchsballons auf, freilich Mit schlechtem Erfolge. Pius X., so streng er als Dog- matiker ist, patzte der Protest ganz und gar nicht. Schon die Gefangenschaft in Rom al» solche. Bittere Tränen soll er vergossen haben, al» gegen seine Erwartung die Wahl ihn getroffen hatte, und er nicht wieder nach seinem geliebten Venedig zurückretsen durste. Weitz man doch, wi« zärt lich er an Heimat und Familie hängt, wie er darauf bestand, st ne Schwestern nach Rom nachkommen zu lassenI Wie gern sähe er am Abend seines Lebens noch einmal die Stätte wiede-, in der seine innig-fromme Jugend heimisch war. Natürlich wär« sein gotte-gebener Sinn stark genug, solche persönlicben Wiinlche zu unterdrücken, gäbe es gar keine Zweifel, datz das Heil der Kirche d e Fortsetzung des Wider standes erfordere. Aber es haben sich schon zu zahlreiche, das Gegenteil meinende Stimmen ve-nehmen lassen al» datz nurn das wirklich behaupten könnte, vornehmlich kamen sie aus den Kreisen der allezeit staatsklugen Jesuiten. War die gute, alt« Zeit vor dem 20. September denn wirklich der priester-königlichen Freiheit so günstig in der, wie Bismarck einmal meinte, kirchliche Zugeständnisse durch Flottenkund- gebungen der kirchenyegnerischen Mächte vor Civitavecchia erlangt werden konnten? Und ein Fragment ihre» Gedan ken» war doch die weltliche Herrschaft der Päpste selbst auf ihrer mittelalterlichen Höhe geblieben, hatte niemals die angestrobte Einigung der italienischen Halbinsel unter ihrem Szepter erreicht: der P apa AS war niemals volle Wahr heit geworden. Trotzdem alle solche Erkenntnisse dem gegenwärtigen Papste durchaus nicht fremd blieben, würde man unter seinem Pontifikate einer Aenderung des durch ein halbe» Jahrhun dert festgehaltenen Berwahrungs-Standpunkte» schwerlich näher getreten sein, brennte nicht eine andere Sorg« auf den NägrKn. Die Erträgnisse de» Peterspfennig» find autzerordentlich zurückgegangen seit der Opfersinn der Gläubigen Fran Ire ich» sich in der Fürsorge für di« ver, folgte und durch.vermögen»konfi»katton«n verarmte Kirche ihre» eigenen Lande» erschöpft, verschiedene Bankbrüche haben auch den älteren Vermögensbestand der Kurie hart mitgenommen. Der Streit um die Schweizer Gardi sten hat schon gezeigt, wie stark die vatikanische Hofhaltung auf Einschränkungen Bedacht nehmen mutz. E» ist darum nicht verwunderlich, datz der Vatikan einer Regelung de» Verhältnisse» zu Italien nicht abgeneigt ist, die ihm die Annahme der Millionen ermöglicht«, di« er nach dem Ga- rantisgchetz jetzt beanspruchen kann. Erzbischof Rossivon Udine und GrafTorr«, der Präsident de» Katholischen Volksverein», haben auf dem kirchlich-sozialen Tage von Mailand dem Ausgleich das Wort geredet) mit deut licher Anspielung, dah sie nicht ohne Borwissen de» Vatikan» eine Privatmeinung bekundeten. Rossi hat freilich den Ver zicht an die Bedingung einer internationalen Bürgschaftfür die Sicherheit der päpstlichen Person knüp fen wollen, auf die di« nationale Würde der Italien«, sich niemals einlassen könnte. Graf Torre hat denn auch, dem einmütig sich dagegen erhebenden Widerspruche Rechnung tragend, von einer solchen Klausel nicht wieder gesprochen. Freilich steht ja nicht ohne weiteres fest, datz di« weltliche Mischt in die ihr zur Versöhnung entgegengestreckte Hand einschlagen würde. Der radikale Eifer der intransigenten Voltairianer in der Kammer, die am liebsten allen christlichen Religionsunterricht in den Schulen verböten, könnte alle» wieder verderben. Besonde-s wenn die Millionen de» Ga- rantiegesetzes nicht thesauriert, sondern im Laufe der 40 Jahre für Staatszwecke verbraucht oder in die Taschen der Herren Finanzminister geflossen seien, also jetzt neu aufge» stillt werden müßten. Die Gräfin Jischler-Treuberg. (Don unserem Mrliner - Mitarbeiter.) Das ist wieder so einer von den traurigen Prozessen, di«, wenn sie durch die Presse gehen, den Lesern Einblicke in di» sogenannte bessere Gesellschaft geben, und die Versuchung zu falschen Verallgemeinerungen nur gar zu sehr in sich tragen. Schon da» hat seinen pikanten Retz, eine Gräfin auf der Anklagebank zu sehen und Prinzessinnen, Offiziere und ad» lige Akademiker al» Zeugen über allerlei zweifelhaft« Geld geschäfte und Liebesaffären aussagen zu hören. Nur zu leicht werden dann diese Leute al» rypische Mrtreter ihrer Standesgenossen betrachtet. So sind die da oben, Ltttzt es dann an den Stammtischen und in den Kaffeeklatschen und man freut sich, so viel besser zu sein al» diese hochgestellten Missetäter «wer auch man ärgert sich, datz so zweifelhaft, Gl» mente so viel Geld, Rang und Stand haben. Wenn man selbst da» alle« hätte .... I Ja, wenn diejenigen, die fich sittlich darüber entrüsten, alle jene gesellschaftlichen Vorzüge selbst hätten I Richt alle würden sie um so vieles «dler ge brauchen, al» die Prozehbeteiligten de» Falle» Fischer» Treuberg. Denn die Wurzeln von deren Entgleisung liegen tiefer, al» di« demagogische Ausschlachtung es darzustellen liebt. Gar manche von denen, die sich da sittlich entrüsten, find im Grunde ihres Herzen» nicht viel feinere Charakter«, als di« Schuldiggewordenen. Nur sind «Len in den ver schiedenen GeseGchaftsschichten di« Sicheren Formen der Versuchung verschieden und dementsprechend auch die nutzere Form der Dergehun g. Was hier in größerem Umfang« möglich ist, kann dort nur in kleinerem geschehen, wo» sich an der einen Stell« raffinierter und feiner Sichert, Der Damenabenä. Humoristische Skizze von Ws« Ritter. MachdUuS »«bot«» Er war früher «in Kaffee! Ein ganz harmlose» Zu sammensein der Regimentsdamen mit Kuchen, Schlagsahne, Handarbeit und Neuigkeiten. Aber, wie alle» im Leben sich ändert, und danach strebt, sich zu verbessern, so verändert« auch er sich, wurde größer, bedeutender, an Quantität so wohl wie an Qualität. Er wurde ein weibliches Liebes mahl! Und al» solches findet er nun jedesmal statt, wenn di« Männer feuchtfröhlich im Kasino versammelt find! Im- mer bet der ältesten Regiment»dam« feiert man den Damen- abend an Kaiser» Geburtstag, am Regimentsjubiläum und anderen Festen, Am heftigsten aber tagt er, wenn jemand au» dem Regiment versetzt ist. Dann wird «r ein offiziel le» Ereignis, ein Vbschiedsfest, da» mit Tischreden, Rüh rungstränen und Treueschwüren g«württ ist! Kalbsfrikassee, Rehbraten und Schokaladenspeis«, entscheide ich kurz, al» es mich in Vertretung der Ragtmentskommandeuse trifft, den Damenabend zu geben. Und ich konferiere mit Fleischer und Delikatessenhändler, bestell« eine Unmenge Schlagsahne und chartere eine Kochfra«. Emilie Stumm L«ttzt diese, uNd sie macht ihrem Namen Ehre: sie schwatzt «stlo». — Wie «in Bächlein plätschert ihr« Red« im schönsten vstpreutzisch über mich -er. Pasten Sie auf, Frau Baronin, gleich, wrnn di« jnäd'ge Frau v. L. den erst«» Biss«n in den Mund gesteckt haben, schreit sie, da» hat dach di« Stumm'«» jekochtl D«r Stumm'en ihr Ast«» kenn' ich doch! versichert mir Emilie — und legt di« Hand in di« Gegend ihrer Blus«, wo sie da» Herz vermutet. Ich verfasse also wohlstilifiert, Einladung», karten. St« flattern in fünfzehn Häuser. ' E» komme» sogar zwanzig Damdn. Tousinm, Schwe stern, die gerade zu Besuch find! And«» Mine S««l« sich di kommenden Freuden in Luntesten Farben ausmalt und kühne Mn« schmiedet für -«sonder» köstlich« Ausschmückung der Dafel und der F-strLunte, beschästkgt sich Heinrich, unser Bursche, praktisch mit der Verschönerung der Wohnung. Heinrich ist ganz neu,-erst acht Tag« in »nserm -au». Er ist kolossal diensteffrig. Al» bieder« Landmann von Hause aus, sucht er jetzt den gewandten herrschaftlichen Diener zu um kummervoll auszusehen, zitier« seelisch ein Goethffche« Gedicht, um poetisch gestimmt zu werden. — All« Augen HLNgen an meinen Lippen, jeder merkt, datz Großes sich vorbereitet —>! Samiel hilf! Ich räuspere mich. Ich klopfe an» Glas! Ich rede r«stlos meterweise — ich rede Blech! Gräßlich, sich zu unpassender Zeit unpassend zu be nehmen! verhallende Seufz«, von mühsam unterdrücktem Schluchzen begleitete Worte wären hier am Platze gewesen, statt dessen, wie gesagt — Blech! Peinliche» Schweigen, chockierter GesichtvauSdruck unter meinen Gästen — und dann löst sich die Spannung, man lacht! Also ein vollständige» Fiasko meinerseits. Hoch! Hoch! Hoch! rufe ich verzweifelt. Man lacht weiter! Ich hab« wich unsterblich blamiert. Mitleidig lächelt selbst Heinrich über seinen Gummtkragen mich an. Er bemüht sich, di« Scharte auozuwetzen, doppelt elegant zu servieren, damit in unserem Hausr wenigsten» da» Diner tip-top ist. Heinrich ist zu elegant. Und di« zum Parkett verwandelten kleinstädtischen Echeuerdielen triefen nicht nur von Bohnerwachs, sondern auch von Tück« und Hinterlist. Ein furchtbarer Aufschrei de» gesamten Damenabend»! Nervenschok, Ohnmacht, Herzklapp». Mit angstvoll geöff neten Augen schliddert Heinrich, wie beim RollschuhlaUsttr, vorwärt», um sich dann mit ungeheurem Applomo platter- ding» auf die Erd« zu setzen! Ein« Schüssel mit Kästfiwn«» balanciert er wie «in gewandter Jongleur auf d«r flach«» Hand. E» ist Gott sei Dank alle» gut abgelaufenl flüster» seine bleichen Lippen bescheiden unter d«m Lisch heroor. Man bedauert, man tröstet, man besamaritert ihn! Glück- lichenveise sind weder edlere Teil« verletzt, noch hat «r fich wa» verbogen. Gesegnete Mahlzeit! sage ich lakonisch und hebe di« Tafel auf. Und da», wa» mir- -ei meiner Ab- schied,rede nicht glückt«, es gelingt jetzt — groß« Tränen laufM über meine Wangen. Vor Lachen zwar, aber wer kann da» so genau ausetnandethalten! Ich sieg« noch zum Schluß auf der ganzen Linie. Man umarmt mich stillschwei gend, leist verstehend drückt man mein« Händel. Und dann hinterher beim Kaffee da geh» ich in mich und beschließ«, mich zu bessern, rührender, würdiger, imposanter zu «erden bi» züm nächsten Damenabend in Vertretung der Regt- menttckommaichrulse. < markieren. Er bohnert da» Silber und putzt den FuA boden! (Ach, Pardon, nein — umgekehrt!) Und Heinrich verschönert auch sich selbst. Er salbt sein Haar mit köstlich duftenden Pomaden, er legt einen blendenden Seroiteu», Stehkragen und Röllchen (aus Gummi) an, zur Livree. Heinrich lernt Servieren mit weitzen Zwirnhandschuhen. Er ist ganz Begeisterung für seinen Beruf! Er ist totchik and comme il faul, der herrschaftliche Diener, wie er sein soll. Jottvoü, sagt Emilie Stumm und formt mit geübter Hand Fleischklößchen für das Frikassee. Und erleuchtet find die Festräume, mit Blumen ge- schmückt! Andauernde» «Klingeln an der Korridortür. Sie kommen, mein« Gäste, sie nahen. Heil, sei dem Tag, an welchem Ihr -ei mir erschie—ie-nen! Begrlltzungsszenen! Man freut sich so unendlich, man ist froh, endlich mal wie- der beieinander zu sein. Man sagt fich andauernd Liebe» und Schmeiche'haftes! — Mitten darin erscheint Heinrich, strahlend mit einem Arm voller Blumen und einem Musik- Programm, auf dem 4-^10 Dutzend mehr oder weniger leser liche Unterschriften stehen! Ein Gruß unserer treuen Män» ner au« dem Kasino! Diese lieben, guten Männer, wie nett, dah st« an un» denken! Dann gehr'» zu Tisch! 21 Per son«» sind wir, für IS reicht mein Lisch. Wir fitzen eng, wi« di« Sardinen in der Büchs«. Aber Raum ist bekannt lich in der klttnstm, Hütte ufw. Mein« Gäste leiden Qua- len! Ich lächel« harmlo» dazu. G» ist gröblich, wieviel der Gesellschaft-mensch lächeln mutz, selbst wenn sich ihm inner- lich di» Borsten stttlu-en vor Verzweiflung. Emilie Stumm» Essen «ussiert. Trotz der Gn« wik di« Stimmung rechr animiert! Jetzt kommt d«r Seit und ich maikäfere über der Red«. Ich muß nämlich «ine halten! Sie ist gewisser, maßen dienstlich! Rührend muß st« sein. Kein Auge darf daL«i trocken bleiben vor Wehmut. Zugleich müssen über auch fröhlich» Andeutungen auf «in« roflg« Zukunft darin vorkommen. Gin« golden« Brosch« mit dem Regiment». Namenszug muß ich dabei überwichen. E» gehört fich — btt einer gosittmen Brosche auch golden« Wort« zu sägen. Ich Lin sicher, -ei mi, wird'» nicht Gold, sondern — Blech Der Himmel wttß, warum mir plötzlich di« Situation so unsinnig komisch oorkommt. Ich nehme mich krampfhaft zusammen, d«ncke an Zahnziehen ohne örtliche Betäubung,