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Mer Tageblatt Soanabeaä, 27. Dezember 1913. Nr. 299. S. ZahrgLng. Mzeiger für Sas Erzgebirge MW mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsblatt. Epeechchm-e öe»«esaftle« mit Musaah«, »«, ««»tag, »achmtitag» »—S Uh». — L^egramm-ftSreff», LageblaL flueees-ettrg». -umjtzwck«». LUS Wem. «nmriau-1 «tageftmSW Mam>fk»t,t» kam, p««äh» nicht geleistet »«-«». «Ä Diese Nummer umsaht 8 Seiten. Außerdem liegt da, achtseittg« illustriert« SonnLagsdlatt b« Das Wichtigste vom Tage. Die Norddeutsche Allgemein« Zeitung kündigt «in« amtliche Untersuchung über di« Stellung nahme de» Polizeipräsidenten Dr. von Jagow -um Fall yorstner an.*) Mb 1. April 1914 w cd für das dritte Geschwader Kiel und für alle Schiffs de» Aufklä- rungsgeschwadcr.- Wt h. lm h ve ^-lHa; Pt ltegehasen. * Bet einer Weihnachtsfeier in Calumet in dem Staate Michigan (Norda ne.ika) ent an^ ,, euer Etwa 80 Kinden sind dabet ums Lebe.. gekommen * Der Prinz zu Wied wird, wie jetzt auck- in Berlin? diplomatischen Kreisen verlautet, doch noch den Ti tel eines Königs von Albanien anneh men. ' « Der frühere dänische Ministerpräsident Estrup ist im Alter von 88 Jahren in Kopen hagen gestorben. Das serbische Kabinett Pasitsch hat seine De mission «ingeoeicht. i -1 Nithere« stehe an anderer ,»«ne Cingeborenenschutz. Anfangs dieses Monats hat sich die bekannte deut« sche Kongoliga aufgelöst, aber au» einem erfreu lichen Grunde: ste konnte nämlich konstatieren, daß sich di« Lebensverhiiltnisse und die Behandlungsroeise der Eingebo renen im Kongostaat derartig gebessert hätten, daß für ihn ein« besondere Schutzgesollschaft nicht mehr nötig sei. Die Arbeit der Gesellschaft ist also ebenso erfolgreich wie fleißig gewesen. Jahrelang war di« Welt erfüllt von den sogenann. ten Kongogreueln. Die unmenschlichsten Strafen wurden über die Eingeborenen «erhängt, wenn sie den Unternehmern nicht genügende Mengen von Kautschuk einlieferten. Es war ein Skandal für die moderne Kulturwelt, der aber nun gerade dadurch, daß die Gesellschaft ihn gehörig, an den Pranger stellte, schließlich doch unmöglich gemacht worden ist. Trotzdem verschwindet nun die Kongoliga nicht einfach von der Bildfläche. Sie hat fich vielmehr in «in« Deutsche Gesellschaft für Singeborenenschutz umg«. wandelt. Und da findet ste neu« Aufgaben genug. Gibt es auch keine -«sonderen Greuel und Unmenschlichketten zu be kämpfen, so ist doch noch viele» zu tun, um die* Lage der Eingeborenen auch in unfern Kolonien so zu gestalten, wie es unserer deutschen Kulturstellung wll dig und für di« wirt schaftliche Verwertung unsres deutschen Kolonialbesitzes nütz lich und nötig ist. Denn Leide», Kulturpflicht wie Wirt- schaststsi'eresf«. gehen da Hand in Hand. Gewiß ist Schutz und Hebung der noch unentwickelten Rassen in unfern Schutzgebieten vor allem Aufgabe desStaates. Aber die Aufgabe ist so Moterig, daß der Staat über freiwillige Hel fe- und vor allem auch Wer finanziell« Unterstützung nur fr h sein kann. Schon die regelmäßige Berichterstattung, die in der Kolonialen Rundschau, dem Organ der neuen Gesell- schäft, erfolgen soll, wird der Erkenntnis der richtigen Wege und Mitte* in Verfolgung einer gesunden Eingeborenen politik recht fö-derlich sein. Sehr verschieden sind die zu lösenden Aufgaben, vor all'm je nach dem Tharafter der Kolonie, ob sie nämlich Siedlungskolonie oder nur H andelskolonie ist. Im erste-en Falle.ist das schwierige Verhältnis zwischen der neuen weißen und der eingesessenen schwarzen Bevölkerung zu regeln; im andern Fall« gilt es Mr Vie Erhaltung der Arbeitskraft der Eingeboren«: zu sorgen. Auch die Ein geborenen werden von den Krankheiten der Tropen viel mehr heimgesucht, al» man zu denken pflegt. In vielen Gebieten ist der Zustand so, daß ohne das Dazwischentreten der Euro päer die heimische Bevölkerung dem sichern Untergang ent gegenginge. Die hochentwickelte Medizin der zivilisierten Völler kommt also gerade recht, um in kritischer Zeit di« primitiven wehrlosen Urmenschen gegen die unsichtbaren Feinde der Menschheit nach Kräften verteidigen zu helfen. Auf diese Weise kann die europäisch«! ,Ko*onialipolitik man che« wieder gut machen, was sie in anderer Beziehung, na mentlich früher gesündigt hoben mag. Die Erhaltung der Eingeborenen ist ober auch Vie Lebensbediugung Mr die Handelskoloni«, ohne die deren ganzer Wett verloren ginge. Kann man fi» doch wirtschaftlich eben nur mit Hilfe der Eingeborenen ausbeuten. In den Kolonien, wo auch die weiße Bevölkerung .sich dauernd ansiedeln kann, wo also mit der Zett ein richtige» ne»«» D«utschland drau- tzen in der weiten Welt entstehen 'soll, liegen vi« Dinge wo möglich noch schwieriger. Zwar sind da die gesundheitlichen Gefahren geringer, denn sonst würde der Weihe es nicht dauernd,aushatten. Dltstr bringt das Zusammenleben von Weißen und Farbigen feine eigenen Nöte mit sich. Man stelle sich auch nur einmal vor, was da» Mr «in Kontrast ist: Der Weihe kommt au» einem Sand, das eine jahrtaufend. lange reiche Kulturentwicklung durchgemacht hat, und steht nun dem Eingeborenen gegenüber, der noch kaum über die Arstufe der menschlichen Entwicklung hinausgekommen ist. Diese Jahrtausende, die hier zwischen den verschiedene» Menschenrassen stehen, sind natürlich nicht leicht durch «in paar Verordnungen -u übetbrücken. Für den Wethen besteht die Versuchung, den Farbig«n zu «inseitig bloß al» Mittel feines Erwerb» zu betrachten. Er wird ihn dabei einerseits unterschätzen, indem er ihm keine eigen«» Rechte und An- sprüche zugosteht; er wird ihn auf der anderen Seite Wer- schätzen, indem er imnwr wieder vergißt, datz Manche Lebens und Arbeitsgewohnheiten, die dem Europäer längst in Fleisch und Blut liegen, dem Farbigen fremd und nicht von heute auf morgen anzueignen sind. Der Eingeborene aber erliegt nur zu ost der anderen Versuchung, die Aeußerfich. ketten der höheren Kultur Nachnahmen und so zu einem wertlosen Zerrbild zu werden, das von den Gigenscha^en der primitiven Raffe wie von denen der Europäer nur di« Un arten an sich hat. So ist der Eingeborenenschutz Mr di« Kolonien dasselbe, was di« Sozialpolitik Mr di« Heimat ist, nur, daß Lei ihm alle Aufgaben in viel grö beren und schwierigeren Formen vor uns stehen. Da» Be stehen einer besonderen Gesellschaft Mr diese Aufgaben kann man daher nur mit ebensoviel Freude begrüßen, wiv etwa das Bestehen einer Gesellschaft für soziale Reform. Nach äem Zeste. O vielleicht sind diese Worte etwa» vorzeitig oder noch besser voreilig ausgesprochen» denn wenn diese Zeilen in di« Hände unserer werten Leser gelangen, werden noch gar viels von ihnen sicherlich inmitten der Festtage stehen. Die günstige Anordnung der Weihnachtstage in diesem Fähre .verleitet dazu ohne weiteres. Donnerstag, Freitag, Sonn tag al» frei» Tag«, dazwischen eingekeilt, so durchaus nicht Htneinpaffend, der heutige Sonnabend. Ul» dritter Methnachtstag gilt er an und Mr sich Mr nicht wenig« fo wie so schon nicht al« Arbeitstag, also feiert man wohl gern über den Sonnabend hinweg und freut sich, daß das Christ- fest so günstig fiel, Und schließlich — wenn es auch nicht gerade schön ist, bei jeder Gelegenheit oom Wetter zu spre chen — von diesem doch inoch einigermaßen begünstigt wurde. Man kommt zur Weihnachtszeit um die Witterung eben nicht herum, mag man wollen oder nicht, von ganz allein kommt die Rede darauf. Und da ist es nur erfreulich feststellen zu können, daß di« Wettergeister vom Heiligen Abend an wiederholt den Versuch unternahmen, weiße Weihnach ten zu inszenieren. Ihr Vorhaben wurde allerseits freu dig begrüßt, und die dann und wann herniederschwebenden Flocken, die sogar «ine leichte Schneedecke in unserem Auer Tal bildeten, erhöhten sichtlich die festliche Freude. Dio vor« angenehm« Begegnung befangen, bezahlte Dr. Wegener mechanisch den ihm genannten Betrag nebst einem anständi gen Trinkgeld und wandte sich dem hellerleuchteten Hause vor ihm zu, während da» Auto schon lustig wieder davon, Este. Eine geräumige Vorhalle empfing den Ballgast, der so- gleich in den Trubel der Angekommenen geriet und fich nun beeilte, fein« UeLerkleider loszuwerden. DoMn trat er durch di« geöffnet« hohe Flügeltür in «inen wahrhaft glänzenden Saal, in dem säum ein lebhaftes Gervoge festlich gekleideter Menschen herrschte unter denen Dr. Wegener vergeblich nach dem liebenswü digen Hausherrn und ftiner Gemahlin, aber -ruch nach der jungen Dome auSspähte, die Mr ihn der Haupt anziehungspunkt war. Dafür trat ihm jetzt ein würdiger älterer H-"r entgegen dessen Brust von Orden in allen For- 'nnt n schimmerte, faßte ibn jovial unter den Ain und be« grüßte ihn in der herzlichsten Weis«, obgleich Dr. Wegener vollkommen sicher darüber war, daß er diesen Herrn noch nie in seinem Leben gesehen habe. Da» ist schön von Ihnen, daß Sie doch noch gekommen sind, sagte der ältere Herr mit einer feierlich klingenden Baßstimme, di« er zum Flüsterton dämpfte, es war aber auch schon die höchste Zett und ich war recht ungeduldig, al» ich Sie noch immer nir gend» entdecken konnte! Es war kein Zweifel, der würdige ä'ter« Herr verkannt« seinen Bealettrr, und dieser wußte augenblicklich iE, wie «-> den anderen über feinen Irrtum aufklären sollte. Gr hofft« übrigen», nach wenigen banalen Phrasen loszukommen, und jener «siide dann seine Täusch ung schon inn« werden. Ja, sagte allo Dr. Wegener, ich -ab« mich zwar sehr beeilt, aber es ist schon überiffchend voll hier. — Sicherlich, uwil alle» darauf Rücksicht genommen hat, daß der Besuch Seiner Majestät angekündisit ist. Doktor Meiner sah den älteren Herrn verblüfft vm der Seite an. Seine Mafckkät würde in die Villa des Hofta's Wollin zu einem vallfeft kommen? Unmöglich! Der Hern machte offenbar einen deplacierten Scherz. Unwillkürlich versuchte Dr. Wegener »einen Arm au» dem seine» Begleiter» zu ziehen dessen Bemerkung ihm unpassend vorkam. Dach jener hielt ihn stst und fuhr vertraulich fort: Sehen St«, da» märe ein« Gelegenheit Mr Sie, auch etwa» in» Knopfloch zu kriegen Wollen Ei«, daß ich mtt Seiner Majestät darüber Will äer Herr Graf—? Skizze von Kotger. Als der Sekretär Doktor Wegener aus feinem Bureau heimkehrte, fand er auf seinem Schreibtisch eine elegante Einladungskarte vor, di« mit der Nachmittagspost gekommen war. Fein lithographiert stand auf der Karte zu lesen, daß Herr und Frau Hofrat Wollin sich die GH« geben, Herrn Sekretär D. Wegener zu dem Ballfeste einzuladen da» sie aus Anlaß ihres Einzuges in die von ihnen erbaute neue Billa in der Steinhofstrüße Nr. SS ihren Freunden zu geben fich verpflichtet fühlten. An dem Tag«, dessen Datum die Einladung des Hofrat» Wollin zeigte, machte also Seftetär Dr. Wegener abends entsprechende Toilette. Er ' at dies Mt aller Sorgfalt: denn er war gewiß, im Haufe de» Hof rats auch der reizenden Sidonie von Hoefft zu begegnen, von der er mit Grund annehmM zu dürfen glaubte, daß st« die Zuneigung erwidere, die er zu iHv in seinem sekretär- ltchen Herzen trug. So gedacht« er heute wiederum «inen guten Schrift vorwärt» zu tun aus dem Wege, die viel- begehrte schöne Tochter feine, Vorgesetzten fich -u gewinnen. In der Villa de» Hofrat» würde sich schon ein« günstig« Ge- legenhett ergeben, «ine Zwiesprache mit der schönsn Sidonie -erbetzuführen. Endlich glaubte Sek-etär Dr. Wegener genug unwiderstehlich zu fein, auch «ar di« für den Beginn de» Feste» angesetzt« Zeit schon nahegerückt. So sand « er dann nach einem Wagen, der ihn zu der von seiner Woh nung ziemlich entlegenen HofrMs-Villa bringen sollte. Bald fuhr ein Taxameter^vutomobil vor dem Hause vor, und Sekretär Dr. Wegener «Ute Über die Treppen hinab, rief dem Chauffeur beim Einstigen hastig die Adresse zu. und wart den Schlag hinter sich zu. Di« «eichen «Kiffen schaus ten ihn behaglich, «ährend da» Auto flott durch die Straßen titffte. Der Insasse de» wagen» hott» sich gerade seinen strategischen Plan zu Ende überdacht, den er Mnem holden Gegner gegenüber durchführen wollt«, al» da» Auto auch schon anbielt, der Chauffeur diensteifrig von seinem Sitz sprang, den WagenMag öffnete und di« Fahrtaxe nanM«. ganz in seinen Gedanken Über di« ihm bevorstehende rede? Suchen Sie sich einen Orden aus meiner Kollektion am«, der Ihnen gefällt. Damit wie« der älter« Herr auf sein« veichbästernte Brust und lächelte selbstgefällig. Doktor Wegener aber stammelte einig« unzuffammenhängende Worte, machte sich von seinem würdigen Begleiter los und schoß wie «in Pfeil aus das entgegengesetzt« Ende de» Saale» zu, al» hab« er dort soeben «ins ihm sehr werte Persönlich keit entdeckt. Als er schon tw ziemlicher Entfernung war, lehnte er fich gegen eine Säule, trocknete fich di« Stirn und murmelte: Bei Gott, ein kompletter Narr! Wie der nur in diese Ge sellschaft hier gekommen ist! In diesem Augenblick begann / die Musik «inen flotten Walzer zu spielen, und im Nu wogte Paar um Paar durch den Saal. Da gewahrte Doktor Wege ner, wie «ine reifer« Dame ihn fixiette, dann ungeniert auf ihn zutrat, ihn liebenswürdig anlächelte und dazu die Wort« sprach: Will der Herr Graf ein Tänzchen wmen? Di« Dam« «ar mtt vollkommener Eleganz gekleidet, ihre Sprach» klang gewählt, ihre Erscheinung fiel in nicht» aus dem Rahmen «iner vornehmen Ballgesellschaft: aber dieses ihr Ben«hm«n war doch einfach unerhött. Mit der ihm angebo renen Galanteri« verneigte sich der verblüffte Sekretär vor ihr, Lot ihr den Arm und begann fi« im Tanze zu drehen. Gi« tanzte gut und mtt viel Grazi«. Aber al» beide «in» Runde gemacht hatten, wandte sie sich an ihren Tänzer mit de» von ihrem liebenswürdigen Lächeln begleiteten Wor: ten- Laß, Vater, genug.sein de» grausamen Epttlsl Doktor Wegener fuhr zurück, al- hätte ihn jemand in« Gesicht ge schlagen. Gr ließ di« Dam« stehen, wo ste staiü», und stürzte -al, über Kopf davon. Die ist ja auch verrückt — um de» Himmel» willen, wo bin ich denn da htngrraten? flüsterte er. indem er rinen Haken schlug, da er in geringer Ent fernung den Herrn mit den Orden austauchen sah. E, mustert« die Gäste, die tanzenden und di« an den Wänden de» Saale» stehenden und fitzenden. Alle» dem Aeußeren nach ganz korrekte Leute, die älteren wie die jüngeren. Wer, halt — was Mv «inen seltsam starren ML doch di« junge > Dam« hatte, di« dott soeben mtt einem laiigmähntgen, einem/ virtuosen gleichsehenden Herrn plauderte! Ganz getftew abwesend, gläsern, leer — und dazu jetzt da» gellend; «ich lachr.: — dem Doktor Wegener wurde ganz ängstlich zumu^-.