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! /luer Tageblatt - EW -lnzeiger für üas «krAgebirge SM p»M,ck'«,nt», Lllpzlg N». 14», Sonntag» äen 13. Februar l927 22. Jahrgang 1 mr. de» k k/77 mein« steht. md 1.10 leien, Kunci- ^uto. öer unä eine ru- snn > 962. in in 6 m Ne Nie lebte» iükren s Str. 7?, MßtraueirSanträge. Ts wurde zunächst abgesttmmt über den von den Demokraten eingebrachten motivier ten Antrag, der folgenden Wortlaut hatte: „Durch die Erklärung des Herrn Reichskanzlers werden die Bedenken nicht beseitigt, die gegm die Be rufung des vormaligen Landrats Dr. v. Keudcll zum Nelchölnnenmintster bestehen wegen seiner Haltung während des Kapp-Putsches und namentlich auch we gen seiner Beteiligung an Verhandlungen über eine» gesellschaftlichen Bohkvtt gegen einen Andersdenken den, der sich einem Druck auf seine politischen Hand- lungen und Gesinnungen nicht beugen wollte. Der Reichslnnenmlnister Tr. v. Keudell hat nicht das Vertrauen des Reichstages." Die Abstimmung erfolgte namentlich. Es wurden :i7!) Stimmen abgegeben, davon 161 „Ja", 217 „Nein" bei einer Enthaltung. Vom Zentrum stimmte Tr. Wirth für das Mißtrauensvotum. Bei der folgenden gemeinsamen Abstimmung über die Mißtrauensanträge der Sozialdemokraten und der Kommunisten wurden 880 Stimmen abgegeben, davon 161 „Ja", 218 „Nein" bet einer Enthaltung. Hm». Berlin, 12. Februar. Nach Eröffnung der gestrigen Retchstagssitzung er- greift der Reichskanzler das Wort. Reichskanzler Dr. Marx: „Ich glaube, daß ich dem Wunsche weiter Kreise entspreche, wenn ich mich nicht auf die Beantwortung der kommunistischen Interpellation beschränke, sondern den gesamten Fall v. Keudcll vor Ihnen hier erörtere. In der Sitzung vom 5. Februar habe ich bereits erklärt, es liege im eigensten Interesse des Herrn v. Keudell. daß die gegen ihn erhobenen Vorwürfe geklärt werden. Ich habe hierbei betont, daß ich persönlich die Untersu chung in die Hand nehmen und möglichst beschleunigen würde. Heute bin ich nun in der Lage, Ihnen alle er- orderlichen Auskünfte zu geben. Die Untersuchung, rie streng objektiv sachlich und leidenschaftslos von mir dorgenommen worden ist und die alles Material um- aßte, daö mir aus den Akten und aus den Mitteilun gen in der Oesfentltchkett in diesen Tagen zugegangen war, hat mich in die Lage Versetzt, mir ein zuverlässi ges und abschließendes Urteil zu bilden. Zunächst ist gegen den Herrn Retchsinnenmtntster Vorwurf erhoben worden wegen seines Verhalten« damaliger Landrat des Kreises Königsberg in der Soweit die Feststellungen! Auf dieser Grundlage kann ich nach genauester und gewissenhaftester Prüfung sagen, daß die Vorwürfe gegen Herrn Dr. v. Keudell wegen rechtswidrigen Verhaltens in der Vergangenheit nicht berechtigt sind. Ich bin überzeugt, datz auch dte überaus große Mehrheit dieses Hauses diese meine Auf fassung teilen wird. Ich möchte noch ein persönliches Wort hinzufllgen. Ich glaube, Herrn ReichSminister Dr. v. Keudell als einen Mann kennengelernt zu haben, der sein Wort hält. Er hat auch seine Zustimmung zu der Regierungserklärung gegeben. Ich würde e» für falsch ansehen, wenn an der Ehrlichkeit seines Willen gezweifelt würde. Persönlich kann ich auf Grund mei ner ganzen Vergangenheit dte Gewähr bieten, datz die Gekamttätigkeit der neuen RetchSregterung sich auf dem Boden der Verfassung und unserer Staatsform bewe gen wird. Gerade nach einer Besprechung, dte ich in den letzten Tagen mit Herrn Dr. v. Keudell gehabt habe, habe ich die Uebcrzeugung gewonnen, datz ich in meiner Tätigkeit in der Person des Minister» v. Keudell einen treuen Helfer gefunden habe." Reichsminister ües Innern dr. v. Kau-ellr Es widerstrebt mir innerlich, für meine Person in irgendeiner Weise zu werben. Nach den Worten ve» Herrn Reichskanzlers stehe ich nicht an, zu erwidern» ES ist bet meiner Lebensauffassung allerdings für mich eine Helbstverständltchkett, datz ich zn meinem Eide stehe und dl« mir auferlegt« besondere Pflicht, fiir den Schutz der Verfassung Republik zn sorgen, erfüllen wtkde. Reichskanzler hat vertrauensvoll an avpelliert. Was in meinen Kräften tun, um ein wahrhaft vertrauensvolle» Zu» in her Interpellation zum Ausdruck kommen, daß er Angehörige von Verbänden als Gäste bei sich gehabt hat. Herr v. Kfudell ist jahrelang von den verschiedensten Organisationen gebeten worden, er möge Mitglieder von ihnen für einige Zett auf seinen Gütern unter bringen. Herr v. Keudell hat jahrelang in weitestem Maße solche Gastfreundschaft geübt. (Lachen und Zwi schenrufe bet den Kommunisten. Durch das fortgesetzte Lärmen der Kommunisten geht manches von der Rede des Reichskanzlers verloren.) Herr v. Keudcll hat auch Kinder der Nuhrindustric bet sich gehabt, ebenso iüdische Frontsoldaten. Im übrigen waren die Gäste stets auf dem Vorwerk, das vier Kilometer vom GutShauS ent fernt liegt. Herr v. Keudell war es persönlich fast nie möglich, sich um diese Gäste zu kümmern. Den Oberst v. Luck hat Herr v. Keudell erst durch die Presse her gekannt. Es ist auf Grund der Aufzeichnungen fest gestellt, daß Herr v. Luck einmal in Abwesenheit des Herrn v,. »Keudcll im Jahre 1925 einen Tag lang auf dem Gute gewesen ist. Daß der Verband „Olympia" erst am 25. Mat 1926 verboten worden ist, dürfte be kannt sein. Im Jahre 1926 war aus dem Gute der Jungdeutschlandbund untergebracht, der als unpolitisch bekannt ist und in keiner Weise mit der ehemaligen „Olympia" oder anderen verbotenen Verbänden etwas zu tun hat. Eine militärische Ausbildung sand nicht stnti, also anch keine militärische Schießausbildung. Schietzsport wurde nur wenig getrieben. (Aha-Rufe und Gelächter bet den Komm.) Der Reichs kanzler fährt mit erhobener Stimme fort: Ja, bet Ihnen ist bas Urteil schon gesprochen! (Erneuter Lärm bet den Komm. Zurufe: Wenn Sie kein Urteil spre chen!) Es ist eine Ungezogenheit ersten Ranges, mtr das zu empfehlen! Ich glaube, daß ich meine Pflicht zu tun weiß. (Lebh. Beifall rechts und beim Zentrum.) Auch von den im Jahre 1924 als Sportlehrer in Hohen-Lübbichow untergebrachten Leutnant Hachaller weiß Herr v. Keudell aus den angegebenen Gründen aus persönlicher Kenntnis nichts. Von anderer Seite ist mtr die Mitteilung geworden, daß Leutnant Schalter während seines Urlaubs damals junge Leute sportlich und turnerisch ausgebildet hat. Auch nach der Stel lungnahme des ReichSwehrmtnisteriumS ist das durchaus erlaubt. Tas Netchswehrmtnisterium betont durchaus das Recht der jungen aktiven Offiziere, in ihrer bienst- freien Zeit sich nach Kräften der Stählung der Jugend zu widmen. Es ist weiter darauf htngcwtesen worden, daß im Jahre 1926 der Lehrer Frttzmann das Som merlager in Hohen-Lübbichow geleitet habe. Er sowohl wie ein Leutnant,z. D., der gleichfalls in diesem Zu sammenhang genannt wurde, standen im vorigen Jahre längere Zeit in der sportlichen Jugendarbeit. Ein Hauptmann Wackerzahl von der „Olympia" ist Herrn v. Keudell nur flüchtig bekannt. Dte Verhandlungen über die Unterbringung der jungen Leute haben stets die Gutsbeamtcn geführt. Da H-rr v Keudell sich nm dl« Sammei lagert ans stiuem (knie naht gekümmert hat, so ist auch dte Behauptung abwegig, er habe eine Nacht- Übung geleitet. Daß er sich einmal von den iungen Leuten mit einigen Worten verabschiedet hat, hält Herr v. Keudell selbst für möglich. Daß er aber eine Kaisers- Gebnrtstag-rede gehalten habe, bestreitet er auf da» entschiedenste. Vir ZaU Lrascko«. Herr v. ttend«ll gibt zu, datz ,« den V«rl«hr mit Herrn v Lreeckow abgebrochen hat, keinesfalls jedoch deshalb, weil dieser sich al» Komtur de» Iungdentschen Ordens abenteuerlichen Dtktaturbe- strebungen entgegenstellte. Da» ist in der Presse be hauptet worden. An der Beschlußfassung über die AeA tuns de» Herrn v. Tresckvw hat Herr v. Keudell nicht teilgenommen, vielmehr kurz vorher an einem Ber- mittlnngSversttch mttgewtrkt. Der Verkehr mit Herrn v, LreSckow ist deshalb abgebrochen worden, weil dieser einen groben Vertrauensbruch begangen hatte, weil er vertraulich zu behandelnde Dinge pretsgegeben hatte. Bei diesen Dingen handelt« «s sich, das kann tch m t al- le« Bestimmtheit -ter erklären, weder um Diktatur^ strebungeN, noch um ihre Bekämpfung, noch,um irgend» welch» MutschpkSne. ein als Neumark zur Zeit des Kapp-Putsches. Dr. Marx bespricht nun in breiten Ausführungen die Vorgänge und sagt zusammenfassend r „Nach der ganz überwiegenden Auffassung der Rechtsprechung — ausdrückliche Bestimmungen darüber fehlen in der preu ßischen Gesetzgebung — hat der Beamte in erster Linie den Anordnungen der Vorgesetzten Dienstbehörde .zu gehorchen, insbesondere dann, wenn eine ausdrückliche Zuweisung der Vorgesetzten Dienstbehörde vorltegt. Das war hier der Fall. (Widerspruch und Zurufe links.) Ich weise ferner darauf hin, daß damals vor dem Kapp- Niitsch der militärische Ausnahmezustand bestand und auch dcu damaligen Bestimmungen war dte NegierungS- yewalt auf die militärischen Befehlshaber übergegan- !ien, und danach war Herr v. Keudell verpflichtet, jeden- salls berechtigt, den Anordnungen de» Mtlitärbefehls« Haber» Folge zu geben. Sine der ersten Pflichten de» Lnndrat» besteht darin, für Ruhe und Ordnung in sei nem Kreise zu sorgen. ES war deshalb eine gegebene und zweckmäßige Maßnahme de» Landrats, an der jjttckericker Brücke seine wenigen Gendarmen M statio nieren Dte Bedeutung dieser Maßnahme ist klar, wenn man einen Blick auf die Landkarte wirst. Dar aus ergibt sich ohne wettere», daß e» der Zweck war, ttebergrisfe von Unruhen aus dem ÄberSwalder Kreise her zu verhindern." Besuch öee Verbän-e. „W komme nun »um Küstriner Putsch- Nach der Untersuchung steht fest, daß der lehtge Netchstnnenmt^ ntster sich keinesfalls unmittelbar an dem Putsch v» W Lr Lt°'^ W LL W« VS- V'LÄ»» Keudell ist treuer Republikaner. Ablehnung der MitztrauensoAnträge. tag endete ges^ern^mtt^der^Ablchn^n^aller dret^aKeudell ist auch bet anderen Gelegenheiten nicht den ReichSinnenmtnister Dr v Keudell einaekra^^' Küstriner Putsch eingetreten. Gegen Herrn v. Mbtraue^anträg! Es wurde ^7nL°'^ L^ll weiter Vorwürfe erhoben worden, die auch Der Herr Mitarbeit werde ich sammenarbeiten zu gewährleisten. Abg. v. Guerard (Ztr.): Nach den Feststellungen des Herrn Reichskanzlers und durch dte eben gehörte Sv» klärung des Herrn Neichshmenmtnister» sind dte Vor aussetzungen erfüllt, dte wir an unser Vertrauensvo tum vom 5. Februar geknüpft haben. Diese» Ver trauensvotum erstreckt sich daher auf das ganze Reichs kabinett. Wir lehnen die gegen den Herrn Retchstnnen- mtnister vorgelcgtcn Mitztrauensanträge ab. Abg. Landsberg ISoz.) bezeichnete die Erklä rungen des Reichskanzlers und v. Keudell» in der Olympia-Frage und in der AcchtungS-Angelegenhett al» unbefriedigend und fuhr dann fort: Ich weiß, daß der Reichskanzler sich lieber töten ließe, als seinen Eid zu verletzen, aber wie in aller Welt konnten Sie, Herr Reichskanzler. RechtSauSfll/rungen machen, dte sich wi« eine nachträgliche Rechtfertigung aller der Beamten an« hören, die beim Kapp-Putsch ihrem Eid untreu wur den. Der neue Staat muß, um zu leben, von seinen Beamten verlangen, daß sic verfassungstreu sind. Des halb werden sie ja vereidigt. Wie sich ein Beamter während des Kapp-Putsches zu benehmen hatte, haben dte Staatssekretäre des Reiches und Preußen» gezeigt, lte haben erklärt, daß sie Befehle nur von der recht mäßigen Negierung annehmen und daß Kapp und Lütt witz sagen könnten, was sie wollten; sie würden darauf nicht achten. Nach dem, was ich heute vom RetchSkanz- ler gehört habe, fürchte ich, daß sich damals dte Staat», selretäre strafbar gemacht haben. . . v. Richthofen (Vom j schließt sich der Verurteilung des Verhalten» de» Mi nisters v. Keudell beim Kapp-Putsch an. Sin Beamter, der in dieser Weise seine Beamtenpsltcht verletzt hat. könne unmöglich den Ministcrposten bekleiden. In der Frage des Boykott« gegen v Tresckow sei dte Darstel- lnng des Reichskanzlers nicht richtig. (Hört, härt! links.) Tatsächlich habe v. Tresckvw Bedenken geäußert gegen einen Putschplan, den ein Major Padocke ihm vorgelegt hatte. LreSckow holte sich darüber Rathetm Iungdeutschen Orden, dem er angehörte. Der Ovden»- meister Mahraun hat di« Sache dann tn sein«» Denk schrist dem Wehrmiutltertum mttgetetlt, und wahrschein lich aus dem Wehrmintstorium haben dte neumärkischen Rittergutsbesitzer Kenntnis von dem Vorgehen de» Herrn v. Tresckvw erhalten. (Hört, härt! link» ) Herr v. Osten und Herr v. Keudell haben dann Herrn von Tresckvw geladen und ausgefordert, die Erklärung zu unterschreiben, daß er sich vom Jungdeutschen Orden trennen wolle. Al» Herr v. Tredckow da» verweigerte, wurde beschlossen, ihn gesellschaftlich zu ächten, (Lek hafte» Hört, härt! Unk».) Viefe »erächNichst« «rscheinnngesorm de» politische« Kampfe» hat der Menn mstgemacht, de« n«n Reich»« Minister sein soll, wir »nnen ,«einem solchen ««niste, kein verleimen Haden. °°°.«°° «n.h°,,-u» »i. °m.Uch°n «.k°uu.m-«u„.u n-.°. «... un» ,u-. Nr. Z7