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Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaff, Ma» .Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in d« Geschäftsstelle uud den Ausgabestellen 2 NM. im Monat, bei Zustellung durch dje Boten 2,3V NM., bei Postbestellung LRM. zuzüglich Abtrag- . „ .. . gebühr. Einzelnummern LrRpfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umaeaend Postboten und unsereAus- t^lgerund Geschäftsstellen — > ' - nehmen zu jeder Zeit Ve- ftrlluugen entgegen. ImFalle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung dar Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung«ingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte/ Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile LORpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- Pfennig, die 3 gespaltene Rcklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgcbühr LV Reichspfennige. Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 annahmebisvorm.lvUhr. — — Mr die Richtigkeit der durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir Keine Garantie. Jeder Rabattansprn ci erlischt, wenn derBetrag durch Klage eingezogen werdenmutzoderderAufttaggeberin Konkurs gerät. Anzeigeunehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft MeitzM, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Rr, 201. — 87. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt' Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden L640 Dienstag, den 28 August 1928 Eine bittere Pille. Die geplante Tariferhöhung der Reichsbahn. Ganz unerwartet für den größten Teil der deutschen Öffentlichkeit ist in den letzten Tagen bekanntgewordcn, daß das Reichsbahngericht im Tarifstreit zwischen Reichs regierung und Reichsvahngesellschaft zugunsten der Reichsbahn entschieden hat. Da die Reichsbahn schon lange aus die Gelegenheit wartet, die Tarife erhöhen zu können, so muß sich nach diesem Spruch die deutsche Be völkerung auf eine Erhöhung der Personen- undGütertarifeabl. Oktober gefaßt machen. Schon im Frühjahr dieses Jahres hatte die Reichsbahn auf Grund einer ausführlich ausgearbeiteten Denkschrift der Reichsregierung eine allgemeine Tariferhöhung vor geschlagen. Die Reichsbahn ist nach dem Dawes-Plan zwar ein selbständiger Betrieb. Doch gelang es bei den Verhandlungen über den Dawes-Plan den damaligen Vertretern der Reichsregierung, dieser wenigstens ein Einspruchsrecht gegen Tariferhöhungen zu ver schaffen. Man einigte sich dahin, für Streitigkeiten zwi schen Reichsbahn und Reichsregierung beim Leipziger Reichsgericht ein Reichsbahngericht einzurichten, das in allen Streitfragen eine endgültige Entscheidung trifft. Dieses Reichsbahngericht hat sich nun diesmal für die Reichsbahn entschieden. Die Begründung des Urteils durch das Gericht ist der Öffentlichkeit noch nicht übergeben. Zuerst hieß es, daß die Reichsbahn von der ihr zugestandenen Tarif erhöhung nur in mäßigem Umfange Gebrauch machen wolle. Späteren Meldungen zufolge hat das Gericht jedoch zugestanden, die Tarife derartig zu erhöhen, daß sie eine jährliche Mehreinnahme von 250 Millionen Mark ergeben. In den Debatten des Reichstages in diesem Frühjahr und auch später wurde immer wieder darauf hingewiesen, daß die Reichsbahn auch ohne Tariferhöhung in der Lage sei, die Mehr kosten ohne neue Belastung der Öffentlichkeit zu tragen. Dieser Standpunkt hat wohl eine gewisse Berechtigung, hat doch die Reichsbahn in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahre über 80 Mil lionen Mark mehr eingenommen, so daß man von einem Rückgänge der Einnahmen nicht reden kann. Dazu, kommt, daß die Reichsbahn in ihrem ersten Halbjahr schon einen großen Teil der Summe aufbrachte, die sie als Mehrbetrag für das ganze Jahr in ihren Etat eingesetzt hat. Man muß dabei berücksichtigen, daß die Einnahmen der Eisenbahnen namentlich im Güterverkehr in der letzten Jahreshälfte weit größer sind als in der ersten. Im Neichscisenbahngericht sitzen bekannte Wirtschafts führer, wie Dr. Silverberg und Professor Schmalenbach. Wenn diese der Erhöhung zugestimmt haben, so werden für sie erhebliche Gründe dafür vorgelegen haben, was allerdings den breiten Massen der Bevölkerung die bittere Pille der Tariserhöhung kaum versüßen wird. Die 250 Millionen Mark Mehreinnahmen sollen so aufgebracht werden, daß 85 5 Millionen aus dem Per sonenverkehr und der Rest aus dem Güterverkehr heraus- geholt werden soll. Das bedeutet für den Güterverkehr eine Erhöhung von durchschnittlich 11 Prozent. Diese Zahl beweist schon, eine wie große Belastung aus dieser Überraschung der Reichsbahn der gesamten deutschen Wirtschaft erwächst, die die Mehrkosten auf die breite Masse abwälzen wird, woraus natürlich eine Verteuerung aller Lebensnotwendigkeiten entspringt. Für gewisse Sachen, wie Kohlen und Nahrungsmittel, sind ja bisher besondere billige Tarife vorgesehen. Es gebt aber nicht an, die Kohlentarife, die etwa 30 Prozent der Gesamt einnahmen des Güterverkehrs ausmachen, aus der Tarif erhöhung herauszulasscn, da dies eine Mehrbelastung für die übrigen Wirtschaftszweige bedeuten würde. Wie die deutsche Wirtschaft aus diesem Dilemma her auskommen wird, läßt sich noch nicht absehen. Im Gegen teil muß damit gerechnet werden, daß, wenn nicht be sondere Maßnahmen getroffen werden, wobei es leider nicht allein auf Deutschland ankommt, die Taris- erhö hungsschraube später noch weiter ausgedehnt wird. Letzten Endes steht auch hier der Dawes-Plan mit seinem Diktator, dem Reparationsagenten, als treibende Kraft im Hintergründe. Von Jahr zu Jahr steigern sich die Reparationslasten, die die Reichs bahn am meisten speist. So werden letzten Endes auch Erwägungen, die mit dem Dawes-Plan Zusammenhängen, das Reichsbahngericht bewogen haben, sich die Beweis führung der Reichsbahngcsellschaft zugunsten der Tarif erhöhung zu eigen zu machen. Diese für das deutsche Wirtschaftsleben fo einschneidende Tatsache beweist uns wieder einmal offenkundig, wie notwendig es ist, daß der Dawes-Plan einer gründlichen Durch prüfung unterzogen und in Einklang mit den wirk lichen Lebensbedürfnissen der deutschen Ration gebracht werden muß. Unsere ausländischen Gläubiger sollen sich den alten kaufmännischen Grundsatz vor Augen halten, daß es auch in ihrem eigenen Interesse liegt, den Schuldner lebenskräftig zu halten. Nach einem alten Sprichwort soll man nicht die Henne schlachten, die die goldenen Eier legt. WMMWUUUMNWUMWMMUNMUM^ Bestelle» Sie dar Wilsdruffer Tageblatt Jas Siegel Mter dem KellW-PM Ser Merzeichnungsakk in Paris. Kriegsächtungsvertrag unterschrieben. Pünktlich um ein Uhr hielten im Uhrensaal des Ans- wärtigcn Amtes in Paris am Montag nachmittag unter Führung des Außenministers Briand die Delegierten der Staaten, die zur Unterzeichnung des Kriegsächtungspaktes zugegen waren, ihren Einzug. Der feierliche Akt nahm in Anwesenheit der Mitglieder der französischen Regierung, des gesamten Diplomatischen Korps und vieler geladener Parlamentarier seinen Anfang. Der Unterzeichnungsakt war besonders feierlich. Diener in Galauniform, mit der Hellebarde in der Hand, führten die Diplomaten in den Unterzeichnungssaal; an der Spitze Staatssekretär Kellogg- Amerika, dann Lord Cushcndun-England, Briand-Frank- reich, Dr. Stresemann-Deutschland, Hymans-Belgien, Zaleski-Pslen, Benesch-Tschechoslowakei, Mackenzie-King- Kanada sowie die übrigen Bevollmächtigten, also Cos grave-Irland, Graf Manzoni-Italien, Graf Uchida-Japan, Senator Marchlan-Australien und die Oberkommissare Smith-Südafrika und Sir C. V. Parr-Neuseeland. Die Bevollmächtigten nahmen an der hufeisenförmig aufgestellten Tischreihe im Uhrensaal Platz, Briand als Vorsitzender in der Mitte. Zu seiner Rechten saßen die Vertreter Deutschlands, Belgiens, Italiens, Japans, Polens und der Tschechoslowakei, zu seiner Linken die Delegierten der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und der englischen Dominien, im ganzen vierzehn Bevoll mächtigte, die fünfzehn Mächte vertreten, da Lord Cushen- dun sowohl England als auch Indien vertritt. Stresemanns Ankunft in Paris. Briands Begrüßung. Nachdem die Teilnehmer Platz genommen hatten, er hob sich der französische Außenminister Briand zu einer Begrüßungsansprache, in der er ausführte: Ich bin mir voll bewußt, daß eine Feierlichkeit wie diese durch Schweigen gewinnen würde. Ich möchte lieber, ohne viele Worte zu machen, jeden von Ihnen sich einfach im Namen seines Landes erheben sehen, um seine Unterschrift unter die bedeutendste aus dem Frieden ge borene Kollektivakte setzen zu sehen. Aber ich würde Frankreich gegenüber meiner Aufgabe mich schlecht ent ledigen, wallte ich nicht sagen, wie geehrt es sich dadurch fühlt, die Delegierten zwecks Unterzeichnung eines allge meinen Paktes zur Ächtung des Krieges zu empfangen. Indem ich Sie willkommen heiße, beglückwünsche ich mich dazu, die Staatsmänner zu sehen, die in ihrer Eigenschaft als Außenminister persönlich an der Schöpfung, Vorberei tung oder Ausarbeitung des neuen Paktes teilgenommcn haben. Wir schulden besonderen Dank denen, die sich der Mühe einer langen Reise unterzogen, um an dieser Kund gebung teilzunehmen. Ich zweifle nicht daran, daß sie sämtlich bereit sind, sich mir im gleichen Gefühl der Dankbarkeit gegenüber demjenigen unserer Kollegen an zuschließen, der nicht zögerte, uns hier mit der vollen moralischen Autorität seines Namens und desjenigen des großen von ihm vertretenen Landes die Versicherung des Glaubens an die Bedeutuna des Paktes, den wir unterzeichnen werden, zu überbringen. Unter uns lm gleichen Saale sitzend, kann der verehrte Herr Kellogg mit ge rechtfertigtem Stolz den ganzen so durchlaufenden Weg durchmessen, seitdem wir die Möglichkeit dieses gewaltigen diplomatischen Beginnens prüften. Kann der zivilisierten Welt eine bessere Lehre geboten werden als dieses Schau spiel einer Zusammenkunft, an der durch die Unterzeich nung eines Paktes gegen den Krieg Deutschland aus freien Stücken und ohne Zögern zwischen sämtlichen anderen Signataren, seinen früheren Gegnern Platz nimmt? Gibt es noch eine schlagendere Illu stration, wenn auf diese Weise dem Vertreter Frankreichs Gelegenheit gegeben wird, der zum erstenmal seit mehr als einein Jahrhundert einen deutschen Außenminister «uf dem Boden Frankreichs empfängt, ihm den gleichen Empfang zu bereiten wie seinen ausländischen Kollegen? Ich füge hinzu, da dieser Vertreter Deutschlands Stresemann heißt, kann man glauben, daß ich besonders glücklich bin, dem ausgezeichneten Geist und Mut des hervorragenden Staatsmannes Anerkennung zu zollen, der während dreier Jahre nicht gezögert hat, sich nnter seiner Verantwortung dem Werk der europäischen Zusammenarbeit für die Auf rechterhaltung des Friedens zu verschreiben. Briand gedachte dann in warmen Worten des ab wesenden englischen Außenministers Chamberlain, dem er schnelle Wiederherstellung der Gesundheit wünschte, und betonte in seinen weiteren Ausführungen, daß es sich bei dem Pakt von Paris nicht um eine Liquida tion des Krieges handele, sondern daß er ein Vertrag der Eintracht sei. Deshalb habe auch Herr Kellogg besonderen Wert darauf gelegt, daß die Unterzeichnung dieses Paktes in der Nähe des Platzes der Eintracht in Paris vor- genommen werden sollte. Der Minister kam sodann ans das Verhältnis des Kellogg-Paktes zum Völkerbund zu sprechen und stellte dabei fest, daß'der Völkerbund in dem Kellogg-Pakt eine weitgehende Rückversicherung habe, worüber er sich nur freuen und aus dem er nur Nutzen ziehen könne. Die Ansprache schloß mit der Wendung, das große Verdienst des Paktes sei es, Hoffnung in der ganzen Welt zu erwecken. Diese Hoffnung dürfe aber nicht enttäuscht werden. Die Proklamierung des Friedens sei schon viel, man müsse ihn aber organisieren. Die Lösungen durch die Gewalt müssen durch die Lösungen durch das Recht ersetzt werden. Dies werde das Werk von morgen sein Nunmehr forderte Briand die Bevollmächtigten auf, das diplomatische Instrument zu unterzeichnen, das außer dem Vertragstext und seiner Vorrede die zwischen Kellogg und Briand im Verlauf der Verhandlungen gewechselten Noten enthält. Die Unterzeichnung. Briand setzte sich und die Zeremonie der Unterzeich nung begann. Auf der Glasplatte des dazu zur Verfügung gestellten Tisches lag das Dokument des Kriegsächtungs paktes. Golden blitzte der Federhalter, den der Bürger meister von Le Havre dem Washingtoner Staatssekretär überreichte. Ein schmuckloses Tintenfaß dabei, das gleiche, das Vergennes im Jahre 1783 benutzte, um den ersten zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika geschlossenen Vertrag zu unterzeichnen. Als erster tritt Reichsaußenminister Dr. Stresemann an den Tisch und setzt seine Unterschrift unter den Pakt. Ihm folgen Kellogg, der im Namen der Vereinigten Staaten von Amerika zeichnet, Hymans, der Belgier, Bri and, Lord Cushendun, der auch für Indien zeichnet, dann die Vertreter der britischen Dominions und die Bevoll mächtigten der übrigen Staaten. Dr. Benesch schließt die Reihe. Eine halbe Stunde hat die feierliche Handlung ge dauert. Dann ziehen sich die Delegierten in den ge schmückten Garten des Außenministeriums zurück, wo ihnen Briand den Tee servieren läßt. Mit diesem Federhalter wurde der Kelloggpakt unterzeichnet. Stresemann bei Briand. Um 6 Uhr fuhr Dr. Stresemann zu Vriaud, der ihn im Auswärtigen Amt erwartete. Briand ging Stresemann entgegen und begrüßte ihn mit der Frage nach seinem Befinden, dann schlossen sich die Türen und die beiden Außenminister blieben vierzig Minuten lang mit dem Dolmetscher allein Die offiziöse Veröffent lichung sagt in allgemeinen Wendungen, daß -die Aus-