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Erscheint wöchentlich dreimal und zwar DimitagS, Donnerstags and Sonnabends. BernaSpreiS vierteljShrltch I Ml. 30 Pfg., durch die Post 6 bezogen I Ml. 54 Psg. Fnusprecher Nr. 6. — Telegramm-Adresse: Amtsblatt WilSdruss. UN- Umgegend. Amtsblatt Inserate werde» MoutagS, Mittwoch- und Freitags bis spätestens 12 Uhr angenommen. JnsertionSPretS 15 Psg. pro viergespaltene KorpuSzeile. Außerhalb des AmtsgerichtsbeMs Wilsdruff 20 Pfg. Zeitraubeuder und tabellarischer Satz mit 50 */, Aufschlag. für die Kgl. AmLshauptmannschaft Meisten, für das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrat m Wilsdruff, sowie für das Kgl. Forffrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttarmeberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, BurkhardtSwalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzog-Walde mit LEver«, Haynvon, Kaufbach, Keffelsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdarf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Keffelsdorf, Steildach bei Mohär», Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Druck und Berlag vou Arthur Zschunke, Wilsdruff. Für die Redaktion und den amtlichen Teil verantwortlich: Hngo Friedrich, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. No. 71. Donnerstag, de« 2S. Jimi 1S68. 67. Iahrg. politisch, Nunüscha«. Wilsdruff, den 24. Juni. Deutsches Reich. Krkegsfanfaren. Der „Figaro" bringt einen Leitartikel mit der Ueber- schrift „Solons prSts" aus der Feder des Lieutenant- Colonel Rousset, der auch einmal als Deputierter gewirkt hat. Das Interessanteste an diesem kriegerischen Wort- geraffel ist eine offenherzige Mitteilung, daß der deutsche Generalstab in Zukunft mit dem Zusammenwirken englischer und französischer Streitkräfte zu rechnen habe, und daß das englische KrtegSministerium sich damit beschäftige, Truppenteile mobil zu machen, um sie am ersten beliebigen Tage in den französischen Häfen des Kanals zu landen. Er erklärt, daß diese Tatsache notorisch sei. Zum Schluß bemerkt er, daß alles darauf Hinweise, daß gewisse Ereignisse in Aussicht stehen, und daß es für Frankreich 'an der Zeit sei, sich ebenso, wie die Freunde jenseits des Kanals, vorzubereiten, damit man im entscheidenden Moment bereit sei. — An Offenheit läßt diese Auslassung nichts zu wünschen übrig. Sie übertrifft an kriegerischer Stimmung alles, was bisher von irgendeiner Seite geschrieben wurde. Für uns enthält sie schließlich nichts Neues. Beachtenswert bleibt immerhin die Nachricht über das englische Kriegsministerium, beson ders im Zusammenhang mit den vielen Auslassungen über englische Truppenlandungen in Dänemark und Schleswig-Holstein. Und da fragen noch einige englische Zeitungen, warum General French, der in mili- tärischcr Mission schon in Frankreich und Rußland war, jetzt wiederum in Reval den König Eduard begleitete. Harmlose Gemüter! In Berlin wird man ihnen vielleicht Antwort geben können, falls man in London sich hierzu außerstande erklärt oder behauptet, der Grund sei die Postierung englischer und russischer Wachposten an der afghanischen Grenze gewesen. In diesem Zusammenhang sei übrigens noch eine Aeußerung des Generals Gallifet erwähnt, die auf ähn- licher Höhe steht wie die deS „Temps". Die Wiener „N. Fr. Pr." hatte einer Anzahl hervorragender Männer Englands, Rußlands und Frankreichs die Frage vorge legt: „Besteht eine Gefahr für den Frieden?" Von den zahlreichen Antworten, die darauf eingegangen sind, teilen wir die des ehemaligen französischen Kriegsministers und Divisionsgenerals mit. Sie ist auf die Frage er- gangen, welche Bedeutung der angeblichen Ansprache des Kaisers in Döberitz innewohne, und lautet in deutscher Uebersetzung: „Mein Herr! Sind die „militärischen" Worte überhaupt gesprochen worden? Ich weiß es nicht. Auf alle Fälle sind sie für jedes andere Land, außer für Deutschland, ganz ungefährlich. Mit meinen Grüßen Gallifet." Ueber de« Kaiser als Problem liest man im „Deutschen": Wer sich den Kaiser als Charak- terproblem zur Aufgabe erliest, der warte, wenn er nicht intuitiv das Richtige treffen kann, auf die Zeiten, wo sich den Forschern das Staatsarchiv erschließt. Unser Herrscher pflegt jeden diplomatischen und militärischen Bericht, jedes Telegramm und jeden Ausschnitt, der ihm vorgelegt wird, mit Randbemerkungen zu versehen- Diese — und nicht dir oft uzu gehaltenen Ansprachen — werden einst „das kaiserliche Rätsel dort droben" lösen. Vielleicht läßt sich dann endlich das Volk davon überzeugen, wie nüchtern und unromantisch Wilhelm n. die Dinge dieser Welt durchschaute, wie er den Schein und das Wesen zu trennen wußte und wie fach, ltch sein Urteil war. So hat er schon jahrelang vor dem 13 Dezember 1906 das Zentrumsjoch im Reichs tage als unleidlich empfunden und in Wirklichkeit niemals nach Rom gesteuert. So hat er auch die auswärtige Laae oft aanz anders beurteilt, als es — notgedrungen — °L K Md Mg. St«." mußt-. W°S dt° M,-« Bücherschreioer vor uns yinstellen, das ist nur die Fassade des Mannes und nichts von dem Innenleben. Franzo- sische Feuilletonisten kramen vollends nur in Worten. Was soll es heißen, wenn Edmond Jaloux in einer Studie den Deutschen Kaiser als „Lohengrin Europas, bezeichnet? Damit ist gar nichts gesagt, solange man nicht weiß, wer dann die Elsa spielt: Frankreich oder der Islam oder der Weltfriede oder der Jmperalismus oder das Pennyporto oder die Musik Massenets. Ein wenig näher kommt Bashford in seinen Artikeln dem Wesen Wilhelm II. Der Engländer ahnt am ehesten, welch nüchterne Zähigkeit in dem ersten businsssman Deutsch- lands steckt. Im Vaterlande selbst gilt der begeisterte Prophet der „alten Firma" Deutschland, der sie zu neuen Erfolgen kräftigen will, viel weniger, als ringsherum bei den Fremden. UebcraU, wo man hinkommt draußen in Europa, heißt es: „Könnten Sie uns nicht mal Wilhelm H. auf ein paar Monate leihen?" Denn niemand hat einen Monarchen, der so die verkörperte LebenSenergte der Nation darstellt. Das ist eS. Und darum werden auch alle bierseligen Gemüter so unwirsch, wenn der Kaiser immer wieder mit „Plötzlichkeiten" die Ruhe stört. Er ist auch nur ein Mensch, er mag sich da oft verhauen, er gibt das auch, wie seinerzeit in der ltppischen Thron- folgefrage, nachher ehrlich zu — aber, Wetter noch ein- mal, lieber einen ganzen Mann, der sich verhaut, als einen Popanz, der nur verdaut! Die drahtlose Telegraphie wird am 1. Juli in die amtliche Telegraphie deS Deutschen Reiches ausgenommen. Wie die Schwarze« die Rote» einseiften! Vom Techtelmechtel deS Zentrums mit der Sozial demokratie im preußischen Landtagswahlkampf beginnen langsam die Schleier zu sinken. Die sozialdemokratische „Essener Arbeiterzeitung", die mit der unbedingten Unter- stützung des Zentrums durch die Genossen in Rheinland und Westfalen nicht einverstanden ist, schreibt u. a.: „In Mühlheim-Ruhrort lag die schriftliche Ver pflichtung des Zentrums vor, als Entgelt für die Wahl deS Zentrumsmannes durch die Sozialdemokraten hinzuwirken auf das Eintreten des Solinger Zentrums für die Sozialdemokratie. In Solingen verpflichtet sich daS Zentrum ebenfalls, für zwei von unsern Kanditaten einzutrcten". Aehnliche Abmachungen haben nach Aeußerung des Dortmunder sozialdemokr. OrganS für Bochum und Dortmund-Land bestanden. Zwar hat nachher in allen diesen Fällen das rheinische Zentralkomitee des Zentrums diese Abmachungen annulliert. Aber natürlich geschah das ohne Wissen der sozialdemokratischen Kontrahenten, sodaß das Zentrum bei den Wahlen selbst seinen Nutzen aus den Abmachungen schließen konnte- Die rote Presse findet die Haltung der Bochumer, Dortmunder und Mühlheimer Genossen gewiß verständlich; denn bet der letzten Reichstagswahl hätten Zentrumswähler den Ausschlag für die Sozialdemokraten gegeben. Aber fuchs- teufelswild ist sie über die „schwarzen Roßtäuscher" doch. Und in der Tat, auch ohne daß man mit den Genossen Mitleid zu haben braucht, kann man sich von der Zentrumstaktik angewidert fühlen. Es sind beste jesuitische Praktiken, die da verwandt wurden, und ebenso ist über allen Zweifel erhaben, daß sich dasselbe Zentrum, das mit dem Schlachtruf „für Christentum und christliche Schule" in den Kampf zog, zugleich angelegen sein ließ, die Partei des Umsturzes für sich zu mobilisieren. Wer ist Herr — der Deutsche oder der Bastard? In dem Lande der Bastards in Südwestafrika wurde vor einigen Jahren die bisher bestehende Kapitän schaft aufgehoben und dafür ein Gemeinderat eingerichtet. Hierüber wurde zu Anfang dieses Jahres berichtet: Der Rehobother Gemeinderat, der alle die deutsche Regierung und die Bastardgemeinde betreffenden Angelegenheiten unter Vorsitz des DlstriktSchess, alle reinen Bastard-Angelegenheiten unter Vorsitz des zu wählenden Gemeindevorstehers erledigt, hat sich durchaus bewährt, abgesehen von einem beschleunigten Geschäfts gänge wurde durch die neue Einrichtung auch eine Ver einfachung des Geschäftsverkehrs erzielt. Dazu bemerken die „Windhuker Nachrichten": Diese offenbar der Distrikts- Amtsstube in Rehoboth entsprossene Mit'.etluug mag wohl unter der Voraussetzung richtig sein, daß die Bastards die höhere Rasse und die Herren deS Landes sind, die Deutschen aber nur die Geduldeten und Staats bürger zweiter Klasse. Da wir nun aber leider die sonderbare Ansicht haben, Südwestafrika sei des weißen Mannes Land, und er, nicht aber der Bastard, sei die höher stehende Rasse, so erblicken wir in der Einrichtung deS BastardrateS eines der größten Hindernisse zur Be siedelung des Rehobother Gebietes durch Deutsche. Da her ist auch die Meinung unter den Weißen jenes Distrikts, soweit sie nicht mit Bastardweibern zusammen- leben und dadurch selber „verbastardiert" sind, über den Bastardrat als einer dem Ansehen deS weißen ManneS schädlichen und der Erschließung deS Distrikts hinderlichen Einrichtung keineswegs vereinzelt. Merkwürdig ist übrigens, daß die Bastards selber zum großen Teil mit der Einrichtung recht wenig zufrieden sind und sie von Herzen verwünschen. Viele von ihnen möchten nämlich sehr gern ihren Grundbesitz an Weiße verkaufen; die im Bastardrate sitzende Clique wacht aber eifersüchtig darüber, daß ja kein Fuß breit Landes aus den Händen ihres Stammes in die von Weißen übergebt, und übt einen terroristischen Druck in dieser Hinsicht auf ihre An gehörigen aus. Dadurch sind viele Bastards tatsächlich in einen Zustand von Leibeigenschaft und bitterer Armut geraten, aus dem sie durch Verkauf ihrer Grundstück: sich leicht befreien könnten, wenn dies eben möglich wäre. Einen besonderen Hinweis verdient aber die Tatsache, daß bereits seit zwei Jahren die Bastards durch ihre» Rat Selbstverwaltung und Beschlußrecht haben. Ausland. Die Frauenstimmrechtterinne« i« London veranstalteten eine große Kundgebung, indem sie in sieben Prozessionen nach dem Hyde-Park zogen, wo an mehreren Stellen Reden gehalten wurden. Im ganzen mochten an 30000 Frauen aus allen Schichten des Volkes und einige tausend Mitglieder der unabhängigen Arbeiterpartei ver sammelt sein. Bet den Prozessionen, die von berittenen Schutzleuten begleitet waren, kamen keine Ruhestörungen vor. Außer Vertreterinnen vieler Provinzialstädte waren auch solche von Schweden und Norwegen sowie anderer europäischer Länder zugegen. Aus der Kinderstube im Zarenpalast. Allerlei interessante Einzelheiten aus dem Leben der Zarenkivder weiß ein engltcher Journalist zu erzählen. „Die russischen Kaiserkinder sind wohl jene, auf die die Prinzipien englischer Erziehung auf das strikteste ange wandt werden, und bei keinem Hofe spielt im Kinderleben die englische Mode eine so große Rolle, wie in Zarskoje Selo. Der Thronerbe und die Großfürstinnen sprechen da« Englische so fließend, wie ihre Muttersprache. Die Zarin hängt mit großer Liebe an ihren Mutlerpflichten, und seit der Geburt des langerwarteten Thronfolgers verbringt sie den größten Teil des Tages im Kinder- zimmer. Als der Sohn geboren wurde, wurde ein ganzer Trupp von Sekretären angestellt, der zunächst nichts weiter zu tun hatte, als die einschlägige Literatur über die zweckmäßige Ernährung von Kindern zu studieren. Aus unzähligen Werken wurden unzählige Auszüge ge- macht, und schließlich eine Art Theorie der Diät ausge arbeitet, die die Eltern nach mannigfachen Erwägungen dann akzeptierten. Ein besonderes Vergnügen ist es der Zarin, sich mit dem großem Album zu beschäftigten, daS sie sich angelegt hat und in das sie selbst alle Photo- graphischen Aufnahmen und Zeichnungen ihrer Kinder, die in Zeitungen, Zeitschriften und auf Postkarten er- scheinen, sorglich einklebt. Der Kronprinz der erst drei Jahre alt ist, so wird auf sechs Millionen Mark ange- alljährlich für ihn ausgegeben werden. Sofort wurde der Zarensohn auf zehn Millionen Mark versichert, und die Unsummen, die nicht nur für Versicherung, sondern auch für die Bewachung und den Schutz des Kleinen, der dereinst über Rußland berrschen soll, aufgewandt werden, würden ausreichen, um Dutzende von Familien bequem leben zu lassen. Schon mehr wie einmal sind Versuche gemacht worven, den klemen Alexei zu entführen; trotz der Wachsamkeit der Beamten gelang es vor kurzem einem Fremden, tatsächlich in den Zaren-