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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag». Abonnementrpreis beträgt vierteljährlich I Mark 20 Ps Jnserarc ».erden bis spätesten Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit »o Pf., unten „Eingesandt" mit -y Pf. berechnet. D e g er u für den Atnolstemetutzkrarß, di-ri link' ^»dttlvorüanr Zwöniß. Verantmortlicher Nedacteiir: Bernhard Oti in gwöm». 12. Dienstaq, dm 36. Jamrar 88^3. 8. Ialmr. politische Kund schau. Deutschland. Das deutsche krouprinzliche Paar hat sein sil bernes Hochzeitsfest in Anbetracht des demselben unmittelbar vorher- gegangenen so schmerzlichen Dranerfalles in der kaiserlichen Familie nnr in, enger» Familienkreise feiern können und aus diesem Grunde mußten sich auch die Zeichen srendiger Dheiluahme, durch welche man im ganzen Lande das hohe Jubelpaar zu ehren gedachte, auf das geringste Maaß beschränken. Auch der Empfang der verschiedenen Deputationen und Corporalionen durch das kronprinzliche Paar unter blieb noch in letzter Stunde; ob vielleicht nachträglich einige der für die silberne Hochzeichtsfeier am kaiserlichen Hofe in Aussicht genom men gewesene Festlichkeiten stattsinden werden, ist ungewiß, da hierüber noch keinerlei Dispositionen getroffen sind. Unsere parlamentarische Lage ist, seitdem das preußische Abge ordnetenhaus dem Reichstage das Feld geräumt Hal und somit sich beide Körperschaften nicht mehr die Stunde» zu ihren Sitzungen gleichsam streitig zu machen brauchen, eine entschieden günstigere. Hiervon zeugt schon der im Allgemeinen rasche und glatte Verlauf, den die zweite Lesung des Etats bis jetzt im Reichstage genommen hat und deren Beendigung unter solchen Umständen man in dieser Woche bestimmt entgegensehen darf. — Am Donnerstag erledigte der Reichstag die Etats des Rcichsjustizamtes und des Nechuuugshotes unter Streichung einiger Positionen, während die Etats der Reichs- stempel-Abgabcn und der Neichsdruckerei sowie verschiedene kleinerei Specialetats unverändert genehmigt wurden. Am Freitag wurde der Reichstag durch die Interpellation des Abg. v. Schalscha (Centrnm) über die angebliche Eommandirung von Soldaten katholischer Con- fession zu dem Gottesdienste des Staalspfarrers Grünastel in Kosel wieder einmal auf das seit längere Zeil nicht mehr betretene Gebiet des Culturkampfes geführt. Der Kriegsminister, v. Kameke, versicherte, daß die Militär-Verwaltung keinen Gewissenszwang übe, sondern sich in kirchlichen Dingen vielmehr der mildesten Praxis befleißige. Ueber das Capitel der Seelsorge beim Heere entspann» sich nun eine längere Debatte, wobei je nach dem Parteistandpunkte der einzelnen Redner die verschiedensten Wünsche laut wurden. Endlich verließ das Hans diesen Gegenstand und wandte sich der Weiterberathung des Etats zu. Aus derselben verdient lediglich die Erklärung des Kriegsmini' ster hervorgehoben zu werden, die derselbe in der Budget-Commission abgegeben hat und welche vom Berichterstatter Koeller verlesen wurde, daß nämlich die Vermehrung der deutschen Artillerie nicht beabsich tigt würde; die letztere könne sich der Artillerie jeder andern Armee ebenbürtig an die Seite stellen. — Am Sonnabend setzte der Reichs tag die Specinlberathung des Etats fort. Von 69 Mitgliedern der Fortschrittspartei, der liberalen Ver einigung und der Volkspartei ist folgende Interpellation im Reichs tage eingebracht worden: „Beabsichtigt der Herr Reichskanzler ans Anlaß des Unterganges der „Cimbria" neue Bestimmungen in Er wägung zu ziehen oder auf dem Wege internationaler Vereinbarungen anzubahnen, welche zur Verhütung von Collisioneu zur See beizutragen im Stande sind?" Die kirchcnpolitische Frage in Preußen ist durch den Briefwechsel zwischen Kaiser Wilhelm nnd dem Papste wieder aufgetaucht. Nach den Aeußerungen der „Nordd. Allg. Ztg." erscheint eine Beschleunigung der zwischen Berlin und Nom schwebenden Verhandlungen und ein schließliches Arrangement nicht ausgeschlossen. In Centrumskreisen soll die Stimmung angesichts des Umstandes, daß eine Verständigung zwischen Preußen und der Curie über das Centrum hinweg nicht unmöglich ist, eine ziemlich unbehagliche sein. Oesterreich-Ungarn. Herr v. Giers hat sich während seiner Anwesenheit in Wien großer Auszeichnungen sowohl von Seiten des Kaisers und des Hoses als anch der Wiener leitenöen Kreise zn er freuen gehabt. Es zeigt dies deutlich, welches Geivicht man in Wien aus den Besuch des leitenden russischen Staatsmannes legt nnd die ungewöhnliche lange Dauer desselben — Herr v. Giers weilte vom vorigen Mittwoch bis zum Sonntag, nicht bloS bis zum Freitag, wie es ursprünglich hieß, in der Hauptstadt Oesterreichs — spricht allerdings für die diplomatische Wichtigkeit dieses Ereignisses. Nnr über den eigentlichen Zweck dieses langen Besuches ist man noch im Unklaren, wie ja überhaupt die ganze mehrmöcheutliche Reise des russischen Staatsmannes einen mysteriösen Charakter an sich getragen hat. Es lassen sich daher auch über die Wiener Zwischenstation des Herrn v. Giers vorlänsig nur Vermuthungen aufstellen, etwas Ge wisses aber „weiß man nicht", wie es im Volksmunde heißt. Frankreich. Die politische Crists in Frankreich war am Ende der vergangenen Woche noch immer eine „latente", wie der politisch- diplomatische Kunstausdruck lautet, d. h. es wußte noch Niemand, selbst die „eingeweihtcn Kreise" nicht ausgenommen, wie die Crists enden würde. Charakteristisch für die gegenwärtige politische und parlamentarische Lage in Frankreich ist die Uneinigkeit nnd Zerfahren heit, welche sowohl im Cabiuet Tuclerc als auch in der Deputirlen- kammer herrscht. Ein Theil des CaiunetS will die orleanistischen Prinzen ä tont pnüx halten, ein anderer Theil neigt einer Ver- ständignng mit der Kammer zu und nm die Angewißheit vollkommen zu machen, heißt es, daß verschiedene Cabiuetsmitglieder jetzt die Zurücknahme der Gesetzentwürfe bezüglich der Thronprätendenten und wegen Abänderung des Preßgesetzes verlangen. Die Deputirten- kammer aber schwankt in der Frage bezüglich des Schicksals der Thronprätendenten unentschlossen hin und her; zwar hat die Kammer commission den Antrag Floguet ans Ausweisung aller Mitglieder früherer Herrscherfamilien Frankreichs in verschärfter Form ange nommen, aber daraus folgt noch nicht, daß nun anch das Plenum der Kammer diesem Anträge zustimmen wird, zumal da der von der Commission gefaßte Beschluß in Kammerkreisen selbst nnr geringe Zustimmung findet. Die entscheidende Berathung über denselben im Plenum der Kammer sollte am Montag, den 29. Januar, stattfinden. In Anbetracht dieser Lage der Dinge erscheint es begreiflich, daß die Gegner der Republik das Haupt noch immer hoch tragen. So feierte»» die Royalisten vorige Woche in Limoges ein großes Bankett, auf welcher natürlich die baldige Wiederherstellung des Königthums in Frankreich in enthusiastischer Weise begrüßt wurde. — Der Mi nisterpräsident Duclerc ist leicht erkrankt. England. Die englische Regierung verfolgt in der Regelung der egyptischen Angelegenheiten entschieden ihren Weg weiter, so auch hinsichtlich der financiellen Berathung der Regierung und des Khedive. Da mit Zustimmung Englands die ägyptische Regierung die Finanz- controle für aufgehoben erklärt hat, so ist der bisherige englische Controleur, Mr. Colvin, dem Khedive als Rathgeber zur Seile ge stellt worden. Die Nachricht von der schon erfolgten Ernennung Colvin's hat sich bis jetzt zwar noch nicht bestätigt, da die englische Regierung der egyptischen ihre Zustimmung zu dem Entwürfe des ErnennungSdecret noch nicht nngezeigt hat, doch gilt diese Ernennung als nnmittelbar bevorstehend. — Die drei Mitglieder der irischen Landliga, Davitt, Healy und Quinn, welche sich weigern, die ver langte Caution zu stellen, werden je 6 Monate Gesängniß erhalten. Diese Strafe war ihnen nngedrohl werden, wenn sie sich weigern sollten, die verlangten 2000, resp. 1000 Pfund St. als Bürgschaft für ihr gutes Verhalten zu stellen. Türkei. Der ewige Grenzstreit zwischen der Türkei und Mon tenegro scheint sich jetzt wirklich seinem Ende nähern zu »vollen. Gegenwärtig wird die türkisch-montenegrinische Grenze von Megurcd bis Skutariaske programmgemäß abgesleckt. Ferner meldet man aus Skutari, daß Hoffnung vorhanden sei, daß es der Energie und Ge schicklichkeit des türkischen Delegirten Bedri Bei; gelingen werde, die Schwierigkeiten, welche sich bei Besetzung der an Montenegro abge tretenen Gebietstheile herausgestellt haben, zu begleichen und einen Conflict zn vermeiden. Bedri Bey hat von der Pforte diesbezüg liche Instructionen erhalte»». Süd-Amerika. Aus Süd-Amerika kommt die Kunde von einem dort landesüblichen politischen Ereignisse, nämlich vom Aus bruche einer Revolution in der Republik Ecuador. Tie Negierung dieses Staates hat erklärt, jede Verantwortlichkeit für die Sicherheit und das Eigenthum der Ausländer ablehnen zu müsse»». — Die Aus sichten für ein»n definitiven Friedensschluß zwischen Chile und Peru gestalten sich immer günstiger. Ter in Eajamaica tagende National- Congreß der Peruaner hat beschlossen, Unterhandlungen behufs so fortigen Friedensschlusses mit Chile einzuleiten, sei es mit, sei es ohne Bolivia. Zur Bedingung macht jedoch der Congrcß, daß Peru seine Unabhängigkeit behält und daß es nicht aller der Hilfsmittel beraubt werde, welche es zur Besserung seiner Lage unbedingt nöthig hat.