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MsdmfferTageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gejpallene Naumzeile 20 Npfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Beicht pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 AMK. Nachweisungsgebühr 20 Reichspsennige. Dor« geschriebeneErschemungs- « tage und ^latzvorsü r« en werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt WrlSorUsf v berücksichtigt. Anzeicen annahmebisvorm.lOUHr. "" " Für die Richtigkeit ter durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Radaitanlpruct erlischt, wenn der Betrat lr rch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs (trat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Wochenblatt für Wilsdruff u, Umgegend Fall- hohrrci Hewatt, ————— — »der «oniiinri tri°d-ft-ru„s°n b°st«h> kein au, Liejerung d« Zritung od« Kürzung d-s Bezugsxreifts. - Rücklendung -,nge!anLItt Echrlpstücke «lolgl nur, wenn Porl» d.iMgi. Nr. 186 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: »Amtsblatt" Wilsdruff-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 10. August 1932 Sonderrecht und Sondergericht. Bis zur Grenze des Ertragbaren — vielleicht schon darüber hinaus — hat die Reichsregierung mit schärferen Maßnahmen gegen die Mord- und Gewalttaten gewartet, zu denen der parteipolitische Kamps hochgesteigert worden ist. Wenn die „Hoffnung" oder die „Erwartung" aus gesprochen wurde, die lange Liste der täglich zu verzeichnen den Attentate gegen Menschen anderer politischer An schauung oder gar gegen „mißliebige" Geschäftslokale würde endlich verschwinden können, so sind diese Hoff nungen und Erwartungen nicht oder in längst nicht ge nügendem Maße in Erfüllung gegangen. „Gewalt fährt auf der Straßen", wie einst Walther v. d. Vogelweide klagte, als die deutsche Reichsgewalt ohnmächtig gemacht worden war durch inneren Zwiespalt. Aber heute ist sie durchaus nicht ohnmächtig, nur hat sie lange, allzulange damit gezögert, das zu tun, was der nach Berlin zurück- gekehrte Reichskanzler mit den unzweideutigen Worten an kündigte, mit der „brutalen Anwendung aller Machtmittel des Staates", um den gegenwärtigen Zuständen ein so fortiges Ende zu setzen. Oberste Pflicht des Staates aber ist der Schutz des Lebens seiner Bürger. Dazu ist er da! Und was an den Zuständen im politischen Kampf von heute das Widerlichste ist, das ist die Feigheit, das Heimtückische, das hinterlistig Wohlüberlegte dieser Attentate und Überfälle aus Leben und Besitz politisch Andersdenkender. Die politi schen „Gangster"-Gepf!ogenheiten mit ihren kaltblütigen Vorbereitungen haben weder mit irgendwelchem Mannes mut noch mit politischer Notwehr etwas zu tun, — immer nur muß man lesen, daß „die Täter in schneller Fahrt ent kamen" oder im Schutz der Nacht „arbeiteten". Da hilft, wenn überhaupt noch etwas helfen kann, eben nur die bru tale Anwendung aller Machtmittel des Staates, hilft nur eine Steigerung der abschreckenden Wirkung schnellster und schärfster Strafen. Denn die Autorität des Staates steht auf dem Spiel, wenn er nicht schleunigst diesem politischen Wildwest-Treiben ein Ende macht. „Jede Person, die mit einer Waffe in der Hand gegen Regicrungstruppcn kämpfend angetroffen wird, wird sofort erschossen", lautete ein Befehl, den in dunkler, aufruhrdurchtobter Revolutionszeit der damalige Reichs wehrminister Noske erlassen hat. Das war ein „Sonder recht", wie die damaligen Zustände es verlangten. Und — es half. Was jetzt alltäglich vor sich ging und geht, ist aber mehr als nur die Verletzung des „Rechtes", ist mehr als nur Gewalttat gegen Leben und Eigentum anderer, — das ist Kamps gegen die Autorität des Staates. Er würde sich selbst aufgeben, wenn er hier noch irgend welche „psychologische" Nachsicht üben würde. Sonder recht und Sondergerichte, schärfste Bestrafung auf schnell stem Wege, — so wird die brutale Anwendung aller Machtmittel des Staates erfolgen. Sonderrecht, — wir haben es längst, und sehr bald sind unter dem Zwang der „Zustände" — die nicht erst seit dem Wahlkampf bestehen — die Stimmen derer verstummt, die aus irgendwelchen „prinzipiellen" Gründen gegen ein auf bestimmte Zwecke abgestelltes Sonderrecht sind. Wenn man sich in Notwehr befindet, dann greift man zur Waffe, ohne lange erst noch zu überlegen, ob ihre Anwendung solchen „prinzipiellen Erwägungen" entspricht; es kommt nur darauf an, ob sie wirksam und zweckmäßig ist. Die Zeit ist zu hart und zu brutal für theoretische Haarspaltereien, auf die weder die Pistole noch Messer oder Handgranaten irgendwelche Rücksicht nehmen. Sondergericht — denn die abschreckende Wirkung der Strafe kann nur eintreten, wenn die Verurteilung schnell stens nach der Tat erfolgt, wenn also Formalitäten aus geschaltet werden, die unter normalen Umständen zweck mäßig, ja notwendig für eine geordnete Rechtspflege sind. Aber wenn in Deutschland die Gefahr schon dringend nahe herangerückt ist, daß die Staatsautorität selbst zur Selbst verteidigung, zur Notwehr greifen muß, dann ist der Staat gezwungen, die Perücke der Formalitäten abzulegen, um sich wehren zu können Die Ta 1 soll gesühnt werden, das Recht geschützt und das Leben aller Staatsbürger, und um die sogenannten „Motive" der Täter darf sich bei solchen Zuständen weder das Sonderrecht noch das Sondergericht viel kümmern. Zu allerletzt natürlich um die parteipolitischen Denn der Ge samtheit Diener sind das Recht und die Richter, und die Gesamtheit verlangt endliche „Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" Mimaium an Bolivien. Eine Ultimativnote der Panamerikanischen Union. Wie ein Funkspruch aus Washington meldet, haben bolivianische Truppen das Grenzfort „Carlos Antonio Lopez" befetzt. Die paraguayanische Besatzung zog sich nach kurzem Gefecht zurück. Auf eine Beschwerde Paraguays beim Washingtoner Ausschuß der Panamerikanischen Union haben deren Mitgliedstaaten in einer scharfen Protestnote an Bolivien die Niederlegung der Waffen und die Wiederherstellung des Ltatus aus b i s Lum 10,August gefordert. MWse W SW des Ledens. Burgfrieden bis Ende August. Sie neue Aoiverordnung. Ausführungsbestimmungen bringen schärfste Strafen. Die neue „Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung des inneren Friedens vom 9. August 1932" ist nunmehr erschienen. Sie hat folgenden Wortlaut: Aus Grund des Artikels 48 Abs. 2 der Neichsver- fassung wird folgendes verordnet: Die Vorschriften der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung des inneren Friedens vom 29. 7. 1932 (Neichsgesetzbl. Teil 18 389) gelten auch für die Zeit vom 12. 8. 1932 bis zum Ablauf des 31. 8. 1932. Neudeck» den 9. August 1932. Der Reichspräsident, gez. von Hindenburg. Der Reichskauzlcr. gez. von Papen. Der Reichsminister des Innern, gez. Frhr. von Gayk. * Bei der Bekanntgabe der Juni-Verordnung gegen politische Ausschreitungen hat der Reichspräsident für den Fall des Wiederauflebens politischer Gewalttätigkeiten neue scharfe Ausnahmevorschriften angekündigt. Die letzten Wochen haben in Deutschland bisher unerhörte Gewaltakte gebracht. Reichspräsident und Reichsregierung haben sich daher entschlossen, zur Unterdrückung des politischen Terrors von den schärfsten Mitteln Gebrauch zu machen. Politische Gewalttaten werden durch die Verordnung des Reichspräsidenten vom 9. August 1932 unter schwerste Strafdrohungen gestellt. Für die ernstesten Fälle wird die Todesstrafe angedroht: Das geltende Recht sieht die Todesstrafe vor für den Mörder, der mit Überlegung tötet, und für schwere Sprengstoffverbrecher. Künftig hat auch der sein Leben verwirkt, der ohne Überlegung in der Leiden schaft des politischen Kampfes, aus Zoru und Hatz einen tödlichen Angriff aus seinen Gegner unter nimmt oder einen Polizeibeamten oder einen Ange hörigen der Wehrmacht tötet. Auch der wird mit dem Tode bestraft, der durch eine Brandstiftung oder ein anderes gemein gefährliches Verbrechen den Tod eines Menschen ver ursacht. Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren trifft denjenigen, der eine schwere Körperver letzung durch Anwendung einer Schußwaffe oder bei einem tätlichen Angriff auf einen Polizeibeamten ver ursacht. Die gleiche Strafe trifft alle, die sich am Auf ruhr oder Landsricdcnsbruch^in erschwerter Weise beteiligen. Mit Zuchthaus wird künftig eine Reihe von Gewalt taten bestraft, die bisher nur mit leichten Strafen bedroht waren. Alle aus politischen Beweggründen begangenen Körperverletzungen, wenn sic von mehreren gemeinschaft lich, mit einer Waffe oder einem gefährlichen Werkzeug verübt sind, stehen künftig unter Zuchthausstrafe; ferner alle Gewalttätigkeiten, die mit Schutzwaffcn begangen wer- oen, und jeder tätliche Angriff auf einen Polizeibcamtcn, wenn er auch nur zu einer einfachen Körperverletzung ge führt hat. Zuchthaus ist ferner angedroht für die leichteren Fälle des Aufruhrs und des Landfriedensbruchs und, im Hinblick auf Vorkommnisse der letzten Zeit, für den aus politischen Beweggründen begangenen erschwerten Hausfriedensbruch. Nm die neuen schweren Strafdrohungen mit Nach druck zur Geltung zu bringen, hat die Reichsregierung für diejenigen Bezirke, in denen dafür ein Bedürfnis hervor- getreten ist, im Benehmen mit der zuständigen Landes regierung Sondcrgcrichte errichtet. Die Gondergerichte. Die Sondergerichtc sind Gerichte des Landes. Sie arbeiten nach einem beschleunigten Verfahren. Ihre Urteile sind keinem Rechtsmittel unterworfen und deshalb sofort mit ihrer Verkündung rechts kräftig und vollstreckbar. Neben den durch die Verordnung des Reichspräsidenten nengeschaffenen Tat beständen sind den Sondcrgcrichtcn grundsätzlich auch alle leichteren Fälle der im politischen Kampfe vorlommcnden strafbaren Handlungen zugewiesen. Fälle von minderer Bedeutung sollen jedoch in der Regel dem ordentlichen Verfahren rnaelLitsL werden. Es war erwogen, weitere strafverschärfende Bestimmungen gegen diejenigen zu treffen, die aus dem Hintergrund die Massen zu Gewalt tätigkeiten aufreizen. Einstweilen ist jedoch von einer solchen Maßnahme mit Rücksicht darauf abgesehen worden, daß 8 11 der Ver ordnung des Reichspräsidenten vom 14. Juni 1932 bereits Gefängnis nicht unter drei Monaten für den androht, der öffentlich zu einer Gewalttat gegen eine bestimmte Person oder Sachen anffordert oder anreizt. Es wird nachdrück lich dafür gesorgt werden, daß diese Strafvorschrift gegen jedermann, auch gegen die Presse, die zu einem Teil in letzter Zeit in unverantwortlicher Weise gehetzt hat, unuachfichtlich zur Anwendung gebracht wird. Reichsregierung gegen Amnestie. In der Bevölkerung sind auch neuerdings von ver schiedener Seite Hoffnungen auf eine umfassende Amnestie erweckt worden. Die Reichsregierung erklärt, daß eine Amnestie rung politischer Straftaten in schroffstem Gegensatz zu ihrer mit den neuen Verordnungen erfolgten Absicht stehen würde, politische Gewalttaten unnach sichtlich mit den schärfsten Maßnahmen zu bekämpfen. Sic wird diesen Standpunkt jedem etwa auf- tauchenden Wunsch nach einer Amnestie mit Nachdruck ent gegensetzen. Verlängerter Burgfriede. Die neue Notverordnung des Reichspräsidenten Ser« längcrt die Bestimmungen der letzten Notverordnung vom 29. Juli, bedeutet also eine Ausdehnung des sogenannten Burgfriedens einschließlich des Demonstrationsverbotes bis zum Ende des Manats. Die verschärften Strafbestimmungen, die die Reichs regierung ans Grund der Ermächtigung aus der Notver ordnung vom Juni dieses Jahres erlassen hat, werden bereits am Mittwoch im Reichsgesetzblatt erscheinen mü mit ihrer Verkündung in Kraft treten. über die Einrichtung der Sondergerichte in Preußen wird voraussichtlich bald Genaueres ent schieden sein. Vorausgesehen sind Sondergerichtc für Ost preußen, Schlesien, Berlin-Brandenburg, Schleswig- Holstein und das Ruhrgebiet. Als Richter werden nur Berufs richter, keine Laienrichter bestellt werden. Kein Demonstrationsverbot am Verfassungstag. Die Verordnung des Reichspräsidenten vom 29. Juli, die einen Burgfrieden und das Verbot von Demonstra tionen bis zum 10. August vorsah, wird nach der neuen Notverordnung vom Dienstag erst wieder vom 12. bis einschließlich 31. August in Kraft gesetzt. Der 11. August, der V erfass ungstag, ist also ausdrücklich ausgenommen, so daß für diesen Tag ein Demon strationsverbot nicht besteht. Strengerer Vollzug der Festungshaft. Amtlich wird mitgeteilt: Im Zusammenhang mit den Maßnahmen des Reichs gegen den politischen Terror ist eine schon seit längerer Zeit vorbereitete, auf dem Gebiete des Strafvollzugs liegende Reformarbeit zum Abschluß gebracht worden. Die Reichsregierung veröffentlicht im Reichsgesetzblatt eine Vereinbarung der Landesregierun gen über den Vollzug der Festungshaft. Die neuen Grundsätze tragen der erhöhten Bedeutung Rechnung, die die Festungshaft als Strafe für die leichteren Fälle des Hoch verrats in den Nachkriegsjahren gewonnen hat; sie ge stalten den Vollzug der Festungshaft strenger, als sr bis her war. Das von den Ländern anerkannte Bedürfnis da zu ergab sich aus schweren Mißständen, die eine Folge der weitgehenden Freiheiten der bisherigen Vollzugs methode waren. Künftig soll es keinen unbeaufsichtigten Stadtausgang mehr geben, und die bisher sehr ausgedehnte Bewegungs freiheit der Gefangenen innerhalb der Anstalt wird in den neuen Vorschriften dadurch beschränkt, daß eine tägliche sechsstündige Beschäftigungszeit und der Verschluß der Haftröume während dieser Zeit eingeführt werden. Wäh- rcnd der übrigen Tageszeit soll ein Haftraum nur ver schlossen werden, wenn cs die Ordnung oder Sicherheit erfordert. Die neuen Grundsätze werden die Landesregierungen gemäß der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten seit der Bekanntmachung zur Durchführung bringen.