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Mittwoch, 15. April 1908. U ADDD «r. 88. MM Mramch und Anzeiger für das Erzgebirge viiaiilwortlicher Redakteur : Zeitz Aenhold. Für die Inserat« verantivoetlich: lt) alter Rraus beide in Aue. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—L Uhr. — Tclegranim-Adrcjse: Lageblatt Aue. — Fernsprecher Iw. Für unverlangt eiugesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werde». Druck und Verlag Gebrüder Beuthner ()»h.: Paul Beuthner) in Aue. Bezugspreis: vnr-b unsere Boten frei ins Hau; monatlich so psg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich «v psg. und wöchentlich ,0 psg. — Bei der Post bestell« und selbst abgeholt vierteljährlich ,.so Mk. — Durch den Briefträger srei Ins Haus vierteljährlich ,.92 Mk. — Einzelne Nummer ,o psg. — Deutscher postzeituugs. katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens 9'/, Uhr vormittags. Für Aufnahme von größeren Anzeigen an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorher bei uns «ingehen. )ns«rtionspreis: Die siebcngespaltene Aorpnszeile oder deren Raum <0 psg., Reklamen 2S psg. Lei größere» Aufträgen entsprechender Rabatt. Viese rr«rinnre<r «nrfirtzt Q Seiten Das Wichtigste vom Tage. Der Aufenthalt des deutschen Kaiserpaares im Lchillei 0 n auf Korfu ist bis zum 28. April in Aus sicht genommen. (S. pol. Tgssch. u. Tel.) Das Frühjahrsreviere m ent im preußischen Herr soll einen n 0 ch n i e d a g e w e s e n e n U m f a n g annehmen. Als Ergebnis der Rom reise des Fürsten Bülow wird die volle Einmütigkeit des Dreibundes in den valkanfragcn offiziös hervorgehobeu. (S. pol. TgSsch. u Tel.) In England steht ein neuer EisenbahnerauS- stand bevor. Die Tabakssteuerfrage. Der Deutsck)« Tabakverein hat an die Mitglieder des Reichstages und die Vertreter des Bundesrates im Reichs tag eine Eingabe gerichtet, in welcher unter Hinweis aus die mißliche Lage des deutschen Tabakgewerbcs die gegen eine höher« Belastung des Tabaks sprechenden Gründe nochmals dar gelegt werden. Der Tabak bringe jetzt, so wird in der Eingabe ausgesührt, außer der Zigaretten-Sondersteuer, rund 80 Millionen Mark aus. Die verbündeten Regierungen zielten aber aus eine Mehreinnahmc aus dem Tabak für die Reichskasse von mindestens t>0 Millionen Mark ab. Eine solche Mehrbelastung des Tabaks würde einen entsprechenden Rück gang des Verbrauchs zweifellos zur Folge haben . Nach dem Ergebnis neuerdings wieder angestellter zuverlässiger Ermitte lungen über den Absatz der oerschiednen Zigarrensorten betragen die Raucher der Drei- bis einschließlich Sechspscnnig^-ortcn rund 85 Proz. aller Raucher. Es handele sich dabei vorwiegend um wirtschaftliche Existenzen, welche so ziemlich ihr ganzes Ein kommen für ihre Lebenshaltung aufwcnden und deshalb nicht in der Lage sind, eine Verteuerung ihres Rauchgcnusscs ohne seine Einschränkung auf sich zu nehmen. Der Fakturenwert der in Deutschland hergestellten Tabakfabrikate beim Fabrikanten dürfte, ausschließlich der Zigaretten, heute gegen 10 0 Millionen Mark betragen. In diesem Fakturenwert seien eine Reihe nicht verminderungs fähiger Beträge enthalten .verminderungssähig seien nur die Ausgaben für Rohtabak, für Arbeitslöhne, für Ausstattung. Diese verminderungssähigen Posten stellen einige 60 Proz. Kes Fakturenwertes gleich 250 Millionen Mark dar; cs müßte also, um 60 Millionen Mark Steuer mehr herauszubringen, an jedem dieser Posten 21 Proz. gespart werden. Wenn es nun möglich sein sollte, diese Ersparnisse an Aus gaben für Rohtabak durch Mehrverarbcitung deutschen Tabaks und stlerkleinerung der Zigarren zu erreichen, so würde der Rück gang des Verbrauches immer noch eine Entlassung von mindesten 20 Proz. aller Arbeiter nicht nur in der Tabakindustrie, sondern auch in den Hilssgewerben, in welchen zusammen Uber 200 000 Arbeitskräfte beschäftigt werden, zur Folge haben. Für die in Arbeit verbleibenden Zigarren arbeiter aber würde diese Masscnentlassung einen starken Loh «druck bedingen. Von den aus ihrer Stelle verdrängten Arbeitskräften könnten nur wenige in anderen Erwerbszwcigen Unterkunft finden. Die Zigarrenarbeiter seien vielfach zur Leistung schwerer Arbeit ungeeignet und ein großer Teil der Arbeitskräfte seien Frauen und Mädchen, die an den Wohn sitz ihrer Familie gebunden sind, die ganze Zigarrenfabrikation sei mehr als irgend eine andere Industrie ganz außerordentlich dezentralisiert und habe allmählich ihre Vctriebsstätten und damit auch eine gewisse Wohlhabenheit in die kleinsten Dörfer getragen. Dort brächten die Mädchen vorzugsweise durch Fabrik arbeit und die Frauen durch Heimarbeit belangreichen Bar verdienst in die Familie und erhöhten damit deren Lebens haltung, wodurch auch das Abwandern in die Städte verhindert werde. Der Rückgang der Zigarrenindustrie würde die durch sie ihren Erwerb findenden Bcvölkerungskreise Deutschlands keines wegs gleichmäßig treffen. Die Mchrverwendung deutschen Tabaks und der Tlersuch, mit billigeren Löhnen durchzukommen, würde eine Verstärkung der Verschiebung nach Sllddeutschland herbeiführen, und insolgedessen würde die ungünstige Wirkung der Steucrmaßregel den sächsischen, den westfäli schen, den hanseatischen, den Eichsfelder Z i ga r r e i n d u st r i c- bczirk in entsprechend verschärftem Maße tresfen. Auch auf die einzelnen Unternehmungen würde die Wirkung keine gleiche sein. Es müßten kostspielige Versuche gemacht wer den, neue Sorten zu schassen und einzusühren. Das vermöge aber nur der kapitalkräftige Fabrikant durchzuhalten, während der kapitalschwache Mitbewerber um die Kundschaft mit ver fehlten Sorten weiter arbeiten werde, bis sein wirtschaftlicher Zusammenbruch sich nicht mehr aushalten lasse. Auf die außer ordentlich große Zahl der Zigarrenhändlcr würde die voll ständige Umwälzung auf dem Gebiete des Rauchgenusscs und bei Einführung der Banderolle die gänzlich ver änderte Form der Geschäftshandhabung eben falls eine tiesschädigendc Wirkung haben. Auch hier würde die gewaltsame Aenderung Ihrer Geschäftsverhältnisse einzelnen vielleicht förderlich sein, viele aber gänzlich ruinieren. Das deutsche Tabakgewerbe ist eben in hohem Maße ein M i t t e l st a nd s g e w c r b e. Nach dem Geschäftsbericht der Tabaks-Berussgenosscnschast für 1006 gab es 300 bei ihr kata- strierte Betriebe mit 1 bis 5 Arbeitern, 1520 mit 6 bis 16 Ar beitern, 1830 mit 17 bis 80 Arbeitern, 272 mit 81 bis 160 Ar beitern und 00 Betriebe mit über 160 Arbeitern. Zu den vor stehend nachgemicscncn. die weitiibcrwiegendc Mehrzahl bilden den Kleinbetrieben kommen aber noch die bei der Tabak-Veruss- genossenschast nicht versicherungspslichtigen Betriebe, deren Zahl weit größer ist. Es gibt in Deutschland nicht viele Erwerbs zweige. in welchen es so leicht wie in der Zigarrcn-Jndustrie möglich ist, aus dem Arbeiterstand in den Unternchmerstand llberzugehcn; nicht nur der überwiegende Teil der kleineren Bctricbsuntcrnehmer sind früher Arbeiter gewesen,, sondern auch die Gründer mancher Großbetriebe waren Zigarrenarbeiter. Das deutsche Tabakgewerbe und insbesondere die deutsche Zigarrcnindustric unterscheidet sich gerade in dieser Hinsicht zum wirtschaft! chen und sozialen Vorteil des deutschen Volkes von den betreffenden Erwerbszweigen anderer Länder, deren höhere Staatseinnahmen aus dem Tabak uns immer als Beispiel vor gehalten werden, die aber auch außerordentlich viel weniger Menschen Erwerbsgelegenheit bieten. Politische Tagesschau. Aue, den 15 April. Di« Thronsolgesrage in den Niederlanden. Man schreibt der N. G. C von wohlunterrichteter Seite aus dem Haag. Allen offiziösen Ableugnungen zum Trotze ist es eine unbestreitbare Tatsache, das die niederläntische Regierung sich während der letzten Monate nicht nur theoretisch, sondern auch sehr praktisch mit der Regelung der Thronfolge beschäftigt hat, — indem sie den Entwurf eines Gesetzes auSarbeitete, durch das aus der Zahl der erbberechtigten Verwandten der Königin der Prinz Heinrich XXXIII. Neuß j. L. bestimmt werden sollte einst nach ihr die Krone Hollands zu tragen. Die Mutter dieses- Prinzen, die verwitwete Prinzessin Heinrich VII. Neuß ist (als Tochter des Großherzogs Karl Alexander von Weimar und seiner Gemahlin Sophie der Niederlande) eine Cousine der Königin Wilhelmine. Uebergangen wurde durch diese Wahl vor allem de» Prinzen älterer Bruder, Prinz Heinrich XXXll., der der deutschen Marine als Offizier angehört. Prinz Heinrich XXXIII. ist preu ßischer (2.) Gardedragoncr-Leutnant und gegen ärtig Aliachü der deutschen Botschaft in Paris, und da er als.sehr klug und ge bildet gilt (er ist Dr. der Staatswisscnschaften) suchte man ihn unter den slir die Succession in Frage kommenden — sämtlich deutschen — Prinzen aus. Jetzt aber hat sich der Wind im Haag gedreht: Prinz Heinrich XXXlll, Neuß ist nicht in ehrFavorit tm Wettbewerbe um die Königskrone von Oranien-Nassau. Der zu seinen Gunsten fertig gestellte Gesetzentwurf wird das Licht des Parlaments vorläufig überhaupt nicht erblicken. Ob das Aichehen und die Preßerörtcrungen, die sich an einen längeren Aufenthalt des Prinzen in den Niederlanden vor einiger Zeit knüpfen, diesen Stimmungswechsel an maßgebender Stelle herbei geführt haben, sei unerörterl —, mir begnügen uns vorläufig mit seiner Feststellung. * Das deutsche Kaiserpaar auf Korfu. Der Kaiser arbeitete gestern vormittag allein und hörte sodann den Vortrag des Chef» des Marinekabinetts, Vizeadmirals v. M ü l l e r. Zur Mittags tafel war Konteradmiral Ingens hl von der Hohenzollern geladen. Am Nachmittage machte die kaiserliche Familie einen Spaziergang. — Des Kaisers eventuelle Intervention für die griechische Anschlußbahn Larissa-Saloniki wird hier für aussichtsvoll gehalten. * Kein Besuch Kaiser Wilhelms beim Papst. Die aus der französischen Presse stammende Meldung von einem bevorstehen den Besuche Kaiser Wilhelms beim Papist Pius X. hat, wie die Voß. Ztg. verbürgt «rfährt, keinen Anspruch auf Glaub würdigkeit. Wenn auch nicht ausgeschlossen ist, daß der Kaiser während seines Aufenthaltes im Mittelmeer die italienische Küste noch einmal berühren könnte, so sind doch für einen Besuch in Rom keinerlei Bestimmungen getroffen. * Ein Interview des Fürsten Bülow. Fürst Bülow cnu;sing in Rom den Vertreter der Agenzia Stefany und berichtigte ihm gegenüber mehrere phantastische Zeitungsmeldungen über sein« Häusliche Osterfrenden und Ostersorgen. Von Ernst Berger. Wesentlich verschieden vom Weihnachs- ist das Osterfest und demgemäß auch seine Feier in der Familie. Das liegt in der Jahreszeit, also im wirklichen Sinne in der Natur. Das Weih- nachtssest fällt stets wenige Tage nach dem kalendarischen Be ginn des Winters, das Osterfest kurz vor oder bald nach Früh lingsanfang. Ist die weihnachtliche Familienfeier auf das Haus, das geheizte Zimmer konzentriert, so kommt beim Osterfest schon «rheblich das Freie in Betracht. Das so ost poetisch verherrlichte Erwachen der Statur erweckt in uns Empfindungen, die in der Winterzeit mit ihren Unbilden und Beschwerden sozusagen ihren Winterschlaf hielten. Die Brust weitet sich, das Streben wird beflügelt, die Hoffnung gaukelt der Seele leuchtende Bilder vor. Man weiß, welche Bedeutung für unser Akihlbesinden die Luft temperatur hat. Wie sollte nicht des Lenzes Hauch erfreuen, den Menschen hlnauslockeu ins Freie! Kein Wunder, daß sich das Verlangen, frische Lust zu genießen, zu Ostern ganz besonders regt. Goethe hat diesen Drang im Osterspaziergang des Faust wunderbar zum Ausdruck gebracht, wo es u. a. heißt: Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, Aus Handwerks- und Gewerbs-Banden, Aus dem Druck von Giebeln und Dächern, Aus der Straßen quetschender Enge, Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht Sind sie alle ans Licht gebracht. In diesem Punkt hat sich auch heute noch nichts geändert und wird sich wohl auch in Zukunst nichts ändern. Der Oster spaziergang besteht noch heute überall. Eine Folge dieses Dranges nach Freiheit ist auch das Verreisen zur Oster- zcit. Es entstand erst in neuerer Zeit, als das öffentliche Ver kehrswesen sich entwickelte und bequemere Verkehrsmittel ge schlissen wurden. Da kamen allmählich die Gesellschaftsreisen zur Osterzell aus: nach Italien, speziell nach Rom, nach Jeru salem. Egypten usw. Sie waren und sind wohl auch heut noch verhältnismäßig billig, kosten aber immerhin o.ne größere Summe und werden deshalb wohl meist nur von Wohlhabenden unternommen werden können. Es gibt aber auch Personen mit geringerem Einkommen, die mit größter Energicr auf alle an deren Freuden verzichten und Jahre hindurch sparen, um eine solche Reise machen zu können. Noch größere Mittel erfordert es natürlich, wen» man sich nicht an einer Gesellschaftstour be teiligt, sondern allein, bczw. mit Familie reist. Dafür ist man aber auch an keine Reiseroute und sonstige Vorschriften ge bunden, sondern kann Ziel und Plan jederzeit ändern. Wer sich nicht in der glücklichen Lage befindet, längere Zeit vom Hause fern sein zu können, unternehme kleinere Ausflüge in die nächste Umgebung, die in ihrer Art gleichfalls Erholung gewähren, so viel auch der blasierte Weltstädter aus den höheren Regionen über die nach seiner Ansicht spießbürgerlichen Land partien spötteln mag. ^Mit Ausflügen verwandt ist der Aufenthalt im Garten, vordem allerdings nur bedingungsweise die Rede sein kann. DiMvlätter- und Blüten^ rächt, die später den Naturfreund so entzückt, fehlt in der Regel noch zu Ostern, aber davon würde nach Lage der Dinge wohl mancher absehen. Durchaus er forderlich ist dagegen ein« milde Lufttemperatur, wenn man nicht aus dem Garten eine gerade zu Ostern sehr erwünschte Erkältung ins Haus bringen will. Gleichwohl gehören zu den Osterfreuden in manchen Großstädten sog. Frühkonzerte in Restaurationsgärtcn, zuweilen gemischt mit Theatervorstel lungen, die allerdings in Sälen stattsinden. Diese Veranstal tungen haben auch stets ein dankbares Publikum. Die Feststim mung hilft über vieles hinweg, was man sonst vielleicht bean standen würde. Das Ideal zahlreicher Städter ist ein Haus garten, wäre er auch nur ein paar Schritte lang und breit; aber eine Laube muß sich darin aufstellen lasten. Diesen Garten bepflanzt und hegt dann der Besitzer, dem es das größte Ver gnügen gewährt, darin mit den Seinen die Sommerabende zu verleben. Zu Ostern wird der Hausgarten vielfach zu dem noch immer sehr beliebten Eiersuchen benutzt, das oft laute Fröhlichkeit erweckt, besonders wenn die viel besungene Oster- sonne darüber leuchtet. Mit dem Hausgartcn zu ebener Erde konkurriert der kleinere in der Lust: der Balkon. Er ist zu Ostern noch ebenso unbe- griint und bebliitet wie der Garten, kann aber in derselbe Weise benutzt werden wie dieser. Vielfach wird er von minder bemittelten Inhabern noch in anderer Weise nutzbar gemacht: er dient als Platz zum Trocknen der Mische und Ausliiften der Betten; auch kann inan Kleider und Polster darauf ausklopfen. Sehr angenehm für die Straßenpastanten ist das gerade nicht, aber wer sich etwa darüber beschweren wollte, hätte vermutlich davon nur sog. Ungelegenheiten. Im übrigen sind die ange deuteten Tätigkeiten meist Teile zweier Hauptfreuden im Leben der Hausfrau, und diese heißen Großewäsche und Gr oh- rein machen. Das letztere Wort ist grammatikalisch nicht ganz einwandfrei, aber selbst hochgebildete Damen wenden es an. Da es nun traditionell feststeht, daß zu Ostern im Hause alles rein sein muß, wird natürlich zu diesem Termin auch gründlich gewaschen und gescheuert. Damit verbindet man in der Regel noch eine Generalabstaubung der Oefen, Schränke,