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Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Nr 3 — 87. Jahrgang Mittwoch, den 4 Januar 1828 AmrM W RHMMrSMW «I Litauische Treibereien im Memelgebiet. Verhinderung der Landtagsarbeit. Der Gouverneur des Memelgebistes gibt in- einer Sonderausgabe des Amtsblattes folgende Verordnung heraus: „Auf Grund des Statuts des Memelgebistes schließe ich hiermit die ordentliche Tagung des Landtages des Memelgebietes für das Jahr 1927 und setze für den Zusammentritt zur ordentlichen Tagung im Geschäftsjahr 1928 den 23. Januar nachmittags 5 Uhr fest." Tatsächlich besitzt der Gouverneur nur das Recht zur Schließung oder Vertagung außerordentlicher Sessionen. Ordentliche Tagungen sind der Willkür des Gouverneurs entzogen. Zu dem jetzigen Vorgehen wird bemerkt, daß so jede Arbeit des Landtages von der Gnade des Gou verneurs abhängen würde. Obgleich auch die ungarischen Behörden beteuern, mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun zu haben, ist man in der Tschechoslowakei auf Ungarn schlecht zu sprechen, da man dort annimmt, daß die Waffensendung für Ungarn bestimmt und die Adresse in der Tschecho slowakei nur fingiert war. Die tschechische Presse verlangt eine strenge Untersuchung der Vorgänge in Ungarn unter internationaler Mithilfe. Man müsse unbedingt feststcllcn, woher und von wem die Waffen nach Ungarn geliefert werden. Nach den letzten Meldungen soll festgestellt worden sein, daß die Maschinengewehre für Polen bestimmt ge wesen sein sollen. Jetzt wird sich wohl auch Warschau noch in den Streit der Meinungen mischen. ' 1 „I Kein zweiseitiger ARilrieg-palt. Die Vereinigten Staaten nur für gemeinsames Vorgehen. Aus Washington wird gemeldet, daß der geplante AutNriegspakt zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten nicht zustande kommen wird. Man erfährt von zuständiger Stelle, die amerikanische Regierung habe Frankreich davon Mitteilung gemacht, wohl bereit zu sein, mit anderen Großmächten einer gemeinsamen Antikriegs- erklürung beizutreten, daß sie jedoch nicht in der Lage ist, dem Briandschen Vorschlags zu folgen und einen zwei seitigen Vertrag anzunehmen. In Senatskreisen wurde erklärt, daß es sich nicht, wie in manchen Meldungen behauptet werde, um ein amerika nisches Angebot eines Antikriegsvertrages handele, das Frankreich als unbefriedigend ablehnen könne. Das An gebot sei vielmehr von Briand gekommen und das Staatsdepartement habe nach längerem Zögern seinen guten Willen dadurch bekundet, daß es einen Entwurf formulierte, der das darstelle, was die Vereinigten Staaten zugestehcn könnten. Wenn Frankreich das nicht genüge, so sei cs jedenfalls dem amerikanischen Senat ebenso recht, wenn kein Vertrag geschlossen würde, denn die Ver einigten Staaten gewännen nichts durch solche Verträge, sondern legten sich vielmehr lediglich Bindungen aust deren Tragweite größer sein könnte, als jetzt vorauszu- sehen sei. Von einem besonderen Freundschaftsvertrag mit Frankreich könne keine Rede sein. Die amerikanische Regierung wäre der Ansicht, daß eine Erklärung gemein sam besonders von den Vereinigten Staaten, England, Frankreich, Deutschland, Italien und Japan ab gegeben werden sollte. Deutschlands MeiMg - Europas Sicherung. Zustimmung zu Hindenburgs Rede. Zwei Dinge beherrschen zurzeit die öffentliche poli tische Aussprache in den Vereinigten Staaten — die Neu jahrsansprache des deutschen Reichspräsidenten v. Hinden burg mit der Forderung auf baldige Beseitigung der Rheinlandbesetzung und die französischen Vorschläge zum Abschluß eines amerikanisch-französischen Friedenspaktes. Zu der Rheinlandfrage nimmt die „New Uork World" Stellung, indem sie erklärt, die msifteu Amerikaner stimmten mit Hindenburgs Forderung auf die Beseiti gung der Rheinlandbesetzung überein. Es sei schwer zu erkennen, welche Gründe zugunsten einer Verlängerung der Besetzung vargebracht werden könnten. Die Angaben 5^5 französischen Militaristen über angebliche deutsche Ge tz mrustnngcn seien znsammengebrochen: sie bätte» m der Einbildung dieser Kreise bcsm»dem Vle französischen Armeen den Rhein verlassen, desto bester werde es für Europa sein. Die französischen Staatsmänner würden gut daran tun, sich an die Fehler der amerikanischen Nordstaaten nach dem Bürgerkrieg zu erinnern. Der Süden sei bereit gewesen, die Bitterkeit des Krieges zu vergessen, dagegen nicht die Demütigung durch eine lange Besetzung. Frank reich begehe vielleicht jetzt einen ähnlichen Fehler. * kntjetzlicke?sbrt sul aer kisfckolle. SechsKinLerinsMeerabgetrieben. Wilhelmshaven. Dienstag nachmittag gegen 4 Uhr sind vom Wilhelmshavener Strand sechs Kinder mit einer Eisscholle beim Eintritt der Flut abgetrieben worden. Die Marinewerft traf sofort Maßnahmen zur Rettung der Kinder. Fahrzeuge suchen, soweit es die Eisverhältisse gestatten, das Fahrwasser in Richtung des Leit- dammes und des Dangaster-Fahrwasiers ab. Gegen 6 Uhr konn ten ausgestellte Megaphonposten das Schreien der Kinder aus der Rinne des Lestdamir.es noch hören. Gegen 8 Uhr ist ein Werft schlepper trotz des Treibeises ausgefahren und versucht durch Ra- keten im Iadehufen die aus der Scholle treibenden Kinder aus sich aufmerksam zu machen. Am Strande stellt man fahrbare Schein werfer auf, um die Jade damit abzuleuchten. Das Linienschiff Schlesien hat Dampf aufgemacht und will mit jeinenstmken Scheinwerfern die Kinder suchen. Am Strande selbst ist die Ma rine mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln bemüht, den Kin dern Hilse zu bringen. Die Bemühungen hatten, wie wir in später Nachtslun^ er fahren, endlich auch Erfolg: Sämtliche sechs Kinder sind um 2^30 Uhr durch den Strombsudampstr Ahne, «"Fahrzeug der Ma rinewerft, gerettet worden. Der Dampfer, der die Kinder an Bord hat, sitzt augenblicklich fest. Telegr.-Adr.: „Amtsblatt« Wil-drUff-DreSdeN Postscheck: Dresden 2640 Komödie um Maschinengewehre« Wem gehört die Waffensendung? Der Zwischenfall an der österreichisch-ungarischen Grenze, wo fünf aus Italien kommende Waggons mit falsch deklarierten Maschinengewehren gewaltsam von unaarischen Zollbeamten von österreichischem auf unga risches Gebiet geschoben wurden, wächst sich zu einer poli tischen Komödie ans. Die österreichische Regierung gibt jetzt eine längere Darstellung des Falles, der zu ent nehmen ist, daß in den Frachtbriesen als Aufgabestation Verona, als Bestimmungsort Slovensko Novemesto in der Tschechoslowakei angegeben war. Nach Anknnst des Zuges seien Stichproben unternommen worden, bei denen festqestellt wurde, daß die Maschinengewehrteile faftch deklariert waren. Da der nach den österreichischen Vor schriften für Durchfuhr von Kriegsmaterial erforderliche Waffenbegleitschein fehlte, wurde der Bundesbahnver treter von den österreichischen Zollbeamten ersucht, den Rücktransport der Waggons auf österreichisches Gebiet zu veranlassen. Ein in dieser Richtung unternommener Schritt des österreichischen Bundesbahnvertreters beim ungarischen Bahnhofsvorstand blieb ergebnislos. Die ungarischen Behörde vertraten hierbei den Stand punkt, daß den österreichischen Zollorganen em Recht auf Zurückhaltung der Ware nicht mehr zustehe, da sie sich bereits auf ungarischem Boden befinde. Der Heliograph von Ensisheim. Seit dem Weihnachtsabend wird die Welt von den französischen Nachrichtenagenturen mit Nachrichten über Elsaß-Lothringen überschwemmt, welche die Ruhe der Völker vulkanisch erschüttern müßten, wenn sie wahr wären. In der Tat sind einige ausländische Zeitungen schon so weit gegangen, daß sie von einer ernsten und in den Folgen unabsehbaren Zuspitzung des deutsch-fran zösischen Verhältnisses phantasieren. Die französischen Nachrichtenstellen haben nämlich behauptet, daß die poli tische Polizei bei den am Weihnachtsabend vorgenom menen Haussuchungen in den Wohnungen der elsaß-loth ringischen Heimatbündler einer breitverzweigten Ver schwörung gegen die Sicherheit des Staatsbestandes Frankreichs auf die Spur gekommen sei. Man habe Be weise gesunden, daß die elsaß-lothringische Heimatbewe gung vom Deutschen Reiche bezahlt und angestiftet wor den sei, man habe einen Aufmarschplan für ein bewafs- -tes Losschlagen der Jungheimatbündler beschlagnahmt, dlufruhr gemeinsam niit den .Kommu nisten angezsttell rverveir sollen, rind mall Nave fwsicbliftsz in der Kirche oder im Pfarr-Hans »onEnsä?^ waffnung für 300 Heimatbündler, Gewehre n»v Patro nen und einen Heliographen entdeckt. Die letzte Nachricht klang besonders gruselig, weil sich nur weniae Leser eine Vorstellung machen können, was für ein ,urck"bares Ding das sei, ein Heliograph. Durch die gesamte Weltpresse spukt dieser Heliograph von EnsiS- heim. Die ganzen Geschichten, mit denen man den Erd kreis in Aufregung zu setzen versucht hat, sind aber glatter Schwindel. Es gibt kein anderes Wort dafür, auch wenn amtliche französische Stellen die Urheber und Verbreiter sind. Nichtig ist nur, daß ausgerechnet am heiligen Abend ein gewaltiges Aufgebot von Gendarmen nnd Geheim polizisten aus Jnnerfrankreich in Elsaß-Lothringen cin- gerückt ist und gleichzeitig an neunzig Stellen- wenn diese französische Zahlenangabe richtig ist — Haussuchungen abgehalten hat. Man drang in protestantische und katholische Pfarrhäuser, in Schul gebäude und Kirchen, in Geschäftsräume und Bürger wohnungen und beschlagnahmte alles, was man an Schriftstücken und Geld vorfand. Schriftstücke fand inan ziemlich viel, weil man sich in Elsaß-Lothringen nach deutscher Sitte-gegenseitig Weihnachtsgrüße zuzuschicken pflegt, Geld dagegen war nur wenig greifbar, weil solches i» 'nittelständischeu Haushalten und bei Arbeitern nach den Weihnachtscinkäufcu ein rarer Artikel geworden ist Man fand weder die erwarteten Millionen aus dem Deutschen Reiche noch irgendeinen Anhalt für die aar nicht bestehenden Verbindungen zwischen den Autono misten und deutschen „Verbänden" oder Regierungsstellen. Man fand auch keinen Aufmarschplan. Sondern das, lvas die französischen Nachrichtenzentralen zu einem solchen umfälschen möchten, ist ein gedrucktes, längst in den Zeitungen veröffentlichtes Statut des Saal- 'chutzes der Heimatbündler. Nachdem diese vor einem Jahre, bei einem Kongreß in Kolmar, von or ganisierten Banden der französischen „0 a m o I o t s ä u Roi", die man zu diesem Zweck in einem Extrazug nach Kolmar geführt hatte, auf den Straßen überfallen und blutig mißhandelt worden waren, ohne daß die Polizei sie hätte schützen können, haben sie durch öffentlichen Auf ruf einen Selbstschutz gebildet, und seither sind ihre Ver sammlungen nicht mehr von gedungenen Leuten gestört worden. Aber die Wassen! Der Heliograph! Mit den Waffen verhält es sich so: Im Katholischen Vercinshaus zu Ensisheim fand die französische politische Polizei dank ihrem ungeheuren Scharfsinn drei Theatergewehre, welche einer Kolmarer Kostümverleihanstalt gehören und vom St. Aloysius-Jünglingsverein bei einer Bühnenauffüh-' rpng verwendet wurden. Mit etwas weniger Scharfsinn s^te die Polizei sich diese drei Gewehre jeden Sonntag bei den Nachmittagsvorstellungen ansehen können, ohne Me nächtliche Haussuchung abzuhalten. Da der Fund von drei Spielzeugflinten denn doch zu blamabel war, so wurden zwei Nullen angehängt und 300 richtige Gewehre daraus gemacht, aus dem Katholischen Vercinshaus wurde die Kirche, und die schwärzeste Verschwörung war aufs schönste vor die Augen der gläubigen Nachrichtenleser gezaubert. Daß diese dreihundert Gewehre die Sicherheit Frank reichs bedrohten, stand aber« ganz außer Zweifel, da gleichzeitig mit ihnen ein Heliograph entdeckt worden ist. Darunter werden die meisten, die sich bei dem Ausdruck etwas denken konnten, einen Lichtslg nalapparat verstanden haben, und so ist ver Zusammenhang klar. Die bösen Heimatbündler wollten mit diesem Heliographen zweifellos den preußischen Generalstaü in Berlin davon benachrichtigen, wenn sie mit ihren dreihundert Gewehren Frankreich erobert gehabt hätten, was aber glücklicherweise durch die Wachsamkeit der srauzösischen Polizei vereitelt worden ist. Nun bedeutet aber „bölioxraMe" im Fran zösischen nicht nur einen im heutigen Zeitalter der Funksn- telegraphie recht veralteten Apparat für Spiegelsignale, sondern auch ganz einfach jeden Vervielfältigungsapparat für Schriftstücke, also z. B. eine Hektrographenplatte. Und solch einen Vervielfältigungsapparat, mit dem der Katholische Jünglingsverein Ensisheim seine Ein ladungskarten verstellt, bat die französische Polizsi, der eben nichts verborgen bleibt, wirklich „entdeckt" und wayr- hastig auch beschlagnahmt. Und da man den ersten Nachrichtenbetrug trotz der Nachrrchtenzensur und trotz der Postsperre, die wie in Kriegszeiten gegenwärtig über das friedliche Reichsland verhängt ist, nicht lange aufrechterhalten kann, so ist man jetzt, um der Welt eine neue Sensation zu bieten, zu Massenverhaftungen aller hervorragenden Heimatbündler geschritten. Nicht, weil man etwas Belastendes gegen sie entdeckt hat, sondern im Gegenteil, gerade, weil man gar nichts gegen sie zu enthüllen vermag, werden die Männer, Geistliche beider Konfessionen, Lehrer, Handwerker, Ar beiter, Geschäftsleute, in die Gefängnisse eingesperrt, Männer, denen man nichts vorwerfen kann, als daß sie sich für den Schutz ihrer deutschen Muttersprache in Schule und Kirche und für die Erhaltung ihrer angestammten deutschen Art mit gesetzlich einwandfreien Mitteln öffent lich eingesetzt haben. Die Franzosen haben behauptet, daß sie deu Krieg gegen uns geführt Hütten, um die „elsaß-lothringische Frage" zu lösen, und zwar, trotzdem die Elsaß-Lothringer wiederholt durch ihr Parlament erklärt hatten, daß es für sie keine elsaß-lothringische Frage mehr gab. Heute müssen die Franzosen selbst der Welt verkünden, daß es wieder eine elsaß-lothringische Frage gibt, eine gewaltige, alle Stände umsassende Volksbewegung, die sie nur mit Mitteln der bru talen Gewalt noch im Zaume zu halten hoffen. Das verkündet der Heliograph von Ensisheim allen Völkern, die Augen haben, zu sehen, und in diesem Sinne ist dieser legendäre Heliograph doch zur Wirklichkeit geworden und sendet Blitzsignal'e über den ganzen Erdball. W. S. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr, 6 d"f Wil-druff-r Tageblatt ist bar zur Veröffentlichung der amtlichen Bebannimachnngen der Amkhaun,mannschalt Melken de- Ams- gerichtr und de- Siadtrat« zu Wil-druff, de- Forstrenlamt« Tharandt und de- Finanzamt- Noss-ub-hoT s« »WtladmeAer «sch«tttt an »«ter, Werktagen »»chuittag« SUH«. »«pi^prri,: B«i Abhol»», in d« «eich«n»ftrlle nnd »an *>»,-»est.-«u r «M. im Manat, bei Zssteliuu, durch die»otrn r.zv «M., dei P«ftb«st.ll»n, r «M. zuzüglich Abera^ gebühr. Linjelnummern Wochenblatt für Wilsdruff n. Umgegend M^u^ Krünngru entgegen. Z, Falle höherer Gemalt, Ari«, oder sanstiger Betriebrstürungen besteht dein Anspruch aus Lieferung UM g eenen, »der «Ur,»», de« Bezug,preise«. — Rücksendung eingesaudter Schriftstücke «rsalgt »»«, »«UN Porto beili«,t.