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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharaud, Nossen, Liebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königl. Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Zwanzigster Jahrgang. Donnerstag, den l4. Ium t860. 24. Verantwortlicher Redacteur und Verleger: Atbert Reinhold. Bon Lieser Zeitschrift erscheint alle Freitage eine Nummer. Der Preis für Len Vierteljabrgang beträgt tv Ngr. Sämmliichc Königl. Postämter nehmen Bestellungen darauf an. Anzeigen, welche im nächsten Stück erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl in Ler Redaclion, als auch in der Druckerei d. Bl. in Meißen bi« längstens Donnerstag Vormittag, in Tharaud und Nossen aber Lis längstens Mittwoch Nachmittag erbeten. — Etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, sollen stets mit großem Danke angenommen werden. Die Rcdaction. Umschau. Während im übrigen Sachsen seit 1856 öffent lich-mündliches Strafverfahren mit Ltaatsanwalt- schaft, ferner einheitliche Gerichtsorganisation, mit Ausschluß aller Patrimonialgerichtsbarkeit, herrscht, haben die fürstlich und gräflich Schönburgischen Re- ceßyerrschaften Glauchau, Waldenburg, Lichtenstein Hartenstein und Stein auf Grund eines alteren Recesses das alte Patrimonial- Md Jnquisitions- syslem noch beibehaltcn, und es herrscht dort z. B. noch die Anomalie zweifacher Begnadigungsinstanz, erst des Fürsten von Schönburg, dann des Königs von Sachsen. Den Bemühungen unseres für die Justiz-Organisation verdienstvollen Justizministers Vr. v. Behr ist es endlich gelungen, auch die Neceß- herrschaften zum bald bevorstehenden Anschluß an die Justizreform der Erblande zu bringen. — Das k. Ministerium des Innern hat ein aus führliches Programm zur Ausschmückung der Ter- rassen-Lreppe in Dresden mit plastischen Kunstwerken veröffentlicht. Es kommt dadurch zum ersten Male der von den Standen zu Kunstzwecken bewilligte Fond bei uns zur Verwendung. Ohne die Künstler in der Wahl anderer Gegenstände zu beschränken, sind folgende Motive vom Ministerium vorgeschlagen worden: I) die vier Tageszeiten, oben Morgen und Mittag, unten Abend und Nacht; oder 2) die vier Jahreszeiten, oben Frühling und Sommer, unten Herbst und Winter; 3) unten auf der einen Seile Kunst und Poesie, auf der andern Handel und Industrie, als weibliche Gestalten symbolisirt, oben zwei Friedensgöttinnen; oder 4) unten die Kunst umgeben vonKinderge- stalten, welche die einzelnen Zweige derselben dar- stellcn, und auf der andern Seite die Natur, umgeben von den Jahreszeiten in Kinderge- stallen, oben zwei Friedensgöttinnen. An Bewer bern wird es in unserm kunstreichen Sachsen nicht fehlen; die Modellskizzen in Gyps sind bis zum 30, October 1860 einzureichen und sind für die selben zwei Preise von 200 Tdlr. und 100 Thlr. ausgesetzt. Die gekrönten Skizzen werden Eigen thum der Negierung. Als Material der Ausfüh rung wird Sandstein bezeichnet. — Aus Dresden wird der „D. A. Z." geschrie ben: In hiesiger Stadt lebt eine hochbejahrte Frau, deren Lebensabend durch den Einen Schmerz ge trübt wird, daß sie, dem Grabe nahe, darauf ver zichten sollte, von ihrem Sohne, an dem sie mit zärtlicher Liebe hing, den letzten Abschied nehmen zu können. Ohne Lebewohl war derselbe vor Jahren, um der Vollstreckung einer Verurteilung wegen Theilnahme an den Kämpfen der Mairevolution zu entgehen, in die weite Welt geflüchtet und hatte, vom Glück begünstigt, jenseit des Oceans eine neue Heimath gefunden, welche ihm den neuen Frieden eines gesicherten häuslichen Heerdes bot. Aber auch ihn zog es noch einmal in den Kreis seiner Ange hörigen zurück, und um das bekümmerte Mutter- Herz zu erfreuen, erschien ihm selbst die weite Reise in die alte Welt, sei es auch nur auf Tage oder Wochen, nicht als ein nennenswertes Opfer. Allein von der europäischen Heimath würde den Flüchtigen der hier drohende Richterspruch für immer fern ge halten haben, wenn nicht auf Ansuchen der hier wdhnenden Mutter durch einen hochherzigen Act königlicher Gnade dem Sohne auf eine gewisse er-