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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sicbcnlchn und die Umgegenden. Umtsölati für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Hr' 38. Dienstag den 14. Mai 1872. Tagesgcschichte. DaS „Meißner Tageblatt enthält folgendes Eingesandt, welches wir, aus Interesse an der für uns alle wichtigen Sache, hier wiedergeben: Mitbürger! Die Einwohner Sachsens, sowohl Katholiken, wie Protestanten und andere Glaubensgenossen, müssen sich durch die Thatsache bedrängt fühlen, daß eine kleine, aber rührige Partei in unserer Mitte es gewagt hat, dem unter un§ herrschenden Geiste religiösen Frieden? dadurch inS Gesicht zu schlagen, daß sie in einer an den Reichstag gerichteten Adresse in der schärfsten Weise die Gegner der Jesuiten vcr- urtheilt und für die Erhaltung derselben im Reiche bittet. Mitbürger! Der 8 unserer Landesverfassung, welcher von unseren Vätern in der weisen Absicht ver faßt worden, unS den religiösen Frieden zu erhalten, verbietet ausdrücklich den nur ihrem Ordensgeneral, nicht den LandcSgejetzen Gehorsam schuldenden Jesuiten, den Aufenthalt in unserem Lande, und jene Partei erhebt also mit ihrer Adresse nicht nur Protest gegen die Austreibung der Jesuiten im Reiche, sondern auch gegen die Ausschließung derselben auS unserem Lande. Sollen wir dergleichen Umtriebe un gestört dulden? Gewiß nicht! Und so schlagen wir Euch denn vor, rasch in mög lichst zahlreich an den Reichstag zu richtenden Zuschriften dahin zu wirken, daß 8 Sei unserer Landesverfassung zum Reichsgejetzc eryoden werde, womit zugleich uns der religiöse Friede verbrieft erhalten, und dessen Segen seine höchst wünschenswerthe Ausdehnung auf daS ganze Reich gewinnen würde. Eine Lcrsaulmlung Dresdner Bürger. Dresden, 8. Mai. Das Sladtvcrordnetcn-Collcgium beschloß einstimmig, bei dem Reichstage gegen die eingegangcne Dresdner Adresse zu Gunsten der Jesuiten Verwahrung cinzulcgen. Die sofort entworfene Gegenadresse (Referent Adv. Siegel) billigt entschieden die Politik der Reick-regierung gegen den Ultramontauismus und erbittet die AnSdchnnung der belr. Bestimmung der sächsischen Verfassnng bezüglich der Ausschließung der Jesuiten auf das ganze Reich. Die Adresse ward mit lebhaften Beifall ohne Debatte angenommen. Wegen des günstigen Standes der Cassenvcrhältnisse hat der Gesammlvvrstand der allgemeinen Brandversicherung sächsischer Lehrer beschlossen, die am 20. Mai füllige halbjährige Prämie von der Zeit vom I. Juni bis 1. December d. I. nicht zn erheben. Die Befreiung soll Denen zu gute kommen, die noch vor dem 15. d. M. als neue Mitglieder der Gesellschaft beitreten. — Auch die Casscn- verhältnisse des Vereins sächsischer Lehrer zur Unterstützung in Krankheitsfällen befinden sich in gutem Stande. Dieser Verein hat im verflossenen 21. VereinSjahrc nahe an 2000 Thaler Unter stützung gewählt. Der Nefervefond ist auf 3000 Thaler ange wachsen. Aus der südlichen Lausitz, 8. Mai, schreibt man der „D. A. Z.": In Eybau, Walddorf, Ebersbach und einigen andern Dörfern sind wieder eine große Anzahl von Erkrankungen an den Trichinen constatirt; es dürsten wohl 200 sein. Wenngleich die meisten Fälle einen leichtern Charactcr zeigen, so werden doch einige wahrscheinlich mit dem Tode enden. Es ist dies daS dritte Auftreten dieser fürch terlichen Krankheit hier in der Gegend seit 1870 und wohl wäre cs hohe Zeit, daß entweder die Reichs- oder die Landesregierung der Gewissenlosigkeit oder Unkenntniß der Fleischer, welche daran schuld ist, steuerte. Könnte nicht bei Entrichtung der Schlachtstcuer ein Re vers verlangt werden, worin von befähigten Leuten die Gesundheit des geschlachteten Stückes bescheinigt würde? Aus Wurzen, 8. Mai berichtet das dortige Wochenblatt: Ein an die Freiberger Butterrevolution erinnernder Scandal fand heute Morgen auf hiefigcm Marklplatze statt. Den ohnedies schon theurcn Buttcrprcis suchten nämlich einige auswärtige Buttcrhöken, wahr scheinlich, um.ihren Bedarf recht schnell zu decken, noch dadurch in die Höhe zu schrauben, daß sie die Forderungen der Verkäufer den hiesigen Einkäuferinnen gegenüber noch überboten. Dadurch natür lich in Harnisch versetzt, gingen die Einkäuferinnen den Höken scharf zu Leibe, aus dem erst entstandenen Streite wurde bald eine Schlä gerei fertig, dir mit dem Rückzüge der Höken in ein am Markte ge legenes Haus endete. Weiteren Insulten aus dem Wege zu gehen, mußten dieselben so lange einen längeren unfreiwilligen Aufenthalt in diesem Hause nehmen/ bis die Polizei, die übrigens schon vorher vermittelnd ausgetreten war, die Menge zerstreute. Dem Chemnitzer Nachrichten wird aus Freiberg vom 2. Mai folgendes neuestes Zeugniß für die sächsische Gcmüthlichkeit mitge heilt: „Nach der am Sonntage im nahen Tuttendorf und Hals brücke abgchaltenen Kirchen- und Schulrevision fand unter Vor sitz des Superintendenten Merbach die übliche Conferenz der Vor stände statt. Als der Vorsitzende im Laufe der Verhandlung zu Ler Frage gelangt, ob einer der Herren irgend eine Beschwerde oder sonst einen Wunsch vorzutragen habe, erklingt fast einstimmig: „Neinl" Einer der Anwesenden, vielleicht ein Mitglied dec in Halsbrücke vorhandene» Muckergesellschaft, erhebt sich jedoch und klagt bitter über den Pfarrer, mit dem er nicht zufrieden sei. Der Superintendent fragt: „Was ist's mit Ihrem Herrn Pfarrer, predigt er nicht Gottes Wort?" Klagender: „Ach ja, Gottes Wort predigt er schon, aber wir hab'» ooch e» Heiland." „Nun, predigt Ihr Herr Pfarrer nichts vom Heiland?" „Ei ja, das thut er, däs thut er!" „Worin besteht den» die Beschwerde, die Sie vorzubringen habe»?" „Ja sehnse, er predigt gar nichts vom Teufel und der ge hört ooch mit derzu." Der Superintendent läßt sich hierbei den Teufelskerl zu informiren und schließt mit aller Freundlichkeit: „Sehen Sie, es gibt in der Welt viele Teufel, da hat man einen Zankteufel, einen Hochmuthstcufel, einen Trink- und Spielteufel w. Sie z. B. scheinen de» Hochmuthstcufel zu haben. Ich will Ihnen Ihre» Teufelsglaubcn nicht gerade rauben, darum wollen wir ab- brechcil und Friede» schließe», hier habe» Sie meine Hand." Der Angcredete aber geht mit dein Teufel im Herzen ohne Handschlag von hinnen." Die neueste» Berliner Blätter melden, daß der Reichskanzler FürstBismarck aus Gesundheits rücksichte» einen längeren Urlaub vom Kaiser Wilhelm erbeten und Wohl auch erhalte» hat. Besonders wird aber betont, daß keinerlei politische Motive bei diesem Entschlusse des Fürsten mit in's Spiel kommen, sonder» le diglich die mit der Massenhaftigkeit der Geschäfte der letzte» Jahre verbundene» starken Anstrengungen. So sagt die „B. B. Z.": Der Kanzler wird sich zunächst auf seine Güter begeben und beabsichtigt im Spätsommer ein Seebad zu besuchen. Wie verlautet, ist in dem Urlaubsgesuche des Fürsten Bismarck, wie einerseits auf seinen sehr erschütterten Gesundheitszustand, so anderseits auf die nach allen Richtungen gesicherte, keinerlei Befürchtungen Naum gebende poli tische Weltlage hingcwicse». — In gleich beschwichtigender Weise äußert sich die „Nordd. Allg. Ztg.", indem sie schreibt: DaS Be finden des Reichskanzlers Fürsten von Bismarck gicbt zu ernsten Besorgnissen keine Veranlassung, sofern nur rechtzeitig die von den Aerzten sür unabwcislich erklärte Ruhe cintreteu kann. Daß eine solche nothwcndig geworden ist, hat nichts Befremdendes, wen» man erwägt, daß der Kanzler seit dem Jahre 1866 leidend ist, daß im Juli 1870 die erforderliche Karlsbader Kur durch den Krieg inhibirt wurde, daß auch u» vergangenen Jahr die Gasteiner Besprechungen dazwischen traten und somit der Fürst, einige Wochen abgerechnet, unausgesetzt thätig war, somit Durchgreifendes zur Herstellung seiner Gesundheit bisher hat unterbleibe» müssen. Jni Reichstsge kam auch die starke Auswanderung aus Deutsch land, namentlich Nvrddcutjchland, zur Sprache. ES wurde auf die Menschen, Arbeits- und Geldkräftc hingewicsen, die Deutschland ver loren gehen, vr. Kapp wicß nach, daß die Auswanderer seit 50 Jahre» so viel Capital mit übers Meer genommen haben, als die französische Kriegsentschädigung beträgt (5 Milliarden). Ma» war darüber einverstanden, daß nicht mit plumpen Vorbote» drein- gefahren werden dürfe, sondern mit Wegräumung der sozialen Uebelstände, die sie befördern. Das „F. I." schreibt: Von amtlicher Seite wird behauptet, daß die Wohnungsnoth in Berlin mit übertriebenen Farben geschildert worden ist, weil im Januar 1013 Wohnungen leer standen, während gegenwärtig 1340 Wohnungen zur Vermicthung angezeigt sind. Eine andere statistische Angabe erweist jedoch, daß der Wohnungs wechsel noch nie so groß war, als im letzte» Quartal. Es sind nicht weniger als 49,000 Familie» gekündigt worden. Davon sind 26,000 umgezogcn und 23,000 trotz der Micthserhöhungen, welche sich häufig auf daS Doppelte und Dreifache des früheren MiclhpreiseS beliefen, wohne» geblieben. Von den Verdiensten der deutschen Cavallcrie im Kriege mit Frankreich sagt ein hoher Militär: „Nicht Strom noch Berg,