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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. 81.Freitag, den 16. October 187^. Tagesgeschichte. Berlin. Graf Arnim, der an der Zuckerruhr leiden soll, ist nun mehr infolge einer zweiten ärztlichen Konsultation aus der Stadt- doigtci nach der Charits übergesiedelt, wo ihm zwei Zimmer zur Verfügung gestellt worden sind. Der Graf wird durchaus in den Formen eines Untersuchungsgefangencn behandelt. Nach einem Telegramm des Hirsch'chen Bureau soll das amt liche Journal der deutschen Botschaft in Paris, welches in Berlin an Gerichtsstelle eingctroffen, die Nummern und Eintragungen der jenigen Aktenstücke enthalten, die Arnim jetzt als Privalkorrespvndenz Und als sein Eigenthum in Anspruch nimmt. Die Eintragungen in das amtliche Journal sollen von Arn im's eigener Hand hcrrühren. Am 9. October Nachmittag 1 Uhr wurde, wie die „Köln. Ztg." berichtet, der Erzbischof von Köln, Melchers, nachdem derselbe 6 Monate uud 9 Tage im Gefängniß verbracht, aus der Haft ent lassen. Die ganze Strafsummc, die der Erzbischof zu zahlen hatte, betrug 10,000 Thlr., 9000 Thlr. wurden von seinem Gehalte in drei Raten an die Straskasse abgeführt und 372 Thaler betrug der Erlös ans dem verkauften erzbischöflichen Mobiliar. Die noch übrigen 628 Thlr. wurden durch die oben angeführte Freiheitsstrafe ausgewogen. Nur wenige Leute, durch zwei vor dem Arrcsthause haltende Wagen angelockt, hatten sich zur Zeit der Entlassung des Prälaten vor dem Gefängnisse angcsammelt. Diese blieben, als derselbe aus dem Thore trat und mit einem Geistlichen einen der beiden Wagen be stieg, ganz ruhig. Die letzten Herbstmanöver der deutschen Truppen haben sogar unsern Nachbarn jenseits des Rheins, die gewiß viel leichter geneigt sind, deutsche Verdienste und Errungenschaften zu verkleinern, als sie zu vergrößern, die volle Anerkennung abgezwungrn. So hat der französische Kriegsminister in einem Circularschreiben an die französischen Korpskommandanten auf die bei der deutschen Armee übliche Ruhe und Mäßigkeit im Kommando aufmerksam gemacht, welche von den zu den Manöver» in Deutschland abgesandten Offi zieren besonders betont worden sei. Er erklärt diese Art des Kom- wandirens, bei dem oft bloße H"nd- und Kopfbeweguugen an die Stelle der lauten Stimme treten, für einen großen Vorzug vor den im französischen Heere üblichen lärmenden Ausrufungen und wünscht, daß sich die deutsche Kommandoweise nach und nach auch bei dem Letzter» cinbürgern möge. In Berlin wurde am 12. October der Congreß gewerbtreiben- der Bäcker Deutschlands eröffnet. In das Präsidium wurde unter andern Herr Böhme aus Leipzig gewählt. In der ersten Sitzung gelangte nach langen und lebhaften Debatten eine Resolution zur Annahme, von deren Durchführung sich sehr viele Redner allerdings selbst nicht zu überzeugen vermochten. Das Fünfpfennigstück soll da nach nach Einführung der Neichsmünze die kleinste Backwaare sein. Dann wurde weiter beschlossen, cs möge jede einzelne Innung beim Reichstag petitioniren, daß Z 73 der Gewerbeordnung aufgehoben werde, welcher den Ortspolizeibehörden das Recht giebt, die Bäcker und Verkäufer von Backwaaren zur Aushängung von Taxen zu zwingen. Wie werden künftig die Briefe zwischen den fünf Welttheilen hin und her fliegen; denn wir bekommen eine billige Wellpost und wir verdanken sie dem Postcongreß, der in Bern getagt und auf welchem der deutsche Generalpostmeister Stephan die erste Rolle ge spielt hat. Es wird so ziemlich in der ganzen Welt ein und das selbe Porto eingeführt werden. Das ist ein ungeheurer, fast idealer Fortschritt und doch wird man vier Wochen nach Einführung des Weltportos dies so natürlich finden, das eine Erhöhung desselben und eine Lossagung von der Portogleichheit, wie eine unerträgliche Barbarei erscheinen würde. Im ersten Augenblick wird freilich Mancher sragen: Wie soll ein Brief, den man in Deutschland mit 2 Groschen- Marken beklebt, welche die deutsche Rrichspost sich bezahlen läßt, in ganz England, Amerika und in allen anderen Welttheilen frei ohne Nachzahlung expedirt werden? Aber die Antwort liegt nahe. Der Brief aus Deutschland wird eine Antwort erfordern oder selbst die Antwort eines Briefes sein, den sein Empfänger schreiben wird oder geschrieben hat. Da wird die dortige Passbehörde auch ihre zwei Groschen davon beziehen und die Ausgleichung wird sich von selber machen. Immer ernster und drohender gestaltet sich die Lage im Süden der Vereinigten Staaten von Nordamerika. In Louisianna haben sich 15,000 Neger gesammelt, und jeden Augenblick mag der Zusammenstoß erfolgen, welcher den Anfang des unausbleiblichen, erbitterten Massenkampfes bilden wird. Zudem läßt die nächste Präsidentenwahl schon jetzt neben den sozialen auch die politischen Gegensätze schärfer hcrvortretcn, als dies vielleicht je zuvor der Fall gewesen. Rechnet man zu den sozialen und politischen Stürmen, welche, wie cs den Anschein hat, über die amerikanische Union unab wendbar Hereinbrechen werden, noch die momentane wirthschaftliche Katastraphe hinzu, in welche Korruption und anderseits maßlose Aus schreitungen einer hirnverbrannten Socialdcmokraiie im Kampfe zwischen Arbeit und Kapital das Land gestürzt haben, dann müssen selbst dem Europamüdesten vorläufig die Illusionen schwinden, von „dem Golde, das dort drüben auf der Straße liegt." Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Dresden, 14. Okt. In der am 12. d. M. abgehaltcncn Sitzung des Gewerbevereins sprach dessen Vorsteher, Herr Walter, über die im sächsischen Landtage entschiedene Steuerreformfrage. Ernennt die Steuerreform eiue Entlastung des Grundbesitzes auf Unkosten der übrigen Stände. Er ist der Ansicht, daß der Gewerbe und Handels staudt trotz des im Vereinigungsverfahren geretteten, nickt versteuer baren Fünstheils seines Einkommens für gewisse Klassen, künftig nicht weniger, sondern sicherlich noch mehr Steuern aufzubringen haben werde, wie bisher, und doch sei gerade das Einkommen des Handels und Gcwerbestandes das am wenigsten sichere. Chemnitz, 13. Oktober. Im hiesigen Gerichtssaale spielte sich in den letzten Tagen eine düstere schauerliche Familienszene ab, eine Szene, die auf unsere sozialen uud sittlichen Zustände entsetzliche Streiflichter wirft. Die Frau eines Steuerbcamten, die fortwährend in Geldkalamitäten gelebt, und der auch im Ehelebeu Amor nichtzu- gelächclt, hatte sich, nachdem sie zuvor zu unerlaubten Gcldeinahmen die Hand geboten, mit ihren 4 Kindern vor circa 4 Monaten in den Schloßteich gestürzt, um dort den Tod zu suchen. Zwei ihrer Kinder ertranken, während sie selbst, nebst den andern zwei Kindern gerettet wurde. Vorgestern und gestern stand sie nun vor dem Schwurgericht des Mordes, cv. des Todschlags angeklagt. Sie hatte in ihrer Jugend glückliche Tage gesehen und eine gute Erziehung genossen. Ihre Ehe dagegen ist eine Kette von Drangsal und Verirrung gewesen, die theils von ihr selbst, theils von ganz abnormen Verhältnissen ver schuldet worden sind. Der Gerichtshof vcrurthcilte sie wegen Tod schlags unter Annahme mildernder Umstände zu vier Jahren Gefäng niß, wovon 3 Monate als schon verbüßt in Abzug kommen. In Pegau hat am letzten Mittwoch ein Bultercrawall stattgc- funden. Die Buttervcrkäuferinnen hatten unter der Hand mit dem Preise aufgeschlagen — sie verlangten unter anderem 10—12 Groschen für ein halbes Pfund Butter — und das erbitterte die Pegauer Hausfrauen. Schneeberg, 11. October. Begünstigt durch das fast ununter brochen schöne Wetter ist in hiesiger Gegend die Kartoffelernte im Allgemeinen als beendigt anzusehen, da nur hie und da Besitzer grö ßerer Feldcomplexe mit den Erntearbeiten noch im Rückstände sind. Uebcr den Ausfall der Ernte ist nur Günstiges zu berichten und kann dieselbe als eine gute Mittelernte registrirt werden. Auch die Obsternte ist, Dank der warmen Septembertage, als eine befriedigende zu bezeichnen und da es hier im Juni und Juli nicht in dem Maße an Regen gemangelt hat, als in den niederen Gegenden, so ist heuex